Sterbehilfe: große Unsicherheit - Thesen

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

Gast

Zum Sterben in die Schweiz

Beitrag von Gast » 11.08.2004, 10:55

Zum Sterben in die Schweiz - Unterstützung auch ohne ärztliche Betreuung

Von Sabine Dobel /MDZ vom 10.8.2004:

<< Zürich/dpa. Die meisten Touristen kommen wegen der schneebedeckten Berge und der klaren Seen, um sich zu erholen und neue Kraft zu schöpfen. Doch immer mehr Menschen reisen auch in Schweiz, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Im vergangenen Jahr ließen sich schätzungsweise 260 Menschen beim Sterben helfen. Allein in einer von der Organisation Dignitas angemieteten Wohnung in Zürich starben laut Staatsanwaltschaft 95 Menschen, 93 davon aus dem Ausland. Drei Jahre zuvor waren es den Angaben zufolge nur 2 Ausländer. "Es wird immer mehr", heißt es übereinstimmend bei Sterbehelfern, Polizei und Justiz.
Als einziges Land der Welt erlaubt die Schweiz eine Hilfe zum Selbstmord auch ohne ärztliche Betreuung. Dies geht auf ein Gesetz aus den 30er Jahren zurück. Die meisten Sterbehelfer sitzen in Zürich, es gibt sie aber auch in Bern und neuerdings im Kanton Aargau. Ihre Arbeitsweise und die Messlatte für die Schwere der Krankheit, bei der sie für einen Sterbewilligen tätig werden, ist sehr unterschiedlich.

Früher sei es tatsächlich nur um Sterbehilfe am Ende des Lebens gegangen, sagt der Zürcher Staatsanwalt Andreas Brunner. "Heute sind das zum Teil auch Leute, die noch Monate, Jahre oder vielleicht gar Jahrzehnte leben könnten." Die Begleitung besteht teils in einem Gespräch mit dem Sterbehelfer und einem mit dem Arzt, der prüft, ob die Krankheit wirklich unheilbar ist - spätestens tags darauf gehe es bei den angereisten Ausländern ans Sterben. ...

Ein Großteil der Sterbewilligen kommt aus Deutschland, sie reisen aber auch aus der Ferne an. "Wer diesen Weg gehen will, der kommt auch von der anderen Seite des Erdballs", sagt ein Dignitas- Mitarbeiter. Mit der Presse will er nicht sprechen. "Es gibt so viele Menschen, die leiden und meine Hilfe brauchen - das ist wichtiger."

Hilfe zum Suizid erhalten bei Dignitas nur Mitglieder. Die Aufnahme kostet laut Internet-Seite 100 Franken oder 76 Euro, die jährliche Gebühr 50 Franken (38 Euro). Dignitas verabreicht ein Schlafmittel, ein "schnell und völlig schmerzlos wirkendes Barbiturat", wie es auf der Internet-Seite heißt. Dieses versetze den Patienten in einen Schlaf, der "absolut schmerzlos und ruhig in den Tod übergeht". Der Kranke muss das Mittel aber selbst einnehmen. ...

"Bei Depression und jeder anderen psychischen Störung ist Beihilfe zum Suizid absolut kontraindiziert - denn das ist behandelbar", kritisiert der gerade ausgeschiedene Präsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), Werner Stauffacher. Die SAMW akzeptiert Beihilfe zum Suizid nur in Einzelfällen, in denen der Patient kurz vor dem Tod steht und schwer leidet.

Der Kanton Zürich will dem Problem laut Staatsanwalt Brunner nun mit einem kantonalen Gesetz zu Leibe rücken, das unter anderem Qualifikationskriterien für Sterbehelfer und vor dem Schritt zum Suizid eine längere Begleitung bis zu mehreren Monaten vorsehen soll. Damit würde der Zustrom aus dem Ausland von selbst rasch zurückgehen, meint Brunner. ...

Warum gerade Zürich zur Hochburg der Sterbehilfe wurde, kann niemand recht erklären. "Für uns ist das eine große Arbeitsbelastung", sagt Polizeisprecherin Nicole Fix. Denn bei jedem Todesfall läuft die gesamte polizeiliche Maschinerie durch, ein Team aus Kripobeamten, Gerichtsmediziner und Untersuchungsrichter rückt an, um den Fall zu untersuchen. Die Polizei legte Dignitas deshalb nahe: "Schaut, dass die Todesfälle wenigstens tagsüber passieren."»

Es ist nicht ausgeschlossen und sogar naheliegend, dass sich die Aktivitäten zur Freitodhilfe bald auch auf Deutschland ausweiten werden, wo es überhaupt keine gesetzlichen Regelungen dazu gibt, also auch keine Strafbarkeit vorliegt.

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 10.8.2004

Gast

Schweiz - Sterbehilfe für psychisch Kranke

Beitrag von Gast » 17.11.2004, 10:59

Schweizer Sterbehilfeorganisation hilft psychisch Kranken beim Suizid
Vereinigung Exit kündigt neuen Kurs an / Meinungswechsel in der Ärzteschaft?

ZÜRICH (fst). Die umstrittene Schweizer Sterbehilfeorganisation Exit hat mitgeteilt, sie wolle auch psychisch Kranken künftig Sterbehilfe leisten.

Damit hebt die Organisation, die nach eigenen Angaben etwa 50 000 Mitglieder in der Schweiz hat, ein Moratorium auf, das sich Exit im Jahr 1999 auferlegt hatte. Seitdem leistete die Organisation keine "Freitodhilfe" mehr für psychisch Kranke.

