Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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ProPflege
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Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Beitrag von ProPflege » 29.10.2008, 09:44

Pressemitteilung vom 29.10.2008

Statement von "Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk" zum geplanten Heimrecht in Nordrhein-Westfalen:
"Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" verbindlich machen!

Der Gesetzentwurf der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (NRW) zum geplanten Heimrecht mit der Bezeichnung „Wohn- und Teilhabegesetz Nordrhein-Westfalen“ enthält lediglich in § 1 Abs. 2 einige allgemeine Ausführungen, die in verkürzter Form einen Bezug zu den Chartagrundsätzen herstellen. Diese Ausführungen, unter „Zweck des Gesetzes“, sozusagen als eine Vorbemerkung versteckt, können keine Rechtswirkungen nach sich ziehen. Dies ergibt sich aus dem Charakter einer solchen allgemeinen Zweckbeschreibung und zum anderen daraus, dass hier eine „Soll“-Regelung ausformuliert wurde. „Die Betreuungseinrichtungen sollen …“ ist lediglich eine Aufmunterung und löst keine konkreten Verpflichtungen aus. Damit sind für die HeimbewohnerInnen keine subjektiv-öffentlichen Rechte geschaffen, die allein die Möglichkeiten bieten könnten, die zur Durchsetzung der Menschenwürdegarantie erforderlichen Klarstellungen herbeizuführen. Auch im weiteren Gesetzestext ist keine Vorschrift zu finden, die auch nur annähernd geeignet wäre, den Grundsätzen der o.a. Charta irgendeine durchsetzbare Verbindlichkeit zu verleihen. So könnte man sich zum Beispiel auch vorstellen, in § 5 des Gesetzes vorzugeben, dass die Grundsätze der Charta zu den Pflichten der Betreiber von Betreuungseinrichtungen gehören und folglich in den Heimvertrag einzubinden sind.

Da auch solche Hinweise fehlen, ist wohl die Aussage begründet, dass auch nach Verabschiedung des jetzt vorliegenden Gesetzestextes in NRW die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ nichts anderes als ein Papiertiger bleibt.

In der Gesetzesbegründung der Landesregierung zu § 1 Abs. 2 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass mit dem Katalog des Absatzes 2 keine subjektiv-öffentlichen Rechte be-gründet werden. Man hat also regierungsamtlich das Problem anerkannt! Dann wird aber wahrheitswidrig behauptet, dass den Betreibern in Wahrnehmung des staatlichen Fürsor-geauftrages die Beachtung der Charta durch dieses Gesetz auferlegt werde. Damit sei der Staat seinem Schutzauftrag nachgekommen. – Genau dies ist aber nicht der Fall. § 1 Abs. 2 ist ausdrücklich als „Sollvorschrift“ konzipiert und verleiht, so die Regierung selbst, keinerlei Ansprüche.

Damit verbleiben alle die menschenwürdige Pflege betreffenden Grundsätze im Unver-bindlichen und sind weiterhin der freien Interpretation aller Beteiligten zugänglich. Wenn man sich die unzulänglichen Pflege-Rahmenbedingungen (unzureichender Pflegebegriff, ungenügende Personalausstattungen der Pflegeeinrichtungen, Finanzierungsprobleme usw.) vor Augen führt, wird auch das nordrhein-westfälische Heimrecht mit dem jetzt vorliegenden Text keinen Schritt nach vorne tun, wenn es um die Durchsetzung der Menschenwürdegarantie bei der Betreuung von pflegebedürftigen Menschen geht. Wenn es bei der jetzigen unzulänglichen Regelung bleibt, wäre eine große Chance, auch zur Minimierung der immer wieder beschriebenen Pflegemängel (vgl. u.a. MDS-Berichte aus 2005 und 2007), vertan!

Der Landtag von NRW wurde am 26.10.2008 angeschrieben und gebeten, die notwendigen Korrekten im vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung vorzunehmen. - Unterstützung erwünscht!

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht -
Harffer Straße 59, 41469 Neuss
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Lobby für menschenwürdige Pflege!
http://www.wernerschell.de/ProPflege/index.htm

Hier geht`s zur
„Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“mit weiteren Informationen:
http://www.pflege-charta.de/DE/Home/hom ... __nnn=true

Der vorstehende Text ist zur Veröffentlichung freigegeben!

