Pflegenotstand in Berliner Heimen - Mehr Personal nötig!

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

valenta
Jr. Member
Beiträge: 67
Registriert: 17.11.2006, 21:39

Pflegenotstand in Berliner Heimen - Mehr Personal nötig!

Beitrag von valenta » 15.02.2007, 22:27

Staatsanwalt ermitteltet!
Spritzte Diakonie-Pflegeheim Lazarus Drogen ?
Vorwurf: Schwere Körperverletzung und Betrug


<< Mitte - Es geht um 153 Euro. Dafür soll eine Mitarbeiterin des Lazarus-Pflegeheims in Mitte die Gesundheit einer Patientin gefährdet haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Vorwurf: schwere Körperverletzung und Betrug. Im August 2006 ging die anonyme Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein. Das Delikt: Damit eine Patientin statt der Pflegestufe 2 (1279 Euro im Monat) die höchste Pflegestufe 3 (1432 Euro) bekommt, soll sie von einer Pflegerin vor der Begutachtung mit dem Nervendämpfungsmittel Dipiperon ruhig gespritzt worden sein. Hans-Uwe Stephan, Vorstandsmitglied von EJF-Lazarus weist die Vorwürfe zurück. "Der Verdacht hat sich nicht bestätigt. Wir werden wegen Verleumdung vorgehen."

Michael Redel, Leiter der AG Abrechnungsmanipulation der Ersatzkassenverbände Berlin und Brandenburg, aber sagt: "Wir haben den Verdacht, dass es noch mehr Fälle gibt." Seit 2004 hat er mit elf Mitarbeitern 5000 Verdachtsfälle von Abrechnungsbetrug bearbeitet. 450 Mal konnte der Verdacht erhärtet, 160 Mal Strafanzeige gegen Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, Pflegedienste, Physiotherapeuten und Sanitätshäuser gestellt werden. Schaden: 15 Millionen Euro. 1,5 Millionen Strafe mussten die Betrüger – sie wurden oft mit Hilfe von Detektiven geschnappt – bezahlen. >>

Berliner Kurier, 15.02.2007

valenta
Jr. Member
Beiträge: 67
Registriert: 17.11.2006, 21:39

Altenheim-Skandal in Berlin: "Abzockmaschine? ( Bild)

Beitrag von valenta » 16.02.2007, 23:41

Altenheim-Skandal
Patienten krankgemacht und abkassiert?

Berlin – Einzelfall? Oder Abzockmasche in deutschen Altenheimen?
In einem Berliner Lazarus-Heim hat eine Pflegerin einer Patientin (70) das Beruhigungsmittel „Dipiperon“ verabreicht (BILD berichtete). Folge: Die Rentnerin lag apathisch im Bett, wurde in eine höhere Pflegestufe eingeteilt – und das Heim kassierte rund 400 Euro mehr Pflegegeld pro Monat.

Bereits 2006 war eine anonyme Anzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft eingegangen. Darin werden mehrere Beschäftigte des Ärzte- und Pflegepersonals namentlich bezichtigt, geradezu methodisch vorgegangen zu sein. Kranke kranker zu machen, um mehr zu verdienen! Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der Vorstand des Heimes beteuerte gestern: „Das war ein Einzelfall und kein groß angelegter Betrug.“ Die verantwortliche Pflegerin sei entlassen worden.

Das Opfer Hildegard S. (70) hat keine Verwandten, leidet an Altersdemenz. Trotz des Vorfalls lebt die Seniorin noch immer im Lazarus-Pflegeheim.

Quelle:
http://www.bild.t-online.de/BTO/news/20 ... zocke.html

------------------------


Pflegeskandal in Wohnheim des Lazaruswerkes

<< Der kriminellen Fantasie sind selbst im sensiblen Gesundheitsbereich keine Grenzen gesetzt, wie ein Fall zeigt, in dem derzeit die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine Patientin, die in einem Wohnheim des Berliner Lazaruswerkes an der Bernauer Straße in Wedding versorgt worden ist, soll mit dem Ziel, in eine höhere Pflegestufe eingruppiert zu werden, medikamentös ruhig gestellt worden sein. Da die Frau zu vital sei, habe zwischen den Pflegern und den behandelnden Ärzten stilles Einvernehmen bestanden, der Patientin regelmäßig ein Neuroleptikum zu spritzen ...>>

