Broschüre: Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Broschüre: Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung

Beitrag von Service » 03.05.2007, 18:11

DKG-Broschüre „Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung – Hinweise zur Durchführung, Archivierung und zum Datenschutz“, hier: 3. Auflage 2007

Der Vorstand der DKG hat in seiner 244. Sitzung am 21. November 2006 die Herausgabe der 3. Auflage der DKG-Broschüre „Die Dokumentation der Krankenhausbehandlung – Hinweise zur Durchführung, Archivierung und zum Datenschutz“ beschlossen.

In der Neuauflage sind insbesondere die rechtlichen Grundlagen der digitalen Dokumentation und Archivierung von Krankenunterlagen grundlegend überarbeitet und vertieft worden. Schwerpunkt der Überarbeitung waren hierbei die aktuellen Gesetzesänderungen in Bezug auf den Bweiswert elektronischer Dokumente (qualifizierte elektronische Signatur), rechtliche Fragestellungen beim Beweiswert gescannter Dokumente, Ausführungen zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben bei der elektronischen Dokumentation und Archivierung sowie ein Ausblick auf die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die Broschüre gibt einen umfassenden Überblick über die aktuellen rechtlichen Fragestellungen und Entwicklungen bei der Anwendung digitaler Dokumentations- und Archivierungsverfahren und enthält zahlreiche Hinweise zur praktischen Umsetzung.

Ein weiterer Schwerpunkt der Überarbeitung ist der Bereich der Dokumentation unter leistungsrechtlichen Gesichtspunkten, der um die Aspekte der Dokumentation unter DRG-Bedingungen und Stichprobenprüfung nach § 17 c KHG erweitert wurde. Darüber hinaus wurde der Bereich der pflegerischen Dokumentation grundlegend überarbeitet und vertieft.

Auch die jetzt vorliegende 3. Auflage der Broschüre richtet sich nicht nur an Chefärzte, leitende Pflegekräfte, nachgeordnete Ärzte und Pflegekräfte, sondern vor allem auch an die Krankenhausträger. Diese sollten zur Vermeidung eines Organisationsverschuldens eine Dienstanweisung über die Durchführung der Dokumentation erstellen. Aus diesem Grund enthält auch die überarbeitete Fassung der Broschüre in ihrem Anhang eine Formulierungshilfe zur Erstellung einer Dienstanweisung.

Die Broschüre kann bei der

Deutschen Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH
Hansaallee 201, 40549 Düsseldorf
Tel.: (0211) 179235-0
Fax: (0211) 179235-20
E-Mail: info@dkvg.de, Internet: www.dkvg.de

zu einem Preis von 9,80 € bestellt werden. Die ISBN-Nummer lautet: ISBN-13: 978-3-935762-99-1.

Quelle: Mitteilungen und weitere Informationen unter

http://www.dkgev.de/dkgev.php/cat/116/a ... flage+2007

http://www.dkvg.de/product_info.php?inf ... dlung.html

http://www.datenschutzzentrum.de/medizi ... schutz.pdf.

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Herausgabe von Unterlagen an Betreuer

Beitrag von Presse » 18.05.2007, 07:01

Herausgabe von Unterlagen über ärztliche Behandlungen an gerichtlich bestellte Betreuer

Patienten steht grundsätzlich gegenüber dem behandelnden Arzt ein Anspruch auf Auskunftserteilung über die zu ihrer Person gespeicherten Daten bzw. Einsichtnahme in ärztliche Krankenunterlagen zu. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 34 Bundesdatenschutzgesetz, aus dem Standesrecht und dem Behandlungsvertrag sowie indirekt verfassungsrechtlich auch aus dem Recht auf Selbstbestimmung und der personalen Würde des Patienten.

Patienten, für die ein Betreuer gemäß § 1986, 1987 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gerichtlich bestellt wurde, machen diese Ansprüche gegenüber dem behandelnden Arzt meist nicht selbst geltend. Statt dessen nimmt der Betreuer diese Rechte im Namen des Patienten wahr.

Ob durch die Auskunftserteilung an einen Betreuer die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB verletzt wird, hängt im Einzelfall davon ab, ob der Betreuer befugt ist, die gewünschten Informationen zu verlangen und zu erhalten.

