§ 217 StGB - BVerfG lehnt einstweilige Anordnung ab

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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§ 217 StGB - BVerfG lehnt einstweilige Anordnung ab

Beitrag von WernerSchell » 24.01.2016, 07:35

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Erfolgloser Antrag auf einstweilige Anordnung gegen die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21.12.2015 - Aktenzeichen: 2 BvR 2347/15

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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den seit 10. Dezember 2015 gültigen § 217 des Strafgesetzbuches (StGB) abgelehnt. Der Beschluss beruht auf einer Folgenabwägung: Die Beschwerdeführer werden durch die Ablehnung des Antrags zwar - jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - daran gehindert, die von ihnen grundsätzlich gewünschte Form einer begleiteten Selbsttötung in Anspruch zu nehmen. Im Fall des Erlasses der einstweiligen Anordnung wäre jedoch zu besorgen, dass sich Personen, die in weit geringerem Maße als die Beschwerdeführer zu einer selbstbestimmten und reflektierten Entscheidung über das eigene Sterben in der Lage sind, zu einem Suizid verleiten lassen könnten. Insgesamt wögen die Nachteile bei Außervollzugsetzung der Vorschrift daher schwerer als die nachteiligen Folgen, die den Beschwerdeführern durch deren Weitergeltung entstehen. Über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.

Sachverhalt:

Nach § 217 StGB macht sich strafbar, wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die vier Beschwerdeführer sind Mitglieder des Vereins Sterbehilfe Deutschland e.V., der ihnen auf ihren Wunsch hin und nach Maßgabe seiner ethischen Grundsätze die Zusage erteilt hat, sie im Falle eines eigenverantwortlichen Sterbewunsches bei einer Selbsttötung zu unterstützen. Im Hinblick auf den neuen § 217 StGB hat der Verein jedoch erklärt, keine Suizidbegleitungen mehr durchzuführen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zulässig, aber unbegründet.

1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Hierfür nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Folgenabwägung vor. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache haben außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Wenn die Außervollzugsetzung eines Gesetzes begehrt wird, ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein Gesetz in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreift.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Derzeit ist jedoch in Anbetracht des besonders strengen Prüfungsmaßstabs nicht feststellbar, dass die Beschwerdeführer bei Fortgeltung der angegriffenen Strafvorschrift bis zur Entscheidung in der Hauptsache so gravierende Nachteile erleiden würden, dass es zum jetzigen Zeitpunkt unabdingbar wäre, das angegriffene Gesetz außer Vollzug zu setzen.

a) Sofern § 217 StGB nicht außer Vollzug gesetzt wird, wären die Beschwerdeführer jedenfalls bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gehindert, die von ihnen grundsätzlich gewünschte Form einer begleiteten Selbsttötung in Anspruch zu nehmen. Sie setzen sich selbst zwar keinem Strafbarkeitsrisiko aus. Jedoch verhindert das strafbewehrte Verbot einer geschäftsmäßigen Sterbehilfe, dass der Verein Sterbehilfe Deutschland e.V. die den Beschwerdeführern zugesagte Unterstützung leistet. Dabei ist jedoch zum einen zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer ihren grundsätzlichen Wunsch nach einem begleiteten Suizid bereits in einem Zeitraum von Mai 2013 bis Januar 2014 geäußert haben, ohne dass sich seitdem ihr Wunsch aktualisiert hätte. Zum anderen könnte die beabsichtigte Form der begleiteten Selbsttötung im Falle eines Erfolgs der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache noch realisiert werden; der Eintritt irreversibler Folgen ist somit nicht zu befürchten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die von den Beschwerdeführern gewünschte Selbstbestimmung über ihr eigenes Sterben durch eine Fortgeltung des § 217 StGB nicht vollständig verhindert, sondern lediglich hinsichtlich des als Unterstützer in Betracht kommenden Personenkreises beschränkt wird. Selbst die Inanspruchnahme professioneller ärztlicher Unterstützung wäre für die Beschwerdeführer nicht gänzlich ausgeschlossen, sofern der betreffende Helfer nicht das Tatbestandsmerkmal der Geschäftsmäßigkeit erfüllt.

b) Für den Fall, dass die einstweilige Anordnung ergeht, die Verfassungsbeschwerde aber später erfolglos bliebe, sind nicht nur die Auswirkungen auf die Beschwerdeführer, sondern auf alle von dem Gesetz Betroffenen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber sieht die Gefahr, dass der „fatale Anschein einer Normalität“ und schlimmstenfalls sogar der sozialen Gebotenheit der Selbsttötung entstehen und dadurch auch Menschen zur Selbsttötung verleitet werden könnten, die dies ohne ein Angebot eines assistierten Suizids aus eigenem Antrieb nicht täten. Weder der Vortrag der Beschwerdeführer noch sonstige Anhaltspunkte lassen darauf schließen, dass die tatsächlichen Feststellungen, von denen der Gesetzgeber ausgegangen ist, offensichtlich fehlerhaft sein könnten und die von diesem prognostizierte weitere Entwicklung einer rationalen Grundlage entbehren könnte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei Erlass der einstweiligen Anordnung der durch § 217 StGB bezweckte Schutz menschlichen Lebens als eines grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsguts von höchstem Rang und der Schutz des autonomen Umgangs des Einzelnen mit diesem Rechtsgut vor einer jedenfalls abstrakten Gefährdung entfallen würde. Die Anzahl der Personen, bei denen sich diese abstrakte Gefährdung vom Zeitpunkt des Erlasses der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache realisieren könnte, ist dabei kaum einzuschätzen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 1/2016 vom 8. Januar 2016
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 2016/bvg16