Weiter unter:
http://www.welt.de/data/2007/02/16/1214576.html

-----------------------

<< Was schon für Krankenhäuser gilt, sollte auch für Pflegeheime eingeführt werden: die Pflicht, regelmäßig über ihre Arbeit, ihre Ausstattung und die Ausbildung des Personals zu berichten. Das schlägt die Berliner Patientenbeauftragte Karin Stötzner vor. Diese Qualitätsberichte müssten für jedermann einsehbar sein. "Wir brauchen mehr Transparenz im Pflegebereich", so Stötzner.
Die Patientenbeauftragte reagierte mit ihrem Vorschlag auf Berichte über Missstände im Lazarus-Pflegeheim in Wedding. Dort wurde eine Patientin mit Medikamenten ruhiggestellt - an dem Tag, an dem der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) sie wegen der Einordnung in eine höhere Pflegestufe untersuchte. Wegen anderer Mängel hatte die Heimaufsicht außerdem bis vor kurzem einen Aufnahmestopp für das Haus verhängt...>>

Weiter unter:
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 29761.html

Tagesspiegel

Heimaufsicht fand massive Pflegemängel

Beitrag von Tagesspiegel » 17.02.2007, 08:16

Heimaufsicht fand massive Pflegemängel
Lazaruswerk: Beanstandungen inzwischen abgestellt, Aufnahmestopp wurde deswegen aufgehoben

Von Ingo Bach

Für das in Verdacht des Abrechnungsbetrugs geratene Krankenpflegeheim des Berliner Lazaruswerks galt bis Ende Januar wegen erheblicher Pflegemängel ein mehrmonatiger behördlicher Aufnahmestopp. Ursprünglich sollte die Mitte Oktober verhängte Maßnahme bis Ende Februar gelten. Die Mängel seien aber nahezu alle abgestellt, sagte Hans-Uwe Stephan, Vorstandsmitglied des Trägers Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) Lazarus gAG. Aus diesem Grund hob die Berliner Heimaufsicht das Verbot, neue Bewohner aufzunehmen, schon Ende Januar wieder auf.

Weiter unter
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archi ... 086628.asp

WernerSchell
Administrator
Beiträge: 25302
Registriert: 18.05.2003, 23:13

Weniger ist mehr - auch bei Arzneimitteltherapie!

Beitrag von WernerSchell » 19.02.2007, 08:17

Mitteilung vom 18.2.2007 an Mailingliste für Betreuer:

Herr … schrieb:
Neuer Verdacht gegen Pflegeheim ..... Der Verdacht gegen das Pflegeheim des Berliner Lazaruswerks, Patienten ruhig gestellt zu haben, um eine höhere Pflegestufe zu erreichen, verstärkte sich am Wochenende. .....


Sehr geehrter Herr …. und MitleserInnen,

Hinweise zur angesprochenen Missbrauchssituation finden Sie in meinem Forum unter
Spritzte Pflegeheim Drogen in betrügerischer Absicht?
Fundstelle der Beiträge - viewtopic.php?t=6047

Es ist bekannt, dass die ärztliche Versorgung in den Heimen mangelhaft ist; siehe dazu:
viewtopic.php?t=3387

Im Gefolge dieser Mangelsituation ist es nicht verwunderlich, dass die Arzneimittelversorgung in den Heimen zu wünschen übrig lässt.
Siehe dazu u.a.:
Jeder vierte Bewohner in Heimen hat ein Arzneimittel-Problem
viewtopic.php?t=3387
Arzneitherapie im Alter: Dosierungen häufig zu hoch
viewtopic.php?t=5845
Alzheimer: Psychopharmaka helfen nicht
viewtopic.php?t=5677
Alzheimer-Medikamenten - Einsatz einschränken
viewtopic.php?t=5478

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

Berlinonline.de

Prüfung im Pflegeheim: 86-Jährige wurde ruhiggestellt

Beitrag von Berlinonline.de » 20.02.2007, 07:45

Eine Spritze gegen die Aggression
Prüfung im Pflegeheim: 86-Jährige wurde ruhiggestellt / Schwester und Heimleiter mussten gehen


Iris Brennberger

Die Vorwürfe wiegen schwer: Im EJF-Lazarus-Pflegeheim an der Bernauer Straße in Wedding sollen Patienten mit Medikamenten ruhiggestellt worden sein, damit sie eine Einstufung in eine höhere Pflegestufe erhalten.
...
Weiter unter
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 29431.html

H.P.

