Presse hat geschrieben: .... Nach Einschätzung der befragten Pflegedirektionen wirkt sich die angespannte Personalsituation in der Krankenhauspflege bereits auf die Patientenversorgung und -sicherheit aus. So können Umlagerungen, Mobilisationen, Schmerzmittelverabreichungen und Überwachungen von operierten Patienten nicht mehr in jedem Krankenhaus optimal gewährleistet werden. Die Anzahl der Beschwerden von Patienten und Angehörigen über die Versorgung nimmt in jedem fünften Krankenhaus zu. 40 Prozent der Befragten rechnen zukünftig nicht mit einer Verbesserung der pflegerischen Qualität der Patientenversorgung. Zudem wird ein weiterer Stellenabbau in der Pflege aufgrund des Kostendrucks im Krankenhauswesen erwartet. ...
Die dip-Studie ist nach meinem Eindruck gut recherchiert und stellt die Situation der Patientenversorgung und der Pflegenden im Wesentlichen richtig dar. In einzelnen Krankenhäusern scheint die pflegerische Unterversorgung noch schlimmer zu sein. Was Pflegekräfte seit geraumer Zeit berichten, spottet jeder Beschreibung.
Es bedarf nicht nur eines Aufstandes der Alten (Titel eines kürzlich ausgestrahlen TV-Films), sondern dringend
notwendig ist ein Aufstand der Pflegenenden (im Interesse des eigenen Berufsbildes aber auch im Interesse der Patienten und pflegebedürftigen Menschen).
Sabrina Merck
Anmerkung der Moderation - heute hat das BFG das nachfolgende Statement übermittelt:
Betreff: Pflege-Thermometer2007 - Weniger Pflegekräfte, höherer Arbeitsaufwand und Mehrarbeit
Das Pflege-Thermometer 2007 wurde vom unabhängigen Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. in Köln durchgeführt. Es handelt sich um eine repräsentative Untersuchung leitender Pflegekräfte im Krankenhaus. Den Studienergebnissen liegen Daten aus 263 bundesdeutschen Krankenhäusern zugrunde. Gegenstand der Untersuchung war die Pflegepersonalsituation in den Einrichtungen mit der Ermittlung der Auswirkungen des Strukturwandels in den Krankenhäusern auf die Patienten. Des Weiteren wurden die Veränderungen der Tätigkeitsfelder der Berufsgruppen sowie tarifliche Neuordnungen in den Krankenhäusern hinsichtlich ihrer Auswirkungen untersucht.
Weniger Pflegekräfte, höherer Arbeitsaufwand und Mehrarbeit
In der allgemeinen Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 12 / Reihe 6.1.) ist ersichtlich, dass sich die Personalsituation im Krankenhaus vor allem im Pflegebereich verändert hat. Sowohl bei den Stellen für pflegerische Hilfskräfte (Krankenpflegehelfer/-innen) als auch für das examinierte Pflegepersonal (Krankenpflegekräfte) wurden in erheblichem Umfang Reduzierungen vorgenommen. Es wurden 48.000 Vollzeitäquivalente (-13,5%) für Krankenpflegekräfte in den bettenführenden Bereichen im Zeitraum von zehn Jahren abgebaut. Dabei hat sich die Fallzahl der stationär behandelten Patienten erhöht und die Verweildauer der Patienten ist gesunken. Es erfolgte im gleichen Zeitraum ein Aufbau des ärztlichen Personals in erheblichem Umfang (+19,5%). Die Belastungszahl des Pflegedienstes nach Fällen stieg in zehn Jahren von 48 Patienten auf 59, was einem Plus von 23% entspricht!
In der vorliegenden Studie bestätigen sich diese allgemeinen Entwicklungen. In den befragten Krankenhäusern der Studie wurde ebenfalls Pflegepersonal abgebaut. Die Zahl der Einrichtungen, die kompensatorisch Hilfskräfte aufgebaut haben, hält sich dabei die Waage mit den Einrichtungen, die Hilfskräfte abgebaut haben. Die betriebsinternen Möglichkeiten der Rationierung scheinen an einem vorläufigen Endpunkt angelangt zu sein. Nur 6% der befragten Pflegedirektionen sehen im Pflegebereich noch bestehende Überkapazitäten. Entsprechend liegt für das Jahr 2007 die geplante Zahl des Pflegepersonals durchschnittlich auf dem gleichen Niveau wie 2006. Langfristig sehen sich die leitenden Pflegekräfte mit einem weiteren Abbau des Krankenpflegepersonals konfrontiert. Über 52% der Befragten schätzen ein, in den nächsten fünf Jahren weniger Krankenpflegepersonal zu beschäftigen. Dies steht im Widerspruch zu einem erwarteten Mehrbedarf an pflegerischem Fachpersonal, der von 42% der Befragten geäußert wird.
