Patientenverfügung - Gesetzentwürfe im Bundestag

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Lutz Barth
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Patientenverfügungen – DGGG meldet sich zu Wort!

Beitrag von Lutz Barth » 28.11.2008, 09:07

Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) meldet sich zur aktuellen Diskussion im Deutschen Bundestag um die gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen zu Wort!
Vgl. dazu die Stellungnahme der DGGG v. 19.11.08, die auf dem nachfolgenden Link downgeloadet werden kann.

Ferner sei darauf hingewiesen, dass die DGGG über das aktuelle Thema zur Patientenverfügung ein Diskussionsforum eingerichtet hat. Sie haben also die Möglichkeit, sich aktiv mit Ihrem Diskussionsbeitrag in die Debatte einzubringen.

Mehr dazu erfahren Sie auf dem nachfolgenden Link der DGGG:

Quelle: DGGG >>> http://www.dggg-online.de/diskussionsforum/index.php <<< (html)



Kurze Anmerkung (L. Barth):

Die Stellungnahme der DGGG offenbart leider keine substantiellen neuen Erkenntnisse in der allgemeinen Debatte über die Frage, ob es rechtlich geboten erscheint, ein Patientenverfügungsgesetz auf den Weg zu bringen.

Die Bedenken, die in der Stellungnahme geäußert werden, sind nicht neu: es wird letztlich davor gewarnt, dass der „Inhalt der Patientenverfügungen …in den meisten Situationen in hohem Maße auslegungsoffen (bleibt), da die konkreten Entscheidungssituationen
nicht in ihrer Spezifität vorweggenommen werden können“.

Zwar verkennt die DGGG nicht die Sinnhaftigkeit einer patientenautonomen Erklärung, aber letztlich „verlangen empirische Befunde nach einer differenzierten Diskussion über Hintergründe, Funktionen und den Umgang mit Patientenverfügungen“.

Hierbei geht die DGGG davon aus, dass „Patientenverfügungen … häufig verfasst (werden), um Befürchtungen vor würdelosen Bedingungen des Sterbens in Heimen und Krankenhäusern entgegenzutreten. Die hinter Patientenverfügungen stehenden Wünsche beziehen sich häufig auf eine fachlich gute Begleitung und gemeinsame Entscheidungsfindung von Ärzten und Angehörigen im Sinne des Patienten und nicht unbedingt auf die strikte Befolgung des Wortlautes von Verfügungen. Der Umgang mit
Patientenverfügungen in Krankenhäusern und Heimen führt nicht selten zu einem Rückgang von Patientenkontakten. Nachweislich führt alleine das Faktum einer vorhandenden Patientenverfügung zu dem Umstand, dass medizinische Maßnahmen Patienten vorenthalten werden, obwohl sie angezeigt und durch die Patientenverfügung gar nicht
ausgeschlossen sind“
.

Aber gerade diese „empirische Befunde“ sind – wenn sie denn evident sein sollten – für die Frage der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung nach diesseitiger Auffassung nicht (!) von Belang. Es ist weder erforderlich noch zwingend geboten, die „hinter“ einer Patientenverfügung stehenden „Wünsche“ und „Vorstellungen“ zu eruieren, da insofern mit der Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts zugleich auch die durchaus hohe Last der Eigenverantwortung verbunden ist. Spekulativ und nicht nachvollziehbar ist der Hinweis darauf, dass eine Patientenverfügung von dem künftigen Patienten wohl nicht in der Absicht verfasst werde, strikt umgesetzt zu werden, sondern dass diese zunächst als eine „Botschaft“, adressiert an die Ärzte und Angehörigen, zu verstehen sei, die dann eine fachlich gute Begleitung und eine gemeinsame Entscheidungsfindung ermöglichen soll. Mit Verlaub: der dokumentierte und deutlich geäußerte Wille ist nicht zu interpretieren oder zu hinterfragen, sondern von seinem grammatikalischen Wortlaut her zunächst zur Kenntnis zu nehmen. Sofern der Patient es allerdings wünscht, Entscheidungen betreffend seiner Gesundheitsfürsorge resp. der ärztlichen Behandlungsmodalitäten auf seine „Angehörigen“ zu delegieren, mag er hierfür im Rahmen einer Vorsorgevollmacht Rechnung tragen.

