Vermehrt Sterbehilfegesuche in Europa / Gewissen der Ärzte

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

Antworten
Presse
phpBB God
Beiträge: 14249
Registriert: 10.11.2006, 12:44

Vermehrt Sterbehilfegesuche in Europa / Gewissen der Ärzte

Beitrag von Presse » 05.03.2007, 07:04

- Vermehrt Sterbehilfegesuche in Europa / Gewissen der Ärzte
- Tagungsbericht / "Politische Elite" in Deutschland und Wahlentscheidungen der Bürger/-innen


Granada, 3.2.07: Spanien ist um einen Sterbehilfe-Präzedenzfall reicher. Eine an Muskeldystrophie leidende, seit neun Jahren bewegungslos ans Bett gefesselte Patientin erhielt die richterliche Erlaubnis, die Herz-Lungenmaschine, die sie am Leben erhält, abstellen zu lassen. In der Urteilsbegründung heißt es, es handele sich bei der Entscheidung um eine „rechtliche Anpassung“. Nun wird verhandelt, wo
das Leben der unheilbar Kranken beendet werden kann, da die Klinik in Granada, wo sie sich befindet, in Spanien verbotene Sterbehilfe verweigern könnte:

http://www.megawelle.com/Nachrichten.13 ... assen.html


Warschau, 2.3.07: In Polen will ein nach einem Motorradunfall gelähmter junger Mann namens Janusz Switaj eine Volksabstimmung über die Legalisierung von Sterbehilfe initiieren.

http://www.oe24.at/zeitung/welt/weltpol ... 116157.ece


Rom, 27.2.07: Anästhesisten grundsätzlich gegen Abbruch einmal eingeleiteter Intensivmaßnahmen
Für die Ärzte sei „keine medizinische Handlung zumutbar, die willentlich das Leben unterdrückt“, zitiert die Tageszeitung „Avvenire“ vom Dienstag aus einer Erklärung des Verbandes der italienischen Klinik-Anästhesisten. Auch Patientenverfügungen müsse der Arzt aus Gewissensgründen widersprechen dürfen. Man könne von spezialisierten Medizinern „nicht zur gleichen Zeit verlangen, alles Mögliche für die Rettung menschlicher Leben zu tun und sie zu beenden, indem man die Geräte abschalte“.
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=27652


Berlin, 27.2.2007: Tagung "Die Freiheit zu sterben" der Heinrich-Böll-Stiftung
Das vorsorglich zum Ausdruck gebrachte Patientenrecht, für jeden Krankheitszustand über intensivmedizinische Maßnahmen oder künstliche Ernährung selbst bestimmen zu können, wurde auch von den meisten auf der Tagung vertretenen Bundestagsabgeordneten zurückgewiesen: So von Renate Künast (Bündnisgrüne), Monika Knoche (PDS/Linke), Markus Grübel (Union) sowie Rene Röspel (SPD). Dies fiel beim Publikum – welches anders als die erst abends eingetroffenen Politiker/-innen den ganzen Tag über durch hochkarätige juristische Fachvorträge sachlich aufgeklärt war - nicht eben auf Zustimmung. Vielmehr wurde eine erschreckende Diskrepanz zur „politischen Elite“ offenkundig. Renate Künast verließ unter Klagen über Unmutsäußerungen und „Grummeln“ des Publikums vorzeitig die Veranstaltung.
Auf dem Abschlusspodium konnte allein der FDP-Politiker Michael Kauch – auch im Unterschied zum SPD- und Unionsvertreter – im Sinne der Meinungsbildung seiner gesamten Fraktion sprechen. Er wendete sich - im Einklang allein mit Bundesärztekammerpräsidenten Prof. Hoppe und mit Joachim Stünker (SPD) - gegen das Ansinnen, die meisten Arten und Stadien von Krankheiten aus dem Bereich des Wirksamwerdens einer vorsorglichen Patientenverfügung auszuklammern. Stünker schließlich stellte den Entwurf des rechtspolitischen Arbeitskreises der SPD (in Übereinstimmung mit Bundesjustizministerin Zypries) vor.

Zwischenzeitlich haben sich die SPD-Justizminister von Bund und Ländern für eine schnelle gesetzliche Regelung zu Patientenverfügungen in diesem Sinne ausgesprochen.
http://www.zeit.de/news/artikel/2007/03/02/94279.xml

Am Rande der Tagung hat der Humanistische Verband Deutschlands darauf hingewiesen, dass die Abfassung und Umsetzung von Patientenverfügungen in der Praxis gewissenhaft und verantwortlich zu gewährleisten sind. Der Verband stellte den Tagungsteilnehmer/-innen und Medienvertreter/-innen praxisorientierte Informationen zu Standard-Modellen und konkret-individuellen Patientenverfügungen zur Verfügung.
http://www.patientenverfuegung.de/pv/zu_beachten.htm

Der Verband erwägt gemeinsam mit anderen Patienten(rechts)organisationen eine Aufklärungskampagne für Wähler/-innen bezogen auf das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten in den jeweiligen Wahlkreisen. Es gehe nicht an, dass deren eigene subjektive Erfahrung („Mein Schwager ist nach 3 Monaten im Koma auch wieder aufgewacht“), religiös oder ethisch motivierte Rigorosität („kein Behandlungsverzicht außerhalb des bereits unaufhaltsamen Sterbens“) zum geseztlichen Maßstab für andere zu werden drohe. Damit werde das bisher geltende Persönlichkeitsrecht jeder einzelnen Bürgerin und jeder einzelnen Bürgers in verfassungswidriger Weise sehr ernsthaft bedroht.

(Interessierte, Unterstützer und Bündnispartner dafür können sich an die u. g. Adresse dieses Newsletters wenden.)

Auf der Berliner Tagung am Dienstag hatte Kauch für die FDP bekannt gegeben, dass seine Fraktion sich dem Stünker-Entwurf als fraktionsübergreifendem Gruppenantrag anschließen würde – allerdings müssten noch Nachbesserungen erfolgen. Diese würden sich z. B. auf einige „weichere Formulierungen“ beziehen (wobei Kauch vom Problem einer „personalen Zuschreibung“ von früheren Anweisungen im Falle von Demenz abgerückt ist und nunmehr meint, dieses sei unter die Bedingung eines offensichtlichen Abrückens von einer früheren Willenserklärung subsumierbar). Auch die Regelung zum mutmaßlichen Willen bei fehlender Patientenverfügung im Stünker-Entwurf bedarf offensichtlich noch der Überarbeitung, um von der FDP mitgetragen werden zu können.

Quelle: Newsletter Patientenverfügung vom 4.3.2007
PV-Newsletters patientenverfuegung.de - http://www.patientenverfuegung.de
mail@patientenverfuegung.de

Antworten