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Tötung auf Verlangen - Verurteilung durch BGH aufgehoben

Verfasst: 07.10.2010, 17:54
von WernerSchell
Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen aufgehoben

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Verden aufgehoben, durch das ein Angeklagter, der seine Ehefrau erschossen hatte, wegen Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Gegen das Urteil hat die Tochter des Tatopfers als Nebenklägerin Revision eingelegt; sie erstrebt einen Schuldspruch wegen Mordes.

Nach den Feststellungen tötete der Angeklagte, ein damals 74-jähriger Geschäftsmann, am Morgen des 3. Juni 2009 seine 53-jährige Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung durch einen Revolverschuss in den Kopf. Unmittelbar danach schoss er sich mit einer Pistole in die Brust, überlebte aber schwer verletzt. Das Landgericht ist der Darstellung des Angeklagten gefolgt, seine Ehefrau habe ihm kurz vor der Tat eröffnet, sie leide an einem bösartigen Unterleibstumor und könne die Schmerzen nicht mehr ertragen. Sie habe ihn deshalb gebeten, sie zu erschießen. Bei der Obduktion des Tatopfers fand sich lediglich ein gutartiges Myom, wenngleich von beträchtlicher Größe.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil schon deswegen aufgehoben, weil das Landgericht die Glaubhaftigkeit der erstmals am vierten Tag der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärung des Angeklagten zum Tötungsverlangen seiner Ehefrau nur unzureichend geprüft hat und daher vorschnell davon ausgegangen ist, diese sei nicht zu widerlegen. Der Angeklagte hatte sich bereits im Ermittlungsverfahren zu der Tat eingelassen, insbesondere anlässlich der psychiatrischen Untersuchung zur Frage seiner Schuldfähigkeit. Was er dort zum Tatgeschehen, namentlich zum Tatanlass angegeben hat, teilt das landgerichtliche Urteil indes nicht mit, sondern führt lediglich aus, das frühere Einlassungsverhalten des Angeklagten sei nicht geeignet, die Richtigkeit seiner Einlassung in der Hauptverhandlung zu widerlegen. Damit fehlt es aber an der entscheidenden Grundlage für die revisionsrechtliche Prüfung, ob das Landgericht alle maßgeblichen Umstände hinreichend in seine Überzeugungsbildung einbezogen hat, bevor es den Grundsatz "in dubio pro reo" angewendet und seinem Urteil die Erklärung des Angeklagten zugrunde gelegt hat.

Hinzu kommt, dass das Landgericht das unmittelbare Tatvorgeschehen nur unzureichend dargestellt, insbesondere den Inhalt einer längeren Diskussion nicht mitteilt hat, die nach den Urteilsfeststellungen nach dem Tötungsverlangen des Opfers zwischen diesem und dem Angeklagten entstanden war. Der Bundesgerichtshof hat sich deswegen nicht in der Lage gesehen zu prüfen, ob das vom Angeklagten behauptete Tötungsverlangen überhaupt ernstlich im Sinne der Vorschrift des § 216 Abs. 1 StGB war. An der erforderlichen Ernstlichkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn das Tötungsverlangen erkennbar nur einer Augenblicksstimmung entspringt und ihm daher keine tiefere Reflexion des Tatopfers über seinen Todeswunsch zugrunde liegt. Hier lagen Umstände vor, die gegen ein ernstliches Tötungsverlangen sprachen. So ist der Ehefrau des Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls geraume Zeit vor der Tat ihre Erkrankung bewusst geworden, was sie aber nicht gehindert hatte, Unternehmungen für den bevorstehenden Sommer zu planen sowie Vorbereitungen für die am Tattag beginnende Renovierung des gemeinsamen Hauses zu treffen. In der Nacht zuvor war sie bis etwa 01.00 Uhr zudem ihren gewohnten Freizeitbeschäftigungen am Computer nachgegangen. Vor diesem Hintergrund kann die Ernstlichkeit ihres Todeswunsches nicht ohne Kenntnis des näheren Inhalts ihres Gesprächs mit dem Angeklagten vor der Tat festgestellt werden.