Im vergangenen Jahr beauftragte Exit Ärzte und Juristen mit einem Gutachten zur Sterbehilfe bei psychisch Kranken. In der Expertise heißt es, meistens stehe der Suizidwunsch bei diesen Menschen "in einem kausalen Zusammenhang mit ihrer psychischen Krankheit, was einen begleiteten Suizid ausschließt", berichtet Andreas Blum, Vorstandsmitglied von Exit. Es gebe aber Fälle, bei denen "der Wunsch eines psychisch Kranken (...) als Willensentscheidung eines urteilsfähigen Menschen zu qualifizieren ist".
....
Weiter unter
http://www.aerztezeitung.de/docs/2004/1 ... terbehilfe

Gast

Sterbehilfe in der Schweiz und den Niederlanden

Beitrag von Gast » 09.12.2004, 09:03

Sterbehilfe in der Schweiz und den Niederlanden

ZÜRICH. Eine Schweizer Klinik ist abermals ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, nachdem bekannt wurde, dass eine 65jährige unheilbar kranke Patientin aus Großbritannien in die Schweiz gereist war, um sich dort mit Hilfe von medizinischem Fachpersonal selbst das Leben zu nehmen. Kritiker sprechen von „Selbstmord Tourismus“. Gleichzeitig wurde bekannt, dass eine Klinik in Holland damit begonnen hat, unheilbar kranke und schwer behinderte Babys zu töten, sollten die Eltern damit einverstanden sein. Das hat die ethische Diskussion über das Thema aktiver Sterbehilfe in Europa erneut aufleben lassen

Weiter unter
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=18466

Gast

Trend - Selbsttötung unter Anleitung

Beitrag von Gast » 11.12.2004, 11:17

Zuerich sehen und sterben: Trend geht zum selber morden unter Anleitung

Zuerich (ALfA). Eine 65jaehrige Patientin aus Grossbritannien ist gemeinsam mit ihrem Mann nach Zuerich gereist und hat dort in einer von der Organisation "Dignitas" betriebenen Klinik mit Hilfe des medizinischen Fachpersonals Selbstmord begangen. Das meldet das "Deutsche Aerzteblatt" (Online-Ausgabe vom 7. Dezember 2004). Zuvor haette ein britisches Gericht der unheilbar kranken Frau die Reise erlaubt. Die "Beihilfe zum Selbstmord" steht in Grossbritannien unter Strafe und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren geahndet werden. Wie das "Deutsche Aerzteblatt" weiter berichtet, sind in der Vergangenheit mindestens 22 Patienten von Grossbritannien in die Schweiz gereist, um sich dort mit Unterstuetzung von Aerzten und Pflegepersonal das Leben zu nehmen.

Wie die "Neue Zuercher Zeitung" (Online-Ausgabe vom 2. Dezember 2004) weiter berichtet, habe der britische Richter aufgrund eines neuen aerztlichen Gutachtens entschieden, dass man der koerperlich behinderten, aber geistig voll zurechnungsfaehigen Frau ihren Entscheid und damit die Reise nicht verwehren koenne. Zuvor hatten laut der NZZ die lokalen Gesundheitsbehoerden der Wohngemeinde der Frau ein befristetes Reiseverbot erwirkt, nachdem die Patientin ihre Absicht erklaert hatte.

Mehr dazu: http://www.aerzteblatt.de; http://www.nzz.ch

Quelle: ALfA-Newsletter vom 10.12.2004

WernerSchell
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Flüssigkeitsverzicht: Sterbehilfe ...`?

Beitrag von WernerSchell » 07.02.2005, 13:23

Flüssigkeitsverzicht: Sterbehilfe oder grausame Quälerei?

fzm - Dürfen Ärzte das Leben eines sterbenden, unheilbar Kranken verkürzen, indem sie ihm keine Flüssigkeit mehr über Infusionen und Magensonde zuführen? Oder verstärken sie durch dieses "Verdurstenlassen" nur die Qualen am Ende des Lebens? Kaum eine Frage wird von Medizin-Ethikern zurzeit so kontrovers debattiert wie der "Flüssigkeitsverzicht" in der Endphase einer unheilbaren Krankheit. Nicht selten kommt es hier nämlich zu der Situation, dass ein Patient nicht mehr selbstständig trinken kann oder mag. Zu den Experten, die sich für die Möglichkeit eines "Flüssigkeitsverzichts" aussprechen, gehört Johann Spittler vom Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft in Castrop-Rauxel. In der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) stellt er seine Haltung zur Diskussion.
Spittler schildert aus eigener Anschauung mehrere Beispiele von Patienten, die nach einem "Flüssigkeitsverzicht" friedvoll starben, ohne dass für alle Ärzte, Betreuer oder Familienangehörige ein "Verdursten" erkennbar gewesen wäre. Die Gleichsetzung beider Begriffe hält Spittler deshalb nicht für gerechtfertigt, sondern für schädlich, ja für demagogisch. Spittler: "Ärzte, die in diesem Punkt gegen den Willen des Patienten handeln, indem sie seine Patientenverfügung missachten, machen sich von juristischer Seite her sogar der Körperverletzung strafbar."
Der "Flüssigkeitsverzicht" ist für Spittler mit den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung vereinbar, welche die Bundesärztekammer im Mai 2004 herausgegeben hat. Diese legen fest, dass ein offensichtlicher Sterbevorgang nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden darf. Dazu zählt für Spittler auch die Flüssigkeitszufuhr.
Dennoch müsse der "Flüssigkeitsverzicht" in jedem Fall sorgfältig überdacht werden. Die sterbenden Patienten müssten von allen Beteiligten sorgfältig beobachtet werden, um ein Leiden unter Durst rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, sprich dem Patienten über Infusionen oder Magensonde wieder Flüssigkeit zuzuführen.