Überdies werden nachhaltige Zweifel angemeldet, wenn und soweit thesenartig behauptet wird, dass alleine das „Faktum einer vorhandenen Patientenverfügung“

zu einem Rückgang von Patientenkontakten und

zur Vorenthaltung von medizinischen Maßnahmen bei Patienten führen, obwohl letztere angezeigt und durch die Patientenverfügung gar nicht ausgeschlossen sind.

Es liegt schlicht in der Natur einer Patientenverfügung, dass bestimmte medizinische Maßnahmen ausgeschlossen sind und dass sich gewissermaßen hierdurch auch die Patientenkontakte verringern.

Keinesfalls sollten allerdings Ängste bei den künftigen Patienten geschürt werden, dass im Zweifel allein das Faktum (!) einer Patientenverfügung das hohe Risiko in sich birgt, gleichsam zu „Stiefkindern“ des Medizinbetriebs zu werden. Das „Faktum“ besteht lediglich in dem Fakt, dass eine Patientenverfügung vorliegt und die selbstverständlich auch von den Ärzten gelesen wird, wenn und soweit diese ihnen zugänglich ist. Dieses Argument vom „Faktum“ erinnert mich doch stark an die unselige Debatte mit Blick auf die Organspende, wo gelegentlich auch Furcht und Schrecken verbreitet werden, wonach allein der „Organspendeausweis“ in der Brusttasche des Patienten den „Tod“ beschleunigt.

In der Tat ist diesbezüglich eine differenzierte Diskussion anzumahnen und selbstverständlich kann es keine Frage sein, dass die palliative und hospizliche Begleitung weiter ausgebaut gehört.

Geradezu dramatisch hingegen wird es, wenn behauptet wird: „Auch leisten Patientenverfügungen, wie auch immer rechtlich geregelt, keinen Beitrag für die Herausforderungen, menschenwürdige Bedingungen für auf Pflege und gute ärztliche Behandlung angewiesene Menschen zu schaffen.“

Hier verkennt die DGGG vollends den Sinn und Zweck von Patientenverfügungen und abermals mit Verlaub – hier offenbart sich ein doch etwas seltsames Grundrechtsverständnis im Gewande einer neopaternalistische Ethik, das geradewegs in die Marginalisierung der Würde des Patienten und eigentlich noch dramatischer, in die Instrumentalisierung des sterbewilligen Patienten führen kann. Die Patientenverfügung hat, außer für den Patienten selbst, keinen Beitrag zu leisten! Gerade solche unglaublichen Hinweise lassen keinen Zweifel aufkommen, dass zwingend ein Patientenverfügungsgesetz zu erlassen ist, denn die grundrechtliche Schutzverpflichtung des Staates ist gerade darauf ausgerichtet, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu wahren. Es ist die ureigene subjektivrechtliche Stellung des Grundrechtsträgers, die es abzusichern gilt, während demgegenüber es selbstverständlich auch eine weitere (!) Aufgabe des Staates ist, entsprechend Sorge für eine gute palliative und hospizliche Begleitung zu tragen. Das eine hat mit dem anderen nichts, aber auch rein gar nichts zu tun und dies erscheint mir einer der neuralgischen Punkte in der Debatte zu sein.

Hier werden Irrwege beschritten, die letztlich mit der Behauptung eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen der Patientenverfügung und einer palliativen Begleitung zur „Objektivierung“ des Patienten führen.

Darf daran erinnert werden, dass ein renommierter Ethiker unlängst die These vertreten hat, dass die „Patientenverfügung den Hospizgedanken zerstört“?

Mir scheint, dass es hohe Zeit ist, die „Medizinethik“ von ihren „fragwürdigen Thesen“ zu entkleiden, damit nicht tatsächlich das eintritt, wovor ein nicht minder renommierter Soziologe schon vor Jahren gewarnt hat.

