Hallo Experten,
ich bin im Rahmen einer Krankenhausunterbringung erst kurz vor einem mich belastenden Eingriff von einem Stationsarzt informiert worden. Ich hatte eigentlich überhaupt keine Zeit, das Gehörte zu verarbeiten und nachzudenken. Es ist zwar alles gut gegangen, aber mich interessiert doch zu erfahren, ob das rechtlich so in Ordnung war. Das Pflegepersonal, das ich ansprach, meinte, das bei mir geübte Verfahren sei so üblich; da könne man nichts machen.
Leni Gundlach
Aufklärungspflicht des Arztes - wann?
Moderator: WernerSchell
Re: Aufklärungspflicht des Arztes - wann?
Hallo,
ein ziemlich neues Urteil, im Volltext abzurufen unter BGH-free RWS Verlag Monatübersichten, VI. Senat oder unter Fachbereich Arzthaftungsrecht:
BGH Urteil vom 25.03.2003 VI ZR 131/02
Leitsatz
a) Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert grundsätzlich, dass ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon zu diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind. Eine erst später erfolgte Aufklärung ist zwar nicht in jedem Fall verspätet. Eine hierauf erfolgte Einwilligung ist jedoch nur wirksam, wenn unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden. Deshalb ist bei stationärer Behandlung eine Aufklärung erst am Tag des Eingriffs grundsätzlich verspätet.
b) Eine Haftung wegen nicht ausreichender oder nicht rechtzeitiger Aufklärung entfällt, wenn der Patient über das maßgebliche Risiko bereist anderweitig aufgeklärt ist.
Dies ist schon länger geltende Rechtsprechung (z.B. BGH Urteil vom 7.4.92), damit wieder bestätigt.
Liebe Grüße
ein ziemlich neues Urteil, im Volltext abzurufen unter BGH-free RWS Verlag Monatübersichten, VI. Senat oder unter Fachbereich Arzthaftungsrecht:
BGH Urteil vom 25.03.2003 VI ZR 131/02
Leitsatz
a) Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert grundsätzlich, dass ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon zu diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind. Eine erst später erfolgte Aufklärung ist zwar nicht in jedem Fall verspätet. Eine hierauf erfolgte Einwilligung ist jedoch nur wirksam, wenn unter den jeweils gegebenen Umständen der Patient noch ausreichend Gelegenheit hat, sich innerlich frei zu entscheiden. Deshalb ist bei stationärer Behandlung eine Aufklärung erst am Tag des Eingriffs grundsätzlich verspätet.
b) Eine Haftung wegen nicht ausreichender oder nicht rechtzeitiger Aufklärung entfällt, wenn der Patient über das maßgebliche Risiko bereist anderweitig aufgeklärt ist.
Dies ist schon länger geltende Rechtsprechung (z.B. BGH Urteil vom 7.4.92), damit wieder bestätigt.
Liebe Grüße
Ärztliche Aufklärung immer rechtzeitig!
Hallo Leni,
ich ergänze den Text von Mariah:
Die ärztliche Aufklärung muss immer rechtzeitig erfolgen, d.h., dem Patient muss ausreichendend Zeit gegeben sein, abzuwägen und sich zu entscheiden. Der nachfolgende Text informiert über ein Urteil des OLG Koblenz genau zu Deinem Fragetext!
Im Übrigen gibt es bereits zahlreiche Texte zum Thema Aufklärungspflicht in diesem Forum, auch im archivierten Forum. Siehe z.B. im neuen Forum unter der Titelung „Patienteneinwilligung im OP unvollkommen - Hilfe!“ bzw. „Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht“ bzw. „Pflichten gegenüber Patienten“ bzw. „Selbstbestimmungsrecht“.
Gruß Berti
Patienten müssen über die ärztliche Aufklärung vor einer Operation nachdenken können!
Informationsblätter sind mindestens einen Tag vor dem Eingriff auszuhändigen. Es reicht nicht aus, dass ein Patient ein Informationsblatt unterschrieben hat, um eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung über einen diagnostischen Eingriff nachzuweisen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden (Aktenzeichen: 5 U 1382/00). Bei ambulanter Therapie können allerdings andere Regeln zur Anwendung kommen.
Der Fall: Am Tag vor der geplanten Entfernung eines Tumors im Bereich der linken Arteria carotis wurden bei einer Patientin eine Angiographie und anschließend eine Embolisation und eine Occlusionstestung gemacht. Unmittelbar vor dem Eingriff hatte die Patientin von einem Assistenzarzt ein Formblatt „Information über die Angiographie“ erhalten, das sie unterschrieb. Nach dem Eingriff war die Patientin halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Daraufhin verklagte sie den behandelnden Arzt, den Leiter der Neuro-Radiologie einer Universitätsklinik. Sie warf ihm vor, sie nicht rechtzeitig und ausreichend aufgeklärt zu haben. In erster Instanz unterlag die Patientin vor dem zuständigen Landgericht. Zwar sei die Aufklärung nicht ordnungsgemäß gewesen, urteilte das Gericht. Daraus könne sie jedoch keine Rechte herleiten, weil es keinen ernsthaften Entscheidungskonflikt gegeben habe. Dieser Auffassung folgte das OLG Koblenz nicht.