Quelle:
J.F. Spittler:
Flüssigkeitsverzicht - Ethische Maßstabsfindung in der gesellschaftlichen Kontroverse
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (4): 171-174
Weitere Themen in der DMW 4:

- Akupunktur: Was zeigen die gerac-Studien?
- Prävention bei Diabetes mellitus Typ 1
- Tuberkulose - aktuelle Therapie
- Sekundäre Osteoporose bei endokrinen Erkrankungen

THIEME VERLAGSGRUPPE
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
(Public Relations)
Rüdigerstr. 14
70469 Stuttgart - Germany

Der vorstehende Text wurde uns freundlicherweise vom Thieme Verlag zur Vorstellung zur Verfügung gestellt (E-Mail-Zuschrift vom 7.2.2005). Danke!

Siehe auch unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... tart=38#38
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gast

Flüssigkeitsverzicht ist kein "Verdursten&

Beitrag von Gast » 08.02.2005, 10:54

Natürliches Sterben unter Flüssigkeitsverzicht ist kein "Verdursten"

<< ... Kaum eine Frage wird von Medizin-Ethikern zurzeit so kontrovers debattiert wie der "Flüssigkeitsverzicht" in der Endphase einer unheilbaren Krankheit. Nicht selten kommt es hier nämlich zu der Situation, dass ein Patient nicht mehr selbstständig trinken kann oder mag. Zu den Experten, die sich für die Möglichkeit eines "Flüssigkeitsverzichts" aussprechen, gehört Johann Spittler vom Sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft in Castrop-Rauxel. In der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) stellt er seine Haltung zur Diskussion.
Spittler schildert aus eigener Anschauung mehrere Beispiele von Patienten, die nach einem "Flüssigkeitsverzicht" friedvoll starben, ohne dass für alle Ärzte, Betreuer oder Familienangehörige ein "Verdursten" erkennbar gewesen wäre. Die Gleichsetzung beider Begriffe hält Spittler deshalb nicht für gerechtfertigt, sondern für schädlich, ja für demagogisch. Spittler: "Ärzte, die in diesem Punkt gegen den Willen des Patienten handeln, indem sie seine Patientenverfügung missachten, machen sich von juristischer Seite her sogar der Körperverletzung strafbar."
Der "Flüssigkeitsverzicht" ist für Spittler mit den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung vereinbar, welche die Bundesärztekammer im Mai 2004 herausgegeben hat. Diese legen fest, dass ein offensichtlicher Sterbevorgang nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden darf. Dazu zählt für Spittler auch die Flüssigkeitszufuhr.
Dennoch müsse der "Flüssigkeitsverzicht" in jedem Fall sorgfältig überdacht werden. Die sterbenden Patienten müssten von allen Beteiligten sorgfältig beobachtet werden, um ein Leiden unter Durst rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, sprich dem Patienten über Infusionen oder Magensonde wieder Flüssigkeit zuzuführen. >>

Quelle:
J.F. Spittler, Flüssigkeitsverzicht - Ethische Maßstabsfindung in der gesellschaftlichen Kontroverse
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (4): 171-174 >>
(Quelle: Pressetext des Thieme-Verlags vom 7.2.05)

Ein Kontakt zum Autor PD Dr. Spittler, der u.a. auch den Hospizdienst des Humanistischen Verbandes Deutschlands ethisch und medizinisch berät, kann über diesen Newsletters (s.u.) hergestellt werden.

Zu weiteren Aspekten des Themas „Wieviel Wasser braucht ein Sterbender“ siehe auch:

HTTP://WWW.PATIENTENVERFUEGUNG.DE/PV/DE ... 0&&UID=302

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 7.2.2005

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Sterbehilfe – TV-Tipp für den 9.2.2005

Beitrag von WernerSchell » 09.02.2005, 11:05

Sterbehilfe zwischen Todesspritze und Hospiz – ist Sterbehilfe vertretbar?

Eine WDR-Reportage von Jürgen Schulte und Frank Plasberg am 9.2.2005, 20,15 – 21,15 Uhr. Betroffene, Ärzte und Nonnen in Deutschland und den Niederlanden wurden zum Thema befragt.
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Gast

Europäische Stellungnahme zur Sterbehilfe

Beitrag von Gast » 23.02.2005, 21:57

Europäische Stellungnahme zur Sterbehilfe

fzm - Die Mitglieder der Europäischen Union haben in Bezug auf die Euthanasie (Töten auf Verlangen) sehr unterschiedliche Gesetze verabschiedet: Während die Mehrheit der Staaten auf einem Verbot beharrt, wurde die Euthanasie im Jahre 2002 sowohl in den Niederlanden, als auch in Belgien legalisiert. Die medizinische Fachgesellschaft "European Association for Palliative Care" (EAPC, Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin) spricht sich in einer offiziellen Stellungnahme nun gegen eine allgemeine Legalisierung aus. Das Positionspapier, das der Ethikausschuss der EAPC unter der Leitung von Lars Materstvedt erarbeitet hat, erscheint in der "Zeitschrift für Palliativmedizin" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2004) erstmals in deutscher Übersetzung. Materstvedt ist als Philosoph an der Universität Trondheim in Norwegen tätig.

