Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

DGPPN

Sterbebegleitung: Gegen einseitige Betonung von Autonomie ..

Beitrag von DGPPN » 28.07.2006, 08:09

Sterbebegleitung: Gegen einseitige Betonung von Autonomie und Selbstbestimmung

DGPPN: Kritische Stellungnahme zum Nationalen Ethikrat


Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) kritisiert nachdrücklich die jüngst veröffentlichte Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zum Thema „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“. In diesem Positionspapier, das ohne die Einbeziehung von Experten aus dem psychiatrisch-psychotherapeutischen Kompetenzbereich erarbeitet wurde, plädiert der Rat u.a. dafür, in ganz besonders gravierenden Fällen eine Beihilfe zur Selbsttötung zu erlauben.

Nach Auffassung der DGPPN besteht gerade im Umgang mit Sterbenden eine besondere Schutz- und Fürsorgepflicht der Gesundheitsfürsorge und des demokratischen Staates für seine Bürger. Diese Fürsorgepflicht hat Vorrang vor einer mitunter falsch verstandenen Selbstbestimmungsgläubigkeit, wenn der „autonom sterbende Patient“ nicht zu einem sowohl einsamen und verlassenen, als auch unbehandelten und unversorgten Menschen werden soll. Für die DGPPN widerspricht „Tötung auf Verlangen“ dem beruflichen Selbstverständnis der Ärzte und wird, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen Euthanasie-Geschichte, abgelehnt. „Beihilfe zur Selbsttötung“ ist nach Ansicht der wissenschaftlichen Fachgesellschaft keinesfalls mit dem ärztlichen Ethos vereinbar. Die heute vorhandenen Handlungsoptionen, die von der Sterbebegleitung bis hin zur Schmerzbehandlung bzw. bis zur so genannten terminalen Sedierung reichen, sind voll ausreichend und sollten entsprechend genutzt werden.

Die deutsche Rechtssprechung folgt bei den Aspekten Suizid und Suizidverhütung dem Primat des Schutzes der Menschenwürde. Dementsprechend ist die rechtliche Gestaltung auf dem Feld der Suizidologie sehr differenziert ausgelegt. Nach dem Verständnis der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde hat der Staat daher nicht nur das Recht auf Leben, sondern in Extremsituationen auch das Leben des Einzelnen vor diesem selbst zu schützen. Das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Menschen ist damit nicht höher zu bewerten als das höchste Gut, das Leben selbst. Dies gilt besonders dann, wenn der Betreffende an einer psychischen Erkrankung, beispielsweise an einer Depression, leidet, die seine Urteilsfähigkeit einschränkt. In einem solchen Fall kann nicht von einer selbstbestimmten Entscheidung gesprochen werden, sondern die adäquate Behandlung der Erkrankung muss erst die Fähigkeit zu einer selbstbestimmten Urteilsfähigkeit wiederherstellen. In den weitaus meisten Fällen besteht kein Sterbewunsch mehr, ist die Krankheitsphase durch entsprechende Therapie erst einmal überwunden. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht ergibt sich für die DGPPN daraus eine zwingende Pflicht zur Suizidprävention, die von Ärzten oder Angehörigen anderer Heilberufe wahrzunehmen ist.

Wie bereits dargestellt, haben viele der durch Suizid Verstorbenen zum Zeitpunkt ihrer Selbsttötung an einer psychischen Erkrankung gelitten: Zwei Drittel der späteren Suizidenten leiden an einer Depression. Weiterhin ist bekannt, dass bis zu 15 Prozent aller schwer depressiv Kranken im Laufe ihres Lebens durch Selbsttötung sterben. Ferner steht unsere Gesellschaft vor dem Problem, dass körperliche Erkrankungen mit einem Anteil von mindestens 40 Prozent zum Phänomen Suizid beitragen. Besonders gravierend ist dies, wenn schwere Erkrankungen, ungünstige Therapieprognose und Einschränkung der Lebensqualität sowie Schmerzerwartung und -erfahrungen zu Depressionen und erhöhter Suizidneigung führen. Die adäquate Behandlung psychischer Erkrankungen, die das Risiko eines Suizids erhöhen, auch wenn sie körperliche Erkrankungen begleiten, steht somit im Vordergrund.

