Ärzteforderungen - und wo bleibt die Pflege?
Verfasst: 30.06.2006, 19:52
„Ärzte sind auch nur Menschen“
Rhein-Kreis Neuss - Dormagen-Hackenbroich am Donnerstag Morgen: Am Kreiskrankenhaus herrscht ein Kommen und Gehen. Patienten mit Gipsarm, auf Krücken oder im Rollstuhl streben hinaus in die Sommersonne und lassen sich vor dem Haupteingang auf den Bänken nieder; Besucher, die nach ihren Angehörigen schauen wollen, streben festen Schritts auf das Gebäude zu, vor dem das NGZ-Mobil steht.
Gefragt ist die Meinung zum Thema „Ärztestreik“. Was ist beispielsweise davon zu halten, dass Ärzte für 30 Prozent mehr Lohn kämpfen? Obwohl an den beiden Kreiskrankenhäusern in Hackenbroich und Grevenbroich noch nicht gestreikt wurde, könnten die Ärzte im Fall des Falles mit Sympathie rechnen.
Karin und Fritz Lierenfeldaus Dormagen haben die Entwicklung in den vergangenen Tagen aufmerksam verfolgt und zeigen Verständnis für den Unmut der Mediziner. Sie begrüßen, dass die Öffentlichkeit für die Arbeitsbedingungen an Krankenhäusern sensibilisiert wird. Was Ärzte da verdienen, sei nicht richtig.
„Schließlich haben sie mit Menschen zu tun.“ Über die Betreuung im Kreiskrankenhaus äußert sich Karin Lierenfeld positiv; eine Woche war sie wegen eines Bruchs auf Station: „Ich bin sehr gut versorgt worden, besser geht’s gar nicht.“
Die Dormagenerin Gisela Mielkesagt: „Ich bin hundertprozentig einverstanden, wenn gestreikt werden sollte.“ Sie wisse aus eigener Erfahrung, was von den Ärzten am Kreiskrankenhaus geleistet werde. Gisela Mielke wäre sogar bereit, moderat erhöhte Krankenkassenbeiträge in Kauf zu nehmen, wenn über diese Einnahmen den Ärzten eine bessere Vergütung ermöglicht werden könnte. Andererseits wiederum merkt sie spitz an: „Die sollten besser mal am Management sparen, und das Geld dann den Ärzten geben.“
„Ich finde die Zustände, die jetzt bestehen, unhaltbar“, sagtAnneliese Werner. Bedenklich seien die 36-Stunden-Schichten, die Ärzte mitunter ableisten müssen. „Die sind auch nur Menschen.“ Ihr Engagement zum Wohle der Patienten, könne gar nicht hoch genug honoriert werden, meint die Dormagenerin.Bruno Marschalkowsky aus Hackenbroich spricht mit Blick auf die derzeitige Entlohnung an kommunalen Krankenhäusern von „Abzocke“.
Auf mögliche Streiks angesprochen, sagt er: „Die Ärzte haben Recht. Die kriegen ja weniger als ein Maurer.“Wilhelmine Gruber-Lübkeaus Pulheim hält die Lohnforderung zwar für zu hoch, kann sich aber im Prinzip mit dem Anliegen der Ärzte identifizieren: „30 Prozent ist ein bisschen viel. Etwas mehr sollten sie aber doch verdienen. Die müssen ja immer da sein. Vielleicht sollte die Arbeitszeit verringert werden.“
Helmut Heesenaus Nievenheim erklärt: „Ich störe mich daran, wenn Ärzte 20 bis 30 Stunden im Haus sein müssen. Kein Industriearbeiter arbeitet 20 Stunden.“Hans Noldenaus Butzheim ist überzeugt: „Die Leute werden unterbezahlt. Was die für mich getan haben, ist unbezahlbar - ein Außenstehender kann das gar nicht nachfühlen.“
Aus Köln kommt Renate Hamacherzum Krankenhaus nach Hackenbroich. Sollte es zu Streiks kommen, bliebe sie gelassen: „Notfälle werden ja behandelt.“Ulrike Sandtist aus Leichlingen. „Ein Steik würde mich jetzt nicht mehr stören.“ Aus gutem Grund: „Mein Mann ist zum Glück seit zwei Tagen draußen.“
Er hatte sich im Hackenbroicher Krankenhaus behandeln lassen, da Kollegen die Klinik empfohlen hatten. Ob das Anliegen der Ärzte nach mehr Gehalt angemessen sei, will sie nicht beurteilen. „Ich weiß nicht, was sie verdienen.“ Ihre eigene Familie müsse bei vier Personen samt Haus mit einem Gehalt über die Runden kommen, bemerkt sie.