Bereits in der Definition des Begriffs Palliativmedizin ist ein erstes Plädoyer gegen Euthanasie und ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung enthalten: Laut WHO ist es das Ziel der Palliativmedizin, "Leiden und Hoffnungslosigkeit am Ende des Lebens zu reduzieren bzw. vorzubeugen". Wie Materstvedt und seine Kollegen erläutern, ist es dabei ein wichtiges Prinzip, die Autonomie des Patienten zu respektieren, zu stärken und wiederherzustellen - und nicht, diese Autonomie zu zerstören. "Euthanasie und ärztlich assistierter Suizid gehören nicht zu den Aufgaben der Palliativmedizin", heißt es in der Stellungnahme explizit.

Der Ruf nach lebensbeendenden Maßnahmen wird vor allem dann laut, wenn Patienten befürchten, mithilfe medizinischer Apparate unnötig lang am Leben gehalten zu werden oder unter unerträglichen Qualen sterben zu müssen. Zur Stärkung der Autonomie und der Selbstbestimmung des Patienten gehöre es auch, diese Ängste ernst zu nehmen und Alternativen aufzuzeigen, so die EAPC. So kann in Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten festgelegt werden, welche lebenserhaltenden Maßnahmen ein Patient wünscht und welche nicht. Außerdem sollten die Betroffenen und deren Angehörige darüber aufgeklärt werden, welche Möglichkeiten der Schmerzlinderung und der Sedierung es gibt, um die letzten Stunden des Lebens erträglich zu gestalten. "Wenn eine umfassende palliative Sterbebegleitung bereitgestellt wird, steht die Euthanasie meist gar nicht mehr zur Diskussion", schreiben die Palliativmediziner.

L. J. Materstvedt et al.:
Euthanasie und ärztlich unterstützter Suizid: eine Stellungnahme der Ethics Task Force der European Association for Palliative Care (EAPC)

Zeitschrift für Palliativmedizin 2004; 4: 102 - 106

Weitere Themen in der Zeitschrift für Palliativmedizin:

- Goethes Gedanken über Sterben und Tod
- Sterbende sedieren?

0 Bitte schicken Sie mir den Artikel von L.J. Materstvedt et al. per E-Mail.

0 Bitte schicken Sie mir die Zeitschrift für Palliativmedizin 4/2004 zu.

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Quelle: Pressemitteilung vom 23.2.2005

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Patientenverfügung führt in die "Euthanasie"

Beitrag von lichtblick » 24.02.2005, 12:19

Lindenstraße-Produzent Hans W. Geißendörfer träumt in der ZEIT 08/2005 davon, sein Leben "selbst zu beenden, wenn ich zur Last falle, unerträglich werde, ein bewegungsloser Pflegefall. Selbst Zeit und Ort zu wählen, dem Leben zu entfliehen. Alles, was gesetzlich möglich ist, habe ich dafür an Vorkehrungen getroffen." Zur Würde des Menschen gehöre, Selbstmord verüben zu dürfen, so Geißendörfer. Und: "Es kann nicht sein, dass man Menschen, die diesen Weg wählen, in die Psychiatrie einweist."

Für die "Euthanasie"-Lobby, die über eine so genannte Patientenverfügung "selbstbestimmte" Behandlungsabbrüche gesetzlich abgesichert sehen will, ist das Wasser auf ihre Mühlen. Die Debatte darüber fällt zusammen mit der Novelle des Betreuungsrechts. Das bestehende sei zu teuer, sagt die Justiz. Auch die Medizin müsse sparen. Sarkastisch gesagt: Wer von sich aus per Verfügung jegliche Hilfe und Heilbehandlung verweigert, trägt zur "Kostendämpfung" bei. Weiteres Kalkül: Der Betroffene fällt seiner Umwelt nicht mehr "zur Last".

Nicht nur Geißendörfer scheint unter Druck zu stehen, auch die Bundesärztekammer. In ihren neuen Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung wird "die Bedeutung und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen" hervorgehoben, obwohl die Rechtslage unklar ist. Das neue Betreuungsrecht soll nun Klarheit schaffen. Darin sind jedoch Regelungen im Spiel, die den Dammbruch in Richtung "Euthanasie" geradezu herausfordern.

Aktuelles Beispiel: "Entschließt sich eine Patientin oder ein Patient trotz aller ärztlichen Bemühungen nach freiverantwortlicher Überlegung dazu, ihr oder sein Leben selbst zu beenden, so soll keine ärztliche Verpflichtung bestehen, gegen den ausdrücklichen Willen der oder des Betroffenen lebenserhaltend einzugreifen." Keiner sollte mit den Mitteln des Strafrechts gezwungen werden, "ihn zum Weiterleben zu nötigen". So argumentiert die Arbeitsgruppe des Bundesministeriums der Justiz "Patientenautonomie am Lebensende". Eine Option pro Suizid! Menschen, die am Rand stehen, physisch und psychisch sich am Ende fühlen, werden so einem zusätzlichen Druck ausgesetzt.