Die Sache muss daher nochmals verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren hierzu an das Landgerichts Stade zurückverwiesen.

Urteil vom 7. Oktober 2010 – 3 StR 168/10
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf
Landgericht Verden - 241 Js 19402/09 1 Ks 16/09 – Entscheidung vom 13. November 2009

Quelle: Pressemitteilung vom 7. Oktober 2010
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501


§ 216 des Strafgesetzbuchs – Tötung auf Verlangen – lautet:
(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Anmerkung der Moderation:
Die Entscheidung des BGH erscheint korrekt. Sie gibt m.E. nichts her, um daraus in die eine andere Richtung neuen Diskussionsstoff herauszufiltern.
Werner Schell

Tötung auf Verlangen genauestens prüfen

Verfasst: 07.10.2010, 18:06
von Presse
Bundesgerichtshof: Tötung auf Verlangen genauestens prüfen
Der Bundesgerichtshof fordert vor der Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen eine eingehende Prüfung. In einer Entscheidung des Karlsruher Gerichts vom Donnerstag heißt es, es müsse ausgeschlossen sein, dass der Wunsch nur in einer verzweifelten Augenblicksstimmung geäußert worden sei. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=623 ... echt&n=628

Erklärung der Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch - u.a.:
Es ist richtig, den Fall an die Vorinstanz zurück zu verweisen, da diese nach Ansicht des Bundesgerichtshofes "das ausdrückliche und ernstliche Verlangen" der Getöteten gemäß § 216 Strafgesetzbuch nicht ausreichend ermittelt hat. An diesem praktischen Beispiel wird deutlich, wie wichtig immer eine differenzierte Betrachtung von Tötungsdelikten ist. Es spielt entscheidend eine Rolle, aus welchem Motiv der Täter gehandelt hat. Dabei ist die Abstufung von "Tötung auf Verlangen" über "Totschlag" bis hin zum "Mord" der entscheidende Faktor. Nur in dieser Differenziertheit kann anhand eines konkreten Falles auch tatsächlich eine Entscheidung gefällt werden, die der besonderen Situation gerecht wird. Einzelfallethik kann nicht die Rolle des Gesetzgebers sein, sondern bleibt allein den Gerichten überlassen. Deshalb muss all denjenigen widersprochen werden, die glauben, durch das Streichen des Straftatbestandes der Tötung auf Verlangen Einzelfallethik herzustellen. Die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist aufgefordert, den Akteuren der Sandkasten-Diskussion der Partei, die eine Änderung von Tötung auf Verlangen propagieren wollen, Einhalt zu gebieten.

Recht oder Ethik? - das ist hier die Frage!

Verfasst: 08.10.2010, 06:28
von Lutz Barth
"Einzelfallethik kann nicht die Rolle des Gesetzgebers sein, sondern bleibt allein den Gerichten überlassen", so offensichtlich Eugen Brysch.

Mit Verlaub - Herrn Brysch bleibt es unbenommen, sich im Diskurs zu Worte zu melden; bedauerlich ist, dass manche Statements von ihm mehr zu Irritationen, denn zur Aufklärung führen.

"Einzefallethik" ist weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten zu praktizieren!

Lutz Barth

Wenn Paare sich beim Sterben helfen – welche Strafen?

Verfasst: 11.10.2010, 06:38
von Service
Wenn Paare sich beim Sterben helfen – welche Strafen?

1) BGH: Tötung auf Verlangen muss wirklich ein „ausdrücklicher und ernstlicher“ Todeswunsch zugrunde liegen
Karlsruhe - 8.10. Das Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Fall an das Landgericht zurückverwiesen, in dem ein 75jähriger Mann aus Niedersachsen nur wegen Tötung auf Verlangen zu 2 ½ Jahren Gefängnis verurteilt worden war - und nicht wegen Mord. Der Mann hatte angegeben, seine Frau auf ihren Wunsch hin erschossen zu haben. Die Vorinstanz, so der BGH am Donnerstag, habe jedoch nicht ausreichend geprüft, ob der Wunsch der Frau zu sterben tatsächlich vorab erklärt und dokumentiert worden sei. Der Ehemann wollte sich auch selbst töten – doch es misslang. Das Verfahren wird nun neu aufgerollt.