Er hat in einer These zum Ausdruck gebracht, dass

„tatsächlich ... nicht die Sterbenden die Regie im Spiel (führen), sondern andere, die das Sterben für sich instrumentalisieren, für ihr Gewinnen – oder Scheitern“ und das hieraus folgend „jegliche Beeinträchtigung des großen Geschäfts verhindert werden (soll)“

(Klaus Feldmann, Aktive Sterbehilfe: soziologische Analysen, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie, Universität Hannover, 2005, S. 7).

Es ist selbstverständlich, dass ich hier kein „Generalangriff“ auf die Ethik im Allgemeinen und der Medizinethik im Besonderen starten möchte. Aber eines dürfte klar sein: Jedweden Instrumentalisierungsversuchen des privatautonomen Patienten ist eine unmissverständliche Absage zu erteilen, denn die Konsequenzen wären mehr als unheilvoll!

Lutz Barth
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 28.11.2008, 20:58

In der von Klie verfassten Stellungnahme der DGGG heißt es:

Patientenverfügungen werden häufig verfasst, um
Befürchtungen vor würdelosen Bedingungen des Sterbens in
Heimen und Krankenhäusern entgegenzutreten.


Damit ist die Diskussion eigentlich schon beendet. Wie sollte jemand ernsthaft auf die Idee kommen, sich mittels einer Patienmtenverfügung vor würdelosen Bedingungen des Sterbens zu schützen?
Das Herr Klie solch einen Unfug verbreitet und offensichtlich auch noch für ein Argument hält ist mir rätselhaft.

WernerSchell
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Kritik an den Gesetzentwürfen

Beitrag von WernerSchell » 30.11.2008, 11:52

Statement zur Patientenverfügung - Gesetz
abgedruckt in Zeitschrift CAREkonkret, Ausgabe vom 28.11.2008, Seite 6


Leserbrief: Patientenverfügungen
Kritik an den Gesetzentwürfen

Leserbrief von Werner Schell - Leiter des Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerkes in Neuss, zur Berichterstattung über die unterschiedlichen Gesetzentwürfe zum Umgang mit Patientenverfügungen.

Neuss - Grundsätzlich fällt es in die alleinige Kompetenz der BürgerInnen, darüber zu befinden, welche Behandlungen und Pflege sie zukünftig wollen oder gerade nicht. Dies ergibt sich aus der verfassungsrechtlich garantierten Werteordnung (Art. 1 und 2 Grundgesetz). Diese Werteordnung hat auch der Gesetzgeber zu beachten.
Daher halte ich alle Vorschläge, die darauf abzielen (aus welchen Gründen auch immer), das Entscheidungsrecht der BürgerInnen in Patientenverfügungen einzuschränken, für nicht zulässig, sogar für verfassungsrechtlich problematisch. Auch die Schutzfunktion des Staates lässt es nicht zu, die Autonomie der Menschen in gravierender Weise einzuschränken und ihnen bürokratische Hürden aufzuerlegen (noterielle Beurkundungen mit zwingender ärztlicher Beratung), mit denen sie im alltäglichen Leben nicht zurecht kommen.
Deshalb sind die vorliegenden Gesetzentwürfe, insbesondere der Bosbach-Entwurf, abzulehnen. Sie dürfen nicht Gesetz werden! Selbst der Generalsekretär der CDU, Profalla meint, dass es besser sei, kein Gesetz zu beschließen, als auf der Grundlage der vorliegenden Entwürfe eine Entscheidung zu treffen.
Aus der Patienten- und Selbsthilfesicht muss ein Gesetz zur Patientenverfügung die Patientenautonomie in den Mittelpunkt stellen. Alles andere ist abzulehnen.

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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Lutz Barth
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„Wie das Selbstbestimmungsrecht auf den Kopf gestellt werden

Beitrag von Lutz Barth » 01.12.2008, 12:39

… so lautet die Überschrift des aktuellen Editorials v. Robert Roßbruch in der Zeitschrift Pflegerecht 11/2008, S. 517.