Nahezu einheitlich (92%) wird ein kontinuierlicher Anstieg des Arbeitsaufwandes für das Krankenpflegepersonal beobachtet. Dieser umfasst einerseits die Erhöhung des Aufwands für Koordination, Administration und Dokumentation. Andererseits ist den Angaben von über 90% der Befragten zufolge der Aufwand der direkten Patientenversorgung gestiegen. Dies wird im Zusammenhang mit der Erhöhung der Pflegebedürftigkeit der Patienten gesehen. Die bestehenden Personalkapazitäten stoßen offenbar an ihre Grenzen, mehr Mitarbeiter werden jedoch nicht beschäftigt.
Dies wird vor allem mit Einsparungen begründet. Eine Folge ist, dass die Mehrarbeitsstunden des bestehenden Personals im Zeitraum von vier Jahren beständig gestiegen sind. So kompensierten im Jahr 2006 bundesweit die Pflegekräfte umgerechnet einen Mehraufwand in Höhe von ca. 5.000 Vollzeitstellen.
Hilfskräfteeinsatz, Flexibilisierung und die Situation älterer Mitarbeiter
Hinsichtlich des Einsatzes von Hilfskräften wird von 47% der Befragten erwartet, dass in den kommenden Jahren ein Aufbau an Personalstellen in diesem Personalbereich erfolgen wird. Es geht allerdings nur jeder Siebte davon aus, dass Hilfskräfte tatsächlich den Wegfall von Krankenpflegekräften kompensieren können. Dabei halten sich die Anteile derer, die in dem verstärkten Hilfskräfteeinsatz eine finanzielle Ersparnis sehen oder diese nicht erwarten, die Waage.
Eine weitere mögliche Reaktion auf die derzeitige Personalsituation ist die Flexibilisierung des Personaleinsatzes. Möglichkeiten werden in einem Rotationssystem für Pflegekräfte oder einem Mitarbeiterpool gesehen, dessen Arbeitnehmer flexibel dort eingesetzt werden, wo ein direkter Bedarf an zusätzlichem Personal besteht. Allerdings beurteilen nur 40% der leitenden Pflegekräfte die Flexibilisierung als „effektiv“. Vor allem scheint eine Flexibilisierung mit einem hohen Schulungsaufwand beim Personal im Zusammenhang zu stehen. Daneben stößt sie auch auf Widerstände beim Personal. Als konzeptionelle Antwort einer notwendigen Optimierung der Personalressourcen kann sie anscheinend nur bedingt Wirkung zeigen. Somit rechnet auch nur etwa ein Drittel der Befragten damit, dass durch eine Flexibilisierung zukünftig klassische „Stationsteams“ aufgelöst werden.
Ältere Mitarbeiter spielen in der Personaldiskussion eine besondere Rolle. 83% der Befragten rechnen damit, dass sich der Anteil älterer Arbeitnehmer im Pflegebereich erhöhen wird. Dabei zeigt sich, dass die befragten Leitungen die älteren Mitarbeiter als weniger geeignet für die Dauerbelastung in der Krankenpflege bewerten. So schätzen insgesamt nur 4,2% die physischen Belastungen als tragbar bis zum Rentenalter ein. Bei den psychischen Belastungen sind es immerhin 15%, die die Belastungen für tragbar erachten. Nur 3% geben an, dass es ausreichend alternative Einsatzmöglichkeiten gibt, wenn ein älterer Mitarbeiter den Belastungen der Arbeit in den bettenführenden Bereichen nicht mehr gewachsen ist. Nur etwa ein Drittel der Befragten verfügt in der Einrichtung über spezielle Konzepte und Programme der Altersteilzeit.