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Ärzte Zeitung online, 08.01.2016
Bundesverfassungsgericht - Sterbehilfegesetz bleibt bestehen
Das Bundesverfassungsgericht hat eine einstweilige Anordnung gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe abgeschmettert.
... (weiter lesen unter) ... http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=902 ... ung&n=4714

Deutsches Ärzteblatt:
Bundes­verfassungsgericht: Neuer Sterbehilfeparagraf bleibt in Kraft
Das seit Dezember geltende Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung bleibt weiterhin in Kraft.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Paragraf 217 ...
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/6 ... t-in-Kraft
Bundestag stimmt für Verbot geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/6 ... idbeihilfe

Dazu Anmerkung der Moderation:
Die Entscheidung fällt im Hauptsacheverfahren. Es ging in der o.a. Angelegenheit nur um eine einstweilige Anordnung.
Man kann also nicht davon sprechen, dass im jetzigen Verfahrensstadium das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe als "abgeschmettert" anzusehen ist.
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Dieses Gesetz schützt nicht, es knebelt

Beitrag von WernerSchell » 14.04.2016, 06:42

Pressemitteilung | 13. April 2016 | Berlin
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Dieses Gesetz schützt nicht, es knebelt

Bündnis für Selbstbestimmung bis zum Lebensende erneuert Forderung nach der Aufhebung von Suizidhilfe-Verbot. HVD-Vizepräsident Erwin Kress bezeichnet § 217 StGB als „schreckliche Fessel“.

„Unverhältnismäßig, schlecht begründet, unnötig“ – Mit diesen Worten hat das Bündnis für Selbstbestimmung bis zum Lebensende Zwischenbilanz zum neuen Suizidhilfe-Verbot gezogen. In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung zum § 217 StGB heißt es, die Regelung beraube „ernsthaft zur Leidensverkürzung durch Freitod entschlossene Menschen nahezu jeder professionellen Hilfe. Damit werden Ängste vor dem Sterbeprozess nicht abgebaut, sondern im Gegenteil werden unkontrollierbare, verzweifelte, Dritte gefährdende Freitodversuche noch zunehmen.“ Weiter heißt es, das Gesetz sei unverhältnismäßig strikt sowie aufgrund der für alle Beteiligten geschaffenen Rechtsunsicherheit mit dem verfassungsmäßigen Bestimmtheitsgebot unvereinbar.

Der am 6. November 2015 von einer Bundestagsmehrheit erlassene § 217 StGB belegt die „geschäftsmäßige Förderung“ eines Suizids mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes war die Hilfe beim Suizid ebenso wie der Suizid selbst straffrei, auch wenn die Suizidbeihilfe, z.B. durch einen qualifizierten Arzt, mehr als einmal geleistet wurde. „Diesen sinnvollen Grundsatz hat der Gesetzgeber in rechtswidriger Weise missachtet“, heißt es dazu in der Erklärung des Bündnisses, das im März 2014 vom Humanistischen Verband Deutschlands mitgegründet worden war und in dem acht humanistische Organisationen vertreten sind.

Das Bündnis sieht nun die Befürchtung bestätigt, dass das Gesetz bei Patienten und Ärzten zu erheblichen Verunsicherungen führt. So sei bereits ein offenes Gespräch mit Suizidwilligen ist unter diesen Umständen kaum möglich, weder für Ärzte noch für andere Fachkräfte in Palliativ- und Hospizstationen. Abschließend heißt es, das Gesetz „trägt dem Bedürfnis und dem Recht der Bevölkerung unseres Landes auf ein selbstbestimmtes Sterben nicht Rechnung.“ Das strafrechtliche Verbot organisierter Suizidbeihilfe müsse daher aufgehoben werden.

„Das neue Suizidhilfe-Verbot ist eine schreckliche Fessel für alle Menschen, die aufgrund ihrer Leiden bewusst und entschieden nicht mehr länger leben wollen“, sagte Erwin Kress, Vizepräsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands und Sprecher für Autonomie am Lebensende dazu am Mittwoch. Eine ergebnisoffene Suizidkonfliktberatung durch psychologisch qualifizierte Fachkräfte, wie sie unheilbar Kranken bis zum Erlass des neuen Gesetzes angeboten werden konnte, sei durch das Verbot praktisch unmöglich geworden. „Auch in der Hospizarbeit sehen wir uns in der Beratung und Hilfe für verzweifelte Menschen eingeschränkt, wenn es beispielsweise um Fragen zum freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit geht“, sagte Erwin Kress weiter. Die Hoffnung richtet sich darum nun zunächst auf das Bundesverfassungsgericht und die Einwände, die unter anderem namhafte Anwälte und Strafrechtler – wie Eric Hilgendorf, Wolfgang Putz, Torsten Verrel – dort angekündigt hätten.