Außerdem sei die Einleitung oder Fortführung einer künstlichen Ernährung oder Beatmung ohne ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten eine rechtswidrige Körperverletzung "und kann strafbar sein". Durch Verhungern, Verdursten und Ersticken sterben zu müssen, ist grausam. Folglich wird in einem zweiten Schritt der Gesetzgeber nicht umhinkommen, letztendlich doch die aktive Sterbehilfe zu erlauben. Wohin das führt, zeigt die legalisierte niederländische und belgische Praxis. Dort können auch psychisch kranke Menschen mit fehlendem Lebensmut, Demente und Schwerkranke unter die "Euthanasie"-Freigabe fallen.

"Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens"

Zur Erinnerung: Bereits 1920 veröffentlichte der Psychiater Karl Hoche zusammen mit dem Juristen Alfred Binding die Broschüre "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens". Darin "begreift" Binding den Selbstmord als eine "rechtlich unverbotene Handlung". Die Handlung zu unterbinden, sei "rechtswidrige Nötigung". Hoche schreibt von "Ballastexistenzen" und "leeren Menschenhülsen". Zwar lehnte er die Tötung von Kranken, bei denen noch Hoffnung auf Heilung besteht, ab, "aber wir werden vielleicht eines Tages zu der Auffassung heranreifen, dass die Beseitigung der geistig völlig Toten kein Verbrechen, keine unmoralische Handlung, keine gefühlsmäßige Rohheit, sondern einen erlaubten nützlichen Akt darstellt." Schließlich setzten die Nationalsozialisten diese Ideen mit ihrem menschenverachtenden "Euthanasie"-Programm um.

"Stärkung der Patientenautonomie"

Wenn sich heute Menschen mit einer Patientenverfügung in Richtung "Euthanasie" abschieben lassen, freiwillig oder gedrängt, so ist das eine Schreckensnachricht. Auch die Registrierung von Verfügungen ist heikel. Die Diskussion zur "Stärkung der Patientenautonomie" hat zudem eine dramatische Wende genommen. Nicht die Art und Weise der Gestaltung der Arzt-Patient-Beziehung steht im Vordergrund, sondern das "Selbstbestimmungsrecht". Ob vernünftig, unüberlegt oder selbstzerstörerisch angewandt, verabsolutiert birgt es allemal Gefahren, besonders wenn es um Mehrheiten geht. So fordert die "Euthanasie"-Lobby seit Jahren ein "Recht auf den Tod". Besonders ihre "Verbände" verweisen beständig auf ihre Meinungsumfragen, wonach die Mehrzahl der Deutschen Sterbehilfe nach dem niederländischen Modell befürwortet. Immerhin, nach Informationen einer Zeitung haben Parlamentarier für Anfang März eine Debatte zur Reform des Betreuungsrechts im Bundestag anberaumt. Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten eindringlich das Recht auf Leben schützen und der "Euthanasie", in welcher Variante auch immer, eine klare Absage erteilen.
Roland Hartig
Nachrichten aus Psychiatrie und Selbsthilfe
http://www.lichtblick-newsletter.de

Gast

Re: Sterbehilfe: große Unsicherheit - Thesen

Beitrag von Gast » 27.02.2005, 11:54

Sterben in Würde
Patientenverfügung, Palliativmedizin und Hospiz

Fraktionsinterne Expertenanhörung zur Patientenverfügung, Palliativmedizin und Hospiz- palliativmedizinische Angebot in Deutschland noch nicht ausreichend - Rachel: Lebenszeit Todkranker so lebenswert wie möglich gestalten

Die Würde eines sterbenden Menschen zu wahren heißt, seine Wünsche wahrzunehmen und ernst zu nehmen. "Wichtig ist vor allem die Beziehung des Menschen. Mit ihr schwinden die Ängste. Es ist der entscheidende Punkt, um die Lebensqualität Sterbender zu verbessern.", sagt Dr. Johann-Christoph Student vom Hospiz in Stuttgart. Das Instrument der Patientenverfügung, mit der jeder seine Wünsche für den letzten Lebensabschnitt notieren kann, sei durchaus sinnvoll. In der Praxis spiele sie jedoch eine untergeordnete Rolle.

Ein Gesetzesentwurf der Bundesjustizministerin zur Patientenverfügung vom November 2004 offenbart Unterschiede zwischen Regierung und Parlament. Der Bericht der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Bundestages beantwortet die mit diesem Thema verbundenen Fragen grundsätzlich anders als Ministerin Zypries. Das Thema ist eingebettet in die Diskussion um Verbesserungsbedarf im Bereich der Pflege und Versorgungslücken in der Palliativmedizin und Hospizarbeit. "Es betrifft die Menschen persönlich und die Debatte zeigt, dass häufig Ängste und Unklarheiten das Bild vom Ende des Lebens prägen", unterstreicht Thomas Rachel, Obmann der CDU/CSU-Fraktion in der Enquete-Kommission.

Am Dienstag hatte die Unionsfraktion Sachverständige eingeladen, um mit ihnen unter dem Titel 'Sterben in Würde: Patientenverfügung - Palliativmedizin - Hospiz' zu diskutieren. Die vier Experten stellten die Möglichkeiten der modernen Palliativmedizin und Hospizarbeit dar und erläuterten die Probleme der Patientenverfügung aus praktischer Sicht sowie die gegensätzlichen juristischen Standpunkte.

"Das palliativmedizinische Angebot hat sich in Deutschland zwar sehr verbessert, ist aber noch weit davon entfernt, ausreichend zu sein", so Dr. Friedemann Nauck vom Zentrum für Palliativmedizin am Malteser-Krankenhaus, Bonn. Ziel der Palliativmedizin ist es, die verbleibende Lebenszeit Todkranker so lebenswert wie möglich zu gestalten: Schmerzen und andere quälende Symptome wie Luftnot und Übelkeit zu lindern gehört ebenso dazu wie die psychologische Betreuung des Patienten und seiner Angehörigen.

