Kostentragungspflicht einer Bank bei grundloser Zurückweisung einer Vorsorgevollmacht

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Kostentragungspflicht einer Bank bei grundloser Zurückweisung einer Vorsorgevollmacht

Beitrag von WernerSchell » 09.06.2019, 06:21

Justiz.Hamburg
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Betreuungsverfahren: Kostentragungspflicht einer Bank bei grundloser Zurückweisung einer Vorsorgevollmacht

Beschluss des Landgerichts (LG) Hamburg -1. Zivilkammer- vom 30.08.2017, 301 T 280/17

§ 81 Abs 4 FamFG
Verfahrensgang vorgehend AG Hamburg-Wandsbek, 15. Juni 2017, Az: 706 XVII 53/17, Beschluss


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Tenor
1. Die Beschwerde der H. Sparkasse vom 19. Juli 2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 15. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 2) nach einem Beschwerdewert von € 5.000,-- auferlegt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


Gründe

I.

Die H. Sparkasse wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 19. Juli 2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 15. Juni 2017, mit dem das Gericht ihr im Zuge der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung zugunsten der Betroffenen die Kosten des Betreuungsverfahrens auferlegt hat.

Die 82-jährige Betroffene leidet an einer fortgeschrittenen Krebserkrankung und befindet sich seit März 2017 im Hospiz. Unter dem 20. März 2017 bzw. 28. April 2017 erteilte sie der Beteiligten - ihrer Tochter - eine umfassende Vorsorgevollmacht.

Am 24. März 2017 beantragte die Beteiligte vor dem Protokoll des Amtsgerichts, sie als Betreuerin zu bestellen. Hintergrund dieses Antrags ist - wie sich unter anderem dem Bericht der Betreuungsstelle vom 6. April 2017 entnehmen lässt - der Vortrag der Beteiligten, dass die von der Betroffenen aufgesetzten Vollmachten bei der H. Sparkasse, bei der die Betroffene über ein Konto verfüge, nicht akzeptiert würden. Stattdessen sei die Beteiligte aufgefordert worden, ihre Mutter aus dem Hospiz in einem Rollstuhl in eine Filiale der Sparkasse zu bringen, um dort eine entsprechende Bankvollmacht zu erteilen.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2017 stellte das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek das Betreuungsverfahren angesichts der erteilten und der Betreuung vorrangigen Vollmachten ein. Hiergegen wendete sich die Beteiligte mit Schreiben vom 24. Mai 2017 unter Beifügung eines ärztlichen Attests vom 9. Mai 2017, aus dem sich ergibt, dass die Betroffene aufgrund einer schweren Krebserkrankung im Endstadium nicht mehr in der Lage sei, das Bett zu verlassen und sich persönlich um ihre Bankgeschäfte zu kümmern. Die Beteiligte führte zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass die Sparkasse sich trotz vorgelegter Vollmachtsurkunden und des ärztlichen Attests weiterhin weigere, die Vollmacht zu akzeptieren.

Mit Verfügung vom 1. Juni 2017 gewährte das Amtsgericht der Sparkasse unter Hinweis auf die beabsichtigte Kostenauferlegung im Rahmen des Betreuungsverfahrens sowie die hierfür maßgeblichen Erwägungen rechtliches Gehör.

Am 15. Juni 2017 hörte der Betreuungsrichter die Betroffene persönlich an. Auf den Anhörungsvermerk von diesem Tag wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom gleichen Tag richtete das Gericht eine gesetzliche Betreuung mit dem Aufgabenbereich der Vermögenssorge ein und setzte die Beteiligte als Betreuerin ein, wobei die Kosten des Verfahrens der Sparkasse auferlegt wurden. Gegen diese Kostenentscheidung wendet sich die Sparkasse mit ihrer Beschwerde vom 19. Juli 2017. Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens der Sparkasse wird auf den Schriftsatz vom 19. Juli 2017 Bezug genommen.

Unter dem 26. August 2017 nahm der durch die Beschwerdekammer bestellte Verfahrenspfleger Stellung. Auch auf diesen Schriftsatz wird an dieser Stelle Bezug genommen. Ergänzend wird auf den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Betreuungsgericht der kontoführenden Sparkasse die Kosten des Verfahrens der Betreuungseinrichtung auferlegt. Die so getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 4 FamFG. Danach kann das Gericht auch einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten die Kosten auferlegen, sofern „die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft“. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Sparkasse ist als formell sowie materiell nicht Beteiligte „Dritter“ im Sinne des § 81 Abs. 4 FamFG und kommt als Kostenschuldnerin in Betracht.

