Sterbehilfe - Politiker blockieren, Patienten verzweifeln - Filmbeiträge informieren!

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Sterbehilfe - Politiker blockieren, Patienten verzweifeln - Filmbeiträge informieren!

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 08:37

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Quelle: http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =2&t=20985


Sterbehilfe: Mehrere Filmbeiträge informieren. Das Thema ist hoch aktuell. Das BVerfG wird am 26.02.2020 ein Urteil zu § 217 (geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) verkünden. Es sind grundsätzliche Ausführungen zur Sterbehilfe zu erwarten. > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 17#p111866
Mehrere Filme informieren aktuell zum Thema und befassen sich mit den maßgeblichen Erwägungen - Pro und Kontra:


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Die Story im Ersten: Sterbehilfe - Politiker blockieren, Patienten verzweifeln - Reportage & Dokumentation vom 09.12.2019 ∙ Das Erste (Video verfügbar bis: 09.12.2020)
>>> https://www.ardmediathek.de/ard/player/ ... mNjNTliNQ/

"Die ganze Menschheit überlegt: Gibt es ein Leben nach dem Tod? Ich frage mich aber: Gibt es ein Leben vor dem Tod? Das Leben, das ich habe, das ist kein Leben mehr!", sagt Harald Mayer.
Das Leben des 49-jährigen ehemaligen Feuerwehrmannes vollzieht sich in totaler Abhängigkeit. Denn seine Krankheit, Multiple Sklerose, hat ihn vollkommen bewegungsunfähig gemacht. Für jeden Handschlag braucht er einen Pfleger: nachts, wenn er sich umdrehen will, zum Naseputzen, zum Tränentrocknen. "Ist das noch ein erträgliches Leben?", fragt er und schiebt die Antwort hinterher: "Ich will gehen: selbstbestimmt!"
Deshalb hat er, wie mehr als hundert andere Menschen auch, einen Antrag auf die Herausgabe des Medikaments Natrium-Pentobarbital gestellt. Das Mittel verspricht ein schnelles Sterben – es schläfert ein und führt dann zum Tod.
Harald Mayer ist überzeugt, dass seine Chancen gut stehen, das Medikament zu bekommen. Im März 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geurteilt, dass dieses Betäubungsmittel unter bestimmten Voraussetzungen herausgeben werden muss. Harald Mayer meint, er erfülle diese Voraussetzungen.
Die zuständige Behörde für Arzneimittel und Medizinprodukte forderte von ihm zahlreiche Unterlagen und Gutachten. Für Harald Mayer eine teure, zeit- und kräfteraubende Angelegenheit. Die Anstrengungen nimmt er trotzt seiner schweren Krankheit auf sich, in der Hoffnung, seinem Wunsch nach selbstbestimmten Sterben näher zu kommen.
Lange hören er und die anderen Antragsteller nichts von der Behörde. Dann, mehr als ein Jahr nach dem Urteil, werden auf Weisung des Bundesgesundheitsministers plötzlich alle Anträge abgelehnt. Damit ignoriert Jens Spahn ein höchstrichterliches Urteil. Ein einmaliger Vorgang in der Bundesrepublik. Stellt der Minister seine eigene politische Ansicht über die Rechtsprechung? Die Frage, wer über den eigenen Tod entscheidet, ist nicht nur eine ethisch schwierige Frage. Sie ist auch eine Probe für den Rechtsstaat.
Wie Harald Mayer ist auch Elke J. an MS erkrankt. Sie hingegen fürchtet, dass eine Liberalisierung der Sterbehilfe die gesellschaftliche Solidarität mit schwerstkranken Menschen untergräbt.
„Aber was ist, wenn ich nicht mehr selbst das Mittel zu mir nehmen kann? Warum muss ich dann am Ende auch noch qualvoll sterben?", fragt Harald Mayer.
„Die Story im Ersten: Sterbehilfe – Politiker blockieren, Patienten verzweifeln“ begleitet drei todkranke Antragssteller nahezu zwei Jahre lang auf dem in Deutschland inzwischen weitgehend versperrten Weg in einen selbstbestimmten Tod.
Film von Tina Soliman und Katharina Schiele - aus der Reihe "Die Story im Ersten"
Quelle: https://programm.ard.de/TV/tagesschau24 ... 2408817371 bzw. https://www.daserste.de/information/rep ... o-100.html


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Das Augustinus-Forum, Neuss befasste sich am 12.11.2019 mit folgendem Thema:
„Vom Leben und Sterben - Ein Gespräch über Sterben, Tod und Ewigkeit" mit Anne Schneider, Dr. Nikolaus Schneider, Dr. Franz Josef Esser und Dr. Miachel Schlagheck

Eine Videoaufzeichung des Podiumsgespräches (1 Stunde und 50 Minuten) finden Sie hier > hier https://www.youtube.com/watch?v=AWGIROj ... e=youtu.be

Die Neuss-Grevenbroicher Zeitung berichtete dazu am 14.11.2019
Augustinus-Forum in Neuss:
Macht der Glaube das Sterben leichter?



Neuss Mit über 500 Zuhörern war das Augustinusforum so gut besucht wie schon lange nicht mehr. Das dürfte vor allem daran gelegen haben, dass das Thema „Vom Leben und Sterben“ jeden Menschen berührt.
Von Rudolf Barnholt

Eine weitere Lösung am Ende des Lebens: Eine palliative Sedierung. Nikolaus Schneider beschrieb, wie es ihm gegangen war, als seine Tochter vor seinen Augen starb: „Ich war am Ende, es war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggerissen.“ Ehefrau Anne gestand, dass sie einige Zeit nicht mehr habe beten können. Sie sprach sich generell für eine großzügigere gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe aus – es könne nicht sein, dass man als Sterbender darum betteln müsse. Anne Schneider möchte für den Fall der Fälle aber, dass man ihr etwas reicht, was zum sofortigen Tod führt. „Wenn ich mich dafür entscheiden würde, hätte ich keine Angst, deshalb in die Hölle zu kommen.“ Das Schweizer Sterbehilfe-Modell findet sie gut, die Lösungen in Belgien und Holland sind ihr zu weitgehend.
Quelle: https://rp-online.de/nrw/staedte/neuss/ ... d-46365207


Anmerkung:
Frau Schneider plädierte für eine großzügere Regelung zur Sterbehilfe, offensichtlich so, wie sie seinerzeit von dem inzwischen verstorbenen MdB Hintze gefordert worden war (Peter Hintze: Regelung der Sterbebegleitung - Bundestag 2014/2015 > https://www.youtube.com/watch?v=VXRnmvMu2E0 bzw. https://www.youtube.com/watch?v=zDA2eoW6n1g bzw. https://www.youtube.com/watch?v=zDA2eoW6n1g bzw. https://www.youtube.com/watch?v=7TND_FN6QtI ). Sie stellt sich damit gegen den jetzigen § 217 StGB und die Erwägungen von Ex-Gesundheitsminister Gröhe. Gut so!
Siehe auch: Recht auf Selbsttötung in Fällen schwerer Krankheit: Verwaltungsgericht Köln ruft Bundesverfassungsgericht an > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... 2&p=111279
Werner Schell


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Sterbehilfe
Von Irina Fernandes und Andrea Böhnke

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Wenn ein Mensch unheilbar krank ist und unter großen Schmerzen leidet, ist bei dem Betroffenen oder seinen Angehörigen der Gedanke an Sterbehilfe manchmal nicht sehr weit. Allerdings gibt es neben Argumenten dafür auch Argumente dagegen – und rechtlich gesehen ist die aktive Sterbehilfe in Deutschland verboten, in anderen Ländern hingegen erlaubt. Mit der sogenannten Patientenverfügung, die im Jahr 2009 in Deutschland eingeführt wurde, kann der Patient zumindest teilweise frei über sein Lebensende entscheiden.
… (Video, 01.18 Min. verfügbar bis 17.02.2021 … > https://www.planet-wissen.de/gesellscha ... fe100.html