Roßbruch nimmt hier den fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf unter der Führung von dem „Kreuzritter“ Wolfgang Bosbach (CDU) zur Patientenverfügung ins Visier und sein Votum gleich zu Beginn seiner Ausführungen lässt keinen Zweifel aufkommen: nach Roßbruch ist der Gesetzentwurf „antiliberal, antidemokratisch, antisäkular, antipluralistisch, unsozial und verfassungswidrig“.

Mit anderen Worten: der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf zum Patientenverfügungsgesetz ist schlicht durchgefallen und darf – nach dem Schulnotensystem – wohl mit „ungenügend“ bewertet werden. Der Entwurf kommt in seinen Konsequenzen einer „Pervertierung des staatlichen Lebensschutzes hin zu einem staatlich verordneten Lebenszwang gleich“, so Roßbruch und hier ist ihm vorbehaltlos beizutreten.

Die Frage allerdings, warum das Selbstbestimmungsrecht mit dem Gesetzentwurf auf den Kopf gestellt worden ist, ist von Roßbruch nur „zwischen den Zeilen“ angesprochen: der Entwurf versucht, die verfassungsrechtlich verbürgte Patientenautonomie auszuhebeln! Aber warum dies so ist, kann sinnhaft nur mit dem Hinweis auf das „Kreuzrittertum“ erschlossen werden. Und in der Tat: Nicht wenige Abgeordnete haben sich der Karawane der selbsternannten „Ethiker und Hobbyphilosophen“ angeschlossen, deren geistige „Führung“ in verschiedene professionellen Lagern beheimat ist und uns an ihrem Verkündungsauftrag teilhaben lassen. Dies ist für sich genommen nicht allzu problematisch, sofern sich in der Folge der Gesetzgebers als verfassungsfest und gegenüber dem mainstream einer neuen neopaternalistischen Wertekultur als standhaft erweisen wird. Nachdenklich muss allenfalls stimmen, dass auch Juristen vermehrt und immer wieder davor warnen, „dass wir das lieber mit dem Gesetz sein lassen sollten“ und hier ist doch schon ein wenig mehr Argwohn anbefohlen und auch zu äußern: es ist nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt, seinen grundrechtlichen Schutzauftrag aktiv wahrzunehmen – mag dem Gesetzgeber auch ein gewisser Beurteilungsspielraum zugebilligt werden. Gefahren gehen in erster Linie nicht (!) von einer Patientenverfügung aus, und noch weniger von den Patienten, die diese verfassen, sondern vielmehr von denjenigen, die da entgegen besseren Wissens gerade um ihrer Mission willen ihre Augen vor den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten verschließen. Es geht darum, um ein Höchstmaß an Rechtssicherheit Sorge zu tragen und nicht darauf vertrauen, dass die staatliche Gerichte das Rechtsproblem zu lösen in der Lage sind – mal ganz abgesehen davon, dass der Patient dann erst nach einem erfolgreichen Marsch durch die Instanzen selbstbestimmt „sterben“ darf und kann. Das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht mit der ihm innewohnenden Last der hohen Verantwortung durch den Patienten bedarf keiner „ethischen“ Neuorientierung und insofern sind dem „ethischen und moralischen Kreuzzug“ deutlich die Grenzen aufzuzeigen. Es bedarf keiner Verklärung des Todes oder einer wie auch immer gearteten Krankheit, um von der Notwendigkeit einer selbstbestimmten Entscheidung – wie immer diese auch aussehen mag – überzeugt zu sein. Mit solchen „ethischen Nebelbomben“ wird über Gebühr der Blick für die Realität eingetrübt und offenbart die Schwäche einer diskursiven Debatte über Werte, in denen es augenscheinlich darauf ankommt, alt hergebrachte konservative Werte zu revitalisieren.