„Der Strafgesetzbuchparagraph 217 schützt nicht, sondern er knebelt. Das Suizidhilfe-Verbot ist mit unseren humanistischen Vorstellungen vom Recht auf individuelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Wir lehnen diese nicht zuletzt auch von den Kirchen oktroyierte Bevormundung, die ohne gute Gründe sowohl unsere Selbstbestimmung wie auch die Gewissensfreiheit beschneidet, entschieden ab“, so Kress.

Weiterführende Informationen
Erklärung des Bündnisses für Selbstbestimmung bis zum Lebensende: http://www.mein-ende-gehoert-mir.de/2299/
Leitsätze des Bündnisses: http://www.mein-ende-gehoert-mir.de/leitsaetze
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Sterbehilfe im Schatten des Strafrechts

Beitrag von WernerSchell » 18.10.2016, 13:11

Pressemitteilung Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 18.10.2016

Sterbehilfe im Schatten des Strafrechts

Ein neues Gesetz zur Sterbehilfe hat vor gut einem Jahr für Unruhe in der Hospiz- und Palliativmedizin gesorgt, weil etliche Konsequenzen dabei nicht bedacht wurden. Ein neues Forschungsprojekt an der Juristischen Fakultät soll jetzt nach Wegen zu mehr Rechtssicherheit suchen.

Der technische Fortschritt in der Medizin hat dazu geführt, dass der natürliche Alterungs- und Sterbeprozess in erheblichem Umfang beeinflussbar geworden ist. Nicht selten kann das Leben um viele Jahre verlängert werden, was von den Betroffenen in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle dankbar angenommen wird.

Es gibt jedoch auch Fälle, in welchen Menschen wegen schwerster Krankheiten, die mit unerträglichem Leiden verbunden sind, eine technisch mögliche Lebensverlängerung ablehnen. In solchen Fällen besitzt der Patient nach geltender Rechtslage das Recht, die Behandlung zu verweigern und begonnene Behandlungen abzubrechen – „Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch“ genannt. Führt dies nicht zum erwünschten Ziel, nämlich dem eigenen Sterben, wählen viele Betroffene das „Sterbefasten“ als Alternative und verweigern die Nahrungsaufnahme, bis der Tod eintritt.

Neue Strafbarkeitsrisiken

„Die geschilderten Möglichkeiten, sein Leben zu beenden, galten bisher als durch die Grundrechte des Patienten geschützt“, erklärt Professor Eric Hilgendorf, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität Würzburg und Experte auf dem Gebiet des Medizinstrafrechts. Für Unsicherheit sorgt allerdings seit Dezember 2015 ein neues Gesetz, das der Bundestag beschlossen hat. „Mit dem neuen Paragraphen 217 Strafgesetzbuch will der Gesetzgeber eigentlich die Aktivitäten von Sterbehilfevereinigungen wie ‚Dignitas‘ oder ‚Sterbehilfe Deutschland‘ auf deutschem Territorium unterbinden“, erklärt Hilgendorf.

Dabei ist er nach Ansicht des Juraprofessors allerdings möglicherweise über das Ziel hinaus geschossen. So stehe jetzt beispielsweise auch das Gewähren einer Möglichkeit zum Sterbefasten unter Strafe. Auch wer hochwirksame, potentiell tödliche Schmerzmitteln verschreibt oder abgibt – etwa im Rahmen einer ambulanten Palliativbetreuung – oder nur ein Sterbezimmer nach erwünschtem Behandlungsabbruch in einem Hospiz zur Verfügung stellt, könnte plötzlich zum Gesetzesbrecher werden. „Damit griffe Paragraph 217 Strafgesetzbuch weit in den durch die Menschenwürde und die Handlungsfreiheit der Patienten geschützten Bereich ein“, so Hilgendorf.

Weitere Strafbarkeitsrisiken ergeben sich im Bereich der Teilnahme, beispielsweise dann, wenn ein Angehöriger Vater oder Mutter zu Dignitas in die Schweiz begleitet und sich so möglicherweise der Beihilfe schuldig macht, jedenfalls dann, wenn er sich vorbehält, auch den anderen Elternteil in dieser Weise zu unterstützen und daher nach dem Wortlaut des Gesetzes „geschäftsmäßig“ handelt.

Das Projekt
„Es spricht vieles dafür, dass der Gesetzgeber diese Folgen nicht vorausgesehen hat“, sagt Hilgendorf. In einem neuen Forschungsprojekt will er nun nach Wegen suchen, die dazu beitragen können, die Hospiz- und Palliativmedizin aus dem Anwendungsbereich des neuen Gesetzes herauszunehmen und den dort tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie den Pflegekräften wieder mehr Rechtssicherheit zu verschaffen.
Das Projekt wurde durch eine private Spende in Höhe von 100.000 Euro ermöglicht. Der Spender, der anonym bleiben möchte, engagiert sich bereits seit vielen Jahren in der Palliativ- und Hospizmedizin Nordbayerns.

