Heime und die Menschenrechtsverletzungen

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Elfriede_Kehrer
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Heime und die Menschenrechtsverletzungen

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 21.07.2005, 19:30

Entschädigung - unwürdige Haftbedingungen

Karlsruhe (kobinet) Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat einem Bericht des Radiosenders SWR1 zufolge einem ehemaligen Häftling 2.000 Euro Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zugesprochen. Der Mann war gut fünf Monate mit einem weiteren Gefangenen in einer knapp neun Quadratmeter großen Zelle der überbelegten Karlsruher Justizvollzugsanstalt eingesperrt.

Dem Bericht zufolge war die Toilette nur durch einen Vorhang abgetrennt. Mit dem Urteil korrigierte das OLG eine Entscheidung des Karlsruher Landgerichts, das ihm nur 650 Euro zugesprochen hatte. Die Situation sei der Entscheidung des Gerichtes zufolge für den Gefangenen «sehr stark belastend» gewesen, da die Intimsphäre nicht genügend gewahrt gewesen sei. Dies verletze die Menschenwürde des Betroffenen. Allerdings führe nicht jede Menschenrechtsverletzung zu einem Entschädigungsanspruch, stellten die Richter weiter klar. Dies hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Das OLG erhöhte die Summe der vom Land Baden-Württemberg zu zahlenden Schadensersatzsumme von 650 Euro auf 2.000 Euro. Der Kläger hatte mehr als 17.000 Euro gefordert. omp

Kommentar von kobinet-Redakteurin Elke Bartz zur Meldung «2000 Euro Entschädigung für schlechte Haftbedingungen»

Einem Strafgefangenen sprach das Gericht 2000 Euro Entschädigung zu, weil seine Haftbedingungen durch das «Zusammenleben» mit einem weiteren Häftling in einer 9 Quadratmeter großen Zelle menschenunwürdig gewesen seien. Wie hoch ist die Entschädigung für behinderte und alte Menschen, deren Lebensbedingungen menschenunwürdig sind?

Tausenden behinderter und alter Menschen wird - oftmals viele Jahre ihres Lebens - zugemutet, in «Heimen» mit einem oder gar mehreren fremden Menschen ein wenige Quadratmeter großes Zimmer zu teilen. Ihnen wird die Bettdecke von immer wieder wechselndem Pflegepersonal, das sie sich nicht aussuchen konnten, weggerissen, um gewaschen oder angekleidet zu werden. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob sie sich vor den Mitbewohnern schämen, ob ihre Intimsphäre über das unbedingt notwendige hinaus verletzt wird.

Wie oft steht in Alten-, Behinderten- und Pflege«heimen» sogar noch die Tür zum Gang auf, so dass jeder Vorübergehende reinsehen kann? Und niemand zahlt Entschädigungen, wenn «Heim»bewohnerinnen und -bewohner ihre Mahlzeiten auf dem Toilettenstuhl einnehmen müssen, wenn sie wochen- und monatelang nicht in die Stadt, zu Freunden und Verwandten kommen oder ein Konzert besuchen können, weil es niemanden gibt, der sie dabei begleitet.

Ich höre schon den Aufschrei: «Wie kann man ‚Heime' mit Gefängnissen vergleichen?». Stimmt, in Gefängnissen sitzen in der Regel diejenigen ein, die ihre dortige Anwesenheit aktiv selbst verschuldet haben. In die «Heime» gehen Menschen ohne Schuld auf sich geladen zu haben und dennoch seltenst ohne Zwang. Natürlich werden kaum jemandem (außer wie es entwürdigend! bei Einweisungen in die Psychiatrie vorkommen mag) Handschellen beim Einzug in ein «Heim» angelegt. Nein, die Gewalt ist viel diffiziler. Es reicht, wenn notwendige ambulante Hilfeleistungen versagt werden und die betroffenen Menschen sich gezwungen sehen, ihr Zuhause «freiwillig» und oft lebenslänglich aufzugeben.

Selbst Verfassungsrechtler Prof. Dr. Wolfram Höfling vergleicht in seinem Vortrag vom 17. November 2003 anlässlich des 1. nordrhein-westfälischen Präventionstages «Heime» (in diesem Fall Alten-«heime») mit nahezu rechtsfreien Räumen, in denen täglich Menschenrechtsverletzungen stattfinden.

