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Medikation & Haftung - Grundsätzliches

Verfasst: 10.12.2004, 18:50
von Sigrid_Pinnow
Liebe Forumsteilnehmer/innen,

eine Mitarbeiterin einer Einrichtung der Behindertenhilfe hat mir folgende Frage gestellt:

" Wir betreuen geistig behinderte Erwachsene in Form des BEW und WG. In der Praxis, das ist Ihnen sicher bekannt, besteht z.T. die Erforderlichkeit, einen Überblick über verordnete Medikamente unserer Klienten zu haben sowie unsere Klienten bei der Medikamenteneinteilung zu unterstützen.

Praktisch sieht dies bspw. so aus, dass die Klienten ihre Medikamente vorsortieren und die pädagogischen Betreuer einen Blick darauf werfen, um zu überprüfen, ob alles richtig einsortiert ist. Wer haftet dafür, wenn dies nicht richtig überprüft wurde und dem Klienten möglicherweise Schaden nimmt?

In anderen Fällen werden den Klienten (bspw. in WG für ältere Erwachsene) die Tabletten in die Dosetten einsortiert und zu den entsprechenden Einnahmezeiten bereit gestellt. Wie sieht die Rechtslage dazu aus?"

Ich habe früher in einem Heim für psychisch Kranke gearbeitet. Da mussten wir als Sozialarbeiter unterschreiben, dass wir persönlich bei Fehlern bzgl. des Medikamentenstellens haften. Daraus schließe ich, dass es ansonsten auch eine Haftung der Einrichtung für Fehler gibt, die die Mitarbeiter bei Aufgaben machen, die ihnen übertragen wurden.

Ich habe kürzlich eine Veranstaltung mit einem Apotheker besucht, der keine haftungsrechtlichen Probleme sah, wenn Betreuungspersonal ambulant wohnenden älteren Menschen (z.B. mit beginnender Demenz) helfen, die Medikamente richtig einzunehmen. Ich habe darauf hingewiesen, dass Pflegedienste dies auch im Rahmen der Behandlungspflege aufgrund ärztlicher Verordnung übernehmen können, wenn der Betroffene dies selbst nicht mehr kann.

Ich gehe davon aus, dass die haftungsrechtliche Verantwortung beim geschäftsfähigen Patienten bei nur unterstützender Hilfe verbleibt. Anders könnte es sich meines Erachtens darstellen, wenn der Patient erkennbar in dieser Hinsicht geschäftsunfähig ist. Dann sollte man prüfen, ob dies professionell übernommen werden kann. In Pflegeheimen dürfen nur ausgebildete Pflegekräfte die Medikamente stellen.

Hat jemand weitere informationen zur Rechtslage bzw. haftungsrechtlichen Situation für Mitarbeiter, die Medikamente stellen bzw. dies bei Behinderten überwachen?

Sigrid Pinnow

Haftung bei Medikamentenstellen

Verfasst: 10.12.2004, 19:23
von Berti
Hallo Sigrid,
zum Thema
----> Richten & Verabreichen von Medikamenten
gibt es in diesem Forum bzw. dieser Homepage zahlreiche Texte (siehe die Hinweise unten). Ich rege an, diese zunächst einmal auszuwerten. Wenn dann noch Fragen bleiben, bitte „gezielt“ wieder melden.
Grundsätzlich ist es so, dass derjenige haftet, der handelt (Stellen, Prüfen, Abgaben usw.). Man muss in der Medikamentenversorgung also eigentlich immer genau hinschauen, wer was wann und wie gemacht hat. Insoweit sehe ich immer eine konkrete Verantwortlichkeit. Manchmal wird es schwierig sein, diese Verantwortlichkeit genau zuzuordnen. Dann bleibt die Verantwortlichkeit möglicherweise beim Träger hängen, weil er es versäumt hat, für ordnungsgemäße und sichere Abläufe zu sorgen. Wenn die Medikamentenversorgung zum umfänglichen „Tagesgeschäft“ wird, sollte eine Dienstanweisung her, die genau alle relevanten Rechtsfragen abklärt.
Gruß Berti

Hinweis:
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=8#8
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2

Medikation & Haftung - Grundsätzliches

Verfasst: 11.12.2004, 11:04
von Gast
Guten Morgen,
wenn ich mich auf die ambulante Versorgung beschränke:
Soweit ein Patient / Pflegebedürftiger im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist (also selbst beurteilen und entscheiden kann), ist er selbst befugt, über das zu befinden, was die Medikation betrifft. Er kann selbst alles veranlassen oder jemanden beauftragen, letztlich nach Belieben!
Unabhängig davon ist aber die Verantwortung beim Arzt, wenn er ein Medikament verordnet hat. Er muss für diese Therapieform voll einstehen (Aufklärung, richtiges Medikament, richtige Dosierung usw.). Wird ein Medikament im Rahmen der Behandlungspflege von Pflegekräften an den Patienten herangebracht, tragen auch sie (Mit)Verantwortung, und zwar, ob richtig gestellt und angeboten wird.
Will man Verantwortlichkeiten abklären, muss man genau auf die Einzelumstände abstellen. Nur dann kann man konkret die Haftungskriterien aufdröseln.