Patientensicherheit und pflegerische Versorgungsqualität
International wird die Frage des Zusammenhangs von Pflegekapazität und Patientensicherheit in den Krankenhäusern bereits seit Jahren durch Studien beforscht. Hier mehren sich Anzeichen eines Zusammenhangs von mangelnder Pflegeversorgung und unerwünschter Auswirkungen für die Patienten. So wird häufiger auf eine erhöhte Mortalität (Sterberate), verspäteter Hilfe im Notfall und weiterer Komplikationen (Stürze, Medikamentenfehlern, Dekubitalgeschwüren etc.) als Folge von mangelnder pflegerischer Versorgung hingewiesen. Auch nach Einschätzung der Befragten des diesjährigen Pflege-Thermometers wirkt sich die angespannte Personalsituation mittlerweile direkt auf die Patientenversorgung aus. Es zeigen sich erste Risiken und Einschränkungen in der Versorgungsqualität. So schätzen 30% ein, dass Mobilisationen bei Patienten häufiger nicht mehr in einer entsprechend notwendigen Anzahl durchgeführt werden können.
Weitere 55% geben an, dass dies zwar selten, aber dennoch vorkomme. Nur 6,5% können sagen, dass dies nie der Fall ist. Auch die grundpflegerische Versorgung (bspw. morgendliche Körperpflege) und eine regelmäßige Lagerung der Patienten kann den Angaben der Studie zufolge nur noch von einem Drittel der Einrichtungen vollständig gewährleistet werden. Weitere Einschränkungen sind erkennbar. 37% geben an, dass die Nahrungsverabreichung häufiger oder oft nicht im Esstempo des Patienten erfolgt. Auch die Ergebnisse, die dem Themenfeld der Krankenbeobachtung und Überwachung zugeordnet werden können, sind alarmierend. Nur ein Viertel der Einrichtungen gibt an, eine engmaschige Kontrolle der Patienten, etwa nach einem operativen Eingriff, immer gewährleisten zu können. Ein Drittel der Befragten äußert sich dahingehend, dass die Möglichkeit, eine angemessene Patientenüberwachung sicherstellen zu können, gesunken sei. Als Folge einer insgesamt sinkenden Kontakthäufigkeit zwischen Krankenpflegepersonal und Patienten kommt es in gut drei Viertel der Einrichtungen vor, dass Patienten manchmal länger als 15 Minuten auf eine notwendige Verabreichung von Schmerzmitteln warten müssen.
40% der Pflegedirektionen geben an, dass die Möglichkeit, eine qualitativ hochwertige Pflege anzubieten, in den letzten beiden Jahren gesunken sei. 30% bemerken sogar ein Absinken der Möglichkeit, eine ausreichende Versorgung anzubieten! Zwar gibt die Hälfte der Befragten an, dass die Zahl der in der Einrichtung entstandenen Dekubitalulzerationen (Wundliegen) in den letzten zwei Jahren gesunken sei. Auch Sturzereignisse und nosokomiale (im Krankenhaus erworbene) Infektionen konnten den Angaben folgend in der Tendenz in den letzten beiden Jahren leicht gesenkt werden. Auf die weitere Entwicklung bezogen rechnen jedoch 40% nicht mit einer Verbesserung der pflegerischen Qualität der Patientenversorgung. Zudem nehme die Anzahl der Beschwerden von Patienten und Angehörigen über die pflegerische Versorgung kontinuierlich zu.
Alte und neue Tätigkeitsbereiche der Krankenpflegekräfte und Hilfskräfte
Für eine grundsätzliche Neuordnung und Umstrukturierung der Tätigkeitsbereiche der therapeutischen und pflegerischen Berufe sprechen sich 68,2% der Befragten aus. Hilfskräfte werden derzeit vor allem im Servicebereich, bei einfachen Patientenbegleitungen und bei nicht therapeutisch ausgerichteten Tätigkeiten eingesetzt. Bei der Nahrungsaufnahme und der pflegerischen Assistenz, zum Beispiel bei Lagerungen, sind weitere Tätigkeitsfelder auszumachen, die jedoch nur in jeder fünften Einrichtung durch Hilfskräfte unterstützt werden. Keine Rolle hingegen spielt der Hilfskräfteeinsatz bei der ärztlich verordneten Pflege und bei der medikamentösen Versorgung. Bei den Tätigkeitsbereichen der Krankenpflegekräfte zeigt sich, dass nur in jeder dritten Einrichtung keine Reinigungsarbeiten mehr durch qualifiziertes Personal durchgeführt werden. Noch geringer ist der Wert bei allen anderen nicht primär therapeutisch ausgerichteten Leistungen (Serviceleistungen, Patientenbegleitung, Hotelleistung etc.). Für wünschenswert halten jedoch ca. die Hälfte der Befragten die Befreiung der Krankenpflegekräfte von Serviceleistungen, der Beschaffung und Logistik von Materialien und den einfachen Patientenbegleitungen. Hier scheint eine Diskrepanz zwischen angestrebtem Tätigkeitsprofil und dessen Realisierung vorzuliegen.