Suizidale Handlungen werden eher überlebt, wenn der Betroffene über ein tragfähiges soziales Netz (interaktionelles Feld) verfügt. Dabei spielt der appellative und interaktionelle Charakter bei suizidalen Handlungen eine große Rolle und trägt wesentlich zum Überleben in der Krise bei. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht sind gerade Ärztinnen und Ärzte gefordert, aktiv zu Gunsten der Betroffenen einzugreifen.

Nach Auffassung der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde kann es allerdings auch aus Sicht der Suizidprävention keine Suizidverhütung mit allen Mitteln und um jeden Preis geben. So wäre eine ärztliche Entscheidung vor Ort, einen Menschen mit einer Suizidhandlung nicht mehr zu reanimieren bzw. intensiv-medizinisch zu betreuen, wenn das Sterben nur hinausgezögert, aber nicht mehr verhütet werden kann, eine zwar ethisch schwierige, aber aus ärztlicher Sicht vertretbare Position, die sich aus dem „Sterben lassen“ als einem aktivem Handeln ergeben kann und damit weder mit einer Strafe bewehrt noch berufsrechtlich geahndet werden sollte.

Insgesamt also wurde in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats die Rolle psychischer Erkrankungen für einen möglichen Sterbewunsch nicht ausreichend bewertet. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde fordert den Nationalen Ethikrat deshalb auf, die in der vorliegenden Stellungnahme angesprochenen Gesichtspunkte unter Hinzuziehung entsprechender Fachkompetenz zu berücksichtigen und die Stellungnahme entsprechend zu modifizieren.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Fritz Hohagen
Präsident der DGPPN
Prof. Dr. med. Manfred Wolfersdorf
Mitglied des Vorstandes
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde
Hauptgeschäftsstelle Berlin-Mitte
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Tel. 030/2809-6602
Fax 030/2809-3816
E-Mail: sekretariat@dgppn.de
Internet: http://www.dgppn.de

Quelle: Pressemitteilung vom 27.7.2006
http://www.dgppn.de/medien/presseinfo/2 ... hikrat.pdf

Nationaler Ethikrat: Expertenstreit um Sterbehilfe

Beitrag von » 02.08.2006, 06:55

Rabbata, Samir
Nationaler Ethikrat: Expertenstreit um Sterbehilfe
Deutsches Ärzteblatt 103, Ausgabe 30 vom 28.07.2006, Seite A-2008
POLITIK


Ratsmitglieder wollen ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung berufsrechtlich zulassen.

Dürfen Ärzte Sterbenden ihren Wunsch nach Erlösung erfüllen? Dürfen sie in aussichtsloser Situation lebenserhaltende Geräte abschalten, um ein vermeintlich unwürdiges Leben zu beenden? Ein Jahr ist es her, dass der Tod der schwer kranken Amerikanerin Terry Schiavo die Welt bewegte und diese Fragen in der Öffentlichkeit aufwarf. Nun entfacht eine Stellungnahme des Nationalen Ethikrates die Debatte in Deutschland erneut. Wohl auch deshalb, weil sich die 24 Ratsmitglieder vor klaren Antworten und Handlungsempfehlungen drücken.
Nach zwei Jahren intensiver Beratungen sind sich die Experten lediglich darüber einig, die irreführenden Begriffe „indirekte“, „passive“ und „aktive“ Sterbehilfe zu ersetzen und stattdessen von „Sterbebegleitung“, „Therapie am Lebensende“, „Sterben lassen“, „Beihilfe zur Selbsttötung“ und „Tötung auf Verlangen“ zu sprechen. Dies soll helfen, die verschiedenen Handlungsoptionen klar zu definieren.