Sterbende Menschen haben vor allem vier Grundbedürfnisse, an denen sich Sterbebegleitung orientieren sollte: Im Sterben nicht allein gelassen zu werden, nicht unter starken Schmerzen leiden zu müssen, die letzten Dinge regeln zu können und die Frage nach einer über den Tod hinausgehenden Hoffnung stellen zu können.

Dementsprechend muss die palliativmedizinische Versorgung verbessert und die Hospizarbeit unterstützt werden. Deutschland hängt hier nach der Meinung der Experten den anderen europäischen Ländern erheblich hinterher. Besondere Aufmerksamkeit müsse dabei in Zukunft auch dem ambulanten Bereich zukommen.

Die juristischen Sachverständigen, Prof. Dr. iur. Winfried Kluth, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Dr. iur. Bernhard Knittel, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht, sprachen sich dafür aus, für Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht Rechtssicherheit zu schaffen und dabei mit der nötigen Vorsicht die besonderen Risiken von vorausverfügten Festlegungen für die Zukunft im Auge zu behalten.

Quelle: Mitteilung der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag vom 22.2.2005
Weitere Informationen unter
http://www.cducsu.de/section__1/subsect ... ungen.aspx

WernerSchell
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Streit um Komapatientin in den USA

Beitrag von WernerSchell » 21.03.2005, 22:51

Streit um Komapatientin in den USA - Texte unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=0#9
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gast

Re: Sterbehilfe: große Unsicherheit - Thesen

Beitrag von Gast » 24.03.2005, 18:38

Pressemitteilung der Rechtsanwälte Wolfgang Putz und Beate Steldinger / München zum Fall "Terri-Schiavo"

Die Kanzlei Putz und Steldinger in München ist spezialisiert auf die rechtliche Begleitung von Sterbehilfefällen in Deutschland nach deutschem Recht. Seit 1995 haben wir über 150 Mandate bearbeitet. Davon waren ca 50 bis 60 Fälle rechtlich und tatsächlich "Terri-Schiavo-Fälle". In all diesen Fällen konnten Wachkoma-Patienten entsprechend ihrem sorgfältig festgestelltem Patientenwillen, teils bei vorliegender Patientenverfügung, teils bei ermitteltem mutmaßlichem Willen, sterben. Der Sterbeprozess wurde in allen Fällen zugelassen, indem die weiterhin liegende Magensonde nicht mehr mit Nahrung und entweder mit wenig oder gar keiner Flüssigkeit mehr nachgefüllt wurde. Alle Patienten wurden von erfahrenen Ärzten palliativmedizinisch begleitet. Die Fälle fanden in Pflegeheimen, in Versorgungskrankenhäusern, in Palliativstationen, in Hospizen oder zu Hause statt.
In wenigen Fällen (vor allem vor der neuen Rechtsprechung, BGH vom 17.03.2003) waren die Vormundschaftsgerichte eingeschaltet. Heute ist dies im Regelfall nicht mehr notwendig. In drei Fällen wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt Wolfgang Putz und/oder die beteiligten Ärzte eingeleitet. Alle Verfahren wurden sofort wieder eingestellt, nachdem die Sterbefälle als rechtmäßig überprüft worden waren. Eine umfassende Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft Traunstein ist beispielhaft im Rechtsratgeber "Patientenrechte am Ende des Lebens" von RA Putz und RAin Steldinger, C.H.-Beck-Verlag, abgedruckt. In diesem Ratgeber wird die geltende Rechtslage in Deutschland anhand von über 20 Fällen aus der Praxis der Autoren umfassend dargestellt.
Die geltende Rechtslage in Deutschland ist eindeutig und wird von den Rechtsanwälten laufend beim Zulassen des Sterbens von Wachkomapatienten (und anderen Komapatienten) durch Beendigung der Substitution (Luft, Wasser, Nahrung) praktiziert. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Patientenwillens, der einer weiteren Lebensverlängerung entgegensteht. Diese wäre dann eine strafbare Körperverletzung. (BGH NJW 1995, 204, BGH NJW 2003, 1588, OLG Karlsruhe NJW 2004, 1882).
In allen Fällen haben die mitwirkenden Ärzte dafür Sorge getragen, dass nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (neuste Fassung Mai 2004, Deutsches Ärzteblatt 2004, S. A 1298 ) die Patienten in der Sterbephase nicht unter Atemnot, Hunger oder Durst leiden mussten.
Diese geltende Rechtslage sollte nach der erklärten Intention des Zypries-Entwurfes Gesetz werden (vgl. dort "Einleitung"). Dies hat die Bundesjustizministerin gestern abend im Heute-Journal noch einmal bestätigt. Bedauerlicherweise hat sie diesen von hervorragenden Fachleuten aller in der Praxis involvierten Disziplinen entwickelten Entwurf wieder zurückgezogen.
Derzeit wird leider in den Medien fast nur über das Mehrheitsvotum der Enquete-Kommisssion "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages berichtet und deren Verfechtern breiter Raum eingeräumt. Diese stellen überwiegend die bereits geltende Rechtslage falsch dar, sowohl, was die Reichweite und die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen betrifft als auch die derzeit schon rechtlich zulässigen Möglichkeiten der Sterbehilfe. Das Vorhaben der Enquete-Kommision, die geltende Rechtlage auf den Stand vor der BGH-Entscheidung von 1994 zurückzuschrauben, würden wir sofort mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts beantworten. Jede Einschränkung der Selbstbestimmung des Patienten in gesunden Tagen wäre in Verstoß gegen die Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes, wie dies nicht zuletzt von namhaften Verfassungsrechtlern betont wurde (so etwa vom Ordinarius für Verfassungsrecht an der Universität Mainz, Professor Dr. Friedhelm Hufen).
Gerade in diesen Tagen betreuen wir eine "identischen Fall". Unser 42jähriger Wachkomapatient wird in den nächsten Tagen den Tod sterben, den sich jeder wünscht: Er hat bereits seine Wachheit verloren, liegt völlig entspannt in einem Hospiz und wird schließlich unmerklich für immer einschlafen. Mutter, Ehefrau und die beiden kleinen Kinder werden hospizlich von Ärzten, Pflegern, Theologen und Therapeuten begleitet.