mehr Kontrollen in Berliner Heimen

Beitrag von H.P. » 20.02.2007, 08:36

Jetzt mehr Kontrollen in Berliner Heimen; siehe unter
viewtopic.php?t=6075

Tagesspiegel

Pflegenotstand in Berliner Heimen - Mängel

Beitrag von Tagesspiegel » 21.02.2007, 07:37

Experten beklagen Pflegenotstand in Berliner Heimen
Behörden und Kassen finden regelmäßig Mängel
Betreiberverband: Geld ist jetzt schon knapp


Von Ingo Bach und Hannes Heine

Wie viel Personal ist nötig, um schwerkranke Menschen in Heimen angemessen zu pflegen? Vor dem Hintergrund der Vorwürfe gegen das Pflegeheim des Berliner Lazaruswerks, in dem Bewohner mit Arzneien ruhiggestellt worden sein sollen, um in eine höhere Pflegestufe und damit an mehr Geld zu gelangen, fordern nach der Kritik von Sozialsenatorin Knake-Werner nun die Grünen weitreichende Konsequenzen. Neben unangemeldeten Kontrollen durch die Heimaufsicht sei vor allem mehr Fachpersonal erforderlich, sagte die sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Jasenka Villbrandt, gestern.
...
Weiter unter
http://www.tagesspiegel.de/berlin/archi ... 097030.asp

H.P.

Mehr Personal in Pflegeheimen erforderlich

Beitrag von H.P. » 21.02.2007, 07:43

Mehr Personal in Pflegeheimen erforderlich

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hat einen neuen Personalschlüssel für Heime und eine grundsätzliche Pflegereform gefordert. Damit hat er sich offensichtlich ähnlichen Forderungen des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. angeschlossen. Dieser Verband macht bereits seit seiner Gründung 2005 in aller Deutlichkeit darauf aufmerksam, dass die Personalausstattung der Heime hinten und vorne nicht richtig.

Die Ärzte Zeitung hat am 20.2.2007 das Thema aufgegriffen und schreibt:

"Missstände in Heimen sind häufig eine Folge der völligen Überarbeitung des Personals", sagte Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des DBfK in Berlin. Deshalb sollte künftig bei der Personalbesetzung der tatsächliche Pflegeaufwand berücksichtigt werden. "Die heute gesetzlich vorgeschriebene Fachkraftquote von 50 Prozent dürfte dann in vielen Wohnbereichen nicht mehr ausreichen", sagte Wagner,
Der DBfK-Geschäftsführer reagierte damit auf die jüngsten Skandalmeldungen über ein Pflegeheim in Berlin. Dort hatte eine Pflegerin einer unruhigen Patientin ohne ärztliche Erlaubnis ein schwach wirkendes Psychopharmaka verabreicht. Da die Patientin am selben Tag auf eine Höhergruppierung in der Pflegestufe untersucht werden sollte, ermittelt die Justiz jetzt wegen schwerer Körperverletzung und Betrug. Den vom Ersatzkassen-Verband geäußerten Verdacht einer gezielten Manipulation wies der Heimträger zurück.

H.P.

Berliner Pflege gut?

Beitrag von H.P. » 22.02.2007, 08:32

Siehe auch unter
viewtopic.php?t=6082

DBfK

Pflegeskandale - Mehr Personal erforderlich

Beitrag von DBfK » 22.02.2007, 08:34

Pflegeverband fordert angesichts von Skandalen in Pflegeheimen neuen Personalschlüssel und grundsätzliche Reform. Der führende deutsche Pflegeverband DBfK reagiert mit großer Sorge auf Skandalmeldungen in Pflegeheimen und fordert von der Politik neue Personalbemessungsverfahren für Pflegeheime.

