Ärzte sollten nicht länger schweigen!
Die Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) hat unlängst eine bemerkenswerte Aktion unter dem Tenor >>> „Ärzte sollen helfen dürfen“ <<< gestartet.
In diesem Zusammenhang stehend bekennen sich Mediziner und zahlreiche Prominente aus den verschiedenen Professionen zur Freiheit der Gewissensentscheidung und damit u.a. auch zur Freitodbegleitung eines schwersterkrankten Patienten unter bestimmten Voraussetzungen.
Über Jahrzehnte hinweg wurde mehr oder minder leidenschaftlich über das „würdevolle Sterben“ diskutiert. Dies nährte gelegentlich die Hoffnung, als würde eines der letzten großen Tabuthemen in den sog. bioethischen Hochdiskursen enttabuisiert.
Diese Hoffnung wurde spätestens seit dem 114. Deutschen Ärztetag, auf dem ein Verbot der ärztlichen Mitwirkung bei einem frei verantwortlichen Suizid eines schwersterkrankten und sterbenden Patienten in der ärztlichen Musterberufsordnung verabschiedet wurde, jäh getrübt, und zum allen Überfluss gesellte sich ein weiteres Problem zu der ohnehin schon mehr als fundamentalistisch anmutenden Debatte hinzu: Das „Ärzteparlament“ sah sich dazu berufen, über eine ethische Verbotsnorm in die individuelle Gewissensfreiheit ihrer Berufskollegen einzugreifen.
Angesichts dieser gravierenden Norm im ärztlichen Berufsrecht hätte es sich angeboten, dass allen voran die BÄK darauf drängt, in einem breiteren Rahmen die damit verbundenen (Rechts-)Fragen zu diskutieren und den bisherigen Sachstand mit allergrößter Sorgfalt zu sichten.
Dass dies nicht geschehen ist, ist mehr als bedauerlich und über die Gründe dieser „Verweigerungshaltung“ sollte nicht spekuliert werden, auch wenn es reizvoll erscheinen mag, darauf hinzuweisen, dass eine „Ethik“ nicht zu einem probaten „Herrschaftsmittel“ taugt, über die gleichsam ein gesamter Berufsstand an ein in der Diskussion befindliches „Arztethos“ gebunden werden soll.
Einzelne Ärztinnen und Ärzte getrauen sich in einer freiheitlichen Gesellschaft trotz ihrer Zugehörigkeit zu einem hoch stehenden Berufsstand, entgegen der insbesondere von der BÄK ausgegebenen ethischen Richtschnur und den damit prinzipiell möglichen berufsrechtlichen Sanktionen zu ihrer Gewissensentscheidung zu stehen und dies nötigt uns allen den gebotenen Respekt ab.
Die gebetsmühlenartig vorgetragene Rede von einem „wir in der Ärzteschaft“ verfängt nicht und Ärztinnen und Ärzte scheren im wahrsten Sinne des Wortes aus.
Ohne es beschönigen zu wollen: Freilich gibt es auch konkrete Adressaten, an die mittelbar die Botschaft gesendet wird, wonach es zunehmend unerträglich wird, dass eine Standesvertretung sich das exklusive (wenn auch verfassungsrechtlich fragwürdige) „Recht“ ausbedingt, über ein Ärzteparlament in die Gewissensfreiheit ihrer Kolleginnen und Kollegen einzugreifen. Nun messe ich persönlich dem damit verbundenen „demokratischen Argument“ nicht die Bedeutung zu, die vielleicht anderenorts erörtert wird, aber selbst wenn ich den Gedanken aufnehme, dann bliebe doch wohl nur die Möglichkeit offen, im Rahmen eines demokratisch legitimierten Verfahrensweges zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen von Wahlen und Abstimmungen den Versuch zu unternehmen, eine Kurskorrektur über den eingeschlagenen restriktiven Ethikkurs mit seinen Zwangsdekreten zu bewirken. Hier scheint eine Grundrechtseinschränkung bis hin zur partiellen Aufhebung der Gewissensfreiheit auf Zeit (!) akzeptabel zu sein und so gesehen setzen sich freilich die Verantwortlichen dem Risiko aus, künftig für ihr rechtsethisches Fehlverhalten bei der Novellierung des ärztlichen Berufsrechts dergestalt abgestraft zu werden, in dem diese nicht „wiedergewählt“ werden.