Richter müssen vermeintliche Sterbehilfefälle besonders genau unter die Lupe nehmen. Direkte und gezielte Sterbehilfe ist in Deutschland verboten und kann als „Tötung auf Verlangen“ zwar milder als Totschlag oder Mord bestraft werden. Entstammt der Todeswunsch jedoch nur einer „Augenblicksstimmung“ ohne „tiefere Reflexion des Tatopfers“, kann der Grund für die mildere Strafe entfallen, so der BGH.

Basierend auf: http://www.tagesspiegel.de/politik/bund ... 51702.html

2) 80-Jährige half bei Freitod von Ehemann nach: Bewährungsstrafe
FÜRTH - 4.10. „Aus Liebe“ wollte sie ihrem Ehemann helfen, in den Tod zu gehen — nun wurde eine 80-Jährige zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldauflage von 4000 Euro verurteilt.

„... er hat nicht leiden sollen und ich habe ihn so lieb gehabt“, notierte Hanna F. am 29. September 2009. Sie deckte ihren Mann zu, legte den Abschiedsbrief und einige Orchideen auf seinen Leichnam. Dann wollte sie ihrem Wilhelm nach 59 Ehejahren in den Tod folgen. …Die beiden alten Menschen hatten Angst vor einem unwürdigen Tod, vor Schmerzen und vor dem Pflegeheim, schildert Anwalt Kefer. Deshalb beschlossen sie gemeinsam, ihr Leben zu beenden, bevor das eintreten konnte, wovor sie sich so fürchteten: durch Tod oder Altersheim auseinandergerissen zu werden.

Mit Fön in der Badewanne
Sie selbst wollte sich in der Badewanne mit Hilfe eines Föns das Leben nehmen. Doch sie stürzte unglücklich, fiel in die Wanne und verletzte sich an der Wirbelsäule. Tage später, erst am 3. Oktober 2009, wurde sie unterkühlt und stark geschwächt in ihrer Wohnung gefunden – da sich die Post stapelte, waren Nachbarn misstrauisch geworden und hatten den Sohn des Ehepaares alarmiert.

Als die verzweifelte Frau gefunden wurde, musste sie einige Wochen ins Krankenhaus. Das Erbe ihres Mannes schlug die Witwe aus, die Wohnung hat sie verlassen … Staatsanwalt Michael Schrotberger nahm zugunsten der Angeklagten nur eine versuchte Tötung an: Es ist nicht feststellbar, ob Wilhelm F. bereits nach der Einnahme der Medikamente verstarb; das Schöffengericht folgte der Argumentation des Anklägers.

Quelle: http://www.nordbayern.de/nuernberger-na ... t-1.216638

3) Kommentar von Elke Baezner (Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben)
… Lebensabend, das klingt nach einem erfüllten Dasein. Doch oft ist das eine Illusion. „Viele sind am Ende ihres Lebens extrem verzweifelt“, sagt Elke Baezner, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS). Sie kennt sie, die Situationen, in denen Menschen sich „eine Tüte über den Kopf ziehen“. Oder Familienmitglieder bitten, ihnen beim Freitod zu helfen. …

… Wie in der Geschichte der Dame (80) aus Fürth: Sie musste 4000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, weil sie zugegeben hatte, ihrem krebskranken Mann beim Suizid geholfen zu haben. Sie habe ihrem Mann, als er die Schlaftabletten genommen hatte, wie verabredet eine Plastiktüte über den Kopf gezogen. Um zu überprüfen, ob der Tod eintritt, setzte sie sich auf seinen Brustkorb. Um zu testen, ob er wirklich tot war, stach sie ihm mit einer Schere in den Hals. Bevor sie ging, legte sie Orchideen auf den Leichnam und einen Brief: Sie schrieb, dass sie es aus Liebe tat....