Auf die jüngsten Skandalmeldungen zur Situation in Pflegeheimen reagierte der führende deutsche Pflegeverband, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK), heute mit der Forderung nach einer Erhöhung des Fachpersonalschlüssels in Pflegeheimen. „Missstände in Heimen sind häufig eine Folge der völligen Überarbeitung des Personals“, so Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des DBfK heute in Berlin. „Wir fordern daher von der Politik die Einführung eines Personalbemessungsverfahrens in deutschen Pflegeheimen, das den tatsächlichen Pflegeaufwand berücksichtigt. Die heute gesetzlich vorgeschriebene Fachkraftquote von 50 Prozent dürfte dann in vielen Wohnbereichen nicht mehr ausreichen“, so Wagner weiter. In vielen Heimen wird es wegen des Kostendrucks für das Personal immer schwerer, eine gute Betreuung für die Bewohner zu leisten. Es sei zu wenig ausgebildetes Personal für zu viele Bewohner verantwortlich. Dies überfordere viele Pflegekräfte im Pflegealltag. „Das ist aber nicht die Schuld der Pflegekräfte, sondern ein Versäumnis der Träger, aber vor allem der Politik, die Heimbetreiber nicht ausreichend mit Mitteln versorgen. Die Folge ist die Einstellung von Billigpersonal ohne Ausbildung.“ Die Gesellschaft müsse entscheiden, ob sie eine schlechte, aber billige Versorgung wünsche oder eine angemessene Versorgung, die aber ihren Preis habe. Es sei nicht länger akzeptabel, dass dieses gesellschaftliche Problem auf die Bewohner und die Pflegenden abgeschoben werde. Es könne nicht angehen, dass die Anforderungen und Überprüfungen ständig zunehmen und gleichzeitig die Kosten gedämpft werden sollen. Die Zahl der Menschen mit Demenz und schwerstem Pflegebedarf bei steigender Lebenserwartung nimmt zu, so dass die Pflegekräfte sich heute viel intensiver um den einzelnen Bewohner kümmern müssen als noch vor einigen Jahren. „Diese Situation wird künftig noch dramatischer, weil wir überall Pflegekräfte suchen“, so Franz Wagner. „Der Nachwuchs fehlt vielerorts.“ Der Berufsverband fordert daher von der Politik aktive Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Pflegeberufe, d.h. verbesserte Rahmenbedingungen und die Erhöhung der Ausbildungszahlen. Perspektivisch ist als Lösung die Erstausbildung von Pflegefachkräften an Hochschulen anzustreben, wie das weltweit üblich sei. Ansonsten drohe in Kürze in Deutschland ein neuer Pflegenotstand. Gleichzeitig fordert der DBfK eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung.

Quelle: Pressemitteilung vom 20.2.2007
http://www.dbfk.de/index.php?subaction= ... m=&ucat=10&


Mueller Bohlen
Newbie
Beiträge: 1
Registriert: 22.02.2007, 09:33

Fragezeichen

Beitrag von Mueller Bohlen » 22.02.2007, 11:38

Die Gesamtumstände und Vorwürfe können mangels Kenntnis der Details nur schwer kommentiert werden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der in diversen Medien gemachte Vorwurf, die Bewohnerin im betreffenden Heim sei "mit Dipiperon ruhiggespritzt worden" fachlich zu hinterfragen ist.

Das Medikament Dipiperon (Pipamperon) gibt es nur in Tabletten- und Saftform. Das hieße, die Pflegekraft habe entweder Saft oder aufgelöste Tabletten injiziert (????) oder Dipiperon (Saft oder Tabletten) oral verabreicht.

Da aber in aller Vehemenz in der Presse von Dipiperoninjektionen die Rede ist, ergeben sich einige Fragezeichen.

Lutz Müller-Bohlen, Berlin
unabh. Pflegesachverständiger
Mitglied im Pflegeselbsthilferverband

Presse
phpBB God
Beiträge: 14256
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Berliner Senat will Pflegeheime schärfer prüfen

Beitrag von Presse » 23.02.2007, 08:02

Berliner Senat will Pflegeheime schärfer prüfen
Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner zieht Konsequenzen aus Vorwürfen gegen Lazarus-Werk


BERLIN (ami). In Reaktion auf den Skandal in einem Pflegeheim hat die Berliner Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner angekündigt, dass sie die Prüfungen durch die Heimaufsicht verschärfen will. Hausärzte in Berlin betrachten das als guten Ansatz, der jedoch nicht ausreicht.

Die Heimaufsicht soll künftig pro Jahr 65 Prozent der Einrichtungen prüfen. Im vergangenen Jahr wurden nach Senatsangaben 44 Prozent der Heime geprüft. Zudem sollen die Prüfungen in Zukunft unangemeldet stattfinden. Besonders darin sehen Hausärzte, die Heime in der Hauptstadt betreuen, Chancen für eine Verbesserung der Pflegequalität.