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BR alpha - 20.01.2020
alpha-demokratie


Sterbehilfe

Moderation: Mirjam Kottmann

alpha-demokratie hat heute zum Thema: "Sterbehilfe". Gesprächspartner ist Prof. Dr. Georg Marckmann, Ludwig-Maximilians-Universität München
… (Video, rd. 29 Min.) … > https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/p ... 94380.html
Online bis 19.01.2025 in der BR Mediathek > https://www.br.de/mediathek/video/alpha ... 001a0677d6


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Deutsches Ärzteblatt vom 17.02.2020:
Sterbehilfe: Urteilsverkündung am Aschermittwoch
Karlsruhe – Am Aschermittwoch (26. Februar) will das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seine mit Spannung erwartete Entscheidung über die geschäftsmäßige Förderung der Selbst­tötung verkünden.
Der Bundestag wollte mit der 2015 verabschiedeten Regelung das Auftreten von Sterbe­hilfevereinen eindämmen. Diese haben ebenso wie Ärzte und Schwerkranke Verfassungs­beschwerden eingereicht – allerdings mit unterschiedlichen Stoßrichtungen. ... >>> http://170770.eu1.cleverreach.com//c/32 ... 975-q5uw1b


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ARD Report Mainz
Wie ein Gesetz die Verantwortung auf Angehörige abwälzt
Streit um Sterbehilfe
Wer hilft in Deutschland am Lebensende Schwerstkranken beim selbstbestimmten Sterben? Ärzte tun das jedenfalls nicht mehr, denn ihnen drohen, so sie wiederholt beim Sterben Schwerstkranker helfen, Gefängnisstrafen.
2015 hat der Bundestag den Strafrechtsparagrafen 217 beschlossen. Danach ist Ärzten untersagt, Schwerstkranke wiederholt beim Suizid zu unterstützen. Ein Grund für die damalige Verabschiedung des Gesetzes war der vielfach beschworene Dammbruch, also die befürchtete Welle von Suiziden Schwerstkranker und alter Menschen. Doch unsere Recherchen zeigen, dass es diesen Dammbruch zum Beispiel im US-Bundesstaat Oregon gar nicht gibt. Dort ist seit 20 Jahren ein Gesetz in Kraft, das selbstbestimmtes Sterben Schwerstkranker unter strengen Bedingungen erlaubt. Eine aktuelle repräsentative Umfrage zeigt außerdem, dass zwei Drittel der Deutschen dieses Gesetz für schlecht halten und es ablehnen.
Stand: 25.2.2020
Quelle: https://www.swr.de/report/wie-ein-geset ... index.html
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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WernerSchell
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Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig ....

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 10:34

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Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 26. Februar 2020


Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig

Urteil vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16 >>> https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 34715.html


Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Mit dieser Begründung hat der Zweite Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.

Sachverhalt:

§ 217 StGB (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung) bedroht denjenigen mit Strafe, der in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Hiergegen wenden sich unter anderem Vereine mit Sitz in Deutschland und in der Schweiz, die Suizidhilfe anbieten, schwer erkrankte Personen, die ihr Leben mit Hilfe eines solchen Vereins beenden möchten, in der ambulanten oder stationären Patientenversorgung tätige Ärzte sowie im Bereich suizidbezogener Beratung tätige Rechtsanwälte.

Wesentliche Erwägungen des Senats:

I. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) von zur Selbsttötung entschlossenen Menschen in seiner Ausprägung als Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das gilt auch dann, wenn die Regelung in enger Auslegung ausschließlich die von Wiederholungsabsicht getragene Förderung einer Selbsttötung als Akt eigenhändiger Beendigung des eigenen Lebens erfasst.

1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet das Recht, selbstbestimmt die Entscheidung zu treffen, sein Leben eigenhändig bewusst und gewollt zu beenden.

aa) Die Achtung und der Schutz der Menschenwürde und der Freiheit sind grundlegende Prinzipien der Verfassungsordnung, die den Menschen als eine zu Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fähige Person begreift. Von der Vorstellung ausgehend, dass der Mensch in Freiheit sich selbst bestimmt und entfaltet, umfasst die Garantie der Menschenwürde insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität. Die unverlierbare Würde des Menschen als Person besteht hiernach darin, dass er stets als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt. Dieser Gedanke autonomer Selbstbestimmung wird in den Gewährleistungsgehalten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts näher konkretisiert. Es sichert die Grundbedingungen dafür, dass der Einzelne seine Identität und Individualität selbstbestimmt finden, entwickeln und wahren kann.

Die selbstbestimmte Wahrung der eigenen Persönlichkeit setzt voraus, dass der Mensch über sich nach eigenen Maßstäben verfügen kann und nicht in Lebensformen gedrängt wird, die in unauflösbarem Widerspruch zum eigenen Selbstbild und Selbstverständnis stehen. Die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, ist von existentieller Bedeutung für die Persönlichkeit eines Menschen. Welchen Sinn der Einzelne in seinem Leben sieht und ob und aus welchen Gründen er sich vorstellen kann, sein Leben selbst zu beenden, unterliegt höchstpersönlichen Vorstellungen und Überzeugungen. Der Entschluss zur Selbsttötung betrifft Grundfragen menschlichen Daseins und berührt wie keine andere Entscheidung Identität und Individualität des Menschen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst deshalb nicht nur das Recht, nach freiem Willen lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen. Es erstreckt sich auch auf die Entscheidung des Einzelnen, sein Leben eigenhändig zu beenden.

bb) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist nicht auf fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Es besteht in jeder Phase menschlicher Existenz. Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist. Die Entscheidung des Einzelnen, dem eigenen Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, entzieht sich einer Bewertung anhand allgemeiner Wertvorstellungen, religiöser Gebote, gesellschaftlicher Leitbilder für den Umgang mit Leben und Tod oder Überlegungen objektiver Vernünftigkeit. Sie bedarf keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung, sondern ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.

cc) Das Recht, sich selbst zu töten, kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass sich der Suizident seiner Würde begibt, weil er mit seinem Leben zugleich die Voraussetzung seiner Selbstbestimmung aufgibt. Die selbstbestimmte Verfügung über das eigene Leben ist vielmehr unmittelbarer Ausdruck der der Menschenwürde innewohnenden Idee autonomer Persönlichkeitsentfaltung; sie ist, wenngleich letzter, Ausdruck von Würde.

b) Das Recht, sich selbst zu töten, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen. Das Grundgesetz gewährleistet die Entfaltung der Persönlichkeit im Austausch mit Dritten, die ihrerseits in Freiheit handeln. Ist die Wahrnehmung eines Grundrechts von der Einbeziehung Dritter abhängig und hängt die freie Persönlichkeitsentfaltung an der Mitwirkung eines anderen, schützt das Grundrecht auch davor, dass es nicht durch ein Verbot gegenüber Dritten, im Rahmen ihrer Freiheit Unterstützung anzubieten, beschränkt wird.

2. § 217 StGB greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht Sterbewilliger ein, auch wenn diese nicht unmittelbare Adressaten der Norm sind. Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen, wenn sie in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen, und müssen dann von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung entfaltet eine objektiv die Freiheit zum Suizid einschränkende Wirkung. Es macht es dem Einzelnen faktisch weitgehend unmöglich, Suizidhilfe zu erhalten. Diese Einschränkung individueller Freiheit ist von der Zweckrichtung des Verbots bewusst umfasst und begründet einen Eingriff auch gegenüber suizidwilligen Personen. Angesichts der existentiellen Bedeutung, die der Selbstbestimmung über das eigene Leben für die personale Identität, Individualität und Integrität zukommt, wiegt der Eingriff besonders schwer.

3. Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen. Diesem genügt ein grundrechtseinschränkendes Gesetz nur, wenn es legitime Zwecke verfolgt, geeignet und erforderlich ist, diese zu erreichen, und die von ihm ausgehenden Einschränkungen hierzu in angemessenem Verhältnis stehen.

a) Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung einen legitimen Zweck.

aa) Die Regelung dient dazu, die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Leben und hierdurch das Leben als solches zu schützen.

Mit diesen Zielen des Autonomie- und des Lebensschutzes dient das Verbot des § 217 StGB der Erfüllung einer in der Verfassung begründeten staatlichen Schutzpflicht und damit einem legitimen Zweck. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichten den Staat, die Autonomie des Einzelnen bei der Entscheidung über die Beendigung seines Lebens und hierdurch das Leben als solches zu schützen. In Wahrnehmung dieser Schutzpflicht ist der Gesetzgeber nicht nur berechtigt, konkret drohenden Gefahren für die persönliche Autonomie von Seiten Dritter entgegenzuwirken. Er verfolgt auch insoweit ein legitimes Anliegen, als er verhindern will, dass sich der assistierte Suizid in der Gesellschaft als normale Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Er darf einer Entwicklung entgegensteuern, welche die Entstehung sozialer Pressionen befördert, sich unter bestimmten Bedingungen, etwa aus Nützlichkeitserwägungen, das Leben zu nehmen.

bb) Die Annahme des Gesetzgebers, das Angebot geschäftsmäßiger Suizidhilfe berge Gefahren für die Selbstbestimmung, beruht auf einer von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Grundlage.

(1) Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die langfristigen Auswirkungen der Zulassung geschäftsmäßiger Suizidhilfe existieren nicht. Bei dieser Sachlage reicht es aus, wenn sich der Gesetzgeber an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert hat.

(2) Danach hält die Gefahrenprognose des Gesetzgebers einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat sich die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die bisherige Praxis geschäftsmäßiger Suizidhilfe in Deutschland nicht geeignet war, die Willens- und damit die Selbstbestimmungsfreiheit in jedem Fall zu wahren, jedenfalls als vertretbar erwiesen. Die Prüfung, ob ein Suizidwunsch auf einen freien Willen zurückgeht, erfolgte oftmals auf der Grundlage nicht näher nachvollziehbarer Plausibilitätsgesichtspunkte; insbesondere wurde von Sterbehilfeorganisationen bei Vorliegen körperlicher oder psychischer Erkrankungen auch ohne Kenntnis der medizinischen Unterlagen des Sterbewilligen und ohne Sicherstellung einer fachärztlichen Untersuchung, Beratung und Aufklärung Suizidhilfe geleistet. Die Annahme des Gesetzgebers, dass bei einer Einbeziehung geschäftsmäßig handelnder Suizidhelfer Leistungen im Vordergrund stehen, die der Durchführung des Suizids dienen, und deshalb die freie Willensbildung und die Entscheidungsfindung nicht hinreichend sichergestellt sind, ist hiernach plausibel.

Auch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass geschäftsmäßige Suizidhilfe zu einer „gesellschaftlichen Normalisierung“ der Suizidhilfe führen und sich der assistierte Suizid als normale Form der Lebensbeendigung insbesondere für alte und kranke Menschen etablieren könne, die geeignet sei, autonomiegefährdende soziale Pressionen auszuüben, ist nachvollziehbar. In Ländern mit liberalen Regelungen zur Suizid- und Sterbehilfe ist ein stetiger Anstieg assistierter Selbsttötungen und von Tötungen auf Verlangen zu verzeichnen. Dieser Anstieg ist für sich genommen zwar kein Nachweis für eine gesellschaftliche Normalisierung und autonomiegefährdenden sozialen Druck. Er kann auch mit einer größeren Akzeptanz der Sterbe- und Suizidhilfe in der Gesellschaft, der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts oder dem gewachsenen Bewusstsein erklärt werden, dass der eigene Tod nicht mehr als unbeeinflussbares Schicksal hingenommen werden muss. Gleichwohl durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass von einem unregulierten Angebot geschäftsmäßiger Suizidhilfe Gefahren für die Selbstbestimmung ausgehen können. Dies gilt – angesichts des steigenden Kostendrucks in den Pflege- und Gesundheitssystemen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Versorgungslücken in der Medizin und der Pflege geeignet sind, Ängste vor dem Verlust der Selbstbestimmung hervorzurufen und dadurch Suizidentschlüsse zu fördern. Auch die einem Suizid häufig zugrundeliegende Motivationslage stützt die Einschätzung des Gesetzgebers. Häufiges Motiv für einen assistierten Suizid ist ausweislich von Untersuchungen im In- und Ausland der Wunsch, Angehörigen oder Dritten nicht zur Last zu fallen.

b) Die Regelung des § 217 StGB stellt als Strafnorm grundsätzlich auch ein geeignetes Instrument des Rechtsgüterschutzes dar, weil das strafbewehrte Verbot gefahrträchtiger Handlungsweisen den erstrebten Rechtsgüterschutz zumindest fördern kann.

c) Ob die Regelung erforderlich ist, um die legitimen Schutzanliegen des Gesetzgebers zu erreichen, kann offenbleiben. Die von der Vorschrift ausgehende Einschränkung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben ist jedenfalls nicht angemessen.

aa) Angemessen ist eine Freiheitseinschränkung nur dann, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei müssen die Interessen des Gemeinwohls desto gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Andererseits wird der Gemeinschaftsschutz desto dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Dabei unterliegt die Entscheidung des Gesetzgebers einer hohen Kontrolldichte, wenn schwere Grundrechtseingriffe in Frage stehen. Die existentielle Bedeutung, die der Selbstbestimmung speziell für die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität im Umgang mit dem eigenen Leben zukommt, legt dem Gesetzgeber daher strenge Bindungen bei der normativen Ausgestaltung eines Schutzkonzepts im Zusammenhang mit der Suizidhilfe auf.

bb) Mit dem Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung hat der Gesetzgeber diese Bindungen überschritten.

(1) Der hohe verfassungsrechtliche Rang der Rechtsgüter Autonomie und Leben, die § 217 StGB schützen will, kann den Einsatz des Strafrechts zwar grundsätzlich legitimieren. Bei der staatlichen Aufgabe, ein geordnetes menschliches Zusammenleben durch Schutz der elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schaffen, zu sichern und durchzusetzen, kommt dem Strafrecht eine unverzichtbare Funktion zu. Im Einzelfall kann es die Schutzpflicht des Staates insbesondere gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass bereits die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt wird.

Der legitime Einsatz des Strafrechts zum Schutz der autonomen Entscheidung des Einzelnen über die Beendigung seines Lebens findet seine Grenze aber dort, wo die freie Entscheidung nicht mehr geschützt, sondern unmöglich gemacht wird. Die Straflosigkeit der Selbsttötung und der Hilfe dazu steht als Ausdruck der verfassungsrechtlich gebotenen Anerkennung individueller Selbstbestimmung nicht zur freien Disposition des Gesetzgebers. Der Verfassungsordnung des Grundgesetzes liegt ein Menschenbild zugrunde, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmt ist. Dieses Menschenbild hat Ausgangspunkt jedes regulatorischen Ansatzes zu sein. Die staatliche Schutzpflicht zugunsten der Selbstbestimmung und des Lebens kann folgerichtig erst dort gegenüber dem Freiheitsrecht des Einzelnen den Vorrang erhalten, wo dieser Einflüssen ausgeliefert ist, die die Selbstbestimmung über das eigene Leben gefährden. Diesen Einflüssen darf die Rechtsordnung durch Vorsorge und durch Sicherungsinstrumente entgegentreten. Jenseits dessen ist die Entscheidung des Einzelnen, entsprechend seinem Verständnis von der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz dem Leben ein Ende zu setzen, hingegen als Akt autonomer Selbstbestimmung anzuerkennen.

