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Arzt muss nach Infektion 25.000 Euro zahlen

Verfasst: 24.10.2006, 09:07
von ÄP
Vorweg:
Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig geworden. Der BGH hat mit Urteil vom 20.03.2007 die Revision verworfen. Siehe dazu die Texteinstellung vom 23.3.2007 (weiter unten).

Hygienemängel in der Praxis:
Arzt muss nach Infektion 25.000 Euro zahlen
Ein Arzt aus Rheinland-Pfalz muss wegen Hygienemängeln in seiner Praxis einer Patientin 25.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das entschied das Oberlandesgericht Koblenz in einem jetzt bekannt gewordenen grundlegenden Urteil.

23.10.06 - Ein Mediziner muss demnach für die Einhaltung der maßgeblichen Hygieneregeln sorgen. Eine Haftung entfalle nur, wenn der Arzt nachweisen könne, dass die bei einem Patienten aufgetretene Infektion auch trotz Beachtung dieser Vorschriften eingetreten wäre (Az.: 5 U 1711/05).

Das Gericht gab mit seinem Urteil der Klage einer Patientin statt. Die Frau hatte eine Spritze im Nacken und daraufhin einen so genannten Spritzenabszess bekommen. Laut OLG fehlten in der Praxis Hygienepläne und -anweisungen. Außerdem seien Desinfektionsmittel häufig nicht in ihren Originalbehältnissen aufbewahrt worden und teilweise verkeimt gewesen. Zudem habe sich das Praxispersonal vor dem Aufziehen einer Spritze in der Regel nicht die Hände desinfiziert.

BGH muss entscheiden

Vor diesem Hintergrund sah es das Gericht als hinreichend wahrscheinlich an, dass mangelnde Hygiene der Grund für die Infektion der Klägerin war. Zwar gehörten Keimübertragungen zum Krankheitsrisiko eines Patienten, für das ein Arzt nicht unbedingt haftbar gemacht werden könne. Anders liege der Fall jedoch, wenn der Arzt nachweisbar gegen Hygienevorschriften verstoßen habe.

Das Urteil des OLG Koblenz ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Fall liegt nun vielmehr wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vor (Az.: VI ZR 158/06).

Quelle: Zeitung "Ärztliche Praxis", 23.10.2006
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 27.htm?n=1

Siehe auch unter
Hygienemängel: Arzt muß 25 000 Euro zahlen
http://www.aerztezeitung.de/docs/2006/1 ... echt/recht

Hygienemängel und Haftung

Verfasst: 26.10.2006, 17:51
von H.P.
Hygienemängel und Haftung

Eine vernünftige Entscheidung des OLG Koblenz. Wenn in allen Fällen von Hygienemängeln so vorgegangen und entschieden würde, kämen wohl tagtäglich viele ähnliche Urteile zustande.

Hygienevorschriften werden massivst missachtet!

H.P.

Spritzenabszess: BGH bestätigt Schmerzensgeld

Verfasst: 23.03.2007, 07:52
von Ärztliche Praxis
Betrag von 25.000 Euro ist rechtens
Spritzenabszess: BGH bestätigt Schmerzensgeld
Wer die Hygienevorschriften in der Praxis gravierend vernachlässigt, der haftet. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden.

22.03.07 - Der BGH wies damit die Revision eines niedergelassenen Orthopäden ab, der wegen eklatanter Hygienemängel zu Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt worden war.

Das Oberlandesgericht Koblenz hatte es als erwiesen angesehen, dass sich in der Praxis eine Patientin mit Staphylokokken angesteckt hatte. Die Frau bekam 1999 wegen Halsstarre mehrere Injektionen und erlitt einen Spritzenabszess. Sie musste mehrmals stationär behandelt werden und ist heute arbeitsunfähig.

Zeitgleich mit der Klägerin haben sich noch mehrere Patienten angesteckt. Es stellte sich heraus, dass eine Arzthelferin, die bei den Injektionen durchweg assistierte, Trägerin der Bakterien war.

Das OLG hatte sich in der Beurteilung des Falls wegen der gravierenden Mängel in der Praxis extrem patientenfreundlich verhalten, was der BGH jetzt bestätigte (Aktenzeichen: VI ZR 158/06).


