Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Palliativmedizin statt Sterbehilfe

Beitrag von Presse » 17.07.2010, 07:30

Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 17.07.2010:

Ärzte-Umfrage: Nicht Sterbehilfe soll zum Normalfall werden, sondern der Zugang zu moderner Palliativmedizin

„Wir Ärzte wollen den Kranken zu ihrem Recht verhelfen. Wir wollen nicht, dass Kranke, entgegen ihrem eigentlichen Willen, unter gesellschaftlichen Druck geraten, Sterbehilfe meinen einfordern zu müssen. Wir Ärztinnen und Ärzte wollen nicht, dass Sterbehilfe – auch nicht als Beihilfe zur Selbsttötung – erst zur Norm und dann zur Normalität wird. Nicht Sterbehilfe soll zum Normalfall werden, sondern der Zugang zu einer modernen palliativmedizinischen Behandlung, die todkranken Menschen ein möglichst schmerz- und beschwerdefreies Leben ermöglicht. Ärztliche Aufgabe ist und bleibt es, Sterbenden beizustehen.“ So kommentierte Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), eine von der BÄK in Auftrag gegebene Befragung, bei der sich rund 80 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen haben.

Nach der Befragung des Allensbach-Instituts ist die große Mehrheit der Ärzte (79 Prozent) davon überzeugt, dass ein Ausbau der Palliativmedizin die Wünsche nach Sterbehilfe verringern würde. Fast ebenso viele (73 Prozent) beklagen aber, die Kapazitäten für die palliativmedizinische Versorgung seien ungenügend. „Dies ist sicher einer der Gründe, warum mittlerweile jeder dritte Arzt im Laufe seines Berufslebens um Hilfe beim Suizid gebeten wird“, sagte Hoppe. Hinzu komme ein schleichender Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Sterben und Tod würden zunehmend tabuisiert. „Macht und Materialismus werden glorifiziert. Wer diesem Zeitgeist nicht mehr folgen kann, empfindet sich oft als Belastung. Wir Ärzte sind es dann, die den Todeswunsch der Patienten erfüllen sollen.“

Dies stelle Ärztinnen und Ärzte vor schwierige Entscheidungen. Denn natürlich hätten sie Empathie mit ihren schwerstkranken Patienten, so Hoppe. Nach der Studie sind 74 Prozent der Auffassung, dass lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt werden sollten, wenn der Patient dies zuvor in einer Patientenverfügung ausdrücklich erklärt hat. Für 37 Prozent kommt ein begleiteter Suizid unter bestimmten Bedingungen in Frage. Aktive Sterbehilfe können sich 25 Prozent zumindest vorstellen. Als wichtigste Bedingungen für eine Suizidbeihilfe wurden eine medizinisch eindeutige - also hoffnungslose - Prognose, die gute Kenntnis des Patienten sowie ein hoher Leidensdruck genannt. „Die Studie zeigt aber auch: Empathie mit Patienten bedeutet nicht Akzeptanz für eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids sowie der aktiven Sterbehilfe“, stellte Hoppe klar.

Tatsächlich befürchtet die große Mehrheit der Ärzte (89 Prozent), eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids könne leicht dazu führen, dass sich Menschen um Hilfe beim Sterben bemühen, weil sie sich als Belastung für die Familie oder die Gesellschaft empfinden. Für zwei Drittel aller Ärzte verstößt es gegen den hippokratischen Eid, wenn Ärzte Patienten beim Suizid unterstützen.

„Die Studie belegt, dass wir mit unserer ablehnenden Haltung in der Diskussion um eine mögliche Legalisierung der Sterbehilfe die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte hinter uns haben. Die Ergebnisse lassen aber auch vermuten, dass der schleichende Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft unter Ärzten für Verunsicherung sorgt. Dies werden wir bei unseren Beratungen zur Neufassung der BÄK-Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung sowie zur Überarbeitung der (Muster)- Berufsordnung mit berücksichtigen“, kündigte Hoppe an. Dabei müsse die Frage beantwortet werden, wie das Standesrecht und das Strafrecht besser in Einklang gebracht werden können.

