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Mehr Haftungsklagen gegen Ärzte

Verfasst: 10.04.2008, 17:57
von Ärztliche Praxis
Oberlandesgericht Hamm: Acht Richter für Arztprozesse
Mehr Haftungsklagen gegen Ärzte

09.04.08 - Die Zahl der Fälle, in denen sich Patienten an ein Gericht oder eine Schlichtungsstelle wenden, ist laut dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Hamm, Gero Debusmann, "stark steigend". Auch die Gutachterkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg und die Gerichte in Sachsen müssen sich seit einigen Jahren häufiger mit mutmaßlichen Kunstfehlern beschäftigen.

Für Rechtsanwalt Karl-Otto Bergmann aus Hamm ist weniger die Entwicklung bei den Fallzahlen entscheidend, sondern der Trend zu immer höheren Schmerzensgeldern. Die Prozesse würden zudem immer professioneller geführt, sagte der Jurist der Deutschen Presse-Agentur. Bergmann ist im Deutschen Anwaltverein Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arzthaftungsrecht. Weil Anwälte für Medizinrecht viel Geld verdienen könnten, sei der Bereich für Spezialisten sehr attraktiv geworden.

Geringe Erfolgsquote der Kläger

"Die Verfahren werden oft mit großer persönlicher Erbitterung geführt", gab Richter Debusmann an. Die Menschen suchten nach einer fehlgeschlagenen Behandlung vor Gericht "Ausgleich für entgangenes Lebensglück." Inzwischen seien acht Richter des Oberlandesgerichtes Hamm nur mit Fällen der Arzthaftung betraut. "Wir mussten Anfang 2008 einen zweiten Senat ausschließlich dafür einrichten", sagt Debusmann. Die Erfolgsquote der Kläger sei aber eher gering.

In Baden-Württemberg wurden der Gutachterkommission der Ärztekammer im vergangenen Jahr 980 Anträge vorgelegt, 10 Prozent mehr als 2006. Ein ärztlicher Fehler sei allerdings nur in jedem sechsten Fall festgestellt worden. Die Gerichte in Sachsen hatten 295 Mal über angebliche Kunstfehler zu entscheiden. Das waren sechs Prozent mehr als 2005, aber 34 Prozent weniger als 2006.

Die meisten Probleme gibt es offenbar in der Chirurgie und der Orthopädie. Zuletzt hat außerdem der Einsatz von Robotern beim Einsetzen von Hüftgelenk-Prothesen für Streit gesorgt. Die gravierendsten Fehler, die vor Gericht landen, sind Geburtsschäden. Geht dort etwas schief, ist ein Kind nicht selten für den Rest seines Lebens schwerbehindert.

Candidus: Gut informierte Patienten dank Internet

Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP), Wolfram-Arnim Candidus, erklärt: "Die Patienten werden immer kritischer." Dank des Internets seien Laien bisweilen besser über ihre Krankheit informiert als Ärzte. Und manche Berichte in den Boulevardmedien erweckten den Eindruck, hier locke schnelles Geld.

Dabei sind Behandlungsfehler "sehr schwer zu beweisen", wie Candidus betont. Unzufriedene Patienten seien für Juristen oft nur "eine lukrative Einnahmequelle". Anwälte neigten dazu, den Schaden zu hoch anzusetzen, um somit auch höheres Honorar einzustreichen. Dass dennoch so viele den Rechtsweg beschreiten, hält Candidus für eine Art psychologisches Ausweichmanöver: Manchmal sei es eben leichter, dem Arzt die Schuld zu geben als der Krankheit.

Trotz lokaler Ausschläge nach oben ist die Zahl der Klagen in den vergangenen Jahren bundesweit stabil geblieben. Das geht aus Angaben der Ärztekammern hervor.

dpa / chy

Fundstelle:
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 77.htm&n=1