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Lutz Barth
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"Charta" ist nicht verbindlich!

Beitrag von Lutz Barth » 29.10.2008, 15:43

Die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen kommt keine rechtsnormative Qualität zu; insofern ist die Charta für sich genommen nicht verbindlich und diese ist im Übrigen auch nach dem Willen der Initiatoren nicht gewollt. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine komprimierte Darstellung einzelner „Rechte“, die sich durchaus aus anderen Rechtsquellen – etwa der Verfassung – ergeben, so dass es nach diesseitiger Auffassung durchaus ausreichend ist, wenn und soweit in den Landesgesetzen ein Hinweis auf die Charta – sei es auch indirekt – erfolgt. Zugleich mag bedacht werden, dass gerade mit der Wortwahl „soll“ der Gesetzgeber die Pflichten anmahnt, die im Regelfall zu beachten und demzufolge zu befolgen sind, es sei denn, es sprechen dem gewichtige Gründe entgegen. Dies wird allerdings nicht anzunehmen sein, so dass den Formulierungen im Gesetzentwurf durchaus eine Bedeutung beigemessen werden muss und insofern ist es lobenswert, dass der Landesgesetzgeber überhaupt auf die Charta inhaltlich Bezug genommen hat, obgleich es dieser Bezugnahme nicht bedurft hätte.

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Barth
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Charta muss im Gesetz verbindlich gemacht werden!

Beitrag von WernerSchell » 29.10.2008, 16:03

Sehr geehrter Herr Barth,

es ist klar, dass die in der Charta formulierten Aussagen weitgehend dem entsprechen, was aus der Menschenwürdegarantie abzuleiten ist. Wir können also grundsätzlich von einer Werteordnung ausgehen, die dem entspricht, was in der Charta ausgeführt ist.
Gleichwohl reicht diese Sichtweise nicht aus, um den Grundsätzen der Charta zur uneingeschränkten Geltung zu verhelfen. Verschiedene Verbands- bzw. Trägervertreter haben in der Vergangenheit wiederholt erklärt, dass die Charta nur als Empfehlung verstanden werden könne, da die unzureichenden Rahmenbedingungen des Pflegesystems eine Verbindlichkeit mit Anspruchscharakter nicht zuließen.
Es liegt nach all dem im Interesse der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen, die Chartagrundsätze, die zum Teil sehr allgemein gefasst sind, zu konkretisieren und mit Anspruchscharakter zu versehen. Dies kann eigentlich nur über eine dies klarstellende gesetzliche Regelung geschehen.
Dies wird von zahlreichen Kennern der Pflegeszene gewünscht bzw. gefordert - und dafür werde ich mit aller Entschiedenheit eintreten.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
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Cicero
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Werteordnung schützen und achten!

Beitrag von Cicero » 30.10.2008, 09:42

Guten Morgen allerseits!

Ich halte es, wie Herr Schell (in seinem Statement), für außerordentlich wichtig, die Grundsätze der "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" in den einschlägigen Gesetzen zu verankern und damit konkrete Ansprüche zu gewährleisten.
Der Staat ist sogar verpflichtet, solche Regelungen zu schaffen. Denn in Artikel 1 Grundgesetz ist ausdrücklich davon die Rede, dass der Staat die Menschenwürde zu schützen und zu achten hat. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass er seine Möglichkeiten, konkrete Verbindlichkeiten per Gesetz schaffen zu können, nutzen muss. Unverbindliche Aussagen sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Sie sorgen nämlich nicht für Klarheit, sondern sind eher schädlich, weil daraus abgeleitet werden kann, dass es genau an dieser Verbindlichkeit mangele - gewollt. Denn sonst habe ja der Gesetz eine andere Wortwahl benutzt.
Ich beobachte mit Sorge, dass seitens der Träger und Verbände bezüglich der Charta sehr große Zurückhaltung geübt wird. Die darin beschriebene Werteordnung wird zwar in den berühmten "Sonntagsreden" hervorgehoben, aber bei Festlegungen wird es dann still! Das muss sich ändern. Und insoweit ist der Gesetzgeber (in Bund und Land) gefordert.