Dann stieg sie in die Badewanne, um dort ihrem Leben ein Ende zu setzen. Doch sie stürzte. Erst vier Tage später fand sie der Sohn.

Unendliche Lebensmüdigkeit
Solche Momente seien ein Armutszeugnis der Gesellschaft, sagt Elke Baezner. … Wer nur alt ist und das Gefühl habe, sein Leben gelebt zu haben, könne nicht auf Erlösung hoffen. „Viele sind das Leben unendlich leid. Sie wissen, besser wird es nicht mehr.“ Sie wollen in Würde sterben. Diese Menschen bräuchten zunächst Gesprächspartner. Ärzte, die zuhören, die Mut machen. Oder sogar den Wunsch zu sterben akzeptierten...

"… Ich kämpfe dafür, dass das auch in Deutschland mit allen erdenklichen Sorgfalts-Vorkehrungen möglich wird“, so Baezner.

Quelle: http://www.derwesten.de/nachrichten/pol ... 06746.html

4) Was macht eigentlich Margot Umbreit (65), deren Mann mit Chorea-Huntington seit über einem Jahr im Hospiz Geldern künstlich am Leben gehalten wird?
Siehe: http://just-info.de/pm/keine_Sterbehilf ... .1680.html

5) Ausgezeichnete Selbsthilfe-Seite „tettricks.de“
Georg Claus ist zu 100% schwerstbehindert und litt lange Zeit am sogenannten Locked in Syndrom. Seit 2009 betreibt er eine Internetplattform http://www.tettricks.de als Hilfeportal für betroffene Patienten und Angehörige. Seine Website macht Mut. Und er freut sich über jeden Aufruf und v. a. Eintrag ins Gästebuch.

Die Grundidee dieser Website ist es, diesen Betroffenen ein zusätzliches Informationsportal zu Verfügung zu stellen, um sich etwas besser in dem Dickicht an Informationen über Behörden und von Hilfsangeboten zurechtfinden zu können. Neu ist dort die Rubrik Therapien. Dort erklären Fach-Therapeuten Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie und Physiotherapie. Zudem gibt es interessante Unterseiten zu dem Thema Aphasie und Christel Eickhof erklärt die von Georg Claus sehr geschätzte Therapiemethode SRBT.

6) Weitere Nachrichten

Schauspieler Michael Caine: Sterbehilfe bei seinem Vater
Siehe: http://www.welt.de/vermischtes/prominente

Berlin- 8.10. Der Ehrenpreis des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes (DHPV) wurde am Freitag an den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, verliehen.
Quelle: http://www.domradio.de/news/zdk-praesident-glueck

Quelle: Mitteilung vom 10.10.2010
http://www.patientenverfuegung.de

Sterbehilfe – eine „Sandkasten-Diskussion“ (?)

Verfasst: 11.10.2010, 06:49
von Lutz Barth
Mit einer aktuellen Pressemitteilung v. 07.10.10 kommentiert der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch die aktuelle Entscheidung des BGH zur „Tötung auf Verlangen“ und lässt sich hierbei von der folgenden Vorstellung leiten:

„Einzelfallethik kann nicht die Rolle des Gesetzgebers sein, sondern bleibt allein den Gerichten überlassen. Deshalb muss all denjenigen widersprochen werden, die glauben, durch das Streichen des Straftatbestandes der Tötung auf Verlangen Einzelfallethik herzustellen.“

Quelle: Erklärung des Geschäftsführenden Vorstands Eugen Brysch zur aktuellen Entscheidung des BGH v. 07.10.10 in Sachen "Tötung auf Verlangen" >>> http://www.hospize.de/servicepresse/201 ... ng412.html <<< (html)