Weiter unter
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... t&id=52209

STMUGV Bayern

Patientenverfügung muss verbindlich sein

Beitrag von STMUGV Bayern » 14.09.2006, 06:32

Bernhard:
Patientenverfügung muss verbindlich sein - mehr für Alzheimer Krankheit sensibilisieren

Patientenverfügungen müssen verbindlich sein. Dafür hat sich Gesundheitsstaatssekretär Otmar Bernhard heute bei der Veranstaltung der Bioethik-Kommission ''Alzheimer - die Herausforderung für eine alternde Gesellschaft'' in München ausgesprochen. "Eine im Voraus abgegebene Willenserklärung eines Patienten für oder gegen lebensverlängernde Maßnahmen muss Berücksichtigung finden. Dazu ist eine klare rechtliche Regelung erforderlich, die Sicherheit auch für behandelnde Ärzte und Betreuer gibt", machte Bernhard deutlich. Zugleich müsse damit eine deutliche Grenze gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe gesetzt werden. Die Empfehlungen der Bioethik-Kommission zur Patientenverfügung nannte Bernhard einen wichtigen Baustein für die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes. Die Bioethik-Kommission hatte sich dafür ausgesprochen, die Wirksamkeit einer Patientenverfügung nicht auf bestimmte Phasen der Erkrankung zu beschränken, die Schriftform vorzuschreiben, für eine vorausgehende ärztliche Beratung zu werben und begleitend Aus- und Weiterbildung für Ärzte anzubieten. +++

Da sich die Zahl an Demenzkranken alle 20 Jahre verdoppelt, ist die Enttabuisierung der Alzheimer Krankheit nach den Worten Bernhards eine zunehmend wichtige gesellschaftliche Herausforderung: "Helfen, nicht vergessen, muss die Devise sein. Alzheimer kann jeden treffen. Die wirklichen Auslöser sind noch nicht bekannt, wirksame Vorbeugung oder Heilung gibt es derzeit nicht. Wir brauchen mehr Verständnis für die Kranken, die sich mit dem schleichenden Verlust ihrer Fähigkeiten und ihrer Erinnerung quälen sowie konsequente Unterstützung für die betreuenden Personen." Derzeit leben in Deutschland schätzungsweise 1 Million Demenzkranke; 60 bis 70 Prozent davon leiden an Alzheimer. Vor 100 Jahren wurde Alzheimer erstmals diagnostiziert. Die Veranstaltung der Bioethik-Kommission mit der LMU München und dem Gesundheitsministerium will Bernhard zufolge Zeichen setzen, der Krankheit gemeinsam Paroli zu bieten und weitere Kreise zu sensibilisieren.

Die Bayerische Staatsregierung hat eine unabhängige Bioethik-Kommission eingesetzt, die sie in ethischen Fragen der Biowissenschaften, insbesondere der modernen Medizin beraten soll. Neben den Forschungsergebnissen und Anwendungen der Bio- und Gentechnologie in der Medizin (Embryonenforschung, therapeutisches Klonen, PID, somatische Gentherapie, Keimbahntherapie) gehören hierzu auch Fragen der modernen Fortpflanzungsmedizin (PND, Eizellenspende, Leihmutterschaft) sowie sonstige Grenzbereiche am Ende des Lebens (z.B. aktive Sterbehilfe). Weitere Informationen sind abrufbar unter http://www.bioethik-kommission.bayern.de

Quelle: Pressemitteilung vom 12. September 2006
http://www.stmugv.bayern.de/de/aktuell/ ... 06/344.htm

Uni Erlangen-Nürnberg

Selbstbestimmung am Lebensende

Beitrag von Uni Erlangen-Nürnberg » 31.10.2006, 08:29

Universität Erlangen-Nürnberg:
Selbstbestimmung am Lebensende: Wunsch und Wirklichkeit liegen weit auseinander