Der BÄK-Präsident forderte zudem, dass Ärzte in Aus-, Fort- und Weiterbildung auf den Umgang mit sterbewilligen Patienten vorbereitet werden müssten. Die Ergebnisse ließen auch darauf schließen, dass noch nicht alle Ärzte ausreichend über die Möglichkeiten der Schmerz- und Symptombehandlung informiert seien. „Wir müssen schwerstkranken und sterbenden Patienten qualifizierte Schmerztherapie und bestmögliche Pflege bieten. Dazu brauchen wir bundesweit palliativmedizinische Versorgungsstrukturen. Erst wenn dies erreicht ist und die Menschen über diese Angebote informiert sind, dann wird auch der Ruf nach aktiver Sterbehilfe verhallen“, sagte Hoppe.

Studie: Ärztlich begleiteter Suizid und aktive Sterbehilfe aus Sicht der deutschen Ärzteschaft.pdf
http://www.bundesaerztekammer.de/downlo ... ehilfe.pdf

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Keine Suizidbeihilfe

Beitrag von Presse » 17.07.2010, 17:51

Ethik-Debatte
Ärztekammer-Chef zeigt Verständnis für Sterbehilfe

Von Beate Lakotta

Jeder dritte deutsche Arzt kann sich vorstellen, Patienten beim Suizid zu helfen. Das ergab eine Umfrage, die monatelang von der Bundesärztekammer unter Verschluss gehalten wurde. Präsident Hoppe zeigt im SPIEGEL-Gespräch Verständnis für Mediziner, die Schwerstkranke beim Sterben unterstützen. .... (weiter unter)
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medi ... 27,00.html


Dtsch Arztebl 2010; 107(28-29): A-1385 / B-1225 / C-1205

Klinkhammer, Gisela
Interview mit Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer: Keine Suizidbeihilfe
POLITIK: Das Interview

Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich HoppeDer Bundesärztekammer-Präsident nimmt Stellung zur Allensbach-Umfrage „Ärztliche Sterbehilfe“.

Herr Prof. Hoppe, der Allensbach-Umfrage zufolge befürworten 30 Prozent aller Ärzte die Regelung eines ärztlich begleiteten Suizids. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?

Hoppe: Der ärztlich begleitete Suizid ist nicht strafbar.
.... (weiter lesen)
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=77634

Rita Reinartz
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Menschenwürde Versorgung im Mittelpunkt

Beitrag von Rita Reinartz » 24.07.2010, 08:23

Hallo,
ich bin der Meinung, dass die Palliativversorgung durch Ärzte und Pflegekräft erheblich ausgeweitet werden muss. Ergänzend ist die Hospizarbeit, stationär und ambulant, zu verstärken, auch finanziell.
Wenn es dann trotz all dieser Anstrengungen noch Situationen geben sollte, wo der Patientenwille auf Selbsttötung oder gar mehr ausgerichtet sein sollte, müssen wir - auch in rechtlicher Hinsicht - nachdenken. Möglicherweise ist es geboten, die strafrechtlichen Vorschriften für eng begrenzte Ausnahmetatbestände zu lockern. Das wäre nach meinem Verständnis mit der Menschenwürde vereinbar.
MfG Rita
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

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Brauchen wir den ärztlich assistierten Suizid?

Beitrag von Presse » 09.08.2010, 06:47

Keiner stirbt fuer sich allein
Brauchen wir den aerztlich assistierten Suizid?

Von Gian Domenico Borasio
SUEDDEUTSCHE.DE 03.08.10
http://www.sueddeutsche.de/65B38l/34920 ... llein.html

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Keiner "stirbt" mit! Ein Votum ....

Beitrag von Lutz Barth » 09.08.2010, 13:46

Sollen wir sterben dürfen? Der Gesetzgeber ist mehr denn je gefordert!
Drohende Gefahren einer schier entfesselten Medizinethik!


