58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell


Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 31.08.2003, 16:51

MS. schrieb:
(1) Die Zahlen habe ich gar nicht angezweifelt.
(2) Es geht um die Schuldfrage. Ein Arzt kann vor der Behandlung die individuelle Verträglichkeit des Patienten nicht kennen. Das es in der Verträglichkeit und Wirksamkeit individuell große Unterschiede gibt ist wissenschaftlich belegt. Lesen hilft manchmal weiter


Hallo MS,
(1) wenn die Zahlen nicht bezweifelt werden, ist schon viel gewonnen. Es muss jetzt darum gehen, Folgerungen zu ziehen, und zwar schnell - bekanntlich sterben vermeidbar (!) Menschen.
(2) Die Studienergebnisse haben hervorgebracht, dass die medikamentöse Fehlversorgung in erster Linie durch ärztliches Verschulden zustande gekommen ist. So wurde z.B. unzureichend Diagnostik betrieben und demzufolge Kontraindikationen nicht gesehen. Soweit die Diagnostik durchgeführt war, wurden aufgrund unzureichender Kenntnisse über die pharmakologischen Wirkmechanismen gleichwohl Medikamente verabreicht, die hätten außer Betracht bleiben müssen.
Die hier in Rede stehenden Ergebnisse haben nichts oder nur ganz wenig damit zu tun, dass Ärzte unvermeidbar eine ungünstige Wechselwirkung nicht erkennen konnten. Ärzte sollten sich von der Vorstellung lösen, dass die meisten Krankheiten mit Medikamenten wirklich geheilt oder gelindert werden können - auch wenn die Pharmaindustrie dies suggeriert. Wenn wir das Geld, das unnötig und schädlich in Arzneimitteltherapien investieren, für mehr Zuwendung angelegt würden, wären wir in der Gesundheitsversorgung weiter!
Gruß Berti

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 31.08.2003, 22:09

Diese Rückschlüsse werden von den meisten Experten bezweifelt. Wie oben dargestellt sind deutsche Ärzte im Ausland sehr willkommen. Dort sind solche Anschuldigungen kein Problem. Je nachdem, was bewiesen werden soll, wird entweder zu viel oder zu wenig diagnostiziert. Das behaupten immer "Experten", die noch nie in der praktischen Medizin tätig waren. Solche Expertisen sind unglaubwürdig.
Da gab es vor kurzem die Anschuldigung in Deutschland würden pro Jahr 40.000 Amputationen wegen Zuckerschäden durchgeführt. Da haben solche "Experten" die Abrechnungsstatistik der Kliniken benutzt. Allerdings werden unter der betreffenden Abrechnungsziffer nicht nur Amputationen, sondern jegliche chirurgische Maßnahmen an den Extremitäten abgerechnet. Bei genauer Betrachtungsweise waren nur die Hälfte der Maßnahmen Amputationen im eigentlichen Sinn. Diese "Experten" hatten von der Praxis keine Ahnung.
Vor Jahren wurde behauptet, in Deutschland sei die Versorgung der Frauen mit Brustkrebs viel schlechter als in den skandinavischen Ländern. Grundlage war die Auswertung von Todesursachenstatistiken durch "Experten". Bei genauen Hinsehen hat sich gezeigt, daß nach diesen Zahlen mehr Frauen an Brustkrebs gestorben wären, als überhaupt im Krebsregister erfasst waren. Eine genaue Analyse - damals im Lancet veröffentlicht - hat gezeigt, daß die Versorgung in Deutschland nicht schlechter ist, als in den skandinavischen Ländern.  Das hat aber nie die Öffentlichkeit erreicht.

Warum??  

Gast

Galenik & die Wirkung von Medikamenten

Beitrag von Gast » 01.09.2003, 11:12

An M.S.:

Wie es z.B. zu Fehlern in der Medikamentenversorgung kommen kann, zeigt der soeben in der Rubrik "tagesaktuelle Mitteilungen" eingestellte Bericht "Arzneimittelsicherheit bei „Teilverordnungen“ (siehe unten). Werden z.B. die "Einschnitte in die Galenik" nicht beachtet, kann der verordnende Arzt erheblichen Schaden anrichten (weil er mit der Pharmakologie nicht ausreichend vertraut ist).

Dirk


Forumsbericht vom 1.9.2003:

Einschnitte in die Galenik können die Wirkung verändern
Tabletten zu teilen ist oft eine halbe Sache
von Matthias Bastigkeit

„Abends eine halbe Tablette“ – Ärzte, die ein Medikament auf diese Weise verordnen, sollten Aspekte der Dosierungsgenauigkeit sowie galenische Besonderheiten beachten

28.08.03 - Die Arzneimittelsicherheit bei „Teilverordnungen“ ist nur dann gewährleistet, wenn die geteilte Arzneiform den Wirkstoff genauso schnell und genauso quantitativ freisetzen wie die unversehrte Tablette oder Kapsel.
Ob sich eine Tablette teilen lässt, hängt von der Zusammensetzung, von der Art des Presslings, von der Bruchkerbe und von der erwünschten Freisetzungsgeschwindigkeit ab.