MfG
Dirk

Haftung bei der Medikation: Einzelfall entscheidet

Verfasst: 12.12.2004, 12:33
von Toni_Steffen
Sehr geehrte Frau Pinnow,
die eingestellten Beiträge möchte ich wie folgt ergänzen:

Text:
….
> Praktisch sieht dies bspw. so aus, dass die Klienten ihre Medikamente vorsortieren und die pädagogischen Betreuer einen Blick darauf werfen, um zu überprüfen, ob alles richtig einsortiert ist. Wer haftet dafür, wenn dies nicht richtig überprüft wurde und dem Klienten möglicherweise Schaden nimmt? <
Antwort:
Es kommt wohl entscheidend darauf, ob und ggf. inwieweit die zu betreuenden Personen noch in der Lage sind, ihr Handeln richtig einzuschätzen und die Sortierarbeiten vernünftig durchzuführen. Je größer die diesbezüglichen Defizite sind, um so intensiver muss die Kontrolle der Betreuer sein. „Einen Blick darauf werfen“, wird möglicherweise nicht genügen!

Text:
> In anderen Fällen werden den Klienten (bspw. in WG für ältere Erwachsene) die Tabletten in die Dosetten einsortiert und zu den entsprechenden Einnahmezeiten bereit gestellt. Wie sieht die Rechtslage dazu aus?" <
Antwort:
In solchen Fällen sind wohl diejenigen Personen voll verantwortlich, die einsortieren und bereit stellen.

Text:
> Ich habe früher in einem Heim für psychisch Kranke gearbeitet. Da mussten wir als Sozialarbeiter unterschreiben, dass wir persönlich bei Fehlern bzgl. des Medikamentenstellens haften. Daraus schließe ich, dass es ansonsten auch eine Haftung der Einrichtung für Fehler gibt, die die Mitarbeiter bei Aufgaben machen, die ihnen übertragen wurden. <
Antwort:
Verantwortlichkeiten ergeben sich meist aus den wechselseitig vereinbarten Rechten und Pflichten. Es gelten unmittelbar die Sorgfaltspflichten nach §§ 276, 278 BGB. So gesehen brauchen Arbeitnehmer nicht ausdrücklich zu bekräftigen, dass sie bei Fehlern haften. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Natürlich kann hinzu kommen, dass neben oder anstelle der Arbeitnehmer auch der Arbeitgeber haftet, z.B. bei Organisationsmängeln.
Siehe in diesem Forum z.B. unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=3#3
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Text:
> Ich habe kürzlich eine Veranstaltung mit einem Apotheker besucht, der keine haftungsrechtlichen Probleme sah, wenn Betreuungspersonal ambulant wohnenden älteren Menschen (z.B. mit beginnender Demenz) helfen, die Medikamente richtig einzunehmen. Ich habe darauf hingewiesen, dass Pflegedienste dies auch im Rahmen der Behandlungspflege aufgrund ärztlicher Verordnung übernehmen können, wenn der Betroffene dies selbst nicht mehr kann. <

Antwort:
Ob und ggf. inwieweit es Haftungsnotwendigkeiten gibt, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Mangelt es bei einem Betreuten an der notwendigen Einsichts- und Steuerungsfähigkeit geht die Verantwortlichkeit zwangsläufig auf denjenigen über, der (professionell) Hilfe anbietet und tatsächlich leistet. Ob ein Apotheker geeignet ist, haftungsrechtliche Fragestellungen abschließend zu beurteilen, darf bezweifelt werden. Richtig ist, dass auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung bei der Medikamentation zu Lasten der Krankenversicherung geholfen werden kann.

Text:
> Ich gehe davon aus, dass die haftungsrechtliche Verantwortung beim geschäftsfähigen Patienten bei nur unterstützender Hilfe verbleibt. Anders könnte es sich meines Erachtens darstellen, wenn der Patient erkennbar in dieser Hinsicht geschäftsunfähig ist. Dann sollte man prüfen, ob dies professionell übernommen werden kann. In Pflegeheimen dürfen nur ausgebildete Pflegekräfte die Medikamente stellen. <

Antwort:
Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings kann eigentlich jede Pflegekraft solche Verrichtungen ausführen, die er konkret gelernt und geübt hat, ohne dass es zu einer Patientengefährdung kommt. So gesehen können auch pflegerische Hilfskräfte bei der Medikaktion eingeschaltet werden. Hinderlich sind aber insoweit oft die entsprechenden Rahmenverträge bzw. Erklärungen des MDK.
Zum Tätigkeitsschutz siehe in diesem Forum z.B. unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... on=search2
Siehe auch die Beiträge in dieser Homepage unter
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... GABE01.pdf
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... GABE02.pdf
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... tion01.pdf

Mit freundlichen Grüßen
Toni Steffen

Medikation & Haftung - Grundsätzliches

Verfasst: 12.12.2004, 13:20
von Gast

Medikation & Haftung - Grundsätzliches

Verfasst: 12.12.2004, 13:22
von Gast