Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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mema
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Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Beitrag von mema » 21.09.2005, 00:33

Hallo und guten Abend,

gibt es eine Auflistung behandlungspflegerischer Verrichtungen, die den Tatbestand einer Körperverletzung erfüllen?

Aus meinem Rechtsverständnis heraus kommen dazu eher invasive Verfahren (Injektion, Med. Gabe, Klistier (?)) in Frage.

Wer weiß mehr darüber?
Wo liegen die Grenzen?

Ich würde mich über Antworten sehr freuen!

Gruß,
Martin

Gast

Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Beitrag von Gast » 21.09.2005, 11:45

Hallo Martin,

ich komme mit Deiner Anfrage noch nicht ganz klar:

Es ist juristisch gesehen so, dass jedwede Handlung am Körper eines Menschen eine Körpverletzung ist (auch die bloße Blutentnahme). Damit ist strafrechtlich gesehen der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt. Ob allerdings eine solche tatbestandliche Maßnahme auch eine strafbare Handlung ist, hängt v.a. davon ab, ob auch rechtswidrig gehandelt worden ist. D.h., wenn eine Injektion von einem Arzt korrekt auf eine Pflegekraft delegiert und von dieser ordnungsgemäßt durchgeführt worden ist, präsentiert sich diese Verrichtung als tatbestandliche Körperverletzung, aber nicht als strafbare Handlung. Würde die Injektion aber ohne Patienteneinwilligung oder fehlerhaft durchgeführt, entfiele die Rechtfertigung und es wäre von einer strafbaren Handlung auszugehen.
Da letztlich alle Maßnahmen am Körper eines Patienten in dieser Weise rechtlich zu beurteilen sind, kann es natürlich keine Auflistung geben; sie wäre ellenlang.
Alles klar?

MfG
Dirk

Berti
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Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Beitrag von Berti » 22.09.2005, 11:42

Hallo Martin,
es ist in der Tat so, wie Dirk das beschrieben hat, jedwede Maßnahme am Körper eines Patienten ist vom Tatbestand her eine Körperverletzung. Damit ist eigentlich Deine Frage beantwortet. Einer Auflistung bedarf es nicht.
Welches Problem liegt denn der Frage zugrunde?
Gruß Berti

mema
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Re: Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Beitrag von mema » 22.09.2005, 16:02

Hallo Dirk, Hallo Berti!

Konkret geht es um folgende Situation:

Das LG Waldshut -Tiengen hat eine Heimleiterin wegen Anstiftung zur Körperverletzung verurteilt.

In dem vor dem Strafgericht anhängigen Verfahren ging es um die Frage, inwieweit pflegefremden Personen ärztliche Tätigkeiten, z. B. subcutane Injektionen, übertragen werden können.

Die Leiterin einer Seniorenresidenz setzte einen gelernten Kfz-Mechaniker, der keinerlei medizinische oder pflegerische Ausbildung oder Erfahrung hatte, als Pflegehilfe ein.
Sie wies ihn an, bei einer Heimbewohnerin subcutan Insulin zu spritzen, was er auch tat. In diese Tätigkeit wurde er von der angeklagten Heimleiterin, die exam. Altenpflegerin ist, eingewiesen.
Eine Einweisung oder unmittelbare Beaufsichtigung durch einen Arzt erfolgte in dieser Zeit nicht.
Das Insulin war ärztlich verordnet und medizinisch notwendig. Die erforderliche Einwilligung der Patientin oder ihres gesetzl. Vertreters in die ärztliche Behandlung lag vor.
Jedoch wurden diese nicht im voraus über die spezifische Qualifikation der Pflegehilfe unterrichtet. Die Gabe der Spritzen wurden in technischer Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführt.

Bedeutet dieses Urteil nun für Heime (welcher Art auch immer) dass sie sich für alle behandlungspflegerichen Verrichtungen jeweils eine einverständniserklärung einholen müssen?

Müssen Schulungen der Nichtfachkräfte zwingend durch einen Arzt erfolgen? (Medikamentengabe, Injektionen i.m., s.c.)

Gruß,

Martin

Berti
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Körperverletzung - wann Tatbestandserfüllung?

Beitrag von Berti » 22.09.2005, 16:16

Hallo Martin,

das angesprochene Urteil ist bekannt und wird in diesem Forum bereits erwähnt. Siehe unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=8#8
Herr Schell hat die Entscheidung in einem Zeitschriftenartikel bereits vorgestellt.

Die Entscheidung bekräftigt erneut, dass unqualifiziertes Personal nicht mit solchen Aufgaben betraut werden darf, die es nicht beherrscht (theoretisch und praktisch). In den Heimen müßten jetzt eigentlich alle "Alarmglocken" klingeln!

Ich bin nicht der Meinung, dass unqualifiziertes Personal mit Einverständniserklärung tätig werden sollte und darf. Die Risikolage kann der Heimbewohner, Laie, nicht einschätzen, so dass ich solche Erklärungen für unwirksam einstufen möchte. Im Übrigen könnte sich ergeben, dass Heimbewohner bei der Abgabe einer solchen Einverständniserklärung unter Druck gesetzt fühlen. Oder sie sind sogar aufgrund "geistiger Defekte" garnicht in der Lage, eine verbindliche Erklärung abzugeben.

Ich trete uneingeschränkt für Qualifizierungsmaßnahmen ein, die letztlich mit ärztlicher Prüfung abschließen müssen, soweit delegationsfähige Verrichtungen (z.B. Injektionen, Blutentnehmen) eingeschlossen sind.

Diese hier beschriebene Rechtslage ist eigentlich nicht neu. Sie ist bereits nachlesbar in
Schell, W. "Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht" ; siehe dazu unter
http://www.wernerschell.de/html/page11.htm

In dieser Veröffentlichung wird dringend angeraten, mit Dienstanweisungen und Befähigungsnachweisen zu arbeiten. Damit wären, auch für Heime, alle Risiken beseitigt und Patientensicherheit gewährleistet". Rechtliche Probleme wären grundsätzlich vom Tisch!

Gruß Berti

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