Ein gerichtlich bestellter Betreuer nimmt gemäß § 1902 BGB in seinem Aufgabenkreis die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Betreuten wahr. Dies bedeutet, dass ihm insoweit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters zukommt. Da die Betreuung aber gemäß § 1896 Abs. 2 BGB nur für diejenigen Bereiche angeordnet wird, in denen eine Betreuung erforderlich ist, beschränkt sich die Vertretungsmacht des Betreuers auf die Aufgabenkreise, für die er bestellt wurde.

Wird ein Betreuer (u. a. auch) für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge bestellt, dann ist für die Aufgabenerfüllung eine umfassende Kenntnis des Betreuers über den Gesundheitszustand des Betreuten erforderlich. Der Betreuer ist in diesem Fall generell befugt, Informationen über ärztliche Behandlungen des Betreuten zu erhalten. Diese Befugnis ergibt sich aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 1902, 1896 BGB über die Aufgaben eines Betreuers.

Gehört die Gesundheitssorge nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers, fehlt es in der Regel an einer gesetzlichen Befugnis des Betreuers, Informationen über den Gesundheitszustand des Betreuten zu erlangen, so dass die Offenbarung solcher Informationen an den Betreuer eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht darstellt. Wird in solchen Fällen dennoch eine Auskunft begehrt, muss der Patient hierzu seine Einwilligung erteilen. Von einem Einverständnis des Patienten ist dann auszugehen, wenn eine entsprechende Vollmacht des Patienten vorliegt.

Zur Vermeidung einer strafbaren Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht sollte der Arzt vor einer Auskunftserteilung an einen gerichtlich bestellten Betreuer daher feststellen, ob dieser für den Aufgabenbereich Gesundheitssorge bestellt wurde. Hierfür sollte er sich von dem Betreuer die Bestellungsurkunde vorlegen lassen. Gehört die Gesundheitssorge zum Aufgabenbereich des Betreuers, kann eine Auskunft an diesen erteilt werden. Ist dies nicht der Fall, sollte sich der Arzt vergewissern, dass der Patient in die Einholung der Auskunft durch den Betreuer eingewilligt hat. Hierzu sollte sich der Arzt von dem Betreuer eine Erklärung des Patienten vorlegen lassen. Diese sollte den Anforderungen an eine Schweigepflichtentbindungserklärung genügen. Liegt einer der o.g. Fälle vor, ist die Auskunftserteilung nicht nur zulässig, sondern auch rechtlich geboten.

Ist der Patient mit der Auskunftserteilung an den Betreuer nicht einverstanden, so hat der Betreuer diesen Willen des Patienten zu beachten. Dies ergibt sich aus § 1901 Abs. 2 BGB. Missachtet er den Willen des Patienten und ersucht dennoch den Arzt um Auskunft, so kann er dies im Regelfall wirksam tun, denn die Beschränkung der Vertretungsmacht wirkt sich grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem aus und hat in der Regel auf das Außenverhältnis zwischen Betreuer und Arzt keinen Einfluss. Hat der Arzt jedoch unzweifelhaft Kenntnis von dem entgegen stehenden Willen des Patienten erlangt - etwa durch eine Mitteilung des Patienten gegenüber dem Arzt - so sollte der Arzt diesen Willen berücksichtigten und dem Betreuer die Auskunft verweigern. Kann eine einvernehmliche Lösung über das Auskunftsersuchen zwischen Betreuer und Betreutem nicht gefunden werden, so bedarf es hierüber einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts.

Gegenüber dem Patienten kann in bestimmten Fällen die Akteneinsicht verweigert werden, und zwar unter anderem auch dann, wenn die Offenbarung der Information für den Patienten gesundheitsschädigende nachteilige Wirkungen haben kann. Dies wird hauptsächlich bei Unterlagen über die Behandlung psychisch kranker Patienten angenommen. Grund der Verweigerung ist somit der Schutz des Patienten vor u.U. schädigenden Informationen. Dieser Schutzzweck kann aber gegenüber Dritten, wie beispielsweise dem Betreuer, einem Auskunftsersuchen in der Regel nicht entgegen gehalten werden. Daher kann dem Betreuer im Regelfall auch die Herausgabe von Unterlagen über psychische Erkrankungen nicht verwehrt werden.