Eine aktuelle Stellungnahme zu den Beiträgen v. Michael de Ridder, Eckhard Nagel und G. D. Borasio
v. Lutz Barth (04.08.10)
http://www.iqb-info.de/Ridder_versus_Na ... h_2010.pdf
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Sterbehilfe darf nicht Normalfall werden

Beitrag von Presse » 18.08.2010, 11:57

Ärzte-Umfrage: Nicht Sterbehilfe soll zum Normalfall werden, sondern der Zugang zu moderner Palliativmedizin

„Wir Ärzte wollen den Kranken zu ihrem Recht verhelfen. Wir wollen nicht, dass Kranke, entgegen ihrem eigentlichen Willen, unter gesellschaftlichen Druck geraten, Sterbehilfe meinen einfordern zu müssen. Wir Ärztinnen und Ärzte wollen nicht, dass Sterbehilfe – auch nicht als Beihilfe zur Selbsttötung – erst zur Norm und dann zur Normalität wird. Nicht Sterbehilfe soll zum Normalfall werden, sondern der Zugang zu einer modernen palliativmedizinischen Behandlung, die todkranken Menschen ein möglichst schmerz- und beschwerdefreies Leben ermöglicht. Ärztliche Aufgabe ist und bleibt es, Sterbenden beizustehen.“ So kommentierte Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), eine von der BÄK in Auftrag gegebene Befragung, bei der sich rund 80 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen haben.

Nach der Befragung des Allensbach-Instituts ist die große Mehrheit der Ärzte (79 Prozent) davon überzeugt, dass ein Ausbau der Palliativmedizin die Wünsche nach Sterbehilfe verringern würde. Fast ebenso viele (73 Prozent) beklagen aber, die Kapazitäten für die palliativmedizinische Versorgung seien ungenügend. „Dies ist sicher einer der Gründe, warum mittlerweile jeder dritte Arzt im Laufe seines Berufslebens um Hilfe beim Suizid gebeten wird“, sagte Hoppe. Hinzu komme ein schleichender Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Sterben und Tod würden zunehmend tabuisiert. „Macht und Materialismus werden glorifiziert. Wer diesem Zeitgeist nicht mehr folgen kann, empfindet sich oft als Belastung. Wir Ärzte sind es dann, die den Todeswunsch der Patienten erfüllen sollen.“

Dies stelle Ärztinnen und Ärzte vor schwierige Entscheidungen. Denn natürlich hätten sie Empathie mit ihren schwerstkranken Patienten, so Hoppe. Nach der Studie sind 74 Prozent der Auffassung, dass lebensverlängernde Maßnahmen eingestellt werden sollten, wenn der Patient dies zuvor in einer Patientenverfügung ausdrücklich erklärt hat. Für 37 Prozent kommt ein begleiteter Suizid unter bestimmten Bedingungen in Frage. Aktive Sterbehilfe können sich 25 Prozent zumindest vorstellen. Als wichtigste Bedingungen für eine Suizidbeihilfe wurden eine medizinisch eindeutige - also hoffnungslose - Prognose, die gute Kenntnis des Patienten sowie ein hoher Leidensdruck genannt. „Die Studie zeigt aber auch: Empathie mit Patienten bedeutet nicht Akzeptanz für eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids sowie der aktiven Sterbehilfe“, stellte Hoppe klar.

Tatsächlich befürchtet die große Mehrheit der Ärzte (89 Prozent), eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids könne leicht dazu führen, dass sich Menschen um Hilfe beim Sterben bemühen, weil sie sich als Belastung für die Familie oder die Gesellschaft empfinden. Für zwei Drittel aller Ärzte verstößt es gegen den hippokratischen Eid, wenn Ärzte Patienten beim Suizid unterstützen.