...
Weiter unter
http://www.aerztezeitung.de/docs/2007/0 ... system_uns

Presse
phpBB God
Beiträge: 14256
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Pflegeheim veranstaltet Tag der Offenen Tür

Beitrag von Presse » 26.02.2007, 07:48

Berliner Zeitung:

Dankschreiben an der Pinnwand
Pflegeheim veranstaltet nach schweren Vorwürfen Tag der Offenen Tür


Julia Haak

Die Blaskapelle soll den schlechten Ruf, in den das Lazarus-Pflegeheim in den vergangenen Wochen geraten ist, jetzt wohl wegblasen. Aber in dem Heim an der Bernauer Straße ist mehr nötig, um das beschädigte Image aufzupolieren. Seit Mitte Februar steht es als eine Einrichtung da, in der Patienten gezielt und systematisch mit Medikamenten ruhig gestellt werden, um mehr Geld von den Krankenkassen für die Pflege zu erhalten.
...
Weiter unter
http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... 32420.html

Service
phpBB God
Beiträge: 1828
Registriert: 14.09.2006, 07:10

Berliner Missstände - Anmerkungen Frau Dr. med. Lucke

Beitrag von Service » 27.02.2007, 08:35

Sehr geehrter Herr Schell,

mit großem Interesse habe ich die vielfältigen Kommentare zu dem Berliner "Pflegeskandal" gelesen - mein Verständnis von dem System der Einstufung für die Pflegeversicherung und die in vielen Jahren der MDK- Gutachtertätigkeit gewonnenen Erfahrungen und Einblicke in ambulante und stationäre Pflegeverhältnisse reizen mich doch, meinerseits zu kommentieren.

1.Finanzieller Anreiz für rehablitative und aktivierende Pflege.
Aktivierende und rehabilitative Pflege sollte eine Selbstverständlichkeitsein – wird sie nicht auch in allen Leitbildern der Einrichtungen (egal welcher Qualität) vollmundig propagiert? Sollte es zu einer deutlichen Verbesserung des Hilfebedarfes (von Pflegebedarf ist in dem Gesetzbuch SGB XII überhaupt nicht die Rede) kommen, dann reduzieren sich der personalbezogene Einsatz und die Kosten - ganz im Sinne der Intention des Gesetzes: es wird nur bezahlt für die dauerhaften, individuell notwendigen Hilfestellungen (unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Formen der Hilfe) bei zu Grunde liegender Krankheit und/oder Behinderung und den damit verbundenen Fähigkeitsstörungen. - Korrekt angewendet dürfte bei Nachweis einer aktivierenden Pflege die Pflegestufe auch angemessen ermittelt worden sein, denn gerade bei dieser Form der Hilfestellungen kann über den Zeitkorridor hinausgegangen werden. Insofern dürfte bei dieser Form der Versorgung dem Zeitaufwand angemessen Rechnung getragen werden.

2. Das Erlangen der Pflegestufe III beinhaltet auch einen höheren zeitlichen Hilfeaufwand und Personaleinsatz, so dass von einer höheren Pflegestufe zunächst eine finanzielle Verbesserung kaum zu erwarten ist - es sei denn, es wird nicht entsprechend des Hilfebedarfes der Pflegestufe versorgt. Geschulte Gutachter sollten durchaus in der Lage sein, anhand der Dokumentation, eigener Erfahrung und der Untersuchung am Begutachtungstag die Voraussetzungen für die jeweiligen Pflegestufen entsprechend des Gesetzes und der Richtlinien zu ermitteln. Ein einmalig sedierter Patient bekommt noch lange nicht eine Pflegestufe III. Auch haben die Angehörigen erhebliche Probleme mit der Pflegestufe III und dem damit verbundenem nicht unerheblichen Zuzahlungsbedarf. Die Einrichtungen haben eher Schwierigkeiten, die Angehörigen zu einem Höherstufungsantrag zu bewegen, wenn die Voraussetzungen eindeutig festliegen – nicht umsonst hat es dazu eine rechtliche Anpassung gegeben.

3. Mehr und besser ausgebildetes Personal. Natürlich macht es keinen Sinn anhand von Pflegestufen, die nur den körpernahen Hilfebedarf beschreiben und keine Aussage zu den ergänzenden und umfassenden Betreuungsleistungen zulassen, die Pflegeklasse festzulegen und den Personaleinsatz zu bestimmen (auch wenn an die Pflegestufe Leistungen für soziale Betreuung und Behandlungspflege angebunden worden sind). Je nach Problemfeldern in der Versorgung des Bewohnerklientels sind unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikation und Zahl der Pflegekräfte zu stellen. Dementiell erkrankte Bewohner benötigen ein anderes Versorgungskonzept als Bewohner mit einem Schlaganfall oder einer fortgeschrittenen Parkinson`schen Erkrankung ----und wenn man dann noch den Wandel des Bewohnerspektrums in den stationären Pflegeeinrichtungen berücksichtigt, zeichnet sich deutlich ab, dass nicht nur Altenpflegerinnen, sondern vermehrt Krankenschwestern und Pflegekräfte mit gerontopsychiatr. Erfahrung gefragt sind.