Kontakt
Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht, Informationsrecht und Rechtsinformatik, T: (0931) 31-82304, hilgendorf@jura.uni-wuerzburg.de
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Recht auf Freiheit - bei der selbstverantworteten Selbsttötu

Beitrag von WernerSchell » 01.11.2016, 18:55

Recht auf Freiheit - auch bei der selbstverantworteten Selbsttötung

"… Der Mensch ist … weder dem Staat noch der Bundesärztekammer (BÄK) zum Leben verpflichtet. Ob er sich einem übermenschlichen Prinzip oder gar einer moralischen Macht verpflichtet fühlt, die ihm - angeblich - verbietet, über sein Leben selbst zu bestimmen, ist, schlicht und ergreifend, Privatsache. Das mag jeder halten, wie er will, und wir können einander nichts Besseres tun, als uns in dieser Freiheit gegenseitig zu respektieren.
Ärzte sind in ihrem Auftrag nicht ihrer Landes- oder der Bundesärztekammer verpflichtet, sondern ihren Patienten. Die drohende Regelung in den Grundsätzen der BÄK zur Sterbehilfe ´Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe`, die ebenso der Deutsche Ethikrat vertritt, ist ein hilfloser Versuch, Grenzen zu ziehen, wo der Natur der Sache nach keine sein können. Sie ist im Übrigen eine unerträgliche Bevormundung verantwortungsvoller Gewissensentscheidung der einzelnen Ärzte und eine zynische Absage an die Hilfsbedürftigkeit unzähliger Menschen. …"

Quelle: Thomas Fischer, Bundesrichter, in seinem Buch "Im Recht - Einlassungen von Deutschlands bekanntestem Strafrichter", Droemer, März 2016

+++
Beiträge zum Thema "Sterbehilfe" im Forum von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
u.a. unter folgenden Adressen
:
viewtopic.php?f=2&t=21427
viewtopic.php?f=2&t=21426
viewtopic.php?f=2&t=20596
viewtopic.php?f=2&t=21457
viewtopic.php?f=2&t=21449
viewtopic.php?f=2&t=20617
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Bundes­verfassungsgericht verhandelt über Sterbehilfe

Beitrag von WernerSchell » 20.11.2016, 08:14

Deutsches Ärzteblatt berichtete:
Bundes­verfassungsgericht verhandelt über Sterbehilfe
Karlsruhe – Professionelle Hilfe beim Sterben – was die einen für ethisch geboten halten, lehnen andere ab. Jetzt liegt das vor einem Jahr verabschiedete Gesetz in Karlsruhe. Beim Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile zahlreiche Verfassungs­beschwerden eingegangen.
Am Sonntag ist es genau ein Jahr her, dass der Bundestag mit breiter Mehrheit ein Ge­setz verabschiedete, das die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Der Entscheidung vom 6. November zum Verbot der organisierten Beihilfe zum Sui­zid war eine zweijährige breite gesellschaftliche Debatte vorausgegangen.
...
Erwartungsgemäß war das Gesetz nicht der Schlusspunkt. Sieben Verfassungsbe­schwerden liegen mittlerweile den Karslruher Richtern vor – und zwar aus sehr unter­schiedlichen Blick­win­keln: Geltend machen wollen ihre Einwände nicht nur zwei Sterbe­hilfevereine, sondern auch Palliativmediziner und tödlich Erkrankte.
... (weiter lesen unter) ... https://www.aerzteblatt.de/dossiers/umg ... ?nid=71223
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Streit um Sterbehilfegesetz: Desaster oder Segen?

Beitrag von WernerSchell » 28.11.2016, 08:02

Ärzte Zeitung vom 28.11.2016:
Streit um Sterbehilfegesetz: Desaster oder Segen?
Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe durch den Bundestag ist kein Beitrag zum Rechtsfrieden - im Gegenteil.
Bei einer Diskussion in Kiel wurde nun deutlich: Vor allem Ärzte sind oft unsicher.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=924 ... ung&n=5403
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Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe

Beitrag von WernerSchell » 20.12.2016, 08:01

Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe: Unsicherheit bleibt
Seit einem Jahr ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in Deutschland verboten.
Doch für Ärzte bleibt das Thema "Hilfe zur Selbsttötung" heikel. Das Gefühl, sich auf juristisch
unsicherem Terrain zu bewegen, ist weit verbreitet.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=926 ... ung&n=5451
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§ 217 ist keine Gefahr für die Palliativversorgung

Beitrag von WernerSchell » 20.02.2017, 09:50

Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin betont: § 217 ist keine Gefahr für die Palliativversorgung!