Die Anerkennung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben versagt dem Gesetzgeber demnach nicht, allgemeine Suizidprävention zu betreiben und insbesondere krankheitsbedingten Selbsttötungswünschen durch Ausbau und Stärkung palliativmedizinischer Behandlungsangebote entgegenzuwirken. Er muss auch denjenigen Gefahren für die Autonomie und das Leben entgegentreten, die in den gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen begründet liegen und eine Entscheidung des Einzelnen für die Selbsttötung und gegen das Leben beeinflussen können. Dieser sozialpolitischen Verpflichtung darf der Gesetzgeber sich aber nicht dadurch entziehen, dass er das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Selbstbestimmung außer Kraft setzt. Dem Einzelnen muss die Freiheit verbleiben, auf die Erhaltung des Lebens zielende Angebote auszuschlagen und eine seinem Verständnis von der Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz entspringende Entscheidung, das eigene Leben mit Hilfe Dritter zu beenden, umzusetzen. Ein gegen die Autonomie gerichteter Lebensschutz widerspricht dem Selbstverständnis einer Gemeinschaft, in der die Würde des Menschen im Mittelpunkt der Werteordnung steht, und die sich damit zur Achtung und zum Schutz der freien menschlichen Persönlichkeit als oberstem Wert ihrer Verfassung verpflichtet.

(2) Diesen verfassungsrechtlich zwingend zu wahrenden Entfaltungsraum autonomer Selbstbestimmung verletzt das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Es führt im Gefüge mit der bei seiner Einführung vorgefundenen Gesetzeslage dazu, dass das Recht auf Selbsttötung in weiten Teilen faktisch entleert ist. Die Regelung des § 217 StGB ist zwar auf eine bestimmte – die geschäftsmäßige – Form der Förderung der Selbsttötung beschränkt. Auch der damit einhergehende Verlust an Autonomie ist aber jedenfalls so weit und so lange unverhältnismäßig, wie verbleibende Optionen nur eine theoretische, nicht aber die tatsächliche Aussicht auf Selbstbestimmung bieten.

(a) Die autonomiefeindliche Wirkung des § 217 StGB wird gerade dadurch intensiviert, dass dem Einzelnen in vielen Situationen jenseits geschäftsmäßiger Angebote der Suizidhilfe keine verlässlichen realen Möglichkeiten verbleiben, einen Entschluss zur Selbsttötung umzusetzen. Die nach § 217 StGB bei enger Auslegung straffrei verbleibende Suizidhilfe im Einzelfall verhilft der verfassungsrechtlich gebotenen Selbstbestimmung am Lebensende nicht hinreichend zur Durchsetzung. Die stillschweigende Annahme des Gesetzgebers, Möglichkeiten zur assistierten Selbsttötung seien außerhalb geschäftsmäßiger Angebote tatsächlich verfügbar, nimmt nicht die Einheit der Rechtsordnung in Bedacht. Schließt der Gesetzgeber bestimmte Formen der Freiheitsausübung unter Verweis auf fortbestehende Alternativen aus, so müssen die verbleibenden Handlungsoptionen zur Grundrechtsverwirklichung auch tatsächlich geeignet sein. Dies gilt im Besonderen für das Recht auf Selbsttötung. Hier ist bereits die individuelle Gewissheit identitätsstiftend, tatsächlich eigener Vorstellung entsprechend handeln zu können.

Dem wird der Verzicht auf ein umfassendes strafrechtliches Verbot der Suizidhilfe allein nicht gerecht. Ohne geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe ist der Einzelne maßgeblich auf die individuelle Bereitschaft eines Arztes angewiesen, an einer Selbsttötung zumindest durch Verschreibung der benötigten Wirkstoffe assistierend mitzuwirken. Von einer solchen individuellen ärztlichen Bereitschaft wird man bei realistischer Betrachtungsweise nur im Ausnahmefall ausgehen können. Ärzte zeigen bislang eine geringe Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten, und können hierzu auch nicht verpflichtet werden; aus dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben leitet sich kein Anspruch gegenüber Dritten auf Suizidhilfe ab. Zudem setzt das ärztliche Berufsrecht der Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten, weitere Grenzen. Die in den Berufsordnungen der meisten Landesärztekammern festgeschriebenen berufsrechtlichen Verbote ärztlicher Suizidhilfe unterstellen die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht nur geografischen Zufälligkeiten, sondern wirken zumindest faktisch handlungsleitend. Der Zugang zu Möglichkeiten der assistierten Selbsttötung darf aber nicht davon abhängen, dass Ärzte sich bereit zeigen, ihr Handeln nicht am geschriebenen Recht auszurichten, sondern sich unter Berufung auf ihre eigene verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit eigenmächtig darüber hinwegsetzen. Solange diese Situation fortbesteht, schafft sie einen tatsächlichen Bedarf nach geschäftsmäßigen Angeboten der Suizidhilfe.

(b) Verbesserungen der palliativmedizinischen Patientenversorgung sind ebenso wenig geeignet, eine unverhältnismäßige Beschränkung der individuellen Selbstbestimmung auszugleichen. Sie mögen bestehende Defizite beseitigen und hierdurch geeignet sein, die Zahl darauf zurückzuführender Sterbewünsche todkranker Menschen zu reduzieren. Sie sind aber kein Korrektiv zur Beschränkung in freier Selbstbestimmung gefasster Selbsttötungsentschlüsse. Eine Pflicht zur Inanspruchnahme palliativmedizinischer Behandlung besteht nicht. Die Entscheidung für die Beendigung des eigenen Lebens umfasst zugleich die Entscheidung gegen bestehende Alternativen und ist auch insoweit als Akt autonomer Selbstbestimmung zu akzeptieren.

(c) Die staatliche Gemeinschaft darf den Einzelnen zudem nicht auf die Möglichkeit verweisen, im Ausland Angebote der Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Der Staat muss den erforderlichen Grundrechtsschutz gemäß Art. 1 Abs. 3 GG innerhalb der eigenen Rechtsordnung gewährleisten.

(3) Schließlich sind Aspekte des Schutzes Dritter nicht geeignet, die von § 217 StGB ausgehende Beschränkung individueller Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Der Einzelne muss sich zwar diejenigen Schranken grundrechtlicher Freiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht. Allerdings muss dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleiben. Anliegen des Schutzes Dritter wie die Vermeidung von Nachahmungseffekten rechtfertigen nicht, dass der Einzelne die faktische Entleerung des Rechts auf Selbsttötung hinnehmen muss.

4. Diese Bewertung steht im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte formulierten konventionsrechtlichen Wertungen.

II. § 217 StGB verletzt zudem Grundrechte von Personen und Vereinigungen, die Suizidhilfe leisten möchten. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verstößt aufgrund seiner Unvereinbarkeit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von selbstbestimmt zur Selbsttötung entschlossenen Personen gegen objektives Verfassungsrecht und ist infolgedessen auch gegenüber unmittelbaren Normadressaten nichtig. Der verfassungsrechtliche Schutz des durch § 217 StGB unter Strafe gestellten Handelns ergibt sich aus einer funktionalen Verschränkung der Grundrechte von Suizidhilfe leistenden Personen und Vereinigungen, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG oder subsidiär Art. 2 Abs. 1 GG, mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Die Entscheidung zur Selbsttötung ist in ihrer Umsetzung nicht nur in tatsächlicher Hinsicht davon abhängig, dass Dritte bereit sind, Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren, zu verschaffen oder zu vermitteln. Die Dritten müssen ihre Bereitschaft zur Suizidhilfe auch rechtlich umsetzen dürfen. Der Gewährleistung des Rechts auf Selbsttötung korrespondiert daher auch ein entsprechend weitreichender grundrechtlicher Schutz des Handelns von Suizidassistenten.