Entscheidungsgründe: Zwar reiche es bei diagnostischen Eingriffen wie bei ambulanten Operationen aus, wenn der Patient am Tag des Eingriffs über die Risiken aufgeklärt werde. Dabei müsse ihm aber auch klar gemacht werden, daß ihm die Entscheidung für oder gegen den Eingriff überlassen bleibe. Werde der Patient aber - wie im vorliegenden Fall - erst im oder unmittelbar vor dem Operationssaal aufgeklärt mit dem Hinweis, ohne die Untersuchung könne die Operation am nächsten Tag nicht starten, habe er diese Entscheidungsfreiheit nicht mehr. Der Arzt könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Patientin bei vollständiger und rechtzeitiger Aufklärung auf jeden Fall in die vorgeschlagene Behandlung eingewilligt hätte. Bei diagnostischen Eingriffen müssten - wenn die Operation nicht dringend oder gar überlebensnotwendig sei - strengere Maßstäbe für die Aufklärung gelten. Der Arzt müsse dabei den Patienten selbst auf entferntere Komplikationsmöglichkeiten in angemessener Form hinweisen. Im vorliegenden Fall sei die Patientin nicht nur über die Risiken der Embolisation und der Occlusionstestung nicht aufgeklärt wurde, sondern auch nicht über das im Vergleich zur herkömmlichen Angiographie erhöhte Risiko der geplanten selektiven Angiographie. Der Arzt sei daher zur Zahlung eines Schmerzensgelds von rund 25 000 Euro und zur Regulierung des künftigen materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Eingriffs verpflichtet.
ich ergänze den Text von Mariah:
Die ärztliche Aufklärung muss immer rechtzeitig erfolgen, d.h., dem Patient muss ausreichendend Zeit gegeben sein, abzuwägen und sich zu entscheiden. Der nachfolgende Text informiert über ein Urteil des OLG Koblenz genau zu Deinem Fragetext!
Im Übrigen gibt es bereits zahlreiche Texte zum Thema Aufklärungspflicht in diesem Forum, auch im archivierten Forum. Siehe z.B. im neuen Forum unter der Titelung „Patienteneinwilligung im OP unvollkommen - Hilfe!“ bzw. „Dolmetscher – Übersetzer - Aufklärungspflicht“ bzw. „Pflichten gegenüber Patienten“ bzw. „Selbstbestimmungsrecht“.
Gruß Berti
Patienten müssen über die ärztliche Aufklärung vor einer Operation nachdenken können!
Informationsblätter sind mindestens einen Tag vor dem Eingriff auszuhändigen. Es reicht nicht aus, dass ein Patient ein Informationsblatt unterschrieben hat, um eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung über einen diagnostischen Eingriff nachzuweisen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden (Aktenzeichen: 5 U 1382/00). Bei ambulanter Therapie können allerdings andere Regeln zur Anwendung kommen.
Der Fall: Am Tag vor der geplanten Entfernung eines Tumors im Bereich der linken Arteria carotis wurden bei einer Patientin eine Angiographie und anschließend eine Embolisation und eine Occlusionstestung gemacht. Unmittelbar vor dem Eingriff hatte die Patientin von einem Assistenzarzt ein Formblatt „Information über die Angiographie“ erhalten, das sie unterschrieb. Nach dem Eingriff war die Patientin halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Daraufhin verklagte sie den behandelnden Arzt, den Leiter der Neuro-Radiologie einer Universitätsklinik. Sie warf ihm vor, sie nicht rechtzeitig und ausreichend aufgeklärt zu haben. In erster Instanz unterlag die Patientin vor dem zuständigen Landgericht. Zwar sei die Aufklärung nicht ordnungsgemäß gewesen, urteilte das Gericht. Daraus könne sie jedoch keine Rechte herleiten, weil es keinen ernsthaften Entscheidungskonflikt gegeben habe. Dieser Auffassung folgte das OLG Koblenz nicht.
Entscheidungsgründe: Zwar reiche es bei diagnostischen Eingriffen wie bei ambulanten Operationen aus, wenn der Patient am Tag des Eingriffs über die Risiken aufgeklärt werde. Dabei müsse ihm aber auch klar gemacht werden, daß ihm die Entscheidung für oder gegen den Eingriff überlassen bleibe. Werde der Patient aber - wie im vorliegenden Fall - erst im oder unmittelbar vor dem Operationssaal aufgeklärt mit dem Hinweis, ohne die Untersuchung könne die Operation am nächsten Tag nicht starten, habe er diese Entscheidungsfreiheit nicht mehr. Der Arzt könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Patientin bei vollständiger und rechtzeitiger Aufklärung auf jeden Fall in die vorgeschlagene Behandlung eingewilligt hätte. Bei diagnostischen Eingriffen müssten - wenn die Operation nicht dringend oder gar überlebensnotwendig sei - strengere Maßstäbe für die Aufklärung gelten. Der Arzt müsse dabei den Patienten selbst auf entferntere Komplikationsmöglichkeiten in angemessener Form hinweisen. Im vorliegenden Fall sei die Patientin nicht nur über die Risiken der Embolisation und der Occlusionstestung nicht aufgeklärt wurde, sondern auch nicht über das im Vergleich zur herkömmlichen Angiographie erhöhte Risiko der geplanten selektiven Angiographie. Der Arzt sei daher zur Zahlung eines Schmerzensgelds von rund 25 000 Euro und zur Regulierung des künftigen materiellen und immateriellen Schaden aufgrund des Eingriffs verpflichtet.