Eher ablehnend stehen die leitenden Pflegekräfte Vorschlägen gegenüber, dass die Krankenpflegekräfte die Unterstützung beim Essen und Trinken (64%) nicht mehr leisten oder keine Medikamente mehr zusammenstellten (59,7) sollten. Als neu zu erschließende Arbeitsgebiete für die Pflegefachkräfte werden vor allem Tätigkeiten der Prozesssteuerung (Casemanagement / Entlassungsmanagement), der Beratung und Begleitung sowie einzelne therapeutische Maßnahmen (Wundmanagement) genannt.
Die meisten Aspekte werden jedoch in weniger als jeder vierten Klinik bereits heute umgesetzt. Fragt man nach der zusätzlichen Übernahme bislang ärztlicher Tätigkeiten, so sind es 20-30% der Befragten, die in den kommenden fünf Jahren mit wesentlichen Veränderungen rechnen. Das Spektrum der möglichen Tätigkeiten umfasst die eigenverantwortliche Narkoseüberwachung durch Pflegende, die Vornahme kleiner operativer Eingriffe und in geringerem Umfang auch die Durchführung diagnostischer Verfahren. Fast die Hälfte der Befragten erwartet darüber hinaus die Schaffung neuer ärztlicher Assistenzberufe (z.B. Chirurgisch-technische Assistenten), um der Personalsituation in den Kliniken zu begegnen.
Tarifsystemveränderungen und Auswirkungen
Im Jahr 2006 erfolgte in den Einrichtungen von einem Drittel der Befragten eine Tarifumstellung. Mit einem Verbreitungsgrad von über 40% ist der TVöD nun das am häufigsten genannte Tarifsystem. In der Bewertung sehen die Befragten tarifvertragliche Änderungen primär als einen Beitrag zur Senkung des Einstiegsgehalts bei neuen Mitarbeitern an. Daneben versprechen sich die Befragten, dass aufgrund einer Veränderung der derzeitige Personalbestand im Pflegebereich gehalten werden kann. Nur ein Drittel sieht in Tarifsystemänderungen einen Beitrag, eine leistungsorientierte Bezahlung zu realisieren. Befragt nach Auswirkungen, decken sich die Einschätzungen der Einrichtungen, die noch keine Umstellung vorgenommen haben, mit den Einschätzungen der Einrichtungen, die auf eigene diesbezügliche Erfahrungen zurückblicken können.
Knapp vierzig Prozent bemerken eine stärkere Konkurrenz innerhalb der Berufsgruppe, ein Drittel hat bereits Schwierigkeiten, berufserfahrenes Krankenpflegepersonal zu akquirieren. Es fällt auf, dass die Fluktuation der Beschäftigten anscheinend stärker zurückgeht als erwartet. Hinsichtlich der Auswirkungen der tarifvertraglichen Änderungen der Krankenhausärzte nach den Ärztestreiks im vergangenen Jahr, sind die Meinungen eindeutig. Fast 70% rechnen mit Auswirkungen auf die Personalstruktur des Krankenhauses. Dabei sehen 60% hierin einen Grund, dass zukünftig Teile ärztlicher Tätigkeiten vom Pflegepersonal durchgeführt werden. 42% rechnen hingegen weiterhin mit einem direkten Stellenabbau im Pflegebereich durch die Verteuerung der ärztlichen Leistungen. Nur 16% schätzen ein, dass es bei den Ärzten zu einem Personalabbau kommen wird.
Quelle:
Text am 24.07.2007 übermittelt - beruhend auf einer Mitteilung des dip - von
B.F.G. Bildungsinstitut Fachbereiche Gesundheitswesen,
Inhaber u. Geschäftsleiter Andreas Kray
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