Fehler - Schuld nie einräumen!

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Knut_Sempler

Fehler - Schuld nie einräumen!

Beitrag von Knut_Sempler » 29.08.2004, 11:00

Versicherte sollten nach einem Bericht der Ärzte Zeitung vom 30.7.2004 bei einem Haftpflicht-Schaden nie voreilig ihre Mitschuld einräumen. Sonst können sie nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken (Aktenzeichen: 5 U 404/03-40) ohne Not den Versicherungsschutz verlieren. So muss laut OLG Saarbrücken die Versicherung dann nicht zahlen, wenn die einschlägigen Versicherungsklauseln dem Versicherten eine solche "Anerkenntnis" einer Schuld ausdrücklich untersagen. Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung liegt der Fall nun dem Bundesgerichtshof (BGH) vor (http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/0 ... echt/recht).
Dieses Urteil sollte von allen Ärzte und Pflegekräften zur Kenntnis genommen werden. Die Versicherungsbedingungen der Haftpflichtversicherer verpflichten nämlich klar und eindeutig auch bei Behandlungs- und Pflegefehlern, kein Schuldanerkenntnis auszusprechen. Tut man es doch, kann man, wie das OLG Saarbrücken formuliert hat, den Versicherungsschutz verlieren. Ich denke, dass der BGH diese Entscheidung bestätigen wird.

Stefanie_Bachstein
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Re: Fehler - Schuld nie einräumen!

Beitrag von Stefanie_Bachstein » 30.08.2004, 13:22

Mit dieser Thematik "über Behandlungsfehler ehrlich sprechen oder nicht", habe ich mich in den letzten Jahren eingehend auseinandergesetzt.

Meine kleine Tochter starb durch den tragischen Fehler einer Notärztin (unerkannte Fehlintubation in die Speiseröhre statt in die Luftröhre).
Der Fehler wurde auch noch nach einer strafrechtlich rechtskräftigen Verurteilung der Ärztin wegen fahrlässiger Tötung, geleugnet, genau so, wie Sie es beschreiben: "Fehler - Schuld nie einräumen!"

Nun habe ich folgendes gelesen, von Herrn Patrick Weidinger Rechtsanwalt und Leiter der Arzthafzpflichtversicherung DBV-Winterthur (es wird erwähnt, dort seien über 115.000 Mediziner versichert).
Er schreibt zu diesem Thema im Stiftungsbrief 3. Quartal 2004, 7. Jahrgang, der Stiftung Gesundheit folgendes:

"Durch eine bloße wahrheitsgemäße Schilderung des Sachverhalts gefährden Sie Ihren Versicherungsschutz übrigens nicht.
Sie dürfen lediglich nicht Ihre Einstandspflicht oder die Kausalität eines Fehlers bestätigen (Anerkenntnisverbot)." Zitat Ende


Wenn ich das richtig verstehe, darf ein Arzt nach einem Behandlungsfehler seinem Patienten eine wahrheitsgemäße Schildrung des Sachverhalts geben. Damit gefährdet er seinen Versicherungsschutz nicht. Er dürfe nur nicht sagen, dass er "schuld" sei und dass seine Versicherung für den Schaden aufkommen würde...

Was die verständliche "Zurückhaltung" der Ärztin damals für uns Eltern bedeutet hat, beschreibe ich in meinem Buch "Du hättest leben können", Stefanie Bachstein, Lübbe.

Meines Erachtens hat das "Leugnen oder Schönreden" eines tatsächlich geschehenen medizinischen Fehlers, auch traumatische Auswirkungen auf die Ärzte selber.

Laut Herrn Weidinger hätte die Notärztin uns sagen dürfen "der Beatmungsschlauch war fälschlicher Weise in der Speiseröhre, wir haben das nicht bemerkt". Das wäre die "bloße wahrheitsgemäße Schilderung des Sachverhalts" gewesen.
Damit hätte die Medizinerin nicht gesagt, das sie "schuld" sei am Tod unserer Tochter, und sie hätte auch noch nicht gesagt, dass ihre Versicherung haften würde.

Ich frage mich nur, welchem Arzt "so eine wahrheitsgemäße Schilderung" in einer solchen Situation gelingen soll, denn das Ganze scheint mir eine gefährliche Gradwanderung, aus der dem Arzt schnell der Strick gedreht werden kann. (siehe Urteil).

Ein Arzt, dem ein schwerwiegender Fehler passiert, ist meist genauso traumatisiert, wie der Betroffene oder deren Familie.
Er ist "fertig" und hat Angst, aber sogar das darf natürlich nicht gezeigt oder zugegeben werden, denn das könnte ja schon als "Schuldanerkenntnis" gewertet werden.

...irgendwo liegt da der Hase im Peffer...

Stefanie Bachstein
www.stefanie-bachstein.de

WernerSchell
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Fehler - Schuld nie einräumen!

Beitrag von WernerSchell » 30.08.2004, 19:39

Nun habe ich folgendes gelesen, von Herrn Patrick Weidinger  Rechtsanwalt und Leiter der Arzthafzpflichtversicherung  DBV-Winterthur (es wird erwähnt, dort seien über 115.000 Mediziner versichert).
Er schreibt  zu diesem Thema im Stiftungsbrief 3. Quartal 2004, 7. Jahrgang, der Stiftung Gesundheit folgendes:
"Durch eine bloße wahrheitsgemäße Schilderung des Sachverhalts gefährden Sie Ihren Versicherungsschutz übrigens nicht.
Sie dürfen lediglich nicht Ihre Einstandspflicht oder die Kausalität eines Fehlers bestätigen (Anerkenntnisverbot)." Zitat Ende .....
Sehr geehrte Frau Bachstein,

wir teilen die Auffassung von Herrn Weidinger, können aber nicht ausschließen, dass in konkreten Einzelfällen anders geurteilt wird (v.a. seitens anderer Versicherungen).

Mit freundlichen Grüßen
Team Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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