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Einigungschancen beim Thema Patientenverfügung

Beitrag von Service » 03.12.2008, 16:47

Einigungschancen beim Thema Patientenverfügung
Mittwoch, 03 Dezember 2008

Berlin (KNA) Trotz konkurrierender Gesetzentwürfe aus dem Bundestag hält Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) eine Einigung beim Thema Patientenverfügungen für denkbar. «Es sollte möglich sein», sich zu verständigen, ... (mehr)
http://www.hwelt.de/c/content/view/2846/1/

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Einigungschancen beim Thema Patientenverfügung

Beitrag von Presse » 04.12.2008, 07:15

Zypries sieht Einigungschancen beim Thema Patientenverfügung

Berlin – Trotz konkurrierender Gesetzentwürfe aus dem Bundestag hält Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) eine Einigung beim Thema Patientenverfügungen für denkbar. „Es sollte möglich sein, sich zu verständigen“, sagte sie am Dienstag vor Journalisten in Berlin. Seit vielen Monaten ringt das Parlament um eine Regelung. Bis Ostern soll ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Zypries verwies auf den von ihr favorisierten Entwurf einer Gruppe um den SPD-Politiker Joachim Stünker [mehr]
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/lette ... m&id=28707

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Palliativersorgung stärken und einfaches Gesetz beschließen

Beitrag von Dieter Radke » 04.12.2008, 08:19

Die Diskussionen um ein Gesetz für Patientenverfügungen sind wenig erfreulich. Man könnte an Aktionismus oder Profilierungssucht einzelner Abgeordneter denken.
Mir persönlich wäre lieber, die Abgeordneten würden sich intensiver um die Umsetzung der Vorschriften zur Palliativversorgung kümmern. Wäre nämlich insoweit ein gutes Angebot Standard, würden manche Überlegungen bezüglich Behandlungsverbote usw. verstummen.
Ungeachtet dessen plädiere ich für eine einfache gesetzliche Regelung, die in erster Linie klar stellt, dass Patientenverfügungen verbindlich sind und keinerlei Einschränkungen zu beachten haben.

Dieter
Menschenwürdige Pflege ohne Ausnahme! - Dafür müssen wir alle eintreten.

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Gesetz ein "bisschen suspekt" - Mahnung der Kirche

Beitrag von Lutz Barth » 04.12.2008, 18:55

Die Wahrnehmung der Bundesjustizministerin trügt nicht: in der Tat scheint das Thema Patientenverfügung noch einigen Parlamentariern „ein bisschen suspekt“ zu sein und dies liegt wohl auch an den kirchlichen Mahnungen. Nun – auch wenn wir die Mahnungen der Kirchen vernommen haben, verbleibt es freilich dabei, dass das Selbstbestimmungsrecht keinen ethischen Grundkonsens bedarf. Der Druck auf die Abgeordneten wird freilich noch dadurch verstärkt, in dem Hobbyphilosophen einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Autonomie des Einzelnen ins Hintertreffen gerät. Die „Ethik“ beschreitet hier seltsame Wege – mögen diese uns allen auch mit blumigen Worten schön geredet werden. Auch wenn im Himmel keine Blumen welken, so doch auf Erden und es ist zuvörderst die Aufgabe des Gesetzgebers, hier seinen grundrechtlichen Schutzverpflichtungen nachzukommen. Für das Selbstbestimmungsrecht gibt es eine zentrale „Leitlinie“, die zudem verbindlich ist: das Verfassungsrecht.

Dies mögen die Skeptiker eines Patientenverfügungsgesetzes endlich begreifen, auch wenn es schwer fallen mag und daher sollte nicht nur die „Kirche im Dorf gelassen werden“, sondern die selbsternannten Hobbyphilosophen sind aufgerufen, ein vorbehaltloses Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht abzugeben.

Es wäre fatal, wenn die notwendige Hospiz- und Palliativkultur gleichsam zu einer "Religion" mutiert, in der der Patient mit scheinbar höheren Werten und transzendenten Wahrheiten konfrontiert wird.

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Wie verbindlich sollen Patienverfügungen sein?