Ein Punkt im Urteil des OVG, das dem ehemaligen Häftling Entschädigung zubilligte, regt zum Nachdenken an: So würde nicht jede Menschenrechtsverletzung zum Entschädigungsanspruch führen. Es gibt also «Menschenrechtsverletzungen 1. und 2. Klasse»? Und die, die in «Heimen» geschehen zählen wohl zu letzteren?
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

Gast

Gewalt und Aggression in Betreuungsberufen

Beitrag von Gast » 07.10.2005, 12:00

Gewalt und Aggression in Betreuungsberufen

Für viele Beschäftigte in Heil-, Pflege- und Betreuungsberufen gehört der Umgang mit Fremdaggressionen und Gewalterfahrungen zum Berufsalltag. Nach wie vor stehen viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und oftmals auch das Management derartigen Situationen hilflos und nicht ausreichend geschult gegenüber...
http://www.bgw-online.de/internet/preview?id=51516

Quelle: Pressemitteilung vom 6.10.2005

Berti
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"Pflegemängel" – nicht wegsehen!

Beitrag von Berti » 15.10.2005, 11:01

"Pflegemängel" – nicht wegsehen!

Berichte über Pflegemängel haben zugenommen. Es ist daher zu fordern:
Eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige Pflege muss im Interesse der pflegebedürftigen Menschen zum Dauerthema gemacht werden. Pflegemängel, Pflegefehler oder unzureichende Pflegestandards dürfen nicht länger tabuisiert werden. Das muss für die stationäre Pflege, die ambulante Pflege und die Pflege zu Hause gelten.
Die Studie "Vorkommen, Ursachen und Vermeidung von Pflegemängeln in Nordrhein-Westfalen" von Prof. Dr. Vjenka Garms-Homolová, Institut für Gesundheitsanalysen und soziale Konzepte (IGK), Berlin und Prof. Dr. Günter Roth, Fachhochschule im DRK, Göttingen im Auftrag der Enquetekommission "Situation und Zukunft der Pflege in NRW" im Landtag von Nordrhein-Westfalen brachte konkrete Mängel ans Licht. Nachgewiesen wurden in der Studie zum Teil gravierende Defizite bei der 'Ergebnisqualität', also den tatsächlichen Zuständen von Pflegebedürftigen, die erstmals unter Verwendung neuester wissenschaftlicher ASSessment-Instrumente umfassender wissenschaftlich untersucht wurden.
Die Studie zeigt, dass die Pflegekräfte nur teilweise fähig sind, Probleme und Ressourcen der Pflegebedürftigen angemessen einzuschätzen. Es gibt eine ganze Reihe von Symptomen, die nicht erkannt und falsch interpretiert werden.
Die Studie nennt fünf Hauptursachen für diese Zustände:
1. Es herrscht weitgehendes Unverständnis für die Bedeutung der Pflegedokumentation und Pflegeplanung. Sie werden nicht als Maßnahmen für die Klientinnen und die Erleichterung der eigenen Arbeit verstanden, sondern als Erfüllung bürokratischer Anforderungen.
2. Die Pflegedokumentations- und Pflegeplanungsinstrumente, die in den Einrichtungen verwendet werden, eignen sich nur mangelhaft.
3. Die Pflegekräfte sind nur beschränkt klinisch qualifiziert. Sie verstehen viele wichtige Symptome nicht.
4. Für den ambulanten Bereich stellt der Zeitmangel ein erhebliches Problem dar.
5. Das Interesse an einer "positiven" Pflegewirkung fehlt. Das liegt nicht zuletzt an den gesetzlichen Bestimmungen und der Kostenerstattung. Diese folgen dem Konzept der leistenden und verwahrenden, weniger der präventiven oder rehabilitativen Pflege. Der Schwerpunkt der Kontrolle liegt auf der Erledigung der anstehenden Verrichtungen, nicht auf dem Ergebnis der Tätigkeit Pflege. Diese Haltung hat sich in einer fatalen Weise im gesamten System durchgesetzt.

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