Weiter unter
http://www.aerztlichepraxis.de/db/shown ... /news.html

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 01.09.2003, 12:16

MS. schrieb u.a.
(1) Diese Rückschlüsse werden von den meisten Experten bezweifelt. Wie oben dargestellt sind deutsche Ärzte im Ausland sehr willkommen. Dort sind solche Anschuldigungen kein Problem. Je nachdem, was bewiesen werden soll, wird entweder zu viel oder zu wenig diagnostiziert. …
(2) Da gab es vor kurzem die Anschuldigung in Deutschland würden pro Jahr 40.000 Amputationen wegen Zuckerschäden durchgeführt. …
(3) … Brustkrebs ….
Dirk schrieb zu
(4) Galenik & die Wirkung von Medikamenten.

Hallo M.S. / Dirk,
(1) ich denke, dass ein Pharmakologe, der eine Studie nach seriösen Kriterien erstellt hat, zunächst einmal Anspruch auf Anerkennung hat. Mir ist keine ernsthafte Gegenmeinung, die die Ergebnisse von Prof. Frölich auch annähernd infrage stellen könnte, bekannt geworden. Es wäre interessiert zu wissen, wer hat mit welchen Argumenten die Feststellungen Frölichs angezweifelt.
Dass in Deutschland ausgebildete Ärzte im Ausland gut unterkommen bzw. willkommen sind, wird nicht infrage gestellt. Dies aber mit der jetzt vorgelegten Studie in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, erscheint mir abwegig.
(2) Über die hohe Zahl der vermeidbaren Fuß – Amputationen bei Diabetikern wurde im hiesigen Forum häufiger diskutiert. Leider sind einige dieser Texte durch einen Schaden bei der Firma Strato, Provider dieser Homepage, zerstört worden. Selbst wenn es keine 40.000 Amputationen sind, sondern nur die Hälfte, nämlich 20.000, ist das zuviel und nicht hinnehmbar. Ich denke, dass die Berichte über die Amputationen grundsätzlich nicht infrage gestellt werden können. Wenn jede Seiteaber für sich beansprucht, die besseren Experten zu haben, lösen wir das Problem nicht.
In einer Stellungnahme der Universität München am 27.Feb.2002 (siehe archiviertes Forum) heißt es u.a.:
„Die immer wieder beklagte zu hohe Zahl von Amputationen in Deutschland lässt sich mit Sicherheit deutlich reduzieren.“
Damit ist unabhängig von der Zahlendiskussion das Problem dem Grunde nach bestätigt!
(3) Zu „Brustkrebs“ gibt es in diesem Forum umfangreiche Texte. Weiteres kann ich dazu nichts beitragen.
(4) Danke Dirk für Deine ergänzenden Hinweise. Stimme Dir zu!
Gruß Berti

Axel_E._Schmidt
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Re: 58.000 Tote/Jahr durch Medikamente?

Beitrag von Axel_E._Schmidt » 01.09.2003, 18:26

Sehr geehrte Frau Meister,
Hallo Berti, M. S., Dirk,

das Problem ist unstreitig, daß die Versorgung als verbesserungswürdig erachtet werden kann, und daß hierfür stimmige Zahlenangaben hilfreich sein können. Streitig ist, in welche Richtung die Verbesserung gehen und mit welchem Aufwand dies geschehen soll. Die Arzneimitteltherapie ist seit alters her Teil der (ärztlichen) Zuwendung. Sie wirkt nicht nur nach pharmakologischen, sondern auch nach psychosozialen Kriterien. Eine die Heilswartung der Allgemeinheit ausschließende Betrachtung wird dem Problem nicht gerecht. Die Frage ist, ob durch eine verminderte Arzneimitteltherapie per se die Zahl der unerwünschten Wirkungen von (ärztlicher) Zuwendung abnimmt.

Die Diskussion kann m. E. nur dann öffentlich bzw. seriös geführt werden, wenn Versorgungsziele und -wege (unerwünschte u n d erwünschte Wirkungen; ich wiederhohle mich) einschließlich der hierfür benötigten Mittel - im Kleinen wie im Großen - im Soll und im Ist beziffert werden. Die Teilnehmer wie die Umsetzer müssen ein Gefühl für das Verhältnis von Erfolg zu Mißerfolg bei jeweils bestimmten Aufwendungen bekommen, nicht für den Mißerfolg alleine, sonst kommen wir nicht weiter.
Ein unrealistisches Qualitätsverbesserungsansinnen allein ("Medikamententote/Jahr allein sollen Null sein") ist kein brauchbares Ziel.