Mit der Androhung einer Freiheitsstrafe verletzt das Verbot des § 217 StGB Suizidhelfer, die als natürliche Personen unmittelbare Normadressaten sind, zudem in ihrem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Eine mögliche, an die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung geknüpfte Bußgeldbewehrung verletzt deutsche Sterbehilfevereine in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.

III. § 217 StGB ist wegen der festgestellten Verfassungsverstöße für nichtig zu erklären. Eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich, weil sie den Absichten des Gesetzgebers zuwiderliefe.

Daraus folgt nicht, dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe nicht regulieren darf. Eine solche Regelung muss sich aber an der Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen ausrichten, das darauf angelegt ist, sich in Freiheit selbst zu bestimmen und zu entfalten. Zum Schutz der Selbstbestimmung über das eigene Leben steht dem Gesetzgeber in Bezug auf organisierte Suizidhilfe ein breites Spektrum an Möglichkeiten offen. Sie reichen von prozeduralen Sicherungsmechanismen, etwa gesetzlich festgeschriebener Aufklärungs- und Wartepflichten, über Erlaubnisvorbehalte, die die Zuverlässigkeit von Suizidhilfeangeboten sichern, bis zu Verboten besonders gefahrträchtiger Erscheinungsformen der Suizidhilfe. Diese können auch im Strafrecht verankert oder jedenfalls durch strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen abgesichert werden. Das Recht auf Selbsttötung verbietet es aber, die Zulässigkeit einer Hilfe zur Selbsttötung materiellen Kriterien zu unterwerfen, sie etwa vom Vorliegen einer unheilbaren Krankheit abhängig zu machen. Dennoch können je nach Lebenssituation unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit eines Selbsttötungswillens gestellt werden. Allerdings muss dem Recht des Einzelnen, aufgrund freier Entscheidung mit Unterstützung Dritter aus dem Leben zu scheiden, auch faktisch hinreichender Raum zur Entfaltung und Umsetzung belassen werden. Das erfordert nicht nur eine konsistente Ausgestaltung des Berufsrechts der Ärzte und der Apotheker, sondern möglicherweise auch Anpassungen des Betäubungsmittelrechts. Dies schließt nicht aus, die im Bereich des Arzneimittel- und des Betäubungsmittelrechts verankerten Elemente des Verbraucher- und des Missbrauchsschutzes aufrechtzuerhalten und in ein Schutzkonzept zur Suizidhilfe einzubinden.

All dies lässt unberührt, dass es eine Verpflichtung zur Suizidhilfe nicht geben darf.


Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 0-012.html

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Die Verfasssungswidrigkeit der Regelungen in § 217 StGB war offensichtlich. Näheres ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts! - Urteilsschrift >>> https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 34715.html

L e i t s ä t z e
zum Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020
- 2 BvR 2347/15 - - 2 BvR 651/16 - - 2 BvR 1261/16 - - 2 BvR 1593/16 - - 2 BvR 2354/16 - - 2 BvR 2527/16 -


a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
b) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
c) Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.
Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
a) Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen.
b) Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötung sich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen.
Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.
Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Abs. 1 StGB verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt.
Niemand kann verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.


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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020 und die daraus abzuleitenden Folgerungen werden beim nächsten Vortragstermin zur Patientenautonomie am Lebensende anzusprechen sein. Dazu wird wie folgt eingeladen:

Patientenautonomie am Lebensende - Vorsorgliche Verfügungen … Vortrag am 19.05.2020, 15.00 - 17.00 Uhr, Bürgerhaus Neuss-Erfttal, Bedburger Straße 61. - Referent: Werner Schell. - Eintritt frei. *)- Infos unter > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =7&t=23504

*) Diese Vortragsveranstaltung musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden!

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Beihilfe zum Suizid darf keine Alternative zur Sterbebegleitung sein

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 11:07

Diakonie-Zitat: Beihilfe zum Suizid darf keine Alternative zur Sterbebegleitung sein

Berlin, den 26. Februar 2020 - Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verfassungswidrig ist. Dagegen hatten schwer kranke Menschen, Ärzte und Sterbehilfevereine geklagt und nun in Karlsruhe Recht bekommen.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: "Beihilfe zum Suizid darf keine Alternative zu einer aufwändigen Sterbebegleitung sein. Ich befürchte, dass diese Entscheidung nun eine Dynamik mit möglichen Konsequenzen nach sich zieht, deren Folgen nicht abschätzbar sind. In einer immer älter werdenden Gesellschaft steigt der finanzielle Druck auf den Gesundheitssektor ebenso wie der soziale Druck auf die kranken Menschen. Sie dürfen angesichts ihres Leidens keinesfalls als Last für die Gesellschaft abgestempelt und gedrängt werden, auf medizinische Maßnahmen zu verzichten, weil sie denken, dass ihre Behandlung zu teuer für die Angehörigen wird oder sie selber in höchster Not keinen Ausweg mehr wissen.

Hochaltrige Pflegebedürftige sind in ganz besonderem Maße darauf angewiesen, dass sie sich auch am Lebensende gut versorgt und beraten wissen. Diese Entscheidung aus Karlsruhe kann nun dazu beitragen, dass diese Menschen verunsichert werden, weil vielleicht nicht alle Hilfen zur Verfügung stehen, die sie benötigen. Ich habe erlebt, was Palliativmedizin kann. Wir müssen nun mit allen Kräften dafür sorgen, dass Sterbehilfe nicht ein furchtbares Instrument der Marktgesellschaft wird."

Zum Blog-Beitrag von Ulrich Lilie:
https://praesident.diakonie.de/2020/02/ ... en-helfen/

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Quelle:l Pressemitteilung vom 26.02.2020
Kathrin Klinkusch, Pressesprecherin
Pressestelle, Zentrum Kommunikation
T +49 30 65211-1780
F +49 30 65211-3780
pressestelle@diakonie.de
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Ein tiefer Einschnitt für den Schutz des Lebens in unserem Land

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 12:05

„Ein tiefer Einschnitt für den Schutz des Lebens in unserem Land“
Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum § 217 StGB


Mit Bestürzung hat der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Dr. Thomas Sternberg, auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagiert, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe in § 217 StGB dem Grundgesetz widerspreche.
„Dieses Urteil ist ein tiefer Einschnitt für den Schutz des Lebens in unserem Land. Der Wegfall des Verbots der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung läuft auf eine folgenreiche Umwertung hinaus: Was als schrankenlose Selbstbestimmung am Lebensende propagiert wird, kann zu einer gesellschaftlichen Normalisierung des assistierten Suizids und bei kranken, schwachen und auf Unterstützung angewiesenen Menschen zur Verinnerlichung eines Erwartungsdrucks und einem Sterbewunsch führen“, so Sternberg. Und weiter: „Hier droht vielen Menschen statt der verheißenen Selbstbestimmung eine wachsende Fremdbestimmung am Lebensende. Jeder Mensch hat das Recht auf ein Sterben in Würde – aber die Vorstellung einer Gesellschaft, in der die Selbsttötung als Dienstleistung verfügbar ist, hat für mich nichts mit der Achtung der Menschenwürde zu tun. Gerade der Respekt vor der Selbstbestimmung jedes Menschen und seiner unantastbaren Würde in der extremen Lebenssituation des Sterbens erfordert neben der Sicherstellung einer umfassenden palliativen Versorgung ein gesetzliches Verbot der organisierten Suizidbeihilfe.“ Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken warnt vor Verhältnissen, wie man sie in anderen Ländern bereits beobachten kann: „Die Entwicklungen in einigen europäischen Nachbarländern mit liberalen Sterbehilfegesetzen, in denen der Zugang zu ärztlicher Suizidassistenz und Euthanasie kontinuierlich geweitet worden ist, sprechen eine deutliche Sprache.“
Der ZdK-Präsident äußert sein Unverständnis für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es sei den Verfassungsbeschwerden von Sterbehilfevereinen und Ärzten gefolgt, die sich in ihrer Berufsausübung eingeschränkt oder verunsichert sahen. Dem stünden aber Stellungnahmen von Medizinern, auch aus der Palliativmedizin, gegenüber, die in dem 2015 beschlossenen Gesetz keinen Widerspruch zur Verschaffung der bestmöglichen palliativen Versorgung und der Linderung von Leiden bei schwerer Krankheit und im Sterbeprozess sehen. Sternberg unterstreicht: "Wie sie bin ich der Überzeugung, dass es bei dem bisher geltenden gesetzlichen Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe in außerordentlicher Weise gelungen ist, die Verfassungsgüter der Menschenwürde, der Selbstbestimmung, des Lebensschutzes und des Schutzes besonders schwacher Menschen in Einklang zu bringen. Überdies sind mir keine Verurteilungen von Ärzten wegen eines Verstoßes gegen den neuen § 217 StGB bekannt.“ Sehr wohl habe die Regelung aber, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, das Geschäftsmodell der so genannten Sterbehilfevereine beinträchtigen können. „Wenn diese Vereine nun vom Bundesverfassungsgericht eine Art Gütesiegel für die Förderung der Selbstbestimmung am Lebensende verliehen bekommen, verkehrt das den politischen Willen des Gesetzgebers“, kritisiert der ZdK-Präsident und ruft in Erinnerung, dass das Gesetz 2015 nach einer fast zweijährigen, intensiven gesellschaftlichen und parlamentarischen Debatte und einer parteiübergreifenden Suche nach einer tragfähigen Lösung eine deutliche Mehrheit im Bundestag erhalten hat. „Es ist schon bemerkenswert, wie sich das Bundesverfassungsgericht darüber hinwegsetzt und so selbst Politik macht.“