Den möglichen Verlust der Selbstbestimmung am Ende des Lebens sehen viele Menschen als Bedrohung. Etwa 80 Prozent würden daher gern selbst entscheiden, unter welchen Umständen sie sterben. Dennoch sorgen die wenigsten Menschen vor und treffen schon frühzeitig in einer Patientenverfügung Regelungen für den Ernstfall. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Instituts für Psychogerontologie der Universität Erlangen-Nürnberg und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Frieder R. Lang und Prof. Dr. Gert G. Wagner (DIW). Dazu befragten die Wissenschaftler im Sommer dieses Jahres 500 Personen zwischen 20 und 80 Jahren zu ihren Erwartungen über das Altern, ihre gewünschte Lebensdauer und ihre Gesundheit.
Die meisten Menschen wünschen sich, ungeachtet ihres aktuellen Alters, zwischen 80 und 89 Jahre alt zu werden. Eine solche ideale Lebensspanne halten dabei mehr als 50 Prozent der Befragten auch durchaus für realistisch bzw. wahrscheinlich. Ein langes Leben um jeden Preis wollen jedoch die Wenigsten: Über zwei Drittel der Befragten finden es kaum erstrebenswert, ihr Wunschalter zu erreichen, wenn sie dafür gesundheitliche Einschränkungen in Kauf nehmen müssten. Aber nur etwa jeder Fünfte der über 65-Jährigen hat eine Patientenverfügung erstellt, in der ihr Willen zur weiteren medizinischen Behandlung im Falle einer schweren Krankheit oder Verletzung niedergelegt ist. Dieser Anteil nimmt mit steigendem Alter sogar noch leicht ab. "Das weist vermutlich auf eine schlechtere Informiertheit und Entschlusskraft der über 80-Jährigen hin", erläutert Professor Lang. Noch geringer ist der Anteil unter den jungen Erwachsenen: Bei den unter 35-Jährigen haben nur vier Prozent, unter den 35- bis 64-Jährigen immerhin zehn Prozent bereits eine Patientenverfügung verfasst.

"Es zeigt sich, dass in der modernen Gesellschaft der Tod ein selten wahrgenommenes Ereignis ist und die meisten jüngeren Menschen mehr als Ältere der Auseinandersetzung mit den eigenen Lebens- und Sterbeperspektiven ausweichen", sagt Professor Lang. "Schon die Frage, wie lange man denn eigentlich leben möchte, wird von vielen Menschen nicht gerne beantwortet." So gaben in der Befragung rund 25 Prozent an, es sei ihnen egal, wie alt sie einmal werden würden. "Wer sich darauf einlässt, eine Patientenverfügung zu erstellen, von dem wird verlangt, dass er sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt und mit einer Vielzahl von ethischen Fragen, die das eigene Sterben und dessen Konsequenzen für die Angehörigen betreffen. Gerade für junge Menschen erfordert dies eine besondere Einsicht in die Endlichkeit und Verletzlichkeit des Lebens, die oft noch nicht besteht."

"Unsere Befunde deuten aber auch darauf hin, dass sich immer mehr Menschen einer grenzenlosen medizinischen Versorgung im Sterbeprozess verweigern. Angesichts der enormen biologischen und medizinisch-technischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte, erkennen viele Menschen, dass es für sie nicht um die Länge des Lebens, sondern in erster Linie um die Qualität und Würde des eigenen Lebens geht", berichtet der Psychologe.

Weitere Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Frieder R. Lang
Institut für Psychogerontologie
Tel.: 09131/85 -26526
flang@geronto.uni-erlangen.de

Quelle: Pressemitteilung vom 30.10.2006
Ute Missel, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
http://idw-online.de/pages/de/news182288

Gefährlicher Trend zur ärztlichen Sterbehilfe

Beitrag von » 12.11.2006, 08:25

Psychiater: Gefährlicher Trend zur ärztlichen Sterbehilfe
Freitag, 10. November 2006

Weinheim - Deutschlands Psychiater warnen vor einem zunehmenden Druck zur ärztlichen Beihilfe beim Sterben. Bei einer Legalisierung der Sterbe-Beihilfe würden am Ende die Ärzte, die Politik oder die Gesellschaft bestimmen, wer leben dürfe, sagte das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Manfred Wolfersdorf, in einem Interview der in Weinheim erscheinenden Zeitschrift „Psychologie Heute“ von Dezember. Er befürchtet, „dass die ärztliche Sterbe-Beihilfe und die Tötung auf Verlangen auch demnächst bei uns institutionalisiert werden sollen“.

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Weiter unter
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=26353

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