...und endlich ein Patientenverfügungsgesetz verabschieden, dass der hohen Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts gerecht wird.
„Ich halte es für unerträglich in einem Rechtsstaat, dass wir eine Situation haben, wo wir bewusst absolute Rechtsunsicherheit für handelnde Personen, für Ärzte, Betreuer, Angehörige, Patienten, hinnehmen“, unterstrich der SPD-Politiker. Schuld daran seien auch die Kirchen, die im Grunde keine Regelung wollten. „Das darf der Rechtsstaat nicht hinnehmen“, so der SPD-Politiker Stünker (Quelle: Ärzteblatt v. 08.05.09 >>>
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/3 ... rtagen.htm <<< (html)
Dem ist in der aktuellen Situation eigentlich nichts hinzuzufügen; insofern sind die Abgeordneten aufgerufen, ihren grundrechtlichen Schutzverpflichtungen nachzukommen. In der Tat ist hier der BÄK vorzuhalten, dass diese es in den letzten Jahren geschickt verstanden hat, neben den Kirchen den Abgeordneten mehr oder minder eingeredet zu haben, dass das „Sterben nicht normierbar“ sei, im gleichen Zuge aber verantwortlich dafür zeichnen, dass die Richtlinie über die Sterbebegleitung überarbeitet und überdies als „Handreichung“ deklariert worden ist. Der Gesetzgeber ist gefordert und nicht die BÄK oder die Kirchen! Im Zeichen eines salonfähig gewordenen ethischen Paternalismus ist es in der Tat unerträglich, wenn hierüber unechte Grundrechtsschranken generiert werden!
Es wäre eine Insolvenzerklärung ersten Ranges, wenn es nunmehr nicht zur Verabschiedung einer entsprechenden Patientenverfügungsgesetzes käme. Neben der BÄK und den Kirchen haben im Übrigen auch manch unsägliche Botschaften einzelner hoch dekorierter Medizinethiker und Juristen dazu beigetragen. Sie haben es bis zum heutigen Tage verstanden, statt in die Verfassung in die „Glaskugel“ zu schauen. Zugegeben: deutliche Worte, aber es ist unter rationalen Gesichtspunkten betrachtet nicht nachvollziehbar, in irgendwelchen Appellen vor einer Patientenverfügung oder einem Gesetz warnen zu müssen und dabei die Patientenverfügung als „Opium fürs Volk“ zu diskreditieren. Derartige Stimmen offenbaren eines Geisteshaltung, die „jenseits von Gut und Böse“ ist, werden doch durch solch markige Sprüche das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Einzelnen ad absurdum geführt. In solchen „Schreckensbotschaften“ offenbart sich zugleich ein „Sendungsbewusstsein“, das an vergangene Jahrhunderte erinnert. Dem Zeitalter der Aufklärung ist es nachhaltig zu verdanken, dass standhafte Befürworter des uneingeschränkten Selbstbestimmungsrechts gerade im Hinblick auf das selbstbestimmte Sterben und der ärztlichen Assistenz beim Suizid nicht vor ein Tribunal gestellt werden, um anschließend auf dem „Scheiterhaufen“ geläutert zu werden!
Wenn auch in Teilen die Presse die Funktion einer „Inquisition“ wahrnimmt, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dass es nunmehr nach endlosen Debatten zwischen hobbyphilosophischer Selbstbeweihräucherung auf – zugegeben hohem – Stammtischniveau und ernsthaft vorgetragenen Argumenten hohe Zeit ist, für einen adäquaten Grundrechtsschutz auch auf das selbstbestimmte Sterben Sorge zu tragen.
Für eine „Vertagung“ gibt es keinerlei Gründe, mögen auch einige Sendboten im Wertediskurs ein stückweit über die Weitsicht des Gesetzgebers im säkularen Verfassungsstaat irritiert sein. Diese individuelle Schicksal wird zu tragen sein, zumal es den Diskutanten unbenommen bleibt, jeweils nach ihren eigenen Vorstellungen zu sterben!
Lutz Barth