Medikamentenabgabe aus Wochenbox - Haftung?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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sany
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Medikamentenabgabe aus Wochenbox - Haftung?

Beitrag von sany » 12.04.2005, 17:16

Hallo,
meine Kollegin wurde versetzt in ein anderes Heim, was auch bei mir ansteht (Umbau des alten Hauses). Sie musste als Pflegefachkraft schon am 1. Tag Medikamente verteilen, die in einer Wochenbox vom Nachtdienst gestellt werden. Sie hat wegen des extremen Zeitmangels keine Möglichkeit zu prüfen, ob alles korrekt gestellt ist.
Wer haftet, wenn sie nun ein falsch in die Box eingefülltes Medikament abgibt?
MfG.
Sany

Berti
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Haftung für korrekte Medikamentenabgabe

Beitrag von Berti » 12.04.2005, 19:43

Hallo Sany,
im Forum wird bereits seit Jahren zum Thema Medikation und die entsprechenden Verantwortlichkeiten diskutiert. Ich habe einmal die wichtigsten Beiträge unten zusammen gestellt. Daraus ergeben sich die entsprechenden Antworten (an denen ich zum Teil beteiligt war). Ich denke, damit wird Dein Problem ausgeräumt. Wenn Unklarheiten bleiben, bitte noch einmal mit konkreter Fragestellung hier melden.
Gruß Berti

Medikamente im Voraus - wie lange?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Medikamentenabgabe durch Krankenschwestern
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=0#0

Richten & Verabreichen von Medikamenten
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=4#4

Medikamentenabgabe im Krankenhaus
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Medikamente richten in der Nachtwache
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=4#4

Stellen & Abgabe von Medikamenten
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Bedarfsmedikation immer problematisch
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Medikamentengabe
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Medikamentenabgabe - Verantwortung
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2

Medikamente richten im Heim - Wer darf`s ?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Gast

Überdosierung von Flüssigmedikamenten

Beitrag von Gast » 17.04.2005, 15:35

Die wiederholte Überdosierung von Flüssigmedikamenten kann eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, ohne dass zuvor eine Abmahnung erforderlich wäre. So Urteil des LAG Schleswig- Holstein vom 24. Juli 2001!

Zum Fall:
Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsvertrages der Klägerin, die bei der Beklagten als examinierte Altenpflegerin in der Nachtwache auf der Pflegestation der Beklagten beschäftigt ist und dort als verantwortliche Leiterin der Nachtschicht tätig ist. Zu den Aufgaben der Klägerin gehört es hierbei u.a., zum Ende der Schicht die Medikamente, die den Bewohnern von den Mitarbeitern der Frühschicht verabreicht werden sollen, vorzubereiten. Das Landesarbeitsgericht stellte unter Hinweis auf die Beweisaufnahme des erstinstanzlichen Gerichts fest, dass die Klägerin durch eine Überdosierung von Flüssigmedikamenten in drei Fällen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe, was die fristgemäße Kündigung vom 24. 8. 2000 gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtfertige. So seien einer Patientin 15 Milliliter statt zehn Milliliter Bifiteral, einer anderen Patientin fünf Milliliter statt zwei Milliliter Dipiperon und einem Patienten fünf Milliliter statt zwei Milliliter Eunerpansaft verabreicht worden. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum und aus welchen Gründen jemand ein Interesse daran haben könnte, ihr zu schaden und eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zu provozieren, so dass davon auszugehen sei, dass die Klägerin die Falschdosierung selbst vorgenommen habe. Die Klägerin könne sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass eine genaue Dosierung aufgrund der sirupartigen Konsistenz der Säfte nicht möglich sei. Schließlich werde für jedes Medikament, so das Gericht, eine Dosierhilfe gestellt, die es ermögliche, je nach Konsistenz des Medikaments eine genaue Dosierung vorzunehmen. Zu der Frage, ob es auf die Wirksamkeit einer vorherigen Abmahnung ankomme, stellte das Gericht fest, dass eine Abmahnung bei einer verhaltensbedingten Kündigung dann entbehrlich sei, wenn die Vertragsverletzungen so schwerwiegend seien, dass der Arbeitnehmer nicht damit rechnen könne, dass der Arbeitgeber derartige Vertragsverletzungen hinnehmen werde. Bei der Überdosierung von Medikamenten handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine schwerwiegende Pflichtverletzung in diesem Sinne, da eine 100 Prozent bis 150 Prozent Überdosierung von Beruhigungs- bzw. Abführmitteln bei alten Patienten schwerwiegende und unübersehbare Folgen haben könne. Aus den Gebrauchsinformationen der Medikamente ergebe sich, dass es sich nicht um harmlose Medikamente handele. (...) Das fahrlässige Vorgehen der Klägerin stellt Gründe im Verhalten der Klägerin dar, die die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial rechtfertigen. Die von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung wurde demnach zurückgewiesen.

Urteil des LAG Schleswig- Holstein vom 24. Juli 2001, Az.: 1 Sa 78e/01
Fundstelle: PflR 2002, S. 19

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