MfG
Cicero
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Lutz Barth
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Ziel der Charta?

Beitrag von Lutz Barth » 30.10.2008, 11:41

Um Irritationen zu vermeiden: freilich bleibt es den Landesgesetzgebern unbenommen, weitergehende Regelungen in ihren entsprechenden „Heimgesetzen“ aufzunehmen. Indes verbleibt es aber dabei, dass die Charta nur Selbstverständlichkeiten betont, die im Übrigen bereits an anderweitiger Stelle in der Rechtsordnung abgesichert sind.

„Ziel dieser Charta ist es, die Rolle und die Rechtstellung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen zu stärken, indem grundlegende und selbstverständliche Rechte von Menschen, die der Unterstützung, Betreuung und Pflege bedürfen, zusammengefasst werden. Diese Rechte sind Ausdruck der Achtung der Menschenwürde, sie sind daher auch in zahlreichen nationalen und internationalen Rechtstexten verankert“ (Zitat aus der Präambel).
Ein Bekenntnis zur Charta als ein übergeordnetes Leitbild darf letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass über das Lippenbekenntnis hinaus insbesondere der Grundrechtsschutz besondere Beachtung erfahren muss, der im Grundgesetz in den entsprechenden Grundgesetzartikeln hinreichend präzisiert ist. Es stimmt nachdenklich, wenn es hierzu einer Charta bedarf und wird dann geradezu abenteuerlich, wenn die „Verpflichtung“ hierauf als ein besonderes Gütesiegel der Humanität zu werten wäre, dass gleichsam mit der Vergabe von „Sternen“ honoriert wird.
Das lückenlose Bekenntnis zur Charta ist kein Garant dafür, dass die Öffentlichkeit künftig nicht mehr mit den gelegentlich beklagenswerten defizitären Zuständen in der Pflege konfrontiert wird, denn das Grundgesetz ist bekanntermaßen schon ein „paar Tage älter“ und dennoch gibt es – hier zuversichtlich ausgedrückt – noch einen gewissen „Optimierungsbedarf“ in der Pflege und Betreuung speziell älterer Mitbürgerinnen und Bürger, wie der unlängst erschienen Zweite Bericht des MDK hinreichend dokumentieren dürfte.
Das Gelöbnis auf die Charta ist mithin ehrenvoll, aber es müssen Taten folgen, die über die Grundsatzerklärung hinausragen. Die berufsethische Seele der Professionellen mag einstweilen durch das Gelöbnis beruhigt werden, aber die Spreu wird vom Weizen in der Praxis getrennt und hier bedarf es ganz entscheidender Korrekturen, für die der Gesetzgeber anscheinend nur zaghaft die Verantwortung zu übernehmen denkt, wie die Debatte um die Pflegereform belegt. Eine Selbstregulierung des Marktes steht einstweilen nicht zu erwarten an, so dass es neben einer Charta weiterer Aktionen bedarf, um endlich nachhaltige Verbesserungen insbesondere mit Blick auf die Situation der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen verzeichnen zu können.

Insofern sollte darauf geachtet werden, dass die Charta nur einen beschränkten „normativen Wert“ hat und letztlich einer Konkretisierung bedarf. Dass dieser Konkretisierungsbedarf sich dann allerdings auch an den finanziellen Möglichkeiten auszurichten hat, ist in der Charta selbst angelegt, zumal für die finanziellen Rahmenbedingungen ausreichend Sorge zu tragen ist.

Mit der Charta wird also nicht das Ziel verfolgt, eine „neue“ Rechtsgrundlage zu schöpfen, sondern an die bestehende (!) Rechtslage zu erinnern.

Mit freundlichen Grüßen
Lutz Barth
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Re: Ziel der Charta?

