Wirksame Patientenverfügung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Wirksame Patientenverfügung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Beitrag von WernerSchell » 17.12.2018, 07:12

Bundesgerichtshof

Wirksame Patientenverfügung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 14.11.2018 - XII ZB 107/18
> http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf


Siehe insoweit auch unter > viewtopic.php?f=2&t=22049&p=97230

Leitsätze:
a) Die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung kann sich im Einzelfall bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Verfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748).
b) Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.
c) Die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung einer Patientenverfügung kann vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt worden ist, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, sonstige Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht.


+++

Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 185/2018 vom 13.12.2018


Der u.a. für Betreuungssachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich erneut mit den Anforderungen befasst, die eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen muss.

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene ein mit "Patientenverfügung" betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, "lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben" sollen.

Zu nicht genauer festgestellten Zeitpunkten von 1998 bis zu ihrem Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren. Im Juni 2008 erhielt die Betroffene einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: "Ich möchte sterben."

Unter Vorlage der Patientenverfügung von 1998 regte der Sohn der Betroffenen im Jahr 2012 an, ihr einen Betreuer zu bestellen. Das Amtsgericht bestellte daraufhin den Sohn und den Ehemann der Betroffenen zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Betreuern.

Der Sohn der Betroffenen ist, im Einvernehmen mit dem bis dahin behandelnden Arzt, seit 2014 der Meinung, die künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr solle eingestellt werden, da dies dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen der Betroffenen entspreche. Ihr Ehemann lehnt dies ab.

Den Antrag der Betroffenen, vertreten durch ihren Sohn, auf Genehmigung der Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr hat das Amtsgericht abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hatte das Landgericht zunächst zurückgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2017 – XII ZB 604/15 – FamRZ 2017, 748) und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hat dieses ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der konkrete Zustand der Betroffenen im Wachkoma ihr Bewusstsein entfallen lässt und ob in diesem Fall eine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Nachdem der Sachverständige sein Gutachten auch mündlich erläutert hatte, hat das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen nun mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Ehemanns der Betroffenen hatte keinen Erfolg.

Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. In diesem Fall hat der Betroffene diese Entscheidung selbst in einer alle Beteiligten bindenden Weise getroffen, so dass eine Einwilligung des Betreuers, die dem betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernis unterfällt, in die Maßnahme nicht erforderlich ist. Wird das Gericht dennoch angerufen, weil eine der beteiligten Personen Zweifel an der Bindungswirkung einer Patientenverfügung hat und kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, hat es auszusprechen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (sogenanntes Negativattest).

Nach der Rechtsprechung des Senats entfaltet eine Patientenverfügung allerdings nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt. Nicht ausreichend sind jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung.

Im Einzelfall kann sich die erforderliche Konkretisierung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen durch die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben kann. Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Im vorliegenden Fall hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. Februar 2017 (XII ZB 604/15) ausgeführt, dass die Betroffene mit der Anknüpfung ihrer Regelungen zu den ärztlichen Maßnahmen, in die sie einwilligt oder nicht einwilligt, an die medizinisch eindeutige Feststellung, dass bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, hinreichend konkret eine Lebens- und Behandlungssituation beschrieben hat, in der die Patientenverfügung Geltung beanspruchen soll.

Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei durchgeführten weiteren Ermittlungen ist diese Lebens- und Behandlungssituation auch gegeben. Nach dem Inhalt des eingeholten neurologischen Sachverständigengutachtens besteht bei der Betroffenen eindeutig ein Zustand schwerster Gehirnschädigung, bei der die Funktionen des Großhirns - zumindest soweit es dessen Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung, Verarbeitung und Beantwortung von Reizen angeht - komplett ausgelöscht sind. Dieser Zustand ist nach Meinung des Sachverständigen irreversibel. Aufgrund dieser Feststellungen ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass bei der Betroffenen keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht und damit die Lebens- und Behandlungssituation vorliegt, an die die Betroffene in ihrer Patientenverfügung den Wunsch geknüpft hat, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Außerdem hat das Landgericht umfassend und sorgfältig geprüft, ob die Patientenverfügung auch eine Einwilligung der Betroffenen in den Abbruch bereits eingeleiteter lebenserhaltender Maßnahmen beinhaltet. Hierbei hat es auf der Grundlage der schriftlichen Patientenverfügung zu Recht den Aussagen der vernommenen Zeugen besondere Bedeutung beigemessen, nach denen sich die Betroffene vor ihrer eigenen Erkrankung mehrfach dahingehend geäußert hatte, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle. Zudem hat sich das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Auslegungserwägungen eingehend mit der Frage befasst, ob die in der Patientenverfügung enthaltene Formulierung "aktive Sterbehilfe lehne ich ab", dahingehend zu verstehen sein könnte, dass die Betroffene den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ablehnt und diese Frage verneint.