PRESSEMITTEILUNG vom 17.02.2017:

Vor gut einem Jahr wurde mit dem § 217 ein gesetzliches Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung eingeführt, das insbesondere bei Ärztinnen und Ärzten Verunsicherung ausgelöst hat, inwieweit sie sich in der Begleitung und Behandlung von schwerkranken Patienten, die nicht länger leben wollen, strafbar machen könnten. Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) stellt in einer aktuellen Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt klar, dass die neue strafrechtliche Regelung die Palliativversorgung von schwerstkranken Menschen auch dann nicht beeinträchtigt, wenn diese einen Sterbewunsch äußern. Ärzte müssen daher weiterhin sorgfältig zuhören, wenn Patienten von Todeswünschen berichten, und deren persönliche Haltungen und Einstellungen respektieren. Entsprechende Äußerungen von Patienten dürften auch nicht dazu führen, dass notwendige symptomlindernde Maßnahmen wie z.B. die Gabe von hochdosierten Opioiden zur Schmerzbehandlung unterlassen werden.

„Grundsätzlich bestehen zwischen einer auf die Herbeiführung des Todes zielenden Suizidbeihilfe und einer Palliativversorgung von schwer kranken Menschen deutliche Unterschiede, die klar erkennbar und benennbar sind.“ heißt es einleitend in der Stellungnahme der DGP. Dort zeigt die wissenschaftliche Fachgesellschaft aus palliativmedizinischer, ethischer und juristischer Sicht auf, welches Vorgehen unter dem neuen Recht unproblematisch und was möglicherweise bedenklich ist.

Dr. Oliver Tolmein, Rechtsanwalt, Sprecher der Sektion Rechtsberufe und Vorstandsmitglied der DGP, betont gemeinsam mit seinen Mitautoren: „Beendigungen von Behandlungsmaßnahmen wie maschinelle Beatmung oder Ernährung über PEG-Sonde auf Wunsch der Patienten sind zwar auch eine Form der ‚Sterbehilfe‘, in erster Linie stellen sie aber einen Abbruch einer vom Patienten-Willen nicht mehr getragenen ärztlichen Behandlung dar.“ Und: „Das sogenannte Sterbefasten (freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit) von Patienten medizinisch zu begleiten - und gegebenenfalls die erforderliche Basisversorgung zur Linderung von Durst- und Hungergefühlen zu leisten - ist ebenfalls keine strafbare Handlung. Die behandelnden Ärzte unterlassen hier eine vom Patienten oder der Patientin ausdrücklich abgelehnte medizinische Behandlung (Ernährung über Sonde oder durch Infusionslösungen). Es wird hier keine Beihilfe zum Suizid geleistet, sondern es werden insbesondere belastende Symptome gelindert.“

Unproblematisch sei es, wenn die Ärztin oder der Arzt dem Patienten auf Betäubungsmittelrezept einen Vorrat für 30 Tage bei einer nicht ganz niedrigen Opioiddosis verschreibe - und zwar sowohl als Dauer- wie als Bedarfsmedikation - so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Prof. Dr. Lukas Radbruch, Anästhesiologe und Palliativmediziner. Auch wenn sich ein Patient voraussichtlich das Leben nehmen könnte, wenn er alle Tabletten auf einmal nehmen würde, könne die Ärztin oder der Arzt dem Patienten nicht die erforderliche Schmerztherapie verweigern, weil jener in der Vergangenheit vielleicht einmal einen Todeswunsch geäußert habe.

Problematisch kann es in Zukunft für die sehr wenigen Ärzte werden, die gezielt öfter an einem ärztlich assistierten Suizid mitwirken. Sollten sie geschäftsmäßig, also auf Wiederholung angelegt, handeln, schützt der Arztberuf sie nicht vor Strafverfolgung nach § 217 StGB. Was unter „geschäftsmäßiges Verhalten“ fallen könnte, erläutert die DGP ebenfalls in ihrer Stellungnahme.

Fazit der heute im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Stellungnahme: „In der Palliativversorgung sollte die Bitte um Beihilfe zum Suizid auf jeden Fall ernst genommen und respektiert werden. Mit dem Patienten sollten über seine Wünsche und Ängste gesprochen werden und alternative Optionen zur Leidensminderung aufgezeigt werden. Dazu gehört eine umfassende Aufklärung über Möglichkeiten der medikamentösen und nichtmedikamentösen Schmerz- und Symptomkontrolle, unter Umständen auch über die Option der palliativen Sedierung, Therapieverzicht und Therapiebegrenzung sowie den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit. Die neue gesetzliche Regelung berücksichtigt, dass in wenigen Einzelfällen von dem Behandler keine andere Möglichkeit gesehen wird als die Unterstützung beim Suizid, und lässt diese im Einzelfall und aus altruistischen Motiven heraus gewährte Hilfe straffrei.“

Tolmein O, Simon A, Ostgathe C, Alt-Epping B, Melching H, Radbruch L et al: Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Balanceakt in der Palliativmedizin. Deutsches Ärzteblatt 2017; 114: A 302-307.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/18637 ... tivmedizin

Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB): Hinweise und Erläuterungen für die ärztliche Praxis. Bekanntmachung der Bundesärztekammer. Deutsches Ärzteblatt 2017; 114: A 334 – 336.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/18636 ... che-Praxis

Nauck F, Ostgathe C, Radbruch L: Ärztlich assistierter Suizid: Hilfe beim Sterben – keine Hilfe zum Sterben. Deutsches Ärzteblatt 2014; 111: A 67-71.
https://www.aerzteblatt.de/archiv/152921

Jansky M, Jaspers B, Radbruch L, Nauck F: Einstellungen zu und Erfahrungen mit ärztlich assistiertem Suizid. Eine Umfrage unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Bundesgesundheitsbl 2017, 60: 89- 98.
https://www.springermedizin.de/einstell ... z/11096338
Karin Dlubis-Mertens
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DGP
Tel.: 030 / 30 10 100 13
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Recht auf Sterbehilfe

Beitrag von WernerSchell » 03.03.2017, 13:20

Siehe zum Thema auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:
Zugang zu einem Betäubungsmittel, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, darf in extremen Ausnahmesituationen nicht verwehrt werden.
Näheres unter: > viewtopic.php?f=2&t=22022
Dort gibt es folgendes Statement der Moderation:
Die Auffassung von Dr. Thöns, Putz u.a. wird geteilt. Die Regelungen in § 217 StGB sind im Ergebnis mehr als unbefriedigend. Von hier war dafür plädiert worden, das Hintze-Modell zum Gesetz zu erheben. Dies hätte in Ausnahmesituationen die gewünschte und gebotene Hilfe gewährleistet. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die jetzt gegebene Rechtslage mit Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Patienten für verfassungswidrig erklärt und damit eine gesetzliche Neugestaltung ermöglicht. - Werner Schell
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"Richtig schlechte Medizin": Ärzte klagen gegen Sterbehilfeg

Beitrag von WernerSchell » 13.03.2017, 07:37

Ärzte Zeitung vom 13.03.2017:
"Richtig schlechte Medizin": Ärzte klagen gegen Sterbehilfegesetz
Machen Ärzte sich strafbar, wenn sie Patienten eine Wochenendration Morphium verschreiben? Palliativmediziner sehen ihre Arbeit gefährdet
und legen Verfassungsbeschwerde ein. mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=931 ... ung&n=5619
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„Sterbehilfegesetz“ verunsichert Ärzte und Pflegepersonal

Beitrag von WernerSchell » 08.04.2017, 06:38

Aus Forum:
viewtopic.php?f=2&t=20596&p=97409#p97409

„Sterbehilfegesetz“ verunsichert Ärzte und Pflegepersonal
fzm, Stuttgart, April 2017 – Das im November 2015 verabschiedete Gesetz, das die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid unter Strafe stellt, wird von Ärzten und Pflegepersonal in der Palliativmedizin als zwiespältig empfunden. In einer jetzt in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2017) veröffentlichten Umfrage kritisieren beide Berufsgruppen die unpräzise Formulierung des Gesetzes und die daraus resultierende unzureichende Rechtssicherheit. Rund 40 Prozent der befragten Ärzte und etwa 43 Prozent der Pflegekräfte halten das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht für sinnvoll.
Pressemitteilung angefügt.
Quelle: Mitteilung vom 07.04.2017
Thieme Kommunikation in der Thieme Verlagsgruppe
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Unpräzise Formulierung des Gesetzes und daraus resultierende unzureichende Rechtssicherheit!
So urteilen Ärzte und Pflegekräfte über den Paragraf 217 StGB, der die geschäftsmäßige Hilfe zum
Suizid unter Strafe stellt. © virtua73 – Fotolia.com


„Sterbehilfegesetz“ verunsichert Ärzte und Pflegepersonal

fzm, Stuttgart, April 2017 – Das im November 2015 verabschiedete Gesetz, das die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid unter Strafe stellt, wird von Ärzten und Pflegepersonal in der Palliativmedizin als zwiespältig empfunden. In einer jetzt in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2017) veröffentlichten Umfrage kritisieren beide Berufsgruppen die unpräzise Formulierung des Gesetzes und die daraus resultierende unzureichende Rechtssicherheit. Rund 40 Prozent der befragten Ärzte und etwa 43 Prozent der Pflegekräfte halten das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht für sinnvoll.

Paragraph 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) droht Personen, die „in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewähren, verschaffen oder vermitteln“ eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe an. Schon bevor der Bundestag das Gesetz verabschiedete, äußerten Juristen und Mediziner Bedenken. Rechtsexperten kritisierten es als „moralistisch und paternalistisch“, Ärzte befürchteten, dass sie sich bereits durch einen einmaligen Hinweis auf eine Suizidbeihilfe im Ausland strafbar machen würden.