Beitrag von Ina Böhmer » 30.10.2008, 16:41

Lutz Barth hat geschrieben: ... Das Gelöbnis auf die Charta ist mithin ehrenvoll, aber es müssen Taten folgen, die über die Grundsatzerklärung hinausragen. ....
Genau und deshalb müssen Kodifizierungen der einzelnen Selbstbestimmungsregeln erfolgen, klar und unmissverständlich. Dass die Chartagrundsätze bereits Bestandteil der Menschenwürdegarantie sind, versteht sich.
Würde man aber die Menschenwürdegarantie und die Selbstimmungsrechte in Artikel 2 Grundgesetz für sich gesehen als ausreichend ansehen, hätte man sich vielerlei Vorschriften sparen können. Warum steht denn z.B. im Landeskrankenhausgesetz NRW, dass bei der Patientenversorgung die Menschenwürde zu beachten ist und dies sogar für Sterbe gilt? Pure Selbstverständlichkeit.
Alles in allem trete ich auch dafür ein, die Charta mit ihren Aussagen gesetzlich mit klarem Anspruchscharatker zu versehen. Dann weiß schließlich jeder, was wirklich rechtsverbindlich gilt.
Das alles entbindet natürlich nicht von der Verpflichtung, unser Gesundheits- und Pflegesystem so zu reformieren, dass alles zusammen passt!

Ina
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Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 30.10.2008, 17:34

Nun – auch auf die Gefahr hin, sich hier den Unmut im Forum auf sich zu ziehen – darf darauf hingewiesen werden, dass es eher eine „kosmetische Frage“ ist, wenn in „Leitbilder“, aber auch in manchen Gesetzen der Hinweis vorangestellt ist, dass die „Menschenwürde“ zu achten ist und dies auch so jeweils von der Institution „gelebt“ wird. Die Charta ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Proklamation, die durchaus sinnvoll ist. Andererseits ist die Gefahr nicht von der Hand zuweisen, dass die unreflektierte Bezugnahme auf die „Würde des Menschen“ eben nicht selten zur Marginalisierung eben dieser „Würde“ als ein Höchstwert in unserer Verfassung führt. Es werden vielfach verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten betont, die eigentlich zu betonen nicht notwendig sind. Insofern ist es ebenfalls lobenswert, wenn ein solches Bekenntnis in entsprechenden Krankenhausgesetzen abgegeben wird, auch wenn dies nicht notwendig ist

Die Charta selbst ist nicht (!) mit einem Anspruchscharakter zu versehen, sondern allenfalls sind die dort niedergelegten Gedanken, Wünsche und Hoffnungen vom Gesetzgeber als Denkanstöße positiv aufzunehmen, ggf. die Rechtsstellung der Patienten resp. hilfe- und pflegebedürftige künftig präziser zu fassen.

L. Barth
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Cicero
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Gesetzliche Festlegungen erzeugen Druck

Beitrag von Cicero » 30.10.2008, 17:44

Lutz Barth hat geschrieben: .... Die Charta ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine Proklamation, die durchaus sinnvoll ist. ... Die Charta selbst ist nicht (!) mit einem Anspruchscharakter zu versehen, sondern allenfalls sind die dort niedergelegten Gedanken, Wünsche und Hoffnungen vom Gesetzgeber als Denkanstöße positiv aufzunehmen, ggf. die Rechtsstellung der Patienten resp. hilfe- und pflegebedürftige künftig präziser zu fassen. ....
Hallo Herr Barth!

ich denke, dass die Diskussion interessant und notwendig ist. Aber Sie schreiben ja selbst, dass die Charta nur eine Empfehlung ist. Daher erscheint es zwingend, die in der Charta beschriebenen Festlegungen zur Selbstbestimmung gesetzlich verbindlich zu machen. Wir wollen doch über Empfehlungen, die zu nichts verpflichten, hinaus!
Es geht auch letztlich nicht allein darum, auf die Charta nur Bezug zu nehmen. Es sind schon Formulierungen erforderlich, die als konkrete Aussagen umsetzbar und damit auch einklagbar sind. Gibt es solche Ansprüche, wird Druck erzeugt, und alle strengen sich an, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, per Gesetz und tatsächlich. Ohne Festlegungen passiert nichts.

MfG
Cicero
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Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 30.10.2008, 18:47

Hallo Cicero.