Die gerichtliche Tätigkeit mit dem Ergebnis der Betreuungseinrichtung durch Beschluss vom 15. Juni 2017 ist zudem durch die Sparkasse veranlasst worden. Dabei muss der „Dritte“ im Sinne des § 81 Abs. 4 FamFG nicht den Anstoß zum Verfahren gegeben haben; vielmehr genügt es, dass er - auch innerhalb eines schon laufenden Verfahrens - ein Teilstück veranlasst hat (Keidel, FamFG, § 81 Rn. 71). Vor dem Hintergrund bestehender Vorsorgevollmachten vom 20. März 2017 sowie vom 28. April 2017 stellte das Amtsgericht das Betreuungsverfahren zunächst durch Beschluss vom 3. Mai 2017 ein. Aufgrund der weiterhin bestehenden Nichtakzeptanz der Vollmachten durch die Sparkasse sah sich die Beteiligte als Vollmachtnehmerin faktisch jedoch an der Ausübung der Vermögenssorge gehindert. So blieb es ihr trotz Vorsorgevollmacht insbesondere verwehrt, Geld für die Betroffene abzuheben und ihr dieses zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund - veranlasst durch die mangelnde Akzeptanz der Vollmachten durch die Sparkasse - nahm das Betreuungsgericht das Verfahren sodann wieder auf, hörte die Betroffene an und beschloss schließlich die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, da - trotz bestehender Vollmacht - die gesetzliche Betreuung ausnahmsweise deshalb erforderlich und gerade nicht nachrangig sei, weil die Beteiligte als Vollmachtnehmerin faktisch - angesichts der ablehnenden Verfahrensweise der Sparkasse - die Rechte der Betroffenen nicht gleichermaßen wahrnehmen könne. Soweit die Sparkasse mit ihrer Beschwerdebegründung vorträgt, die maßgeblichen Vollmachtsdokumente sowie Atteste nicht zu kennen, ist dies bereits deshalb nicht überzeugend, weil es auf der anderen Seite keine Anhaltspunkte dafür gibt, warum die Beteiligte - Tochter der Betroffenen - ohne den Versuch der Vollmachtsvorlage mutwillig ein Betreuungsverfahren anstrengen sollte, obwohl sie als Vollmachtnehmerin bereits umfassend und grundsätzlich vorrangig berechtigt war.

Die Sparkasse trifft darüber hinaus im Hinblick auf die Veranlassung des hiesigen Verfahrens ein grobes Verschulden im Sinne des § 81 Abs. 4 FamFG. Sinn und Zweck von Vorsorgevollmachten ist es, gerichtlich kostspielige Betreuungsverfahren zu vermeiden. Wenn aber im Falle einer vorgelegten Vorsorgevollmacht keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht ordnungsgemäß ausgestellt worden ist bzw. nicht mehr dem Willen des Vollmachtgebers entspricht, etwa weil die Vollmacht nicht in dessen Interesse ausgeübt wird, geht eine Vorsorgevollmacht regelmäßig einem gerichtlichen Betreuungsverfahren vor. Ein Betreuer darf andererseits nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist, § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB. Ein bloßer Verdacht genügt nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es somit bei der wirksamen Bevollmächtigung. Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2017, XII ZB 501/16 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen gab es im vorliegenden Fall keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht. Soweit die Beschwerdeführerin ausführt, bei einer derart schweren körperlichen Erkrankung seien auch psychische Beeinträchtigungen „nicht fernliegend“, handelt es sich um eine lediglich ins Blaue hinein erfolgte Behauptung, die weder durch die ärztlichen Atteste noch durch die Ergebnisse der persönlichen Anhörung durch das Gericht gestützt wird. Vielmehr ergibt sich hieraus allein eine physische Erkrankung, welche die Betroffene daran hindert, ihr Bett zu verlassen und ihre Bankgeschäfte selbst zu tätigen. Die Kammer ist sich bewusst, dass es in der Frage der Akzeptanz privatschriftlicher Vollmachten auch um die Abgrenzung zur Wahrnehmung eigener, berechtigter Interessen des jeweiligen Finanzinstituts geht, insbesondere zur Vermeidung einer etwaigen Schadensersatzpflicht bei fehlender schuldbefreiender Wirkung. Insoweit hätte es der Sparkasse hier freigestanden, sich bei der Betroffenen der Richtigkeit der Vollmacht zu vergewissern. Ohne konkrete Anhaltspunkte ist hingegen der hier erfolgte Verweis der Beschwerdeführerin auf weitere, durch die Vollmachtnehmerin zu leistende Darlegungen und Bescheinigungen zur Frage der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen, nicht tragfähig, wie sich insbesondere auch dem Rechtsgedanken des § 174 BGB entnehmen lässt. Sofern - wie im vorliegenden Fall - keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht vorliegen, verstößt die Nichtbeachtung einer solchen Vollmacht gegen die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße. Hinzu kommt, dass die Sparkasse auch auf den Hinweis des Gerichts vom 1. Juni 2017 und sogar in Kenntnis des bereits durch die Vollmachtnehmerin angestrengten Betreuungsverfahrens untätig blieb.

Soweit das Amtsgericht mit dem angegriffenen Beschluss die Kosten des Verfahrens der Sparkasse auferlegt hat, handelte es sich - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 4 FamFG - um eine Ermessensentscheidung. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführerin ist vorab rechtliches Gehör gewährt worden. Im Übrigen wird inhaltlich auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Die Beschwerdeführerin vermag schließlich auch nicht damit durchzudringen, dass der Aufgabenkreis der Vermögenssorge zu weit gefasst und deshalb zu Lasten der Beschwerdeführerin erhöhte Kosten entstanden seien. Zum Einen entzieht sich die Festlegung der Aufgabenkreise durch das Betreuungsgericht der Beschwerdebefugnis der Sparkasse; zum Anderen ist weder dargetan, dass die Übertragung der Vermögenssorge sich nicht allein im Verhältnis der Vertretung gegenüber der Sparkasse erschöpft noch ist erkennbar, dass eine weitere Eingrenzung des Aufgabenkreises eine geringere Kostenlast bedeuten würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Quelle: http://www.landesrecht-hamburg.de/jport ... 924&st=ent
Siehe auch Kurzinfo > https://www.onlineurteile.de/urteil/spa ... acht-nicht

Siehe auch Urteil des Landgerichts (LG) Detmold vom 14. Januar 2015 - Aktenzeichen: 10 S 110/14 - > http://www.wernerschell.de/forum/neu/vi ... =2&t=21135
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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