Quelle: Pressemitteilung vom 26.02.2020
Pressestelle Hochkreuzallee 246. 53175 Bonn Postfach 24 01 41. 53154 Bonn
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Herausgeber
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Redaktion
Theodor Bolzenius Pressesprecher


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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ist der Meinung (siehe weiter oben), dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts richtig ist.
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HV begrüßt Entscheidung gegen Sterbehilfe-Verbot

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 12:12

HV begrüßt Entscheidung gegen Sterbehilfe-Verbot

Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB hat einen politisch und juristisch unerträglichen Irrtum des Gesetzgebers bereinigt. Eine verantwortungsbewusste Gesetzgebung muss nun dem dringenden Bedarf an rechtlicher Klarstellung und qualifizierter Suizidkonfliktberatung nachkommen.

„Die Entscheidung aus Karlsruhe bedeutet eine große Erleichterung für alle Menschen in Deutschland, die Wert auf die Selbstbestimmung bis zum Lebensende legen. Sie ist aber auch eine höchstrichterliche Ohrfeige für jene, die es unheilbar kranken und leidenden Menschen in den vergangenen viereinhalb Jahren quasi unmöglich gemacht haben, ärztliche Unterstützung beim Suizid zu erhalten.“ Das sagte der Vorstand der Humanistischen Vereinigung Michael Bauer zum heute verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvR 2347/15 u. a.).

Erfreut äußerte sich der HV-Vorstand und zertifizierte Berater für Ethik in der Medizin mit Blick auf das Urteil auch deswegen, weil darin ausdrücklich ebenfalls die von humanistischer Seite bereits vor dem Verbot immer wieder geforderte grundsätzliche Regulierung der Suizidbeihilfe zur Sprache kommt.
Michael Bauer bekräftigte aus diesem Anlass zugleich die Forderung, dass eine im Sinne des Urteils humanistisch geprägte Regulierung mit der Einführung einer qualifizierten Suizidkonfliktberatung einhergehen sollte. Diese sollte primär der Suizidprophylaxe dienen, zugleich jedoch ergebnisoffen sein. „Wenn die in der Beratung gemeinsam erörterten Alternativen und Hilfsangebote vom Sterbewilligen nicht angenommen werden und keine Zweifel an der Freiwillensfähigkeit bestehen, sollte eine ärztliche Suizidassistenz prinzipiell möglich sein“, sagte er hierzu.

Er betonte außerdem: „Eine gute hospizliche und palliativmedizinische Versorgung stehen nicht im Widerspruch zu der von uns seit Jahren vorgeschlagenen Regulierung der Suizidbeihilfe. Im individuellen Fall können sie einander sogar ergänzen. So kann die Menschenwürde der einzelnen Person und ihre Autonomie bis zum Lebensende aufrechterhalten werden. Nach dem heutigen Urteil sollte niemand mehr diese Themen gegeneinander ausspielen.“

Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das im Jahr 2015 in § 217 StGB normierte Verbot, Menschen beim selbstbestimmten Suizid zu helfen, mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Eine Verpflichtung zur Suizidhilfe darf es jedoch nicht geben, hieß es.

Unser Regelungsvorschlag

§ 217 StGB – Beihilfe zur Selbsttötung und deren Nicht-Hinderung
(1) Wer einem anderen bei der Selbsttötung hilft oder wer es unterlässt, ihn nach einem Selbsttötungsversuch zu retten, handelt nicht rechtswidrig, wenn die Selbsttötung auf einer freiverantwortlichen und ernstlichen, ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren Entscheidung beruht.
(2) Von einer solchen Entscheidung ist insbesondere nicht auszugehen,
1. wenn der andere noch nicht 18 Jahre alt ist oder seine freie Willensbestimmung entsprechend den §§ 20, 21 StGB beeinträchtigt ist oder
2. wenn begründet anzunehmen ist, dass der andere von einer Entscheidung zur Selbsttötung abgesehen hätte, wenn er nicht diesbezüglich durch Dritte beeinflusst worden wäre oder wenn er von alternativen Optionen zur Hilfe oder Leidminderung Kenntnis erhalten hätte.
(3) Absatz 1 gilt auch für Personen in einer Garantenstellung.

Quelle: Pressemitteilung 05/2020 – 26.02.2020
HV-Pressestelle
Marco Schrage | Arik Platzek
Tel.: 0911 43104-18 | 030 49969517
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Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 14:52

Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung
DGP warnt vor freier Bahn für Sterbehilfeorganisationen – Gesellschaftliche Diskussion über Rahmenbedingungen am Lebensende dringend erforderlich – Tabu Sterbewunsch


Berlin/Karlsruhe 26.02.2020. Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ gegen das Grundgesetz verstoße, eröffnet laut Deutscher Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) einen gefährlichen Spielraum: Prof. Dr. Lukas Radbruch, Präsident der DGP, warnt vor „freier Bahn für Sterbehilfeorganisationen“. Dies begründet er wie folgt: „Die Äußerung eines Sterbewunsches als konkrete Handlungsaufforderung zu verstehen, ist viel zu kurz gegriffen!“ Vielmehr drücke dieser oftmals das Anliegen aus, über das Leiden unter einer unerträglichen Situation und die persönliche Hoffnungslosigkeit zu sprechen. Ein vertrauensvoller Gesprächsprozess über den Sterbewunsch in all seiner Ambivalenz sorge für Entlastung und eröffne nach Erfahrung der DGP – mit 6.000 in der Palliativversorgung tätigen Mitgliedern – fast immer auch Perspektiven zur Linderung der belastenden Symptome und Nöte.
Statt mehr Spielraum für Sterbehilfeorganisationen hält die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin eine breite gesellschaftliche Diskussion über Rahmenbedingungen am Lebensende in Pflegeheimen, Krankenhäusern und im häuslichen Umfeld für dringend erforderlich: „Besonders alte und hochaltrige mehrfach schwersterkrankte Menschen müssen offen darüber sprechen können, wenn sie so nicht mehr leben können und wollen!“ Die DGP fordert eine Debatte, die weit über das Recht des Einzelnen auf eine adäquate Hospiz- und Palliativversorgung hinausgeht. Mit dem Konsensusprozess zur „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ hat die DGP bereits vor zehn Jahren gemeinsam mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband begonnen, gesellschaftliche Tabus zu Sterben, Tod und Trauer infrage zu stellen.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN
DGP PRESSEERKLÄRUNG 25.02.2020:
https://www.dgpalliativmedizin.de/dgp-a ... ennen.html
DGP PRESSEERKLÄRUNG 20.02.2020:
https://www.dgpalliativmedizin.de/dgp-a ... chaft.html