„Die Studie belegt, dass wir mit unserer ablehnenden Haltung in der Diskussion um eine mögliche Legalisierung der Sterbehilfe die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte hinter uns haben. Die Ergebnisse lassen aber auch vermuten, dass der schleichende Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft unter Ärzten für Verunsicherung sorgt. Dies werden wir bei unseren Beratungen zur Neufassung der BÄK-Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung sowie zur Überarbeitung der (Muster)- Berufsordnung mit berücksichtigen“, kündigte Hoppe an. Dabei müsse die Frage beantwortet werden, wie das Standesrecht und das Strafrecht besser in Einklang gebracht werden können.

Der BÄK-Präsident forderte zudem, dass Ärzte in Aus-, Fort- und Weiterbildung auf den Umgang mit sterbewilligen Patienten vorbereitet werden müssten. Die Ergebnisse ließen auch darauf schließen, dass noch nicht alle Ärzte ausreichend über die Möglichkeiten der Schmerz- und Symptombehandlung informiert seien. „Wir müssen schwerstkranken und sterbenden Patienten qualifizierte Schmerztherapie und bestmögliche Pflege bieten. Dazu brauchen wir bundesweit palliativmedizinische Versorgungsstrukturen. Erst wenn dies erreicht ist und die Menschen über diese Angebote informiert sind, dann wird auch der Ruf nach aktiver Sterbehilfe verhallen“, sagte Hoppe.

Studie: Ärztlich begleiteter Suizid und aktive Sterbehilfe aus Sicht der deutschen Ärzteschaft.pdf
http://www.bundesaerztekammer.de/downlo ... ehilfe.pdf

Quelle: Pressemitteilung vom 17.08.2010

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Nichts ist älter als die Zeitung von gestern...

Beitrag von Lutz Barth » 18.08.2010, 15:46

so könnte man/frau mit Hinblick auf die vorstehende "Pressemitteilung" meinen, die bereits weiter oben im Thread im Wortlaut nachzulesen ist.

Ungeachtet dessen sei allerdings darauf hingewiesen, dass auch bei nochmaliger Einstellung der PM und der darin enthaltene Hinweis auf die Palliativmedizin die beabsichtigte Intention nicht plausibler wird. Es gibt keinen (!) Widerspruch zwischen erlaubter Sterbehilfe und den pallitaivmedizinischen Bemühungen, zumal derzeit die These von M. de Ridder überlegenswert erscheint, ob nicht gar die ärztliche Suizidbeihilfe im äußersten Falle auch als eine palliativmedizinische Maßnahme zu betrachten und zu bewerten sei.

Dass der Zugang zur Palliativmedizin erheblich verbessert werden muss, steht außer Frage, ist aber für die Frage der "Sterbehilfe" jedenfalls dergestalt ohne Belang, da der Schwersterkrankte auch die palliativmedizinischen Maßnahmen insgesamt ablehnen kann und lediglich beabsichtigt, kurzfristig aus dem Leben scheiden zu wollen.

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Sterbehilfe ist als Normalfall zu akzeptieren!

Beitrag von Lutz Barth » 18.08.2010, 16:03

Sterbehilfe: Ärzte wollen Berufsrecht liberalisieren

v. Eva Quadbeck

Quelle: RP-online v. 18.08.10 >>> http://nachrichten.rp-online.de/politik ... en-1.97031 <<< (html)

Kurze Anmerkung (L. Barth, 18.08.10):

"Ich kann mir für unser Berufsrecht eine Formulierung vorstellen, die zum Ausdruck bringt, dass es nicht zur Aufgabe des Arztes gehört, Menschen beim Suizid zu helfen. Wenn der Arzt als Mensch dies aber mit seinem Gewissen vereinbaren kann, dann darf er dies tun", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe gegenüber der Rheinischen Post.
Eines vorweg: Dass die BÄK nunmehr beabsichtigt, das entsprechende Berufsrecht zu liberalisieren, ist insofern lobenswert, wenngleich auch zwingend erforderlich: Auch das ärztliche Berufsrecht „bricht“ insofern nicht das Verfassungsrecht.