Mit Verlaub – es ist weder die Aufgabe des Gesetzgebers noch die der Gerichte, eine „Einzelfallethik“ zu betreiben, sondern in erster Linie dafür Sorge zu tragen, dass die einzelnen Normen im Einklang mit dem geltenden Verfassungsrecht stehen! Die „Einzelfallethik“ spiegelt vielmehr die individuelle Entscheidung des zur Selbstbestimmung berufenen Patienten wider und mit Blick auf diese Entscheidung ist er im wahrsten Sinne des Wortes frei, ohne dabei auf eine „ethische Entscheidung“ des Gesetzgebers noch des Richters angewiesen zu sein. In erster Linie wird der Gesetzgeber dafür Sorge tragen müssen, dass die von ihm zu erlassenen Regelungen verfassungskonform sind und sofern sich diesbezüglich ein rechtspolitischer Reformbedarf im Hinblick auf die Legalisierung der Sterbehilfe aufdrängt, wird er sich dieser eminent wichtigen Aufgabe nicht (!) entziehen können und gleichsam das Problem an die staatlichen Gerichte einfach „durchzureichen“. Auch der BGH ist in letzter Instanz nicht dauerhaft dazu berufen, „Recht“ zu produzieren; ihm werden wir derzeit allenfalls eine „Notkompetenz“ zubilligen müssen, wenngleich in der Sache der Gesetzgeber mehr denn je gefordert ist, endlich einer unsäglichen Ethikdebatte über das selbstbestimmte Sterben ein Ende zu bereiten.

In der Tat gilt es, durch entsprechende Gesetzgebungsaktivitäten die „Sandkasten-Diskussion“ zu beenden, wobei hier ausdrücklich nicht der Frage nachgegangen werden soll, wer mit wem hier im „Sandkasten“ spielt.

Die politisch Verantwortlichen werden erkennen müssen, dass in der „Ethikdebatte“ keine nennenswerten Erkenntnisse zu erwarten sind, die über den bisherigen Stand der Debatte hinausragen. Das gebetsmühlenartige Betonen allhergebrachter Argumente sollte für den Gesetzgeber Anlass genug sein, endlich auch im Strafrecht für eine transparente Regelung Sorge zu tragen, nach der in Ausnahmefällen eine „Tötung auf Verlangen“ straffrei bleibt.

Auch wenn der Deutsche Ethikrat Anfang letzten Jahres angekündigt hat, sich des Themas der ärztlichen Suizidassistenz annehmen zu wollen, besteht angesichts der fortschreitenden Klerikalisierung der Palliativmedizin und der Hospizbewegung aktueller Handlungsbedarf, zumal es keiner großen Phantasie bedarf, zu welchen Erkenntnissen die Mitglieder des Deutschen Ethikrats gelangen werden. Prominente Mitglieder des Deutschen Ethikrats lassen uns vermehrt an ihren individuellen (!) Gewissensentscheidungen teilhaben und da würde es gleichsam verwundern, wenn eine(r) der Damen und Herren einen Richtungswechsel vollziehen würden. Freilich werden wir diese individuellen Gewissensentscheidungen zu akzeptieren haben, aber es dürfte ein Fehlschluss aller ersten Ranges sein, wenn der Gesetzgeber meint, auch nur eine dieser Expertenmeinungen zum Anlass nehmen zu wollen, eine künftige Regelung zur ärztlichen Suizidassistenz mit einem hierauf ausgerichteten und versehenen Inhalt zu verabschieden (oder eben in der Gänze davon Abstand zu nehmen, weil eben das „Sterben nicht normierbar“ sei).

Die grundrechtlichen Schutzpflichten gebieten lediglich eine gesetzgeberische Regelung, die unabhängig von einem ethischen und moralischen Grundkonsens über eine wie auch immer zu definierende ars moriendi in unserer Gesellschaft ist. Der schwersterkrankte Patient darf sterben und es ist allein durch den Gesetzgeber zu entscheiden, ob er diesem humanitären Anliegen eines sterbenden Patienten durch die Legalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe auch in Form eines aktiven Tuns Rechnung zu tragen gedenkt, wenn und soweit der Patient selbst aufgrund seiner Krankheit nicht zur „Tat“ schreiten kann.

Lutz Barth