Kritisch sieht Josef Kampaus Delrath, der seit über 50 Jahren NGZ-Abonnent ist, einen möglichen Ärztestreik: „Ich finde das nicht gut. Wir haben so viele Kranke hier - die müssen darunter leiden.“Walter Braun (Dormagen) hingegen hat in der Uniklinik Düsseldorf kürzlich mitbekommen, dass gestreikt wurde.
„Ich hatte nicht das Gefühl, benachteiligt worden zu sein“, widerspricht er den Befürchtungen.Ursula Bergeraus Horrem hat angesichts eines drohenden Arbeitskampfes zwiespältige Gefühle: „Man soll was verdienen, aber man soll auch nicht übermütig werden“, meint sie angesichts der Gehaltsforderungen.
Werner Schell aus Neuss ist Dozent für Pflegerecht und zweiter Vorsitzender des Pflege-Selbsthilfeverbandes und schaltete sich am Donnerstag per E-Mail*) in die Diskussion ein: Er erinnerte daran, dass in der Bevölkerung viele den Gürtel enger schnallen müssten. „So gesehen wird man auch von den - trotz allem - gut verdienenden Medizinern einiges abverlangen können. Es ist nachweisbar, dass die Arzteinkommen in den zurückliegenden Jahren etwa in Höhe der Inflationsrate gestiegen sind.“ Schell wünscht sich, bei der Debatte einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: den Pflegenotstand. „Dazu vermisse ich klare Aussagen der Ärzteschaft.“
(SiHo/S. M.)
Quelle: Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 30.6.2006
http://www.ngz-online.de/public/article ... uss/338163
*) Den vollständigen Text siehe unten!
Rhein-Kreis Neuss - Dormagen-Hackenbroich am Donnerstag Morgen: Am Kreiskrankenhaus herrscht ein Kommen und Gehen. Patienten mit Gipsarm, auf Krücken oder im Rollstuhl streben hinaus in die Sommersonne und lassen sich vor dem Haupteingang auf den Bänken nieder; Besucher, die nach ihren Angehörigen schauen wollen, streben festen Schritts auf das Gebäude zu, vor dem das NGZ-Mobil steht.
Gefragt ist die Meinung zum Thema „Ärztestreik“. Was ist beispielsweise davon zu halten, dass Ärzte für 30 Prozent mehr Lohn kämpfen? Obwohl an den beiden Kreiskrankenhäusern in Hackenbroich und Grevenbroich noch nicht gestreikt wurde, könnten die Ärzte im Fall des Falles mit Sympathie rechnen.
Karin und Fritz Lierenfeldaus Dormagen haben die Entwicklung in den vergangenen Tagen aufmerksam verfolgt und zeigen Verständnis für den Unmut der Mediziner. Sie begrüßen, dass die Öffentlichkeit für die Arbeitsbedingungen an Krankenhäusern sensibilisiert wird. Was Ärzte da verdienen, sei nicht richtig.
„Schließlich haben sie mit Menschen zu tun.“ Über die Betreuung im Kreiskrankenhaus äußert sich Karin Lierenfeld positiv; eine Woche war sie wegen eines Bruchs auf Station: „Ich bin sehr gut versorgt worden, besser geht’s gar nicht.“
Die Dormagenerin Gisela Mielkesagt: „Ich bin hundertprozentig einverstanden, wenn gestreikt werden sollte.“ Sie wisse aus eigener Erfahrung, was von den Ärzten am Kreiskrankenhaus geleistet werde. Gisela Mielke wäre sogar bereit, moderat erhöhte Krankenkassenbeiträge in Kauf zu nehmen, wenn über diese Einnahmen den Ärzten eine bessere Vergütung ermöglicht werden könnte. Andererseits wiederum merkt sie spitz an: „Die sollten besser mal am Management sparen, und das Geld dann den Ärzten geben.“
„Ich finde die Zustände, die jetzt bestehen, unhaltbar“, sagtAnneliese Werner. Bedenklich seien die 36-Stunden-Schichten, die Ärzte mitunter ableisten müssen. „Die sind auch nur Menschen.“ Ihr Engagement zum Wohle der Patienten, könne gar nicht hoch genug honoriert werden, meint die Dormagenerin.Bruno Marschalkowsky aus Hackenbroich spricht mit Blick auf die derzeitige Entlohnung an kommunalen Krankenhäusern von „Abzocke“.