Gruß! Axel Eberhard Schmidt

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 06.09.2003, 11:04

Prof. Jürgen Frölichs Hochrechnung erregt Mediziner-Gemüter
58 000 Pillen-Tote: Zahl seriös oder fiktiv?

von Rüdiger Mayer

Jahr für Jahr sterben in Deutschland allein auf den internistischen Stationen der Krankenhäuser 57 000 Menschen an unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE). Dies behauptet zumindest Prof. Jürgen Frölich von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Etwa 28 000 Medikamenten-assoziierte Todesfälle hält der Klinische Pharmakologe für „potenziell vermeidbar“.
02.09.03 - Stimmen Frölichs Zahlen, würde dies bedeuten: In Deutschland kämen Jahr für Jahr mehr Menschen durch UAE ums Leben als durch Verkehrsunfälle und Suizide zusammengerechnet.
Die Komplexität heutiger Therapieregimes macht es nach Ansicht Frölichs für Ärzte immer schwieriger, mögliche Interaktionen zu erkennen oder UAE zu vermeiden: „Es ist keine Schlamperei, sondern schlichtweg Überforderung.“ In den meisten Fällen würden Risikokonstellationen nicht erkannt.
….
Weiter unter
http://www.aerztlichepraxis.de/db/shown ... /news.html

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 13.09.2003, 13:33

Dass über Tote durch Medikamente nicht nur geisterhaft diskutiert werden muss, ergibt sich aus einem Bericht der Rheinischen Post vom 13.9.2003.
In diesem Bericht wird über einen ungeklärten Todesfall in der Kardiologie der Universitätsklinik Düsseldorf berichtet. Die Staatsanwalt ermittelt. Es wird geprüft, ob der verantwortliche Arzt bei der Dosierung eines Medikaments einen tödlichen Fehler gemacht hat.

Nobi

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 13.09.2003, 16:50

Da ergibt sich die Frage, ob der Patient das Medikament schlecht verstoffwechselt hat. Das kann der Arzt ja jetzt durch das neue Testeverfahren eindeutuig nachweisen.

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 13.09.2003, 20:32

Es geht hier nicht um eine ungünstige Verstoffwechselung mit dem Ergebnis, dass der Ablauf letztlich schicksalshaft war.
Dem Arzt wird klar ein Dosierungsfehler vorgehalten. Das kann man nicht verniedlichen!

Nobi

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 20.09.2003, 11:19

Siehe auch die Texteinstellungen in diesem Forum unter der Titelung
----> Jeder vierte Unfall unter Arzneieinfluss

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 20.09.2003, 13:54

Zitat:
Dem Arzt wird klar ein Dosierungsfehler vorgehalten. Das kann man nicht verniedlichen!

Wie soll der Arzt denn vorher die richtige Dosierung wissen, wenn er die individuelle Reaktion des Patienten gar nicht kennt.??
Wie gesagt ein neues Testverfahren dafür ist in der Erprobung. Wäre es nicht nötig, hätte man es nicht entwickelt.

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 20.09.2003, 16:50

M.S. schrieb:
Wie soll der Arzt denn vorher die richtige Dosierung wissen, wenn er die individuelle Reaktion des Patienten gar nicht kennt?? Wie gesagt ein neues Testverfahren dafür ist in der Erprobung. Wäre es nicht nötig, hätte man es nicht entwickelt.

Es kann natürlich in Ausnahmefällen zu nicht vorhersehbaren Patientenreaktionen kommen. Das will ich nicht ausschließen. Aber grundsätzlich muss sich der Arzt vorher ausreichend Informationen darüber verschaffen, was er wem mit welcher Dosierung verschreibt. Nebenwirkungen und ungünstige Reaktionen müssen geprüft und bedacht werden. Ggf. muss sich der Arzt beim Service-Center der "Roten Liste" oder an anderer Stelle beraten lassen. Ohne Klarheit muss man ggf. auf eine Verschreibung verzichten. Man kann auch z.B. in einer nicht eindeutigen Behandlungssituation einschleichend beginnen usw. usw.
Also - es gibt keinen Freibrief für die Ärzteschaft! Ärzte wollen doch die "großen Meister" mit entsprechender Honorierung sein - dann müssen sie sich auch bei der Medikation an diesem Anspruch messen lassen!

Nobi

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 22.09.2003, 20:57

Durch diese neuen Erkenntnisse hat sich eben herausgestellt, daß die in den Fachinformationen angegebenen Dosierungen in vielen Fällen falsch sind. Verordnet der Arzt nach diesen Vorschriften, so liegt er falsch, obwohl er die Vorschriften beachtet. Deshalb wurde ja gerade dieses Testverfahren entwickelt, um bei Dosisfindungsstudien Irrtümer zu vermeiden. Diesen Beitrag habe ich in diesem Forum schon veröffentlicht.

Gast

Re: 58.000/Jahr Tote durch Medikamente?

Beitrag von Gast » 22.09.2003, 20:59

Die rote Liste hilft da auch nicht weiter.

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