Weitere Informationen über das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht von Patienten finden Sie in den Beiträgen Datenschutzrechte der Patienten und Besonderheiten bei der Einsichtnahme von Patienten in psychiatrische Behandlungsunterlagen

Quelle: https://www.datenschutzzentrum.de/mediz ... treter.htm

Siehe auch
Datenschutz bei Betreuungsverhältnissen
unter http://www.lfd.niedersachsen.de/master/ ... 60,00.html

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Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK

Beitrag von Service » 30.06.2007, 07:08

Urteil:
Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 28. Februar 2007 (Az.: B 3 KR 12/06 R) entschieden, dass Krankenkassen den Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen an den MDK aus eigenem Recht und in eigenem Namen geltend machen können.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende Krankenkasse machte im Wege einer Stufenklage gegenüber dem beklagten Universitätsklinikum in der ersten Stufe die Herausgabe von medizinischen Unterlagen an den MDK zwecks Prüfung der sachlichen Richtigkeit der Abrechnung geltend, in der zweiten Stufe, abhängig vom Ergebnis der Prüfung, einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Der Klage voraus ging die Durchführung von Stammzellentransplantationen bei acht bei der Klägerin Versicherten im Jahre 2000 durch die Beklagte. Die Klägerin bezahlte zunächst die berechneten Fallpauschalen der Gruppe 11, vermutete jedoch später, dass die Beklagte eine Therapie durchgeführt habe, die nicht der Definition dieser Fallpauschalengruppe entspreche, so dass eine Abrechnung nach tagesgleichen Pflegesätzen hätte erfolgen müssen. Die Klägerin beauftragte den MDK Baden-Württemberg mit der Überprüfung der Fälle. Die Beklagte lehnte mehrmals die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK ab, so dass dieser den Prüfauftrag unerledigt an die Klägerin zurückgab.

Am 27. Dezember 2002 klagte die Klägerin vor dem Sozialgericht München in der ersten Stufe auf Feststellung, dass die Beklagte zur Herausgabe der Unterlagen an den MDK Bayern verpflichtet sei, in der zweiten Stufe auf Zahlung sich eventuell ergebender Rückforderungsansprüche. Nach Verweis an das SG Stuttgart änderte die Klägerin in der Verhandlung vom 19. Januar 2005 die Feststellungsklage in eine Herausgabeklage und ersetzte den MDK Bayern durch den MDK Baden-Württemberg. Das SG hat die Beklagte zur Herausgabe der Unterlagen an den MDK verurteilt, das Landessozialgericht deren Berufung mit Urteil vom 18. November 2005 zurückgewiesen. Die von der Beklagten daraufhin vor dem BSG eingelegte Revision war erfolglos.

Das BSG führt diesbezüglich aus, dass die Stufenklage auch in der Sozialgerichtsbarkeit zulässig sei. Die Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK zwecks Prüfung sei unabdingbar, um festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch gegeben sei. Die Klageumstellung auf eine Herausgabeklage stelle ebenso eine nach § 99 Abs. 4 SGG nicht anfechtbare Entscheidung des SG dar wie die Ersetzung des MDK Bayern durch den zuständigen MDK Baden-Württemberg.

Zwar sei allein der MDK ermächtigt, nach § 276 Abs. 2 S. 1 2. Halbsatz SGB V die zur Prüfung erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern und werde diesbezüglich in einem eigenen Pflichtenkreis tätig. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen nur vom MDK geltend gemacht werden könne. Dieser Anspruch sei ein Hilfsanspruch, der dem auf Erstattung gerichteten Zahlungsanspruch diene und dessen Inhaber, also den Krankenkassen, zustehe. Diese seien bei der Prüfung von Krankenhausrechnungen auch „Herrin“ des Begutachtungsauftrages an den MDK, da sie die konkrete Fragestellung der Fallprüfung definieren und den Begutachtungsauftrag jederzeit ändern oder beenden können. Sie entscheiden auch darüber, ob und mit welchen Mitteln vorgegangen werden solle, wenn ein Leistungserbringer die Herausgabe von Unterlagen an den MDK verweigert. Dem MDK wäre es nicht zumutbar, die Herausgabe selbst und auf eigene Kosten einzuklagen, da ihm das eigene rechtliche oder wirtschaftliche Interesse bezüglich der streitigen Vergütungsfragen fehle. Daher könne nur die Krankenkasse den Herausgabeanspruch von Unterlagen an den MDK aus eigenem Recht und in eigenem Namen gerichtlich geltend machen, zumal § 276 SGB V nicht normiere, wem der Anspruch materiell-rechtlich zustehe oder wie er prozessual geltend zu machen sei.