Die Medizinstudentin Julia Zenz von der Ruhr-Universität Bochum, die ehemalige Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Ruth Rissing-van Saan und der Schmerztherapeut Professor Michael Zenz, Emeritus der Ruhr-Universität Bochum haben die Einstellung betroffener Ärzte und Pflegekräfte hierzu untersucht. Dazu befragten sie im März 2016 auf einer Fachtagung für Palliativmedizin beide Berufsgruppen nach ihrer Einschätzung. Den verteilten Fragebogen beantworteten insgesamt 138 Mediziner sowie 318 Pflegekräfte. Die meisten stießen sich an der unklaren Formulierung des Gesetzes. So gaben rund 54 Prozent an, dass aus dem Gesetz nicht genau hervorgehe, welche Form der Suizidbeihilfe erlaubt sei und welche nicht. Etwa 42 Prozent erklärten, dass das Gesetz die Selbstbestimmung der Patienten einschränke. Nur 32,5 Prozent waren der Meinung, das Gesetz stärke ihre Rechtssicherheit.

Gleichzeitig sahen rund 68 Prozent der Ärzte ihre Gewissensfreiheit durch das Gesetz nicht eingeschränkt. Auch hinsichtlich ihrer Therapiefreiheit fühlte sich die Mehrheit mit 77,5 Prozent nicht beschnitten. Dennoch hielten insgesamt nahezu 43 Prozent der Ärzte und fast 41 Prozent des Pflegepersonals das Gesetz nicht für sinnvoll.

Für die Autoren geben die Ergebnisse Anlass zum Nachdenken: Positiv sei zwar, dass der Begriff der „Sterbehilfe“ im Gesetz nicht verwendet werde. Dieser ist nach Ansicht der Experten missverständlich, da sowohl die zulässige Schmerztherapie mit starken Schmerzmitteln als auch eine strafrechtlich verbotene Tötung auf Verlangen darunter verstanden werden kann. Dennoch gäbe es viele Unklarheiten in den Begrifflichkeiten. Die Tatsache, dass über 50 Prozent der Befragten angeben, nicht zu wissen, welche Handlungen zukünftig erlaubt seien, zeige, dass das Gesetz Ärzten und Pflegekräften keinen sicheren Rahmen und den betroffenen Patienten nicht den vom Gesetzgeber gewünschten Schutz biete.

Darüber hinaus kritisieren die Autoren die Formulierung des Gesetzes in Absatz 2, der Angehörigen des Sterbewilligen sowie ihm nahestehende Personen von einer Strafverfolgung ausnimmt. Inwieweit Ärzte und Pflegende dem Patienten nahestehen, formuliert das Gesetz nicht. Sie werden mit keinem Wort erwähnt. Hier wäre mehr Klarheit wünschenswert. Für die Experten ist es deshalb nicht verwunderlich, dass Ärzte und Pflegekräfte in der Palliativmedizin verunsichert sind. Diese Unsicherheit behindere eine gute Behandlung schwer kranker Menschen und eine offene Kommunikation über ihre Ängste und einen damit verbundenen möglichen Sterbewunsch.

J. Zenz, R. Rissing-van Saan, M. Zenz:
Ärztlich assistierter Suizid – Umfrage zu § 217 StGB
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2017; 142 (5); e28–e33


Quelle: https://www.thieme.de/de/presse/sterbeh ... 113389.htm
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WernerSchell
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Suizidbeihilfe: Neues Gesetz lässt viele Ärzte ratlos zurück

Beitrag von WernerSchell » 26.04.2017, 06:04

Ärzte Zeitung vom 26.04.2017:
Suizidbeihilfe: Neues Gesetz lässt viele Ärzte ratlos zurück
Nach kontroverser Debatte hat der Bundestag Ende 2015 die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verboten. Für Ärzte bleiben viele Grauzonen.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=934 ... ung&n=5714
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Hohe Dunkelziffer in Bezug auf illegale Sterbehilfe ?

Beitrag von WernerSchell » 02.07.2017, 06:31

Aus Forum:
viewtopic.php?f=2&t=22196

Umfrage lässt hohe Dunkelziffer in Bezug auf illegale Sterbehilfe vermuten

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fzm, Stuttgart, Juni 2017 – Obwohl die Tötung auf Verlangen und Tötung ohne ausdrücklichen Wunsch in Deutschland strafbar ist, haben Ärzte, aber auch Kranken- und Altenpfleger Erfahrungen mit "aktiver Sterbehilfe". Das legt eine bundesweite Umfrage der Universität Witten/Herdecke nahe, deren Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2017) veröffentlicht wurden. Sie lässt vermuten, dass auch Tötungen ohne explizite Willensäußerung der Patienten erfolgten.

Immer wieder kommt es vor, dass Patienten Ärzte und Pflegepersonal um Unterstützung beim Sterben bitten. Die Frage „Ist schon einmal an Sie der Wunsch herangetragen worden, aktive Sterbehilfe zu leisten?“ bejahten 1.575 von 4.629. Das entspricht 34 Prozent der Ärzte, Kranken- und Altenpfleger, die von Professor Karl H. Beine und Mitarbeitern von der Universität Witten/Herdecke deutschlandweit angeschrieben wurden. 77 Personen (1,7 Prozent) machten in dem anonymen Fragebogen ein Häkchen bei der Frage „Haben Sie selbst schon einmal aktiv das Leiden von Patienten beendet?“ Darunter waren neben zwölf Ärzten (3,4 Prozent) auch 44 Kranken- (1,4 Prozent) und 21 Altenpfleger (1,8 Prozent) beiderlei Geschlechts. Allerdings kann der eine oder andere darunter auch legale indirekte Sterbehilfe oder auch gewollte Behandlungsabbrüche verstanden haben.