Dem kann ich mich nur anschließen, auch wenn ich nicht allzu optimistisch bin. Die Charta selbst steht schon unter einem "finanziellen Vorbehalt" und es ist damit zu rechnen, dass Gesetzgebungsvorschläge nicht an das Ohr der Zuständigen dringen, zumal nicht selten gerade die politisch Verantwortlichen Schützenhilfe von prominenten Pflegekundler bekommen. Dies kann sehr schön an der unselige Debatte um die Fachkraftquote nachvollzogen werden und ich habe die Befürchtung, dass neben der begrüßenswerten Tendenz zur Professionalisierung der Pflegeberufe gleichsam sich eine Entprofessionalisierung dergestalt einschleicht, dass sich die Altenpflege ihrer sozialpflegerischen Bezüge vollständig begibt. Bereits die systemfremde Finanzierung der Behandlungspflege nach dem SGB XI hätte zu einem Aufschrei in der Pflege führen müssen, aber dies lag wohl nicht im Interesse mancher Berufsverbände, die sich zu "höheren Aufgaben" . namentlich genuin ärztlicher Aufgaben - berufen fühlen. Ist es da despektierlich, mal kritisch nachzufragen, warum sich etwa 60% der Pflegekräfte vorstellen und wünschen, auch "ärztliche Aufgaben" zu übernehmen? Liegt es vielleicht daran, dass einige unter den Pflegenden schlicht einen falschen Beruf ergriffen haben und sie besser Medizin hätten studieren sollen?

Die ohne Frage gelegentlich anzutreffenden defizitären Um- und Zustände gerade in der Geriatrie sind u.a. auch m.E. Folgen einer Professionalisierungsstrategie, in dem die Pflege sich anschickt, sich von ihren angestammten Bereichen zu lösen und so einen paraprofessionellen Prozess begünstigen. Es findet ein "Verdrängungswettbewerb" auf dem Gesundheitssektor statt: Pflegende sehen sich eher in der Rolle eines Arztes/Ärztin, der Arzt/die Ärztin vielleicht in einem Manager/in und die Arbeit traditioneller Pflege wird von den Examinierten auf die Pflegeassistenten delegiert.

Nimmt es da wunder, wenn die politisch Verantwortlichen unter gesundheitsökonomischen Aspekten betrachtet sich besonders der Berufsgruppe der Pflegenden annimmt (diese scheinen kostengünstiger als die Ärzte zu sein), während demgenüber die Pflegeassistenten die verantwortungsvolle Aufgabe der scheinbar verlustig gegangenen sozialpflegerischen Betreuung der Hochbetagten übernehmen?

Das jüngste Statement der Präsidentin des DPR verdeutlicht das ganze Dilemma: Modellvorhaben müssen auf den Weg gebracht werden, damit Pflegende endlich ärztliche Aufgaben wahrnehmen dürfen. Dies mag vielleicht für ein Krankenhaus Geltung beanspruchen, obwohl ich auch dort meine Zweifel hätte, aber keinesfalls in geriatrischen Einrichtungen.

Die Charta selbst löst dieses Problem nicht - im Gegenteil: sie beschreibt deutlich die Vorgaben, nämlich die Gewährung von Rechten im Rahmen der möglichen Bedingungen und gerade diese Bedingungen sind ökonomischer Natur.

Eine ... wie ich meine ... unendliche Geschichte, die durch zahlreiche Beispiele untermauert werden kann.

Der geriatrische Patient - zumal der an Demenz erkrankte - ist ein Opfer gesundheitsökonomischer Betrachtungen geworden, wie sich unschwer an der ebenfalls unseligen Diskussion um die Aufsichtspflichten über einen Demenzkranken ablesen lässt: das personell und wirtschaftlich Zumutbare scheint der Gradmesser für die einzulösenden Rechte der hochaltrigen Patienten zu werden und da darf es ebenfalls nicht weiter verwundern, dass eben die Grenzen der Zumutbarkeit schneller erreicht werden, als es vielleicht den Initiatoren der Charta Recht sein dürfte.