Weil die Betroffene für ihre gegenwärtige Lebenssituation eine wirksame Patientenverfügung erstellt hatte, ist diese bindend: Die Gerichte sind damit nicht zur Genehmigung des Abbruchs der lebenserhaltenen Maßnahmen berufen, sondern hatten die eigene Entscheidung der Betroffenen zu akzeptieren und ein Negativattest zu erteilen.

Vorinstanzen:
AG Freising - XVII 157/12 - Beschluss vom 29. Juni 2015
LG Landshut - 64 T 1826/15 - Beschluss vom 8. Februar 2018

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Die maßgeblichen Vorschriften lauten wie folgt:

§ 1901 a BGB Patientenverfügung
(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
(2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten.
(4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden.
(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend.

§ 1904 BGB Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen
(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.
(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.
(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901a festgestellten Willen des Betreuten entspricht.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für einen Bevollmächtigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist.

Quelle: Pressemitteilung vom 13.12.2018
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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Patientenverfügungen müssen eindeutig formuliert sein. Das ist eigentlich seit Jahren gut bekannt. Darüber wird von hier, u.a. in der VHS Neuss, umfassend informiert. Die nächste Vortragsveranstaltung findet am 25.03.2019 statt: > viewtopic.php?f=7&t=22957 Wichtig erscheint aber der Hinweis, dass eine Vorsorgevollmacht in diesem Zusammenhang große Bedeutung hat.

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Ärzte Zeitung online, 14.12.2018
Bundesgerichtshof
Patientenverfügung gilt ohne Gerichtsentscheid

Richter geben der Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen einer Frau im Wachkoma statt.
KARLSRUHE. Ärzte dürfen auch ohne Gerichtsbeschluss eine künstliche Ernährung beenden. Das ist zulässig, wenn sich für die konkrete Situation ein entsprechender Wille bereits aus der Patientenverfügung ergibt, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Leitsatzbeschluss entschied. Dabei kann auch eine recht allgemeine Formulierung in der Verfügung ausreichen.
Konkret darf danach eine inzwischen 78 Jahre alte Frau aus Bayern sterben. Seit einem Schlaganfall 2008 liegt sie im Wachkoma und wird über eine Magensonde künstlich ernährt.
In einer bereits 1998 geschriebenen Patientenverfügung lehnte die Frau lebensverlängernde Maßnahmen ab, wenn „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. „Aktive Sterbehilfe lehne ich ab“, heißt es weiter in der Verfügung.
... (weiter lesen unter) ... https://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=97 ... efpuryykqr
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WernerSchell
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Intensivmediziner empfehlen Patientenverfügungen zu prüfen

Beitrag von WernerSchell » 24.12.2018, 07:12

Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
Medienbetreuung


Intensivmediziner empfehlen Patientenverfügungen zu prüfen - Bundesgerichtshof entscheidet im Fall einer Wachkoma-Patientin

Nürnberg. Intensivmediziner fordern die Bürger auf, ihre Patientenverfügungen zu prüfen und bei Bedarf auch umzuformulieren. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Anwendbarkeit von Patientenverfügungen vermuten die Ärzte, dass es in vielen Familien noch Schreiben zur medizinischen Versorgung am Lebensende gibt, die unverständlich oder nicht konkret genug formuliert sind: „Das kann im Fall des Falles für alle Beteiligten zu unwürdigen und nervenaufreibenden Situationen am Krankenbett führen“, erklärt Professor Dr. med. Gernot Marx, Vorsitzender des Arbeitskreises Intensivmedizin bei der „Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI). Die Ärzte auf den Intensivstationen seien immer bestrebt, alles Sinnvolle und Machbare zu tun, um einen schwerkranken Patienten zu heilen. Könne einem Menschen aber nicht mehr geholfen werden, müsse bald gemeinsam eine angemessene Entscheidung getroffen werden, erklärt Marx weiter. In aussichtslosen Fällen könne dies eben auch der Entschluss sein, die Behandlung zu beenden. Patientenverfügungen könnten dabei eine wichtige Hilfestellung sein.
Der Bundesgerichtshof hatte anhand des konkreten Falls einer Patientin im Wachkoma entschieden, dass ihre Patientenverfügung im Zusammenspiel mit Zeugenaussagen ausreichend ist und ihre Behandlung eingestellt werden darf. In der Urteilsbegründung schreiben die Richter unter anderem: „Danach genügt eine Patientenverfügung, die einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt.“ Verbunden damit ist der Rat, in einer Patientenverfügung möglichst genau zu beschreiben, in welcher Situation welche Entscheidung zu treffen ist.
Professor Marx - gleichzeitig Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin am Uniklinikum Aachen - empfiehlt den Bürgern, sich bei Fragen zur Patientenverfügung oder auch zur Vorsorgevollmacht an entsprechende Beratungsstellen, Juristen oder den Hausarzt zu wenden. Auch Aktionen wie der „Tag der Intensivmedizin“ seien gute Gelegenheiten, um mit Fachleuten über Fragen zur Intensivmedizin zu sprechen. Der nächste „Tag der Intensivmedizin“ findet am 25. Mai 2019 in ganz Deutschland statt.