Dass lebensbeendende Handlungen in Deutschland kein Einzelfall ist, zeigten auch die Antworten auf die Frage „Haben Sie in den vergangenen zwölf Monaten schon einmal von einem oder mehreren Fällen gehört, bei denen an Ihrem Arbeitsplatz das Leiden von Patienten aktiv beendet wurde?“ Insgesamt beantworteten 172 Befragten (3,7 Prozent) die Frage mit ja. Darunter waren es mit vier Prozent häufiger Krankenpfleger als Ärzte (2,3 Prozent) oder Altenpfleger (1,8 Prozent). Allerdings könnten hier auch Patientenverfügungen oder palliative Maßnahmen, die zum Tod des Patienten führen, im Einzelfall eine Rolle gespielt haben. Die weitere Analyse ergab, dass Ärzte häufiger als Pflegende aktive Sterbehilfe leisten, und dass die Fälle auf Intensivstationen doppelt so häufig waren wie auf anderen Stationen. Auch waren Männer doppelt so häufig dafür verantwortlich wie Frauen.

Professor Beine und Kollegen sprechen von einem Dunkelfeld rechtswidriger „intentional lebensbeendender Handlungen“. Darunter waren vermutlich auch Tötungen ohne Zustimmung der Betroffenen. Denn mehr als ein Drittel der Personen, die angaben, „selbst schon einmal das Leiden von Patienten aktiv beendet" zu haben, hatten in einer anderen Frage geantwortet, dass sie nie um aktive Sterbehilfe gebeten worden waren. Diese Personen haben damit gegen Gesetze verstoßen, die in Deutschland aktive Sterbehilfe, Tötung auf Verlangen und andere Tötungsdelikte unter Strafe stellen. Lediglich die Bereitstellung eines Mittels zur Selbsttötung auf ausdrücklichen Wunsch bleibt unter bestimmten Umständen straffrei.

Die Ergebnisse überraschen die Wissenschaftler nicht. Auch in Ländern mit ähnlicher Gesetzeslage – wie etwa Dänemark, Schweden und England – sei in Studien der Anteil von Tötung ohne ausdrückliche Willensäußerung der Patienten durchgängig höher als Tötung auf Verlangen. Einschränkend merken die Autoren jedoch an, dass die Studienteilnehmer nicht explizit gefragt wurden, ob sie schon einmal ohne Zustimmung der Patienten Leben beendet haben.

Bisherige Untersuchungen zur Sterbehilfe in Deutschland hatten sich auf Ärzte beschränkt. Die Studie zeigt erstmals, dass auch das Pflegepersonal aktive Sterbehilfe leistet. Laut Professor Beine ergänzt die Untersuchung öffentlich bekannt gewordene Einzelfälle, in denen Pfleger und Schwestern wegen der Tötung von Patienten vor Gericht gestellt und verurteilt wurden.

K. H. Beine, T. Schubert:
Das Dunkelfeld intentional lebensbeendender Handlungen durch Ärzte und Pflegekräfte
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2017; online erschienen am 31.5.2017
DOI: 10.1055/s-0043-109889


Quelle: Pressemitteilung vom 30.06.2017
https://www.thieme.de/de/presse/hohe-du ... 115878.htm
Thieme Kommunikation
in der Thieme Verlagsgruppe
http://www.thieme.de/presse | http://www.facebook.com/georgthiemeverlag | http://www.twitter.com/ThiemeMed

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Siehe auch unter:
Karl H. Beine, Jeanne Turczynski
Tatort Krankenhaus
Wie ein kaputtes System Misshandlungen und Morde an Kranken fördert
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Droemer, April 2017
… (weitere Informationen) … viewtopic.php?f=2&t=22051
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Sterben in Deutschland

Beitrag von WernerSchell » 27.11.2017, 17:11

Sterben in Deutschland
Pflegeheimbewohner sterben oft nicht nur einsam, sondern werden palliativmedizinisch schlecht versorgt.
Odysso zeigt, wie es besser ginge und warum Suizid männlich ist.

Oddyso- Film (44 Min.) anschaubar unter > https://www.swr.de/odysso/sterben-in-de ... index.html
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Palliativversorgung - Oft langt schon die Option auf Sterbehilfe

Beitrag von WernerSchell » 02.10.2018, 07:14

Ärzte Zeitung vom 02.10.2018;
Palliativversorgung
Oft langt schon die Option auf Sterbehilfe

Eine gute palliative Versorgung gibt Sterbenden Sicherheit – und senkt die Wahrscheinlichkeit, dass todkranke Patienten Sterbehilfe in Anspruch nehmen. mehr » https://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=97 ... efpuryykqr
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