Mfg.
Lutz Barth
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Menschenwürdige Pflege ist Selbstverständlichkeit

Beitrag von Rita Reinartz » 31.10.2008, 08:10

Menschenwürdige Pflege ist Selbstverständlichkeit. Das muss man streng genommen nicht detailiert ausführen. Aber:
Angesichts der in zurückliegender Zeit vielfach beschriebenen Pflegemängel kam es zum Runden Tisch Pflege, der die Charta erarbeitete. Sie sollte eine "Waffe" gegen die Mängel sein.
Es hat sich mittlerweile ergeben, dass mit man dieser "Waffe" wohl wenig bis nichts wird ausrichten können. Die bisherigen Heimgesetze allein werden auch nichts ändern. Daher ist die Verbindlichmachung in der hier diskutierten Art und Weise m.E. unausweichlich. Damit zusammen muss es natürlich, wie gefordert, zu umfänglichen Reformregelungen kommen. Mehr Personal, Pflegebegriff neu, verstärkte, Umsetzung ambulant und stationär, mehr Reha vor Pflege usw. usw.

Rita
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

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Juristische Fallstricke in der Pflege - Tagung 14./15.11.08

Beitrag von WernerSchell » 06.11.2008, 07:56

Siehe zum Thema:
„Charta der Recht hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ – ein Papiertiger?
auch die Veranstaltung:
Juristische Fallstricke in der Pflege - Tagung 14./15.11.08
viewforum.php?f=7

Hinweis auch bei pflegen-online.de
http://www.pflegen-online.de/nachrichte ... babe82dea5
Die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ – ein Papiertiger?
So lautet der Titel des Abschlussvortrages des Neusser Dozenten für Pflegerecht, Werner Schell, bei der zweitägigen Tagung am 14. und 15.11.2008 der Universität Witten / Herdecke, die unter Beteiligung zahlreicher leitender Pflegekräfte, Pflegewissenschaftlicher und Pflegerechtler die juristischen Fallstricke in der Pflege thematisiert. (05.11.2008) [mehr]
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Chartaaussagen per Gesetz verbindlich machen

Beitrag von Menschenwürdige Pflege » 06.11.2008, 17:56

Hallo Forum!

Ich finde es mehr als löblich, wenn mit Nachdruck für die Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftigen Menschen Einsatz gezeigt wird. Der Broschürentext ist zwar hier und da bekannt, aber genau nachlesen oder gar umsetzen will das eigentlich kaum jemand. Es scheitert einfach an den Alltagsunzulänglichkeiten in der Pflege.
Daher plädiere ich auch dafür, die entscheidenden Chartaaussagen per Gesetz verbindlich zu machen. Anders geht es wohl nicht.

LG - und immer dafür = Menschenwürdige Pflege
Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen muss konsequent Beachtung finden!
Chartatext hier:
http://www.wernerschell.de/Medizin-Info ... 120505.PDF

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Recht tun - richtig pflegen

Beitrag von ProPflege » 20.11.2008, 17:38

Recht tun - richtig pflegen
Pflegewissenschaftler und Juristen diskutierten über rechtliche Probleme

(20.11.2008)

Pflegewissenschaftler und Juristen diskutierten am 14. und 15.11.2008 an der Universität Witten/Herdecke über rechtliche Probleme in der Pflege.
... (Statement lesen)
http://www.pflegen-online.de/nachrichte ... 0726e03e97
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Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Beitrag von ProPflege » 10.05.2009, 09:04

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat am 25.04.2009 an der "Aktion Grundgesetz" in Neuss teilgenómmen und hat sich dabei für die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" eingesetzt.
Siehe dazu die weiteren Informationen unter
viewtopic.php?t=11533&highlight=aktion

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Charta enthält keine durchsetzbaren Rechte

Beitrag von ProPflege » 11.05.2009, 10:49

Zuschrift an die Redaktion Wort und Bild Verlag
zu einem Bericht, der über die "Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen" informiert:

Sie berichten unter
http://gesundheitpro.de/Pflege/A090428KESOQ112927
über die o.a. Charta. Was daraus nicht hervorgeht ist, dass der Text nur Empfehlungen und keine subjektiv-öffentlichen Rechte beinhaltet. Wir kämpfen dafür, dass die Chartagrundsätze Anspruchscharakter erlangen, siehe u.a.:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... lungen.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... tement.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
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