Sehr geehrter Herr Hüser,
zu der von Ihnen angesprochenen Frage habe ich kürzlich eine kurze Stellungnahme formuliert. Diese Stellungnahme füge ich an; sie beantwortet sicherlich Ihre Frage ausreichend.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Es wurde kürzlich gefragt, ob und inwieweit Rechtliche BetreuerInnen Pflegemissstände in Pflegeeinrichtungen verhindern können.
Dazu meine
Stellungnahme wie folgt:
Vorweg: In der Versorgung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen gibt es keine rechtsfreien Räume; es gibt allein Probleme bei der Rechtsdurchsetzung!
Rechtliche Betreuer sind, wenn zu ihren Aufgaben die ärztliche und pflegerische Versorgung bzw. Unterbringung / unterbringungsähnliche Maßnahmen gehören, verpflichtet, dafür einzutreten, dass Pflegeeinrichtungen uneingeschränkt den diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.
Zu diesen vertraglichen Verpflichtungen gehört u.a. die Sicherstellung der im Einzelfall gebotenen pflegerischen und ärztlichen Versorgung (vgl. § 11 Heimgesetz). Da sich solche Vertragsbeziehungen an der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auszurichten haben (§§ 276, 278 BGB), sind Leistungen zu gewährleisten, die dem aktuellen pflegerischen bzw. medizinischen Standard entsprechen. Die im Verkehr erforderlicher Sorgfalt ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Als Maßstab wird die durchschnittliche sorgfältige und gewissenhafte Ausführung der jeweiligen Aufgabe zugrunde gelegt. Es ist dabei immer diejenige Sorgfalt geboten, die der Patient / pflegebedürftige Mensch vom ordentlichen, pflichtgetreuen Personal in der konkreten Situation erwarten kann. Diese Sorgfalt ist nicht identisch mit der üblichen Sorgfalt. So können zum Beispiel „eingerissene“ Nachlässigkeiten (Schlendrian) nicht entschuldigen.
Zu dem hier maßgeblichen Standard gehört zweifelsfrei auch die Beachtung der Menschenwürdegarantie (Art. 1 und 2 Grundgesetz) und der sonstigen einschlägigen Vorschriften (z.B. §§ 1904 und 1906 BGB). Die „Charta der Rechte der hilfe- und pflegebedürftigen Menschen“ gibt insoweit nähere Handlungsanleitungen.
Dass solche Grundregeln Beachtung finden, hat der jeweilige Rechtsvertreter einzufordern und durchzusetzen. Folgerichtig sind in geeigneter Weise Gespräche mit Pflegekräften und Ärzten zu führen. Im Rahmen von Aufklärungsgesprächen sind in der gebotenen Weise auch Alternativen zu erörtern. Dies gilt v.a. für unterbringungsähnliche Maßnahmen (Sicherungsmaßnahmen, oder was man dafür ausgibt). Darüber hinaus können Kontrollmaßnahmen usw. notwendig sein. Soweit z.B. infolge bestimmter Hinweise oder gar Beschwerden Veranlassung besteht, rechtswidriges bzw. schädliches Verhalten zu hinterfragen, müssen m.E. entsprechende Folgerungen konsequent gezogen werden. Der Rechtliche Betreuer, der dem Wohl des Betroffenen verpflichtet ist, darf sich solchen Einwirkungsmaßnahmen nicht entziehen, auch dann nicht, wenn es ungewöhnlichen Aufwand erfordert. Nimmt ein Rechtlicher Betreuer diese seine Aufgaben nicht wahr, handelt er selbst pflichtwidrig, so dass ggf. Aufsichtsmaßnahmen des Vormundschaftsgerichts angesprochen werden müssen. Unter Umständen können sich auch haftungsrechtliche Fragen stellen!
Werner Schell -
http://www.pflege-shv.de