Arzt muss nach Infektion 25.000 Euro zahlen

Verfasst: 24.03.2007, 08:33
von Andreas Bürgerlich
Der BGH hat sich nicht extrem patientenfreundlich gezeigt, sondern hat nach Fakten geurteilt, das Wort ,,,EXTREM,,, ist eine difamierung der 20 geschädigten Patienten von denen nur leider einer das Geld hatte zu klagen.
Sehr wahrscheinlich hat ein Herr in Weiß das Wort extrem benutzt, aber ich habe den Prozess im BGH verfolgt und die Entscheidung ist so völlig in Ordnung. Das Urteil Hygienemängel vom OLG Koblenz ist rechtskräftig.

Musterprozess für alle anderen Patienten?

Verfasst: 13.10.2007, 18:07
von Herbert Kunst
Andreas Bürgerlich hat geschrieben: .... der 20 geschädigten Patienten von denen nur leider einer das Geld hatte zu klagen. ... .
Hallo,
wenn es mehrere geschädigte Patienten gegeben hat, hätte sich angeboten, dass alle Klage erheben, sozusagen zur Fristwahrung, und ein Verfahren musterhaft geführt wird.
Solche Musterverfahren gibt es immer wieder; sie sind mit Rücksicht auf die daran anhängenden Prozesse kostengünstig. Es fragt sich, warum ein solcher Deal nicht versucht wurde.
Gruß
Herbert Kunst

Re: Musterprozess für alle anderen Patienten?

Verfasst: 13.10.2007, 23:37
von BtRecht
Herbert Kunst hat geschrieben: wenn es mehrere geschädigte Patienten gegeben hat, hätte sich angeboten, dass alle Klage erheben, sozusagen zur Fristwahrung, und ein Verfahren musterhaft geführt wird. Solche Musterverfahren gibt es immer wieder;
Das Instrument der Sammelklagen gibt es in den USA aber meines Wissen nicht in Deutschland und damit auch wohl auch keine Musterverfahren in dem Sinn. Allerdings können sich alle andern Geschädigten auf das ergangene Urteil stützen. Sie haben mindestens 3 Jahre nach Kenntnis des Anspruchs Zeit den Schadensersatzanspruch zu stellen.

Musterprozess als Orientierung!

Verfasst: 14.10.2007, 06:53
von Herbert Kunst
BtRecht hat geschrieben: .... Das Instrument der Sammelklagen gibt es in den USA aber meines Wissen nicht in Deutschland und damit auch wohl auch keine Musterverfahren in dem Sinn. Allerdings können sich alle andern Geschädigten auf das ergangene Urteil stützen. Sie haben mindestens 3 Jahre nach Kenntnis des Anspruchs Zeit den Schadensersatzanspruch zu stellen. ....
Guten Morgen,
bei meinem Hinweis ging es mir nicht um eine Sammelklage. Ich meine, dass jeder Betroffene hätte klagen können mit der Maßgabe, das Verfahren ruhen zu lassen, bis ein ausgewähltes Verfahren abgeschlossen ist. Dann könnte anhand dieses ausgewählten Verfahrens - Musterverfahren - auch in den anderen Fällen - orientiert an der vorliegenden (Grundsatz)Entscheidung gestritten werden. Möglicherweise wären auch gütliche Regelungen aufgrund einer solchen Musterklage sinnvoll.
Gruß
Herbert Kunst

Verfasst: 14.10.2007, 07:56
von BtRecht
Hallo, die Möglichkeit, Klage zu erheben und dann das Verfahren ruhen zu lassen ist mir nicht bekannt. Problematisch erscheint mir zudem die Kostenfrage. Besser scheint es zu sein, sich zusammen zuschließen und einen Fall mit gemeinsamer Unterstützung durchzuklagen. Denn Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen (§ 253 II BGB), verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis erst in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 II BGB). Zudem ist es auch möglich nach § 406 StPO, dass in einem Strafverfahren dem Geschädigten Schmerzensgeld zugesprochen wird. Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Strafverfahren werden in der Regel von der Staatsanwaltschaft, also für den Geschädigten kostenfrei, geführt. Soweit der Anspruch auf Schmerzensgeld nicht zuerkannt wird, kann er in einem aderweit geltend gemacht werden. Ist nur über den Grund des Anspruchs aber nicht über die Höhe rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.