Rechtsanwalt Wolfgang Putz
Rechtsanwältin Beate Steldinger

Quelle: Pressemitteilung vom 24.3.2005

Gast

EKD - Sterben hat seine Zeit

Beitrag von Gast » 28.03.2005, 12:42

„Sterben hat seine Zeit“: EKD stellt neuen Text zur Diskussion ueber Patientenverfuegungen vor

Berlin (ALfA). In der aktuellen Debatte ueber den Umgang mit Patientenverfuegungen hat am 21. Maerz 2005 die Kammer fuer Oeffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ihren Bericht „Sterben hat seine Zeit“ veroeffentlicht. Vorgestellt wurde der Text mit dem Untertitel „Ueberlegungen zum Umgang mit Patientenverfuegungen aus evangelischer Sicht“ in Berlin vom Ratsvorsitzenden der EKD, Bischof Wolfgang Huber, und dem Vorsitzenden der Kammer, Professor Wilfried Haerle aus Heidelberg.

Auf 24 Seiten wird die aktuelle Diskussion ueber die Verbindlichkeit von „Patientenverfuegungen“ aufgegriffen und eine evangelische Position dargestellt. Bischof Wolfgang Huber sagte dazu am Montag in Berlin, recht verstandene Fuersorge schliesse die Achtung vor der Selbstbestimmung ein. Kern der evangelischen UEberlegungen zum Umgang mit Patientenverfuegungen sei, eine „Balance zwischen Fuersorge und Selbstbestimmung“ zum Massstab ethischen Handelns zu machen.

Die EKD empfehle eine schriftliche oder anders dokumentierte Form z.B. Videoaufzeichnungen als Regel fuer die Patientenverfuegung, heisst es in dem vorgestellten Text. Aus evangelischer Sicht sollen die Verfuegungen jedoch nicht nur bei toedlich verlaufenden Krankheiten, sondern auch in anderen, eng begrenzten Faellen wirksam werden koennen. Damit geht sie ueber die Empfehlungen der Bundestags-Enquete-Kommission „Ethik und recht der modernen Medizin“ hinaus. Wer eine Patientenverfuegung verfasse, treffe eine Entscheidung fuer eine spaetere Situation, die er in diesem Moment noch nicht kennen koenne. Da es eine offene Frage sei, wie Patientenverfuegungen sinnvoll zu begrenzen sind, schlage die EKD vor, dass der Arzt im gemeinsamen Gespraech mit Angehoerigen, Pflegepersonen, Seelsorgern und Betreuern einvernehmlich klaeren soll, wie im konkreten Fall mit dem vorab erklaerten Willen des Patienten umzugehen sei.

Der Ratsvorsitzende der EKD betonte, dass die beiden Kirchen schon seit 1999 zwei „Christliche Patientenverfuegungen“ herausgegeben hat. Der nun vorliegende Text biete keine abschliessende Loesung der anstehenden Probleme, wie z.B. in Bezug auf zivilrechtliche Regelungen, aber er eroeffne und umschreibe einen ethisch begruendeten Raum, „der fuer eine situationsbezogene Ermessungsentscheidung offen ist“, so Huber abschliessend.

Weitere Informationen:

Sterben hat seine Zeit - Ueberlegungen zum Umgang mit Patientenverfuegungen aus evangelischer Sicht
Ein Beitrag der Kammer fuer Oeffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland
EKD-Texte 80, 28 Seiten, Maerz 2005

Abrufbar im PDF-Format unter http://www.ekd.de/download/ekd_texte_80.pdf

Quelle: ALfA-Newsletter 11/05 vom 26.03.2005

Gast

Ratlosigkeit beim Sterben-Lassen

Beitrag von Gast » 28.03.2005, 12:46

Osterpredigten: Zunehmende Ratlosigkeit beim Sterben-Lassen - Humanistischer Verband will Beitrag leisten

Mainz – Berlin, 27.3.2005 Angesichts des Streits um die US-Komapatientin Terri Schiavo haben die deutschen Bischöfe in ihren Osterbotschaften „Sterbehilfe“ und „Verfügen über den eigenen Tod“ zu Kernthemen ihrer Predigten gemacht. Trotz eindringlicher Worte, die „das Gezerre“ im Fall Schiavo kritisieren, überwiegt jedoch auch in den Kirchen eine zunehmende Rat- und Orientierungslosigkeit. Bei Fragen des Sterben-Lassens, die in der Praxis eine klare Entscheidung erfordern, schwanken die bischöflichen Antworten zwischen „weder – noch“ und „sowohl - als auch“. Bei der Patientenverfügung lautet das Antwortspektrum „ja, ist zu respektieren...“ bis hin zu „nein, soll außerhalb eines Sterbeprozesses unberücksichtigt bleiben“. Gestorben werden dürfe und solle im christlichen Sinn, wenn „das Sterben an der Zeit ist“ – wobei auf die christliche Patientenverfügung der beiden Kirchen verwiesen wird. Diese jedoch deckt den Komafall ausdrücklich nicht ab.