Quelle: Pressemitteilung vom 17.12.2018
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
Dr. med. Christian Hermanns
Öffentlichkeitsarbeit
Roritzerstraße 27
90419 Nürnberg
Telefon: 0171 / 837 87 38
E-Mail: presse@dgai-ev.de
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Corona: an Patientenverfügung, Vollmacht und Betreuungsverfügung denken

Beitrag von WernerSchell » 10.04.2020, 06:28

Aus Forum:
viewtopic.php?f=6&t=23530&p=113161#p113161


Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
09.04.2020

Corona: an Patientenverfügung, Vollmacht und Betreuungsverfügung denken

Viele Menschen machen sich Sorgen wegen der Krankheit COVID-19. Was passiert dann mit mir oder einem geliebten Menschen im Krankenhaus? Wer mit dem konkreten Risiko durch das Coronavirus im Kopf seine Patientenverfügung nochmal überdenkt, kann das Dokument einfach ändern.
Das Wichtigste in Kürze:
Grundsätzlich sind medizinische Maßnahmen wie Beatmung oder künstliche Ernährung in Patientenverfügungen bereits geregelt. Eine Änderung ist deshalb nicht unbedingt erforderlich.
Sollte sich Ihre Meinung zu diesen medizinischen Maßnahmen aufgrund der aktuellen Lage geändert haben, nehmen Sie die Patientenverfügung nochmal zur Hand.
Ihre Patientenverfügung können Sie jederzeit verändern. Sie kann auch konkret bezüglich der Maßnahmen, die im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 erforderlich sind, angepasst werden.
Nehmen Sie bei Unsicherheiten medizinischen Rat in Anspruch.
Zusätzlich zur Patientenverfügung können eine Vorsorgevollmacht und eine Betreuungsverfügung Sinn ergeben.
...
Quelle und weitere Informationen >>> https://www.verbraucherzentrale.nrw/wis ... nken-46456
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Zahl der Patientenverfügungen

Beitrag von WernerSchell » 31.07.2020, 06:46

Zahl der Patientenverfügungen
Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Die Zahl der in Deutschland verfassten Patientenverfügungen ist der Bundesregierung nicht bekannt. Lediglich im Rahmen der Registrierung von Vorsorgevollmachten beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer sei es möglich, die zusätzliche Information zu hinterlegen, ob neben der Vollmacht auch eine Patientenverfügung erstellt wurde, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/21160 https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/211/1921160.pdf ) auf eine Kleine Anfrage (19/20847 https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/208/1920847.pdf ) der FDP-Fraktion.
Laut dieses Registers waren demnach zum 31. März 2020 rund 4,7 Millionen Vorsorgevollmachten eingetragen. Die Gesamtzahl der mit einer Patientenverfügung verbundenen Vorsorgevollmachten geht aus dem Register aber nicht hervor, denn angegeben ist dies jeweils nur für Neueintragungen. Von den 118.216 Neueintragungen von Januar bis März 2020 waren 85.383 (72 Prozent) mit einer Patientenverfügung verbunden.
Im Jahr 2019 waren von 393.092 Neueintragungen 312.331 (79 Prozent) mit einer Patientenverfügung verbunden. Dieser Anteil lag in den Jahren von 2009 und 2018 regelmäßig zwischen 74 und 76 Prozent. Bei einer vorsichtigen Schätzung könne daher davon ausgegangen werden, dass im Schnitt rund 75 Prozent aller eingetragenen Vorsorgevollmachten mit Patientenverfügungen verbunden seien, schreibt die Bundesregierung. Bei einer aktuellen Gesamtzahl von rund 4,7 Millionen eingetragenen Vorsorgevollmachten wären demzufolge etwa 3,5 Millionen Patientenverfügungen registriert.

Quelle: Mitteilung vom 30.07.2020
Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten
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