Indes fragt sich, ob die - wie vom Präsidenten der BÄK angedachte Formulierung - den Kern des Problems erfasst. Es könnte vielmehr zunächst auch Sinn machen, über die vom Mediziner Dr. Michael de Ridder zunächst in Form einer These vertretene Position näher nachzudenken, wonach auch der ärztlich assistierte Suizid zu einer äußersten Maßnahme palliativer Medizin werden kann (vgl. dazu M. de Ridder, Palliativmedizin - Letzte Hilfe, Wir müssen Todkranken die Macht über ihr Leben geben. Ein Plädoyer für die ärztliche Beihilfe zum Suizid, online unter: Quelle: Zeit online v. 26.07.10 >>> http://www.zeit.de/2010/30/M-Sterbehilfe <<< (html).

Sofern dies der Fall sein sollte, ist der Arzt ohne Frage auch Mensch (wie soll es auch anders sein!) und sofern er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, kann er insbesondere nach einer „medizinischen Indikation“ für die ärztliche Suizidassistenz auch als Arzt (!) eben bei einem freiverantwortlichen Suizid eines Schwersterkrankten mitwirken (und im Übrigen hierfür auch ein Honorar beziehen).
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Sterben – ein fundamentales Freiheitsrecht!(?)

Beitrag von Lutz Barth » 18.08.2010, 16:06

v. Lutz Barth (18.08.10)

Ludger Lütkehaus, Philosoph und Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Freiburg, hat in einem aktuellen Artikel zu den Beiträgen von Eckard Nagel und Michael de Ridder in durchaus ungewohnter Schärfe Stellung bezogen.

Diese Schärfe im Diskurs darf eigentlich nicht verwundern, wird doch zunehmend unter dem Tarnmäntelchen einer vorgeblich beabsichtigten Enttabuisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe vielmehr gerade das Gegenteil initiiert: Die Aufrechterhaltung eines scheinbar letzten Tabus >>> weiter dazu

http://www.iqb-info.de/Sterben_ein_fund ... h_2010.pdf
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Beitrag von thorstein » 18.08.2010, 21:21

Nagel ist Theologe und Lütkehaus Nietzscheaner und bekennender Atheist. Das sind bestellte Artikel, ohne Garantie, das es jemanden wirklich interessiert und damit zur Steigerung der Auflage auch beiträgt.

Wenn deutsche Professoren darüber streiten, wer das größere Häufchen macht, ist das nicht automatisch mit einem Erkenntnisgewinn verknüpft.

Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 19.08.2010, 06:16

:wink: ein durchaus überzeugendes Statement, so dass ein Jeder dazu berufen ist, hieraus seine "Erkentnnisse" zu ziehen.

Leider sind die "Häufchen" durchaus mit "Tretminen" vergleichbar, die hinterlegt werden, um gleichsam die dahinterstehende Ethik - besser Moral (!) zur vollen Entfaltung bringen zu können. So gesehen ist es zwar manchmal "nervig", immer wieder gebetsmühlenartig das Verfassungsrecht bemühen zu müssen - aber die wahren Überzeugungstäter lassen sich auch hiervon nicht von ihrem Irrweg abbringen.

Für mich steht seit geraumer Zeit fest: Die Lebenschützer-Fraktion sieht sich mit der harten Realität der Verfassungsdogmatik konfrontiert und ist entweder nicht willens oder schlicht nicht in der Lage, überzeugende Gegenargumente zu formulieren und zwar jenseits einer Hobbyphilosophie!

Die Trivialität der Debatte ist einerseits beeindruckend aber auch beängstigend, wird doch über eines - wenn nicht gar das wichtigste - Grundrecht debattiert und zwar in einer Art und Weise, bei der den Studenten der Rechtswissenschaften wohl ein Erfolg in Klausuren oder Hausarbeiten versagt bleiben würde, wenn und soweit diese beabsichtigen sollten, sich auf diesem Niveau dem Problem der ärztlichen Suizidbeihilfe zu nähern.