Beitrag von Service » 08.12.2008, 07:07

Diskussion des Monats: Wie verbindlich sollen Patienverfügungen sein?

Ca. zehn Millionen Patientenverfügungen gibt es in Deutschland. Über deren rechtliche Verbindlichkeit gibt es seit langem Streit. Im Januar wird ein neues Gesetz im Bundestag verabschiedet, das Rechtssicherheit schaffen soll. Drei unterschiedliche Entwürfe liegen dazu vor. Wie soll der Bundestag entscheiden? Debattieren Sie mit in unserer neuen Rubrik "Diskussion des Monats":
http://www.1000fragen.de/projekt/aktuel ... d=831&pn=0

Quelle: Mitteilung der Aktion Mensch, 07. Dezember 2008

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Patientenverfügungen können nur ein Notbehelf sein

Beitrag von Presse » 09.12.2008, 08:05

Gesetz der Angst
Patientenverfügungen können nur ein Notbehelf sein

http://www.sueddeutsche.de/455385/382/2 ... Angst.html

Patientenverfügung - schon heute verbindlich
Rechtsanwalt Dino Zirngibl zeigt, wie Sie für den Notfall vorsorgen
Checkliste für das Abfassen einer Patientenverfügung

http://cms.frankfurt-live.com/front_con ... dart=30444

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Patientenverfügungen - ein Notbehelf?

Beitrag von Lutz Barth » 09.12.2008, 09:11

Der Artikel ist lesenswert, auch wenn er insoweit keine neuen Einsichten zutage fördert.

Diskussionswürdig allerdings scheint der Hinweis zu sein, dass nunmehr ein „neues“ Argument mit Blick auf die Rechtssicherheit u.a. auf Seiten der Ärzteschaft eingeführt wird: Das die Ärzte an der (Rechts)Unsicherheit am Lebensende „leiden“, mag noch nachvollziehbar sein, wenngleich der Hinweis darauf, dass ihr Wunsch nach mehr Rechtssicherheit insofern verständlich sei, weil dieser quasi im Rechtssystem selbst erzeugt werde, wenn angehende Juristen die Spezialisierung im Medizinrecht empfohlen werde, scheint mir doch nun etwas „platt“ zu sein.

Hier wird das immer mal wieder diskutierte problematische Verhältnis zwischen den Ärzten und Juristen angesprochen, in dem gelegentlich behauptet wurde, dass das Arztstrafrecht seltsam hässliche Blüten treibe. Der nunmehr öffentlich gewordene Fall im Bezirk der Berliner Ärztekammer hingegen dokumentiert, dass vielfach die Rechtsunsicherheit darauf zurückzuführen ist, dass die Rechtslage schlicht fehlinterpretiert wird. Es nützt kein allgemeines Wehklagen: der Heileingriff – mag er auch noch so kunstvoll und damit lege artis durchgeführt worden sein – ist und bleibt zunächst tatbestandlich eine Körperverletzung und dies gilt freilich auch für die Therapie am Ende eines verlöschenden Lebens. Erst der aufgeklärte Patient mit seiner Einwilligung lässt den Heileingriff „sanktionslos“ werden und dies ist ein über Jahrzehnte hinweg gesicherter „Befund“ und nicht eine Folge der im Rechtssystem vermeintlich selbst erzeugten Rechtsunsicherheit, nur weil angehende Juristen sich etwa auf das Medizinrecht spezialisieren. Der Wille des Patienten ist entscheidend und insofern ist die Patientenverfügung als Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung eben kein Notbehelf, sondern im Zweifel der dokumentierte Wille des Patienten! Und mit Verlaub: Sprache ist in der Tat verräterisch.

Es geht nicht darum, dass die Ärzte zu selbstlosen „Erfüllungsgehilfen“ des Patientenwillens werden, denn die patientenautonome Verfügung kann eben nicht zur Fremdbestimmung führen, so wie der selbst auferlegte Fürsorgeanspruch der Ärzte nicht dazu führen kann, den Patienten mit einer auch in seinem Interessen liegenden Behandlung zu „beglücken“.

