Neue Leistungen erfordern zusätzliche Finanzmittel

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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BÄK

Neue Leistungen erfordern zusätzliche Finanzmittel

Beitrag von BÄK » 26.05.2006, 12:41

109. Deutscher Ärztetag beendet: - Zusammenfassung - Ärzte:
Neue Leistungen erfordern zusätzliche Finanzmittel


Der Deutsche Ärztetag fordert einen finanziellen Ausgleich, bevor weitere Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. "Eine Neuaufnahme von Leistungen kann nur erfolgen, wenn das erforderliche Finanzvolumen von den Kassen zusätzlich zur bisherigen befreienden Gesamtvergütung eingestellt wird", erklärten die Delegierten des 109. Deutschen Ärztetages in Magdeburg. Schon jetzt würden durch Honorarverteilungsmaßstab und Regelleistungsversorgung die Defizite einer unterfinanzierten Betreuung im ambulanten Sektor für alle deutlich. Dies schlage sich beispielsweise darin nieder, dass je nach Fachgruppe ca. 30 Prozent der erforderlichen ambulanten Vergütung nicht bezahlt werde. "Dadurch erfolgt immer mehr eine Versorgung reduziert auf das Nötigste", so der Ärztetag.

Darüber hinaus forderte der Ärztetag den Gesetzgeber auf, unverzüglich die finanziellen Verluste in der ambulanten Versorgung auszugleichen, die durch die so genannten Hartz IV- Gesetze entstanden sind.
Ärztetag kritisiert Gesetzentwurf zum Versicherungsvertragsrecht
Der Deutsche Ärztetag hat die im Gesetzentwurf zur Reform des Versicherungsvertragsrechtes vorgesehenen Eingriffsrechte privater Krankenversicherer in das Patient-Arzt-Verhältnis entschieden abgelehnt. Mit den geplanten Gesetzesregelungen werde das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten in unzumutbarer Weise eingeschränkt, Patientenrechte untergraben und die freie Arztwahl eingeschränkt, kritisierten die Ärztevertreter. Der Gesetzentwurf soll den Versicherern ermöglichen, weitere "zusätzliche Dienstleistungen" anzubieten, wie die Beratung über Leistungen und über Anbieter von Leistungen. Zudem soll der Versicherte bei Abtretung seiner Ansprüche gegenüber Ärzten und anderen Leistungserbringern verpflichtet werden, alle Befunde offen zu legen.
Wenn den Versicherern die Entscheidung darüber übertragen werde, wann Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstiger Leistungen "in einem angemessenen Verhältnis" zu den erbrachten Leistungen stehe, werde das Wirtschaftlichkeitsgebot in die privatärztliche Behandlung eingeführt, heißt es im Ärztetagsbeschluss.

Bürokratie bei Disease-Management-Programmen beseitigen
Zur Verbesserung der strukturierten Behandlungsprogramme für chronisch Kranke, den so genannnten Disease-Management-Programmen (DMP), hat der 109. Deutsche Ärztetag eine Reduzierung des Dokumentationsaufwandes gefordert. Bei der Steuerung der Programme komme es zu technischen und organisatorischen Schwierigkeiten, die zu einer enormen Steigerung der Bürokratie und damit zu einer massiven Zusatzbelastung für Ärztinnen und Ärzte führe. Zudem sollten weitere DMPs erst nach methodisch valider Feststellung von Versorgungsdefiziten und anschließender Pilotierung entwickelt werden.

Weibliche Genitalverstümmelung ächten
Der Deutsche Ärztetag unterstützt ausdrücklich die nationalen und internationalen Initiativen zur Ächtung und Verhinderung der weiblichen Genitalverstümmelung. Die Delegierten begrüßten die Empfehlungen der Bundesärztekammer zum Umgang mit Patientinnen mit weiblicher Genitalverstümmelung. Alle medizinischen Fakultäten seien aufgerufen, das Thema "Beschneidung" in die Ausbildung der Studierenden zu integrieren. Empfehlungen der Bundesärztekammer sollten als fester Bestandteil in die Weiterbildungsordnung sowie in die ärztliche Fortbildung übernommen werden, forderte das Ärzteparlament.

Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützen
Der 109. Deutsche Ärztetag hat die Landes- und Bundesregierungen aufgefordert, Maßnahmen zu entwickeln, um Kindern sozial schwacher Familien die Teilnahme an kostenpflichtigen schulischen und außerschulischen Arbeits- und Sportgemeinschaften zu ermöglichen. Aus finanziellen Gründen seien Kinder aus sozial schwachen Familien häufig von der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ausgeschlossen. Dadurch sei die Förderung für präventives Verhalten durch Sport oder die Entwicklung von Gemeinschaftssinn bei diesen Kindern nicht in ausreichendem Maße gegeben.