Von daher ist es durchaus lobenswert, wenn etwa der eine oder andere Professor meint, an verfassungsrechtliche Binsenweisheiten erinnern zu müssen, so wie dies erkennbar wohl der Anlass von Lütkehaus für einen Kommentar war und zwar ungeachtet der Tatsache, ob er nun "bekennender Atheist" sei.

Stellen wir uns einmal vor, einige namhafte Gegenwartsethiker würden endlich den Stellenwert des Selbstbestimmungsrechts anerkennen, worüber würden diese dann in der Folge "forschen"?

Spitzbübisch könnte hier angemerkt werden, dass dann im Zweifel ein Berufswechsel in Betracht gezogen werden könnte und zwar bildlich gesprochen nach dem Motto: "Aus dem Hörsaal auf die Kanzel" :roll:

Gruß
L. Barth
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Mediziner Nagel erliegt einem fundamentalen Irrtum!

Beitrag von Lutz Barth » 20.08.2010, 07:04

Mediziner Nagel gegen assistierten Suizid

Quelle: Ärzteblatt.de v. 28.07.10 >>> http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... Suizid.htm <<< (html)

Anmerkung v. Lutz Barth:

Auch der Mediziner Eckard Nagel, Mitglied im Deutschen Ethikrat, unterliegt in der Debatte um den ärztlichen Suizid einem erheblichen Irrtum: Er lässt sich von der Vorstellung leiten, als gäbe es moralische Pflichten, die dem Selbstbestimmungsrecht Grenzen setzen. Zu diesen Pflichten gehören die „Ehrfurcht vor dem eigenen Leben“ und die „Akzeptanz des Nichterklärbaren“, so Eckard Nagel und da darf denn schon einmal nachgefragt werden, woher Nagel diese seine Erkenntnis schöpft.

In einem säkularen Gemeinschaftswesen, in dem gerade die Wertepluralität nicht nur für wünschens-, sondern zugleich auch für schützenswert erachtet wurde, kommt dem Selbstbestimmungsrecht ein Höchstrang zu. Unverständlich ist und bleibt, warum einige Mediziner, Philosophen und Ethiker erhebliche Probleme haben, diese verfassungsrechtliche Binsenweisheit zu akzeptieren. Es ist durchaus unbestritten, dass die Medizin ihre eigene Ethik und Moral und die dafür maßgeblichen „Werte“ intraprofessionell generieren kann; allerdings dürfte es ein stückweit vermessen sein, damit zugleich die Vorstellung zu verbinden, als folge hieraus zugleich ethische Gebote, geschweige denn moralische Pflichten, die von Jedermann zu beachten seien.

In dem Wertediskurs könnte es Sinn machen, sich wieder mehr der Rechtsethik zu erinnern, die im Übrigen auch das Argument vom „Dammbruch“ zu entschärfen in der Lage ist: Abusus non tollit usum!

Das gebetsmühlenartige Betonen einer „Pflicht gegen sich selbst“ – mehr noch: der „Heiligkeit des Lebens“ – fordert eine vitale Diskussion heraus, da sich in diesen Botschaften ein Grundrechtsverständnis offenbart, dass kaum zu akzeptieren ist und ferner die gebotene Toleranz vermissen lässt. Auch mit Blick auf die Mitglieder des Deutschen Ethikrats gilt: Wir benötigen keine weiteren „Überzeugungstäter“ im Diskurs, sondern eine Rückbesinnung auf ein liberales Grundrechtsverständnis, das leider in der Debatte verlustig gegangen zu sein scheint.

Die Argumentation Nagels (aber auch die einiger seiner Kollegen und mancher Berufsethiker) ist keineswegs „brilliant“, sondern geradezu symptomatisch für eine schier entfesselte Medizinethik, die im Begriff ist, Verfassungsinterpretation als Hobbyphilosophie zu zelebrieren und dadurch zu denatuieren und da dürfen denn auch schon mal deutliche Worte an die Adresse der „Sendboten“ und „Ethikfürsten“ gerichtet und mehr Toleranz eingefordert werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Diskurs nicht auf diesem Niveau verharrt.
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Beitrag von thorstein » 20.08.2010, 14:12

Wenn wir hier über verfassungsrechtliche Binsenweisheiten diskutieren, warum gibt es dann aktive Sterbehilfe nicht bereits seit 60 Jahren?