Auf mögliche Streiks angesprochen, sagt er: „Die Ärzte haben Recht. Die kriegen ja weniger als ein Maurer.“Wilhelmine Gruber-Lübkeaus Pulheim hält die Lohnforderung zwar für zu hoch, kann sich aber im Prinzip mit dem Anliegen der Ärzte identifizieren: „30 Prozent ist ein bisschen viel. Etwas mehr sollten sie aber doch verdienen. Die müssen ja immer da sein. Vielleicht sollte die Arbeitszeit verringert werden.“
Helmut Heesenaus Nievenheim erklärt: „Ich störe mich daran, wenn Ärzte 20 bis 30 Stunden im Haus sein müssen. Kein Industriearbeiter arbeitet 20 Stunden.“Hans Noldenaus Butzheim ist überzeugt: „Die Leute werden unterbezahlt. Was die für mich getan haben, ist unbezahlbar - ein Außenstehender kann das gar nicht nachfühlen.“
Aus Köln kommt Renate Hamacherzum Krankenhaus nach Hackenbroich. Sollte es zu Streiks kommen, bliebe sie gelassen: „Notfälle werden ja behandelt.“Ulrike Sandtist aus Leichlingen. „Ein Steik würde mich jetzt nicht mehr stören.“ Aus gutem Grund: „Mein Mann ist zum Glück seit zwei Tagen draußen.“
Er hatte sich im Hackenbroicher Krankenhaus behandeln lassen, da Kollegen die Klinik empfohlen hatten. Ob das Anliegen der Ärzte nach mehr Gehalt angemessen sei, will sie nicht beurteilen. „Ich weiß nicht, was sie verdienen.“ Ihre eigene Familie müsse bei vier Personen samt Haus mit einem Gehalt über die Runden kommen, bemerkt sie.
Kritisch sieht Josef Kampaus Delrath, der seit über 50 Jahren NGZ-Abonnent ist, einen möglichen Ärztestreik: „Ich finde das nicht gut. Wir haben so viele Kranke hier - die müssen darunter leiden.“Walter Braun (Dormagen) hingegen hat in der Uniklinik Düsseldorf kürzlich mitbekommen, dass gestreikt wurde.
„Ich hatte nicht das Gefühl, benachteiligt worden zu sein“, widerspricht er den Befürchtungen.Ursula Bergeraus Horrem hat angesichts eines drohenden Arbeitskampfes zwiespältige Gefühle: „Man soll was verdienen, aber man soll auch nicht übermütig werden“, meint sie angesichts der Gehaltsforderungen.
Werner Schell aus Neuss ist Dozent für Pflegerecht und zweiter Vorsitzender des Pflege-Selbsthilfeverbandes und schaltete sich am Donnerstag per E-Mail*) in die Diskussion ein: Er erinnerte daran, dass in der Bevölkerung viele den Gürtel enger schnallen müssten. „So gesehen wird man auch von den - trotz allem - gut verdienenden Medizinern einiges abverlangen können. Es ist nachweisbar, dass die Arzteinkommen in den zurückliegenden Jahren etwa in Höhe der Inflationsrate gestiegen sind.“ Schell wünscht sich, bei der Debatte einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen: den Pflegenotstand. „Dazu vermisse ich klare Aussagen der Ärzteschaft.“
(SiHo/S. M.)
Quelle: Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 30.6.2006
http://www.ngz-online.de/public/article ... uss/338163
*) Den vollständigen Text siehe unten!