Auch greife der Einwand der verspäteten Einleitung eines Prüfverfahrens nicht durch. Diesbezügliche gesetzliche oder vertragliche Pflichten bestanden im Jahr der Prüfung (2002) nicht. Die Grundsätze des BSG-Urteils vom 13. Dezember 2001 (Az.: B 3 KR 11/01 R, „Berliner Fälle“) seien auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da es hier um Fragen der Abrechnung und nicht um Fragen der Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung gehe. Ob eine durchgeführte Therapie den Voraussetzungen der Gruppe 11 des Fallpauschalenkataloges entspricht, könne unabhängig vom konkreten Erinnerungsvermögen des behandelnden Arztes auch nach einem längeren Zeitraum beurteilt werden. Eine Frist zur Einleitung eines Prüfverfahrens sei nicht zu beachten gewesen, da eine entsprechende Frist erst im Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V ab dem 1. Januar 2006 ohne rückwirkende Geltung in Kraft getreten sei.

Offen bleiben könne, ob sich die Prüfung der sachlichen und abrechnungstechnischen Richtigkeit einer Krankenhausrechnung auf Einzelfälle beschränke, wie es der entsprechende Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V vorsehe. Der Wortlaut des § 275 Abs. 1 SGB V enthalte keine Einschränkung der Prüfungskompetenz auf Einzelfälle, vielmehr spreche er von Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. Die Krankenkasse sei daher berechtigt, die acht Behandlungsfälle durch den MDK überprüfen zu lassen, da es sich nicht um eine routinemäßige Stichprobenprüfung handele, sondern der konkrete Verdacht fehlerhafter Abrechnung bestehe und daher Auffälligkeiten im Sinne von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorliegen.

Zwar sei die vierjährige Verjährungsfrist des Sozialrechts auf alle gegenseitigen Rechte und Pflichten im Rahmen der Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer und der Krankenkassen zu übertragen und gelte sowohl für Haupt- als auch für Hilfsansprüche. Richtigerweise endete die Verjährungsfrist in sieben Fällen am 31. Dezember 2004, in einem Fall am 31. Dezember 2005, die am 27. Dezember 2002 erfolgte Klageerhebung hemme jedoch die Verjährung. Dass die Klage beim örtlich unzuständigen Sozialgericht eingereicht und der MDK Bayern irrtümlich benannt wurde, berühre die prozessuale Wirksamkeit der Klageerhebung nicht. Der Herausgabeanspruch sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der auf der zweiten Stufe erhobene Zahlungsanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt begründet sein könne. Ebenso sei unbeachtlich, dass die Beklagte einen erheblichen Mehrerlösausgleich an die Klägerin habe zahlen müssen, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich trotz des Mehrerlösausgleichs noch ein Erstattungsanspruch der Klägerin errechne.

Für den Streitwert, so das BSG, sei bei Stufenklagen grundsätzlich nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur der höhere der verbundenen Ansprüche maßgebend. Werde jedoch in zweiter und dritter Instanz lediglich ein der Informationsgewinnung dienender Auskunfts- oder Herausgabeanspruch geltend gemacht, betrage der Streitwert für die erste Stufe einer solchen Stufenklage grundsätzlich 10 % des voraussichtlichen Leistungsanspruchs.

Anmerkungen:
Nunmehr liegt eine weitere Entscheidung des BSG zum Beziehungsgeflecht Krankenhaus, Krankenkasse und MDK vor. Dabei hat das BSG neben systematisch nachvollziehbaren Begründungen auch Aussagen getroffen, die für die Krankenhäuser zu einer erheblichen Belastung werden können.

Erfreulich ist, dass die Zulässigkeit einer Stufenklage im sozialgerichtlichen Verfahren jetzt höchstrichterlich festgestellt wurde. Diese Aussage kommt für die Krankenhäuser zum richtigen Zeitpunkt, da die Stufenklage das richtige prozessuale Mittel darstellen wird, wenn gegen die Streichung der Rückzahlungsverpflichtung der nicht verwendeten Mittel der integrierten Versorgung nach § 140 d Abs. 1 S. 8 SGB V geklagt werden soll.