Die Grundrechte werden- wenn es gerade passt - als reine Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat definiert. Was hat das nun wieder mit der Forderung nach einer Suizidbeihilfe durch Ärzte zu tun?

Alle Bedenken gegen Formen aktiver Sterbehilfe als Hobbyphilosophie abzutun scheint mir nicht zielführend. In einer pluralistischen Gesellschaft kann nur die Auseinendersetzung mit dem Andersdenkenden, nicht die Diffamierung Grundlage des Zusammenlebens sein.

Die vermutlich hohe Akzeptanz von aktiver Sterbehilfe in der Bevölkerung hat mitnichten etwas damit zu tun, dass hier die Streiter für Selbstbestimmungsrecht auferstanden sind, sondern mit dem einfach nachvollziehbaren Wunsch, für sich und andere Leiden zu vermeiden. Damit sind wir aber wohl wieder im Bereich der Hobbyphilosophie gelandet.

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Beitrag von Lutz Barth » 20.08.2010, 17:38

Guten Tag, verehrter Thorstein.

Vielleicht liegt es schlicht daran, dass wir aus verschiedenen Perspektiven das Problem angehen und demzufolge auch andere Prioritäten setzen. Verfassungsrechtliche Binsenweisheiten deshalb, weil gegenwärtig außer Diskussion steht, dass das Selbstbestimmungsrecht (gleichsam aus Art. 2 und 1 GG folgend) neben der Würde des Menschen wohl das ranghöchste Recht ist und eben nicht mit einem Gerüst an "moralischen Pflichten" versehen ist; mit Blick auf die den ärztlichen Suizid sind deshalb die verfassungsrechtlichen Binsenweisheiten insofern einschlägig, als dass selbstverständlich auch die Kammern die Grundrechte ihrer verfassten Mitglieder zu wahren haben (vgl. dazu insbesondere die Rspr. des BVerfG, z.B. den sog. Facharztbeschluss).

Insofern steht es außer Frage, dass Art. 12 und 4 GG ihre besondere Bedeutung entfalten, wenn und soweit es darum geht, dass einer Arztethik das Wort geredet wird, die verpflichtend sein soll; dies ist mitnichten so.

In diesem Sinne kommt gar der klassische Abwehrcharakter der Grundrechte zum Tragen, da die Kammern öffentlich-rechtlich Körperschaften sind!

Ferner geht es nicht um Diffamierung, sondern schlicht um eine Diskussion, die nicht jenseits wissenschaftlicher Standards geführt werden sollte; auffällig freilich ist, dass allen voran die Ethiker zumeist mit den verfassungsdogmatischen Fragen entweder überfordert sind oder diese aber ganz bewusst ausgeblendet werden.

Es ist unerträglich, wenn die Debatte sozusagen ohne eine Anbindung an das Verfassungsrecht geführt wird und Ethiker sich auf die Philosphie Kants zurückziehen, der ein Selbstentleibungsverbot für begründbar hielt und überdies weitere moralische Pflichten konstruiert werden, die unversehens den Patienten zum "Objekt" degradieren.

Kurzum: Die derzeitigen Argumente der Lebensschützer-Fraktion sind "ewiger Schnee" von gestern und entsprechen nicht einer zeitgenössischen Grundrechtsinterpretation!

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die ärztliche Assistenz beim Suizid nicht mit der aktiven Sterbehilfe gleichzusetzen ist, auch wenn ich persönlich meine, dass auch hier in Einzelfällen durchaus die Handlungsherrschaft beim Arzt liegen könnte und insofern der Tatbestand der "Tötung auf Verlangen" durchaus überdacht werden möge.