Gesundheitsförderung an Schulen stärken
Gesundheitsförderung soll Teil des Unterrichts an allen Schulen in Deutschland werden. Dafür hat sich der 109. Deutsche Ärztetag ausgesprochen. Die Schulen als zentrale Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen sollten zudem so gesundheitsförderlich wie möglich gestaltet werden, heißt es in dem Beschluss des Ärztetages. Viele chronische Krankheiten würden bei Kindern und Jugendlichen aus deren Gesundheitsverhalten resultieren. Übergewicht und Bewegungsmangel seien oftmals die Ursachen für Diabetes oder Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie des Stütz- und Bewegungsapparates. Die Betroffenen kämen besonders häufig aus ärmeren sozialen Schichten. Mit der schulischen Gesundheitsförderung würde man Kinder und Jugendliche aller Bevölkerungsgruppen erreichen, so das Ärzteparlament. Die Ärztinnen und Ärzte kündigten ihre Bereitschaft an, bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Schulunterrichts im Bereich Gesundheitsförderung mitzuwirken.
Die Ärztekammer Nordrhein hat bereits 1995 mit dem Aufbau des ärztlich begleiteten Programms "Gesund macht Schule" begonnen. In einigen anderen Landesärztekammern bestehen vergleichbare Programme.
Medizinische Versorgung für Menschen ohne Aufenthaltsstatus
In Deutschland leben 500.000 bis 1.000.000 Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Ärztinnen und Ärzte sind im Alltag mit zahlreichen konkreten Gesundheitsproblemen dieser Menschen konfrontiert. Ihre medizinische Versorgung findet in einer rechtlichen und politischen Grauzone statt. Daher forderte der 109. Deutsche Ärztetag die politisch Verantwortlichen heute in Magdeburg auf, für praktikable Lösungen zu sorgen, die das Menschenrecht auf medizinische Grundversorgung wahren. Die Meldepflicht an die Ausländerbehörde müsse im Falle ärztlicher Behandlung aufgehoben werden, da eine solche Meldung in der Regel zu einer Abschiebung der Patienten ohne Aufenthaltsstatus führen würde. Aus Angst vor einer Abschiebung würden diese Patienten daher Ärzte oder Krankenhäuser zu spät oder gar nicht aufsuchen, wodurch es zu schweren Komplikationen kommen könne. Auch dürfe die ärztliche Schweigepflicht nicht auf dem Umweg über administrative Stellen wie das Sozialamt unterlaufen werden, da sie ein unverzichtbarer Bestandteil ärztlicher Tätigkeit sei und auch bei Menschen ohne Aufenthaltsstatus gewährleistet sein müsse.

Vergabe von Brechmitteln unvertretbar
Der 109. Deutsche Ärztetag in Magdeburg weist darauf hin, dass die Vergabe von Brechmitteln an verdächtigte Drogendealer zum Zwecke der Beweismittelsicherung ohne Zustimmung des Betroffenen ärztlich nicht zu vertreten ist. Das gewaltsame Einbringen von Brechmitteln mittels einer Magensonde stelle ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko dar. Ärztinnen und Ärzte dürften nicht gezwungen werden, direkt oder indirekt an derartigen Maßnahmen mitzuwirken.

Schutz vor Tabakrauch am Arbeitsplatz
Der 109. Deutsche Ärztetag hat einen wirksamen Schutz vor Passivrauch am Arbeitsplatz auch für die Beschäftigten in medizinischen und gastronomischen Einrichtungen gefordert. Für Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr dürfe keine Ausnahmeregelung, wie sie bisher noch in der Arbeitsstätten-Verordnung eingeräumt wird, gelten. Die Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Tabakrauch müsse vom Gesetzgeber konsequenter überprüft werden, forderte das Ärzteparlament.

Zeitdruck bei Einführung der Gesundheitskarte herausnehmen
Der Zeitdruck bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte darf nicht dazu führen, dass wichtige Forderungen der Ärzteschaft nach einer sicheren und funktionsfähigen Telematik im Gesundheitswesen vernachlässigt werden. Das forderte der 109. Deutsche Ärztetag heute in Magdeburg. Die unrealistische und für den Erfolg des gesamten Projektes kontraproduktive Zeitplanung müsse angepasst werden, da die Schaffung einer sicheren und vertrauenswürdigen IT-Infrastruktur für das Gesundheitswesen angemessene Test-, Lern- und Einführungsphasen für alle Beteiligten erfordere. Die Delegierten betonten, dass auch mit der elektronischen Gesundheitskarte der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt jederzeit gewährleistet sein müsse, so dass sich Patienten auch weiterhin vertrauensvoll ihrem Arzt offenbaren könnten. Zudem müsse sichergestellt werden, dass die erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwendungen der Ärzte und Leistungserbringer angemessen vergütet werden. Die durch die elektronische Gesundheitskarte erzielten Einsparungen müssten der Patientenversorgung zugute kommen.

Einheitliches Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung
Der 109. Deutsche Ärztetag hat Bund und Länder aufgerufen, sich umfassend auf eine mögliche, durch das H5N1-Vogelgrippevirus verursachte Influenzapandemie vorzubereiten. Dazu gehöre vor allem die Bevorratung mit antiviralen Arzneimitteln und die kurzfristige Verfügbarkeit von Impfstoffen für die Bevölkerung, heißt es in dem Ärztetagsbeschluss. Wichtig sei aber auch ein koordiniertes, zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmtes Vorgehen bei der Pandemiebekämpfung. Dazu müssten die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar festgelegt werden. Bund und Länder sollten ihr Handeln in einer gemeinsamen Koordinierungsstelle abstimmen. Auch die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkassen sei nach wie vor offen, kritisierte der Ärztetag. Die Verantwortlichen aller Ebenen in Bund und Ländern forderte der Ärztetag auf, die Voraussetzungen für eine bessere Katastrophenvorsorge zu schaffen.

Quelle: Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 26.05.2006

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