Sofern der Patient allerdings seine Einwilligung in eine auch ärztlich gebotene Heilbehandlung versagt, hat sich der Arzt bzw. die Ärztin hieran strikt zu halten und dies hat mit einer „Erfüllungseigenschaft“ rein gar nichts zu tun.

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Patientenverfügung - Gesetzesberatungen verschoben

Beitrag von Service » 13.12.2008, 07:55

KAUCH:
Schon wieder ein verlorener Monat für die Patientenverfügung

Zur erneuten Verschiebung der ersten Lesung der Gruppenanträge der Abgeordneten Bosbach und Zöller/Faust zur Neuregelung von Patientenverfügungen, die nun statt nächster Woche erst im Januar stattfinden soll, erklärt der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Palliativmedizin, MICHAEL KAUCH:

Die erneute Verschiebung bedeutet: wieder wurde ein Monat verloren, um das Gesetzgebungsverfahren noch vor Ende der Wahlperiode zu einem guten Abschluss zu bringen.

Die Verschiebung, die auf Initiative eines Abgeordneten aus der Gruppe um Herrn Bosbach erfolgte, wird eine weitere Verzögerung der parlamentarischen Anhörungen mit sich bringen.

Offensichtlich spielen hier einige Leute auf Zeit, damit in dieser Wahlperiode kein Ergebnis mehr zustande kommt. Das wäre ein Skandal gegenüber allen Bürgern, die seit nunmehr fünf Jahren auf eine Klärung der Rechtslage warten.

Quelle: Mitteilung vom 12.12.2008
Bundestagsbüro Michael Kauch
Tel: 030/227 70 535 - Fax: 030/227 76 535
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Ein wahres Trauerspiel!

Beitrag von Lutz Barth » 15.12.2008, 12:12

In der Öffentlichkeit entsteht zunehmend der Eindruck, dass unsere Parlamentarier – insbesondere solche, die das „C“ in ihrem Parteinamen tragen – mehr als überfordert zu sein scheinen. Bereits unlängst hat die CDU es verstanden, aus Respekt vor den Kirchen einstweilen davon Abstand zu nehmen, ihren Alternativentwurf – den Zweiten – einzubringen. Dass dieser sog. Bosbach-Entwurf abermals missglückt ist, war zu erwarten.

Dass allerdings nunmehr erneut die parlamentarische Debatte verschleppt werden soll, ist unerträglich und nicht hinnehmbar. Die Parlamentarier sind in Ausübung ihrer Pflichten zur religiösen Neutralität verpflichtet und müssen in erster Linie Respekt vor den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger zollen. Die Vision der Kirche – hier insbesondere die der Katholischen Kirche – von der viel beschworenen Heiligkeit des Lebens lässt sich lediglich vor dem Hintergrund der Art. 4, 140 GG „denken“ und gehört in einem säkularen Verfassungsstaat dem Reich der Mythen zugewiesen. Jedenfalls folgen aus den Zentraldogmen der Katholischen Kirche keine verbindlichen Handlungsanweisungen für die Parlamentarier, auch wenn in einschlägigen Kirchendokumenten und Lehrbriefen die Abgeordneten zum demokratischen „Ungehorsam“ aufgerufen werden. Selbstverständlich bleibt es den Abgeordneten überlassen, ihre „individuelle Gewissensentscheidung“ zu treffen; hiervon zu unterscheiden sind allerdings die grundrechtlichen Schutzverpflichtungen des Staates, an denen diese mitzuwirken haben. Von daher ist es mehr als bedenklich, wenn die Katholische Kirche kraft ihres vermeintlichen moralischen und ethischen Monopols meint, auf die Volksvertreter insgesamt Einfluss zu nehmen, mal ganz davon abgesehen, dass dies einer demokratischen Kultur abträglich ist.

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Was hat Herr Bosbach gegen meine Patientenverfügung?

