Freie Arztwahl auch für Heimbewohner?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gast

Freie Arztwahl auch für Heimbewohner?

Beitrag von Gast » 09.05.2004, 22:34

Mein Bruder befindet sich in einem Heim für Behinderte.
Das Heim weigert sich, mit ihm seinen langjährigen Zahnarzt aufzusuchen, obwohl der Zahnarzt lediglich 15 Autominuten entfernt ist. Es soll von mir als sein gesetzlicher Betreuer übernommen werden oder er wird nur von einem Zahnarzt behandelt, der ins Haus kommt.

Dieser Zahnarzt hat meinen Bruder schon einmal behandelt (ohne mein Einverständnis) und wollte ihm gleich einen Zahn ziehen, wegen einer angeblich tiefen Tasche im Zahnfleisch.

Der Tagessatz für dieses Heim beträgt 270 €, die gesamten Renten meines Bruders (ihm bleibt nur ein Barbetrag) verschlingt dieses Haus.

Bin ich verpflichtet, als Betreuer den Arztbesuch zu übernehmen oder kann ich auf eine Begleitung des Hauses bestehen zu seinem langjährigen Zahnarzt oder muss ich mich andernfalls damit einverstanden erklären, dass mein Bruder von dem Arzt behandelt wird, der ins Haus kommt?

Kann ein Zahnarzt überhaupt eine richtige Behandlung in einem Heim vornehmen, wie Zähne bohren, Zähne ziehen etc.?

Danke für eine Auskunft.
Renate Mueller

Berti
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Freie Arztwahl  für Heimbewohner? Ja!

Beitrag von Berti » 10.05.2004, 09:19

Hallo Renate,
Heimbewohner haben natürlich freie Arztwahl. Daher kann jeder Heimbewohner darauf bestehen, dass der Arzt seines Vertrauens in die medizinische Versorgung einbezogen wird. D.h. konkret, dass Hausbesuche der ausgewählten Ärzte (Zahnärzte) möglich sein müssen.
Allerdings ist es eine andere Frage, ob das Heim bzw. das Personal verpflichtet ist, die Bewohner zu einem frei gewählten Arzt (Zahnarzt) zu bringen und wieder zu holen. Das muss anhand des abgeschlossenen Heimvertrages geprüft werden. Gibt es im Vertragstext eine Formulierung, die die Wünsche auf Zuführung zu jedem ausgewählten Arzt stützen kann?
Die allein vom Heim ausgewählten Ärzte dürfen nur solche Patienten behandeln, die mit einer entsprechenden Behandlung einverstanden sind. Ist der Patient selbst nicht einwilligungsfähig, muss ggf. der Rechtliche Betreuer oder ein Bevollmächtigter entscheiden.
Ob eine zahnärztliche Versorgung im Heim selbst optimal erfolgen kann, müsste im Einzelfall geprüft werden. Sind solche Gerätschaften (z.B. Röntgengerät) zwingend erforderlich, die nur in der Praxis vorgehalten werden können, müsste wohl ein Transport zur Praxis erwogen werden.
Gruß Berti

Gast

Heimleitung & Heimaufsicht ansprechen

Beitrag von Gast » 11.05.2004, 11:00

Hi,

die gegebenen Infos kann man nur bestätigen. Um konkret weiter zu kommen, würde ich die Angelegenheit mit der Heimleitung erörtern und ggf. die Heimaufsicht einschalten (dieses Vorhaben könnte man im Gespräch mit der Heimleitung andeuten).

Mit freundlichen Grüßen
Robert

WernerSchell
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Recht auf Therapeutenwahl !

Beitrag von WernerSchell » 12.05.2004, 16:05

Recht auf Therapeutenwahl !

HeimbewohnerInnen haben grundsätzlich ein Recht auf freie Wahl des Therapeuten. Diese Auffassung vertrat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem vielbeachteten Urteil vom 08.04.1994 - 29 U 4431/93 - und unterstrich damit das Selbstbestimmungsrecht der HeimbewohnerInnen.

Team Werner Schell
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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Gast

Re: Freie Arztwahl auch für Heimbewohner?

Beitrag von Gast » 12.05.2004, 19:13

Vielen Dank für die Antworten.
Ich habe den Heimvertrag noch einmal gelesen, von ärztlicher Behandlung ist dort nichts angegeben.

Der Heimleiter hat mir schriftlich mitgeteilt, dass es nicht möglich ist, den Zahnarzttermin einzuhalten.
"Wir begleiten nur zu Arztbesuchen, wenn Ärzte aufgesucht werden, die für uns günstig zu erreichen bzw. die direkt ins Haus kommen.
Wir bitten Sie daher, diesen Termin mit Ihrem Bruder selbst wahrzunehmen."

Nun ist leider der Termin verstrichen, mein Bruder hat Zahnschmerzen, der Zahnarzt ist verärgert und ich wegen meiner Berufstätigkeit hatte nicht die Zeit, meinen Bruder zu begleiten.
Eine Kostenzusage für Arztfahrten hatte ich von der KK bereits vorgelegt.

Mit dem Hinweis auf das Gerichtsurteil und der Androhung der Heimaufsicht, werde ich das Heim noch einmal auffordern, mit meinem Bruder den Zahnarzt aufzusuchen.

Renate

Elfriede_Kehrer
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Re: Freie Arztwahl auch für Heimbewohner?

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 12.05.2004, 20:25

Hallo Renate,
das gleiche Problem habe ich mit einer Behinderteneinrichtung in Berlin.
Das Haus weigert sich auch, langjährige Ärzte der Bewohner aufzusuchen.
Ein Arzt kommt lediglich einmal wöchentlich ins Haus.
Wird ein Bewohner an den anderen Tagen krank,
wird ein Notarzt gerufen oder/und der Bewohner ins KH
eingeliefert.
Ich bin am kämpfen!
Kann dir nur raten, zumal du auch noch berufstätig bist,
dir das nicht gefallen zu lassen.
Gruß Elfriede
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

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