Nun – ein schwacher Trost, wie ich meine, denn immerhin wird den Ärztinnen und Ärzte zugemutet, für eine nicht ganz unerhebliche Zeit auf ihre Freiheit zur Gewissensbildung und –entscheidung qua erlassenem Zwangsdekret zu verzichten, obgleich es sich doch bei der Gewissensfreiheit zunächst um ein Grundrecht handelt, welches mit keinem Gesetzesvorbehalt versehen ist.
Angesichts solcher Fehlentwicklungen im Umgang mit hochrangigen Freiheitsrechten gerade der Ärzteschaft würde es sich denn auch anbieten, wenn – wie aktuell von mir in einer Pressemitteilung angeregt (vgl. dazu >>> http://www.openpr.de/news/657922/Sterbe ... alten.html <<<) – der Deutsche Ethikrat sich kurzfristig des Themas der ärztlichen Mitwirkung bei einem frei verantwortlichen Suizid annehmen würde.
Ferner würde es sich anbieten, wenn der Deutsche Ethikrat etwa die bei der BÄK angesiedelte Zentrale Ethikkommission mit in die öffentliche Plenarveranstaltung einbinden würde. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass zahlreiche Mitglieder eben dieses "hausinternen" Ethikrates durchaus Bedenken gegen den restriktiven Ethikkurs der BÄK hegen und sich die Frage stellt, warum die BÄK beharrlich auf ihrem ethisch fragwürdigen Standpunkt zur ärztlichen Suizidbeihilfe beharrt.
Die deutsche Ärzteschaft benötigt keine "lex Montgomery &. Co." und noch weniger eine allgemeinverbindliche Arztethik, die der individuellen Gewissensfreiheit einzelner ranghoher Ärztefunktionäre zu entspringen scheint.
Dies in einem öffentlichen Diskurs unter der Federführung etwa des Deutschen Ethikrates zu problematisieren, dürfte nicht nur sinnvoll, sondern in Anbetracht der Bedeutung der Problematik zwingend notwendig sein.
Allein eine offene Diskussion wird der Problematik gerecht und die derzeitige Verweigerungshaltung ranghoher Ärztefunktionäre, sich gegenüber einer solchen Diskussion abzuschotten, ist auf das Schärfste zu kritisieren. Es geht eben nicht „nur“ um interne Standesangelegenheiten, sondern um hochrangige Grundrechte sowohl der Ärzte als auch Patienten und die Standesvertretungen mögen sich daran erinnern, dass die Einräumung der Satzungsautonomie durchaus mit Voraussetzungen versehen worden sind, die auch einzuhalten sind – anders formuliert: Es gibt Grenzen, die zu beachten sind und die sich primär aus der Verfassung ergeben.
Und in diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass mehr Ärzte sich getrauen, von dem Recht ihrer individuellen Gewissensentscheidung Gebrauch zu machen und darauf drängen, dass zumindest eine intensive intraprofessionelle Debatte geführt wird.
Freilich gilt dies auch für die Mitglieder, die in der Zentralen Ethikkommission der BÄK tätig sind, denn ich äußere hier schlicht einmal den leisen Verdacht, dass wohl eine offizielle Stellungnahme dieser Kommission seitens der BÄK nicht gewünscht ist, würden doch die arztethischen Dilemmata ob so mancher abweichender Auffassung der Mitglieder mehr als nur offenbar werden.
Nun – wie oben angeklungen: „Ethik“ eignet sich nicht als probates Herrschaftsinstrument, mag auch die Versuchung für einige ethischen Überzeugungstäter groß sein!
Ärzte sollten nicht länger schweigen!
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