Beitrag von Presse » 17.12.2008, 08:14

"Was hat Herr Bosbach gegen meine Patientenverfügung?"
Offener Brief eines Juristen über Gesetzgebung und Mündigkeit


Dresden (pts/16.12.2008/12:33) - Ist es notwendig, eine Patientenverfügung von einem Notar oder Hausarzt abzeichnen zu lassen, um sie rechtswirksam zu machen? JUDr. Heinrich Meyer-Götz sieht hier Gesprächsbedarf. In einem offenen Brief an den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach (CDU) schreibt er:

"Meine Patientenverfügung wurde von mir nach den Kriterien des Bundesgerichtshofes verfasst und ist ein wesentlicher Bestandteil meines grundgesetzlich geschützten Rechtes auf Selbstbestimmung. Ich bin ein erwachsener, berufserfahrener Mensch und weiß, was ich geschrieben habe. Warum soll ich mit dieser Patientenverfügung zum Notar oder meinem Hausarzt gehen müssen, damit dieses Verfügungsdokument rechtswirksam wird. Warum wollen Sie mich unmündig halten?

Natürlich darf ich nicht gezwungen werden eine Patientenverfügung zu verfassen. Wenn ich mich krankheitsbedingt jedoch mit dem behandelnden Krankenhausarzt nicht mehr verständigen kann, erwarte ich, dass entsprechend meiner schriftlichen Patientenverfügung verfahren wird.

Ich erwarte, dass gerade Sie als christlicher Abgeordneter meinen Patientenwunsch verstehen, wenn ich mich dem "Ratschluss Gottes" anvertraue und erwarte Ihre Unterstützung. Wenn Sie mir jedoch mein Selbstbestimmungsrecht nehmen wollen, werde ich vor dem Bundesverfassungsgericht für mein Grundrecht kämpfen. Lassen Sie uns deshalb über diese konkrete Verfügung sprechen und darüber, warum Sie diese Formulierungen ablehnen."

In Erinnerung an das schwere Sterben seiner Eltern, der Vater hatte ein Raucherbein und starb elendig an Kehlkopfkrebs, die Mutter erlitt drei Blutstürze und verstarb nach 30-jähriger Leidenszeit an der Böckschen Krankheit, hat Meyer-Götz seine Patientenverfügung verfasst. Der Kern seiner Verfügung lautet:

"Sofern ich außerstande bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich, nachdem ich mich über die medizinische Situation und die rechtliche Beurteilung eingehend informiert habe, dass die Anwendung lebensverlängernder Maßnahmen, insbesondere von Operationen, künstlicher Beatmung und Ernährung einschließlich der Magensonde und Aufrechterhaltung der Gehirntätigkeit unterbleiben soll, wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander festgestellt haben:

Dass ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozess befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder das Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde. Dass ich ohne Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins in einem Koma liege. Dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Dauerschädigung des Gehirns eintritt. Dass es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.

Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung."

Rückfragen an:
Stiftung VorsorgeDatenbank
Königstraße 5a
01097 Dresden
Tel: +49-(0)351-811 74 56
Fax: +49-(0)351-808 18 20
email: h.meyer-goetz@stiftung-vorsorgedatenbank.de

Web: http://www.stiftung-vorsorgedatenbank.de

Quelle: Pressetext Deutschland, 16.12.2008

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Zeitplan zu Patientenverfügungen geklärt

Beitrag von Presse » 18.12.2008, 07:41

Zeitplan zu Patientenverfügungen geklärt
Mittwoch, 17. Dezember 2008

Berlin – Abgeordnete von Union, Grünen, SPD und FDP haben ihren Gesetzentwurf zu Patientenverfügungen nun auch offiziell als Gruppenantrag in den Bundestag eingebracht. Wie es am Mittwoch nach der Sitzung des federführenden Bundestags-Rechtsausschusses hieß, soll das Thema voraussichtlich am 4. März bei einer Expertenanhörung erörtert werden. Zuvor steht voraussichtlich am 22. oder 23. Januar die Erste Lesung des Entwurfs an. ... (mehr)
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=34819

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