Kontakt/Interviewwünsche:
K. Dlubis-Mertens, Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, redaktion@palliativmedizin.de, Tel: 030/301010013

Quelle: Pressemitteilung vom 26.02.2020
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Verfassungsrichter normieren „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“

Beitrag von WernerSchell » 26.02.2020, 17:58

Ärzte Zeitung vom 26.02.2020:

Urteil zur Sterbehilfe
Verfassungsrichter normieren „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“

Das Verbot geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig. Staat und Gesellschaft müssten die Entscheidung Sterben zu wollen „als Akt autonomer Selbstbestimmung“ respektieren, so das BVG. ... > https://nlcontent.aerztezeitung.de/redi ... 83429F0811

„Liberales Sterbehilfegesetz“
Das sind die Reaktionen auf das Sterbehilfe-Urteil

Der BVG-Richterspruch zur Sterbehilfe hat Besorgnis ausgelöst. Andererseits wird der Ruf laut, rasch gesetzgeberische Konsequenzen im Hinblick auf ein „liberales“ Sterbehilfegesetz zu ziehen. .. > https://nlcontent.aerztezeitung.de/redi ... DB57485946

„ÄrzteTag“-Podcast
Warum das Kippen von Paragraf 217 gut für die Palliativmedizin ist

Der Suizidwunsch eines schwerkranken Patienten war seit 2015 für Ärzte mit der Unsicherheit verknüpft, sich womöglich strafbar zu machen. Jetzt ist das anders. Warum das gut ist, erläutert Dr. Matthias Thöns im Podcast. ... > https://nlcontent.aerztezeitung.de/redi ... 2A6F986343
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Liberalisierung der Sterbehilfe in Deutschland. Bundesverfassungsgerichtshof erklärt § 217 für nichtig

Beitrag von WernerSchell » 29.02.2020, 07:28

Liberalisierung der Sterbehilfe in Deutschland. Bundesverfassungsgerichtshof erklärt § 217 für nichtig
Publiziert am 26. Februar 2020 von Prof. Helmut Schatz, Bochum

Im Jahre 2015 entschied der Bundestag nach einer emotionalen Debatte, die geschäftsmäßige Sterbehilfe zu verbieten. Fortan drohte Paragraph 217 des Strafgesetzbuches jedem, der die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt, verschafft oder vermittelt, eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe an. Straffrei blieben nur Verwandte und nahestehende Personen des Betroffenen, die nicht geschäftsmäßig handelten. Am vergangenen Mittwoch nun kippte das Bundesverfassungsgericht diese Bestimmung nach einer Klage von Schwerstkranken, Sterbehilfevereinen und Ärzten.

Heute entschied der Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe über eine Klage von Patienten, Ärzten und Sterbehelfern zum assistierten Suicid: Der Paragraph 217 wurde für nichtig erklärt. Dessen Verbot der Sterbehilfe habe das Menschenrecht auf selbstbestimmtes Sterben verletzt. Menschen haben vielmehr die Freiheit, sich selbst das Leben zu nehmen und dabei die Hilfe von anderen Personen bzw. Institutionen in Anspruch zu nehmen.
weiterlesen >>> https://blog.endokrinologie.net/liberal ... land-4433/

Quelle: Mitteilung vom 28.02.2020
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V.
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz
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Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig - Prof. Dr. Stefan Sell nimmt Stellung

Beitrag von WernerSchell » 29.02.2020, 15:42

Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Zur Ambivalenz der Ängste vor dem Morgen. - Eine Stellungnahme von Prof. Dr. Stefan Sell vom 26.02.2020 > https://aktuelle-sozialpolitik.de/2020/ ... em-suizid/
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FDP wirft Spahn bei Sterbehilfe-Neuregelung Unglaubwürdigkeit vor

Beitrag von WernerSchell » 02.03.2020, 07:42

Ärzte Zeitung vom 02.03.2020:
Kritik
FDP wirft Spahn bei Sterbehilfe-Neuregelung Unglaubwürdigkeit vor

Die Liberale gehen Gesundheitsminister Spahn scharf an und legen Eckpunkte für ein neues Sterbehilfegesetz vor. Die Rolle der Ärzte soll darin klar geregelt sein. ... > https://nlcontent.aerztezeitung.de/d-re ... &tags=test
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Intensiv- und Notfallmediziner fordern klare Regelung gegen Kommerzialisierung der Sterbehilfe

Beitrag von WernerSchell » 02.03.2020, 13:42

Nach Verfassungsurteil: Intensiv- und Notfallmediziner fordern klare Regelung gegen Kommerzialisierung der Sterbehilfe

„Die Sterbehilfe-Gesetzgebung ist lückenhaft und muss so schnell wie möglich präzisiert werden“, sagt Professor Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Das Bundesverfassungsgericht hat vor wenigen Tagen klargestellt: Der Mensch hat ein Recht zu sterben – und der Staat darf dies nicht unmöglich machen. Das Gerichtsurteil stellt jedoch zugleich klar, dass der Staat zum Schutz des Lebens und der autonomen Willensbildung aller Bürger durchaus das Recht und die Pflicht hat, den Bereich der Suizidhilfe zu reglementieren.
„Er muss also einem Ausbreiten kommerzieller Dienstleister keineswegs tatenlos zusehen. Die DIVI fordert daher eine umgehende Erarbeitung von Konzepten, wie Suizidhilfe in Deutschland zukünftig verantwortungsvoll geregelt und praktiziert werden soll“, so Janssens, zugleich Sprecher der DIVI-Sektion Ethik und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.

Die DIVI wird sich konstruktiv an den jetzt anstehenden medizinischen, gesellschaftlichen und politischen Diskussionen beteiligen: Einerseits müssen die Rechte von Sterbewilligen geschützt und der Weg zu Suizidhilfe in begründeten Einzelfällen geregelt werden. „Andererseits müssen wir Klarheit darüber schaffen, wie die Mehrheit von alten und kranken Menschen vor einem sozialen Druck zur Inanspruchnahme von Suizidhilfe geschützt werden kann“, unterstreichen die beiden Ethik-Experten der DIVI, Dr. Gerald Neitzke vom Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover sowie Professor Gunnar Duttge vom Zentrum für Medizinrecht an der Georg-August-Universität Göttingen.

Berufsrechte stärken: Einschränkungen der Landesärztekammern aufheben

Infrage stehen dabei auch die Rechte von Ärztinnen und Ärzten, die aus Gewissensgründen keine Suizidhilfe leisten möchten. Zugleich hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die unterschiedlichen berufsrechtlichen Regeln in Deutschland kritisiert: Je nach zuständiger Landesärztekammer ist die Suizidhilfe den Ärzten untersagt oder erlaubt. „Diese Einschränkung kollidiert mit den verfassungsgemäßen Rechten von Ärzten und sollte daher so bald wie möglich aufgehoben werden“, so Duttge.

DIVI fordert: Finanzielle Gewinne durch Suizidhilfe-Dienstleister unterbinden

Das Bundesverfassungsgericht stärkt mit der aktuellen Entscheidung den Willen des Einzelnen, durch Suizid aus dem Leben zu scheiden – sofern dieser Wille autonom gefasst wurde. „Anderen Kriminalstrafe anzudrohen, wenn diese einem Suizidenten bei der Durchsetzung seines Selbstbestimmungsrechts helfen wollen, greife in übermäßiger Weise in das Recht zu sterben ein“, so Gerald Neitzke. Das gelte auch dann, wenn das Strafgesetz sich auf eine Bestrafung „geschäftsmäßiger“ Unterstützung beschränkt. Die DIVI nimmt als Fachgesellschaft, die intensivmedizinische und notfallmedizinische Inhalte von rund 3.000 Mitgliedern wissenschaftlich vertritt, an dieser Stelle bewusst eine unmissverständliche Position ein: „Wir fordern eine klare gesetzliche Regelung, die jedweden impliziten oder expliziten finanziellen Gewinn von kommerziellen Dienstleistern im Zusammenhang mit der Suizidhilfe unterbindet“, so DIVI-Präsident Janssens.