Die darauf aufbauende Feststellung des BSG ist schon zweischneidigerer Natur. Der im Rahmen einer Stufenklage auf der ersten Stufe zu erhebende Auskunftsanspruch ist materiell-rechtlich wohl tatsächlich ein Hilfsanspruch eines zu sichernden Zahlungsanspruches im Sinne der §§ 259 ff. BGB und unterliegt denselben Verjährungsregeln. Konsequenz dieser Feststellung ist, dass dann der Inhaber des Zahlungsanspruches – zumindest auch – Inhaber des Hilfsanspruches ist, die Krankenkasse somit im Klagewege die Herausgabe der zur ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V erforderlichen Unterlagen geltend machen kann. Dieses Ergebnis irritiert zunächst, da der Wortlaut des § 276 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass der MDK in Fällen des § 275 Abs. 1 SGB V Sozialdaten erheben und deren Übermittlung unmittelbar an sich verlangen darf. Vor dem Hintergrund des materiell-rechtlichen Charakters des Auskunftsanspruchs kann die Berechtigung zur Geltendmachung des Anspruches durch die Krankenkasse aber kaum bestritten werden. Was diese Feststellung im Ergebnis erträglicher macht, ist die Feststellung des BSG, dass die Unterlagen ausschließlich an den MDK herauszugeben sind und das Krankenhaus entscheiden kann, ob es die Unterlagen direkt an den MDK oder in einem verschlossenen Umschlag an die Krankenkassen zur Weiterleitung an den MDK übersendet.

Problematisch wird diese Entscheidung jedoch, wenn das BSG – wie bereits in seiner Entscheidung vom 28. September 2006, siehe DKG-Rundschreiben Nr. 376/06 vom 11. Dezember 2006 – eine Frage bewusst offen lässt, jedoch deutlich macht, welche Entscheidung es treffen würde, wenn es diese Frage zu klären hätte. In der Entscheidung vom 28. September 2006 ist das BSG bezüglich der Bindung des MDK an Regelungen in Landesverträgen nach § 112 Abs. 2 SGB V so verfahren, nunmehr zweifelt es den Charakter der Prüfungen nach § 275 Abs. 1 SGB V als Einzelfallprüfungen an, da der Begriff „Einzelfall“ im Wortlaut des § 275 Abs. 1 SGB V nicht auftauche, sondern lediglich von „Auffälligkeiten“ gesprochen werde. Damit steht das BSG in Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen. Dieser bezeichnet in der Gesetzesbegründung zum GKV-WSG unter Nr. 185 a die Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ausdrücklich als „Einzelfallprüfung“. Die am Wortlaut klebende und den gesetzgeberischen Willen ignorierende Auslegung des BSG ist in Zeiten, in denen der Gesetzgeber erste Schritte zur Eindämmung der Flut von schematisiert eingeleiteten Prüfungen nach § 275 Abs. 1 SGB V unternimmt, kontraproduktiv, denn eine Prüfung von „Auffälligkeiten“ ist nicht auf einen Behandlungsfall beschränkt, eine solche Prüfung kann sich – wie im entschiedenen Fall – auf acht oder auch auf mehr Fälle beziehen. Es ist zu befürchten, dass die Krankenhäuser auch zukünftig weiterhin eine Flut von Prüfungen nach § 275 Abs. 1 SGB V erleiden müssen, die sich nicht nur auf Einzelfälle beschränken, sondern Gruppen von Behandlungsfällen umfassen werden. Dadurch verwischen die Grenzen zwischen der Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V und der reglementierten Stichprobenprüfung nach § 17 c KHG und torpedieren das Ziel des Gesetzgebers, die Bedeutung der Stichprobenprüfung durch ein erleichtertes Einleitungsverfahren zu erhöhen.

Gerade die Aussage des BSG zum Charakter der Prüfung nach § 275 Abs. 1 SGB V verleiht dem Urteil erhebliche Brisanz, da zu befürchten ist, dass sich die Zahl der Einzelfallprüfungen unter dem Deckmantel der Prüfung von „Auffälligkeiten“ ansteigen wird.

Quelle: Pressemitteilung vom 22.6.2007
http://www.dkgev.de/dkgev.php/cat/116/a ... an+den+MDK

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