Begriff "Sterbehilfe" als Unwort kritisiert

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Begriff "Sterbehilfe" als Unwort kritisiert

Beitrag von Service » 03.12.2007, 07:04

Fachleute kritisieren Begriff "Sterbehilfe" als Unwort

Fachleute haben sich kritisch über die Verwendung des Begriffs "Sterbehilfe" geäußert. "Ich finde, das ist ein Unwort", sagte die Leiterin des Diakonischen Werks Hamburg, Annegrethe Stoltenberg, am Dienstagabend in der Hansestadt. Sterbebegleitung sei ein viel längerer Weg als nur der Moment des Todes. Auch Publizist Hermann Schreiber betonte, bei dem Wort werde zu viel "in einen Topf geworfen".

Weitere Informationen unter:
http://www.1000fragen.de/projekt/aktuel ... d=649&pn=0

Quelle: Newsletter der Aktion Mensch, 02. Dezember 2007

BtRecht
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Beitrag von BtRecht » 04.12.2007, 01:25

Der ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde erklärte zur passiven Sterbehilfe, der Respekt vor dem Nichtbehandlungswillen eines Patienten sei nicht Sterbehilfe. Jeder habe das Recht, ärztliche Hilfe zu verweigern.
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=30619

Der Begriff der passiven Sterbehilfe ist juristisch widersinnig, da jede ärztliche Behandlung ein Eingriff in das Grundrecht des Patienten auf körperliche Unversehrtheit ist, auch wenn die Behandlung medizinisch angezeigt ist und sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird (vgl. BVerfG NJW 2002, 206, 207). Dieser Eingriff ist allerdings dann gerechtfertigt, wenn der Patient zustimmt oder der Eingriff dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht, es also anzunehmen ist, dass der Patient der Behandlung zugestimmt hätte (BGH XII ZB 2/03).

Aus dem BGH Beschluss 1 StR 357/94:

Im vorliegenden Fall hatte der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt. Frau Sch. war - abgesehen von der Notwendigkeit künstlicher Ernährung - lebensfähig: tatsächlich hat sie nach dem Entschluß der Angeklagten, die künstliche Ernährung einzustellen, noch über neun Monate - bis 29. Dezember 1993 - gelebt. Eine Sterbehilfe im eigentlichen Sinn lag deshalb nicht vor. Vielmehr handelte es sich um den Abbruch einer einzelnen lebenserhaltenden Maßnahme. Auch wenn dieser Vorgang in der Literatur bereits als Sterbehilfe im weiteren Sinne ("Hilfe zum Sterben"; Eser aaO Rdn. 21 m.w.Nachw.) bezeichnet wird und ein solcher Behandlungsabbruch bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck seiner allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) grundsätzlich anzuerkennen ist (Laufs-Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 132 Rdn. 28 ), sind doch an die Annahme des mutmaßlichen Willens erhöhte Anforderungen insbesondere im Vergleich zur Sterbehilfe im eigentlichen Sinne zu stellen (....) im Interesse des Schutzes menschlichen Lebens.

Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Patienten im Tatzeitpunkt, wie er sich nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände darstellt. Hierbei sind frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Kranken ebenso zu berücksichtigen wie seine religiöse Überzeugung, seine sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen (vgl. BGHSt 35, 246, 249). Objektive Kriterien, insbesondere die Beurteilung einer Maßnahme als gemeinhin "vernünftig" oder "normal" sowie den Interessen eines verständigen Patienten üblicherweise entsprechend, haben keine eigenständige Bedeutung; sie können lediglich Anhaltspunkte für die Ermittlung des individuellen hypothetischen Willens sein.

http://www.uni-koeln.de/jur-fak/inststa ... ng/bgh.pdf

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