Weitere Informationen:
https://www.divi.de/presse/pressemeldun ... terbehilfe

Quelle: Pressemitteilung vom 02.03.2020
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https://idw-online.de/de/news739670
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Geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid: Paukenschlag aus Karlsruhe

Beitrag von WernerSchell » 06.03.2020, 07:27

Deutsches Ärzteblatt vom 06.03.2020:
Geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid: Paukenschlag aus Karlsruhe
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, das Verbot von geschäftsmäßiger Sterbehilfe zu kippen, hat für heftige Diskussionen gesorgt. Während die einen es als Sieg der Autonomie des Menschen sehen, werten es andere als einen Angriff auf den Lebensschutz. Von Freude und Erleichterung bis zu Unbehagen und Entsetzen – die Reaktionen auf... [mehr] > http://170770.eu1.cleverreach.com//c/32 ... 975-q6rahh
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Sterbehilfe - Politiker blockieren, Patienten verzweifeln - Filmbeiträge informieren!

Beitrag von WernerSchell » 11.03.2020, 18:10

Regelung zu Sterbehilfe
Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sieht gegenwärtig keinen Handlungsbedarf aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange (SPD) erläuterte am Mittwoch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, dass mit dem Urteil wieder der Zustand vor der Regelung im Jahr 2015 eingetreten sei. Wie Lange sagte, hat sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für Gruppenanträge von Abgeordneten des Bundestages für eine Regelung der Sterbehilfe ausgesprochen. Es sei nicht Aufgabe der Bundesregierung, das weitere Vorgehen festzulegen. Weiter sagte Lange, es gebe zu der Thematik auch wegen ihrer Komplexität keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht habe auch keine Blaupause für eine Neuregelung vorgegeben.
Lange erstattete auf Antrag der FDP-Fraktion einen Bericht der Bundesregierung zum weiteren Vorgehen in Sachen Sterbehilfe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 26. Februar 2020. Der Staatssekretär ging ausführlich auf das Urteil ein und beantwortete Fragen von Abgeordneten zum weiteren Vorgehen. Nach der Entscheidung des Zweiten Senats ist das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst dem Urteil zufolge ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Das in Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verstoße gegen das Grundgesetz. Dem Gesetzgeber sei jedoch nicht untersagt, die Suizidhilfe zu regulieren. Er müsse dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.
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Quelle: Mitteilung vom 11.03.2020
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WernerSchell
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Spahn lehnt Anträge auf Sterbehilfe weiter ab ...

Beitrag von WernerSchell » 14.03.2020, 18:26

Tagesspiegel - Bericht vom 06.03.2020:

Trotz Urteils aus Karlsruhe
Spahn lehnt Anträge auf Sterbehilfe weiter ab


Die Regierung hält daran fest, keine tödlichen Medikamente freizugeben, heißt es in einer Auskunft an das Parlament. Man wartet auf das nächste Urteil.
Trotz Liberalisierung der Sterbehilfe durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts weigert sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), schwerkranken Patienten den Erwerb tödlicher Medikamente zu gestatten. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Die Auslegung des Betäubungsmittelrechts und insbesondere die Frage, ob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Erwerb eines tödlich wirkenden Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung erlauben muss, war nicht Gegenstand des Verfahrens“, heißt es darin.
… (weiter lesen unter) … > https://m.tagesspiegel.de/politik/trotz ... ebook.com/
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Assistierter Suizid: Humanistische Vereinigung fordert Suizidpräventionsberatung und legt Gesetzentwurf vor

Beitrag von WernerSchell » 02.04.2020, 06:57

Pressemitteilung 06/2020 – 01.04.2020 – Berlin

Assistierter Suizid: Humanistische Vereinigung fordert Suizidpräventionsberatung und legt Gesetzentwurf vor


Selbstbestimmtheit und Freiverantwortlichkeit, qualifizierte Beratung und Prävention, der Respekt für und die Achtung der individuellen Menschenwürde: Auf diesen Säulen ruht ein Entwurf zur gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids in einem neuen § 217 StGB.

Die Humanistische Vereinigung (HV) reagiert mit der Vorstellung ihres Regelungsvorschlags auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem dieses am 26. Februar das 2015 beschlossene Gesetz zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für unwirksam erklärt hatte. Um nach der Unwirksamkeit des früheren § 217 StGB dauerhaft umfassende Rechtssicherheit für Sterbewillige wie auch hilfsbereite Ärzt*innen herzustellen, bedarf es einer eindeutigen Regelung des assistierten Suizids. Dies schließt die gesetzliche Einrichtung einer qualifizierten Suizidpräventionsberatung ein.

Dem Gesetzentwurf nach handelt nicht rechtswidrig, wer einer anderen Person beim Suizid hilft oder wer es unterlässt, sie nach einem Suizidversuch zu retten, sofern der Suizid auf einer freiverantwortlichen und ernstlichen, ausdrücklich erklärten oder einer in vergleichbarer Weise aus den Umständen erkennbaren Entscheidung beruht. Von diesem Fall sei insbesondere dann auszugehen, wenn die andere Person nicht länger als zwei Monate vor dem Suizid eine Beratung zur Suizidprävention bei einer anerkannten Beratungsstelle aufgesucht hat und diese keine Anzeichen erkannt hat, nach denen die oben genannten Maßgaben nicht erfüllt sind. Auch Personen in einer Garantenstellung sollen nach den oben genannten Maßgaben straffrei handeln können. Der Gesetzentwurf sieht derzeit keinen Suizidhilfe-Anspruch für unter 18-Jährige oder anderweitig in ihrer freien Willensbestimmung beeinträchtigte Personen. Zu dieser Frage sieht die HV noch den Bedarf einer breiten gesellschaftlichen Debatte.

Die im Regelungsvorschlag enthaltene Suizidpräventionsberatung soll Sterbewilligen helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung im Rahmen ihrer Entscheidungsautonomie zu treffen. Eine Verpflichtung zur Suizidhilfe wird ausgeschlossen.

„Mit dem Gesetzentwurf unterstreichen wir, dass die Selbstbestimmung und Autonomie von Sterbewilligen für uns einen hohen Stellenwert haben. Uns geht es aber auch darum sicherzustellen, dass kein Missbrauch stattfinden kann. Dies ist eine ganz wichtige Frage: Ist tatsächlich eine freie Entscheidung, so frei wie sie unter den Umständen eben sein kann, erfolgt?“, sagt HV-Vorstand Michael Bauer, zertifizierter Berater für Ethik in der Medizin, zum Gesetzentwurf. Menschen in existenziellen Problemlagen, wie sie vorliegen, wenn jemand über einen Suizid nachdenkt, sollten qualifizierte Hilfe erhalten, die einer möglichen Suizidassistenz vorgreift. Beratungspersönlichkeiten müssten ihrer Tätigkeit mit einem sehr hohen Verantwortungsbewusstsein nachgehen und nicht allein aus dem medizinischen Bereich kommen, betonte Bauer. Auch Psycholog*innen, Ethikberater*innen und Sozialarbeiter*innen sollten ihre Fähigkeiten in die Beratungen einbringen können.

Unseren vollständigen Regelungsvorschlag finden Sie unter https://www.humanistische-vereinigung.d ... atung.html

Hintergrund
Leitsätze des BVerfG-Urteils vom 26. Februar 2020: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.
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