Gruß
Lutz Barth
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Sterbehilfe - BÄK will Berufsrecht liberalisieren

Beitrag von Presse » 23.08.2010, 06:29

Nach BGH-Urteil:
Bundesaerztekammer will Berufsrecht zur Sterbehilfe liberalisieren

Duesseldorf / Berlin (ALfA). Die Bundesaerztekammer plant das Berufsrecht beim Thema Sterbehilfe zu liberalisieren. Dies berichtete die Rheinische Post online am 18. August 2010. Demnach erklaerte der Praesident der Bundesaerztekammer, Joerg-Dietrich Hoppe gegenueber der Zeitung, er koenne sich eine Formulierung vorstellen, "die zum Ausdruck bringt, dass es nicht zur Aufgabe des Arztes gehoert, Menschen beim Suizid zu helfen. Wenn der Arzt als Mensch dies aber mit seinem Gewissen vereinbaren kann, dann darf er dies tun", so Hoppe. Mit einer derartigen Liberalisierung leitet die Bundesaerztekammer nun eine fundamentale Wende in der bisherigen Positionierung ein, wonach eine Suizidbegleitung mit dem Berufsrecht nicht zu vereinbaren ist.

Hintergrund der Liberalisierungsplaene fuer das Berufsrecht ist das Ende Juni gefaellte Bundesgerichtshofurteil, wonach ein Abbruch lebenserhaltender Behandlungen auf der Grundlage des Patientenwillens nicht strafbar ist (siehe ALfA-Newsletter 25/10 vom 11.07.2010). Mit der Aenderung wollen die Aerzte nun das bisher strenge Berufsrecht an die Gesetzeslage anpassen. Der Aerztekammerpraesident betonte jedoch, man wolle "keinesfalls eine Entwicklung befoerdern, in der ein Druck auf Schwerkranke entsteht, freiwillig in den Tod zu gehen."

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung in Berlin uebte umgehend scharfe Kritik an den Plaenen der Bundesaerztekammer. Der Geschaeftsfuehrer der Stiftung, Eugen Brysch erklaerte, damit wachse der Druck auf schwerstkranke Menschen, von einem aerztlich assistierten Selbstmord Gebrauch zu machen, um anderen nicht zur Last zu fallen. Sofern die Bundesaerztekammer diesen Trend verhindern wolle, habe sie nur die Moeglichkeit, sich strikt gegen aerztliche Beihilfe bei der Selbsttoetung aussprechen. Auch die Deutsche Palliativstiftung und die Deutsche Gesellschaft fuer Palliativmedizin sprachen sich Medienberichten zufolge entschieden gegen eine Suizidbegleitung durch Aerzte aus.

Wie die Aenderungen im Berufsrecht fuer Aerzte nun konkret aussehen werden, wird sich in naechster Zeit zeigen. Seit kurzem ist das Urteil des Bundesgerichtshofs, das massive Kritik und Protest hervorrief, auch im Wortlaut offiziell im Internet abrufbar. Eine ausfuehrliche Bewertung dazu liefert Rechtsanwalt und Biopolitik-Blogger Oliver Tolmein in der FAZ vom 18. August 2010 unter http://www.faz.net/ in dem Artikel "Selbsjustiz am Krankenbett", zu finden ueber das dortige Archiv.

Weitere Informationen:

Dammbruch-Urteil II: Bundesgerichtshof faellt richtungsweisende Entscheidung zur Sterbehilfe
ALfA-Newsletter 25/10 vom 11.07.2010
http://www.alfa-ev.de/aktuelles/archiv- ... 755b3e340d

BGH-Urteil des 2. Strafsenats vom 25.6.2010 - 2 StR 454/09 im Wortlaut
22 Seiten im PDF-Format

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... kument.pdf

Quelle: Pressemitteilung vom 23.08.2010
Aktion Lebensrecht fuer Alle (ALfA) e.V.
Geschaeftsstelle Augsburg:
Ottmarsgaesschen 8
D-86152 Augsburg
Telefon: 08 21 / 51 20 31
Telefax: 08 21 - 15 64 07
E-Mail: bgs@alfa-ev.de
Internet: http://www.alfa-ev.de

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