4. Rahmenbedingungen. Ich habe nur an einer Pflegesatzverhandlung teilgenommen, aber viel von solchen Verhandlungen gehört. Es ist bedauerlich, dass die Vertreter der Pflegekassen, die nicht über das Geld der Pflegekasse verhandeln (das ist an die Pflegestufe gekoppelt), sondern auch über das Wohl und Wehe ihrer Versicherten in den einzelnen Einrichtungen. Pflegekonzepte - sofern sie nachvollziehbar ausformuliert und ihr Personaleinsatz für die Umsetzung verlässlich ermittelt wurde, sind m.E. nicht verhandelbar - wohl aber die Wirtschaftlichkeit und die Investkosten. Leistungsqualitätsvereinbarungen, die z.Z. verhandelt werden, sind schwierig umzusetzen, weil beim Personaleinsatz nicht über die realen Personalkosten verhandelt wird, sondern über Durchschnittspreise aus vergleichbaren Einrichtungen, mit denen man sich aber nicht vergleichbar hält.

5. Träger - Verantwortung Niemand wird gezwungen, eine Pflegeeinrichtung zu betreiben!! Aber wenn man es tut, dann bitte mit entsprechender Verantwortung. Mit stationärer Pflege ist in der heutigen Zeit kein großes Geld mehr zu verdienen, aber mit Willen, Wollen, Kreativität und einem guten Team sehr wohl eine gute menschlich warme Pflege anzubieten. Dafür gibt es glücklicherweise genügend Beispiele. Die allseits beklagten Missstände in bestimmten Pflegeeinrichtungen liegen nicht bei den Pflegekräften oder nur in begrenztem Umfang; sie liegen vielmehr in den Händen der Verantwortlichen, die für die hausinternen Strukturen zuständig sind. Es handelt sich z.B. um ungeeignete Trägerphilosophien, unfähige Heim- und Pflegedienstleitungen, die eine Arbeitsatmosphäre zu verantworten haben, die sich leider nicht an den Bedürfnissen der Bewohner ausrichtet, sondern an anderen Interessen. In solchen Einrichtungen werden die geforderten, zwingend notwendigen, gut ausgebildeten Pflegekräfte nicht erfolgreich sein können - sie verlassen sehr schnell solche Einrichtungen oder passen sich an, um nach wenigen Jahren ausgebrannt die Einrichtung und den Beruf zu verlassen.

6. Der beratungsorientierende Prüfansatz - die Qualitätsprüfung als Betriebsprüfung zum Nulltarif; - so kann man das betrachten und sollte sich dem Ergebnis einer Prüfung offen stellen. Niemand ist vor Betriebsblindheit geschützt, kann aber von dem Ergebnis einer neutralen Außenbetrachtung profitieren. Mir ist nicht klar, wann sich eine Beratungsresistenz abzeichnet, wie lange bei deutlichem Regelungsbedarf die Bewohner "leiden" müssen, bis Abhilfe geschaffen werden kann und warum bei deutlichen Defiziten nicht konsequenter sanktioniert werden kann. Es ist doch eine Binsenweisheit: Qualität lässt sich nicht in die Einrichtungen hineinprüfen, sondern nur aus den Einrichtungen heraus entwickeln - wie kann man die, die nicht wirklich entwickeln wollen besser identifizieren und die Bewohner effizienter als bisher schützen?

7. Ich wünsche mir eine neue Definition des Begriffes der Pflegebedürftigkeit, um den Belangen kognitiv eingeschränkter Menschen mit dem immens hohen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf besser Rechnung tragen zu können.
Ich wünsche mir mehr Träger und besser qualifizierte Personen in Leitungsfunktionen, die das Wohl und Wehe der Bewohner als Zielsetzung sehen - und das nicht nur auf dem Papier!
Ich wünsche mir im Sinne des Verbraucherschutzes mehr Transparenz über die Ergebnisse der Prüfungen in den Einrichtungen.
Ich wünsche mir mehr allgemeingesellschaftliche Sensibilität für Übergriffe in die Würde der Hilfebedürftigen und eine Rechtsprechung, die entsprechend konsequent zu handeln versteht.

Allein mit vermehrt gut ausgebildetem Personal werden wir die "Pflegemissstände" kaum ändern können, dazu gehört auch die "Sanierung" der Einrichtungsstrukturen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Margot Lucke

Quelle: E-Mail-Zuschrift vom 26.2.2007

Antworten