Unterdessen kündigt der Humanistische Verband Deutschlands an, mit einer Veranstaltung in der Berliner Urania am 14. April 2005 Tage der „Vorsorge und Selbstbestimmung“ zu eröffnen. Jedem Interessenten soll fünf Tage lang kostenfrei eine wirksame Patientenverfügung nach den Vorgaben und Empfehlungen des Bundesjustizministeriums individuell erstellt werden.

ZDF (Quelle zdf.de) vom 27.3.2005:
<< ... "Wenn das Sterben an der Zeit ist, dann gilt es, den Tod zuzulassen und seinem Kommen nichts mehr entgegenzusetzen", sagte Bischof Huber im Berliner Dom. Die moderne Medizin könne ein Leben scheinbar unendlich verlängern. Wenn die Kirche mit der Auferstehung Christi zu Ostern die Überwindung des Todes feiere, heiße das aber nicht, das Leben aus eigener Kraft unendlich zu verlängern zu müssen. ... Huber betonte: "Wenn Menschen im Vorhinein beschreiben, wann für sie diese Zeit gekommen sein wird, dann ist dies zu respektieren."

Der rbb-Fernsehsender (Quelle rbb.online) berichtet gestern anlässlich derselben Osterpredigt Bischofs und gleichzeitigen Vorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD):
<< ... Eine Patientenverfügung könne deshalb „eine Form sein, in der ein Mensch für sich selbst über diese Frage Rechenschaft ablegte, sagte der EKD-Vorsitzende. ... Wie gut wäre es gewesen, sagte der Bischof unter Hinweis auf die amerikanische Komapatientin Terry Schiavo, wenn sie sich „mit solcher Klarheit hätte äußern können.“ Im RBB-Inforadio sagte Huber jedoch auch, es sei falsch, einen unheilbar Kranken verhungern oder verdursten zu lassen. Das gelte selbst dann, wenn Gesetzes oder Patientenverfügungen einen Tod regelten.>>
In der Berliner Abendschau am Montag vor einer Woche wiederum hatte der Bischof nachdrücklich sein Verständnis für den Ehemann von Terri Schiavo geäußert...

ZDF (Quelle: zdf.de) vom 27.3.2005:
<< Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, bezeichnete den Streit um Schiavos Ernährung als "schlimmes Schauspiel". ... Lehmann sagte am Sonntag im Mainzer Dom, es sei keine Lösung, Menschen schneller in den Tod hinein zu befördern und sie verhungern zu lassen. Er warnte vor Sterbehilfe als verführerischer Idee und kritisierte besonders, dass "wir Richter verschiedener Ebenen dazu zwingen, wie Herren über Leben und Tod Entscheidungen zu treffen". Heute scheine man große Schwierigkeiten zu haben, wenn Menschen quälend langsam ihr Leben beendeten. Offenbar wachse die Versuchung, mit menschlichen Mitteln einzugreifen und den Zeitpunkt des Todes selbst zu bestimmen. ... Er betonte aber zugleich, dass auch umgekehrt der technisch verzögerte Tod nicht den Sieg über das menschliche Sterben davontragen dürfe. ... Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter betonte die Pflicht zur Erhaltung menschlichen Lebens. Wenn die Botschaft von der Auferstehung Christi für al
le Lebensbereiche gelte, wäre die künstliche Ernährung der US-Komapatientin kein Streitthema von Justiz und Politik, sondern "Pflicht, Leben zu erhalten", sagte Wetter.>>

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) gab unterdessen bekannt, dass in der letzten Woche mit durchschnittlich ca. 12.000 Versuchen täglich, seinen PV-Fragebogen 2005 für eine individuelle, aussagekräftige Patientenverfügung herunterzulanden, der entsprechende Download vorübergehend lahmgelegt worden sei. Als Grund wurden die Hinweise im ZDF, RBB, in der ARD, bei ntv und Pro Sieben auf die entsprechende Internetseite www.patientenverfuegung.de angegeben. Vom 14. bis 19. April 2005 hat der Humanistische Verband in Berlin Tage der „Vorsorge und Selbstbestimmung“ angekündigt. Auftakt ist eine Veranstaltung im Kleistsaal der Berliner Urania am Donnerstag, 14.4,2005 um 17.30 zum Thema „Fall Terri Schiavo u.a. – Die wirksame Patientenverfügung.“ In den darauffolgenden Tagen werden juristische, medizinische und psychologische Expert/inn/en und Hospizmitarbeiter/innen des HVD für alle, die dies wünschen, kostenlos eine Patientenverfügung nach den Vorgaben und Empfehlungen des Bundesjustizminis
teriums erstellen.

Wer nicht zu den Beratungstagen kommen kann, hat die Möglichkeit, auf das Internetangebot www.standardpatientenverfuegung.de zurückzugreifen und /oder sich telefonisch beraten zu lassen unter 030 / 613 90 432. Ein Tag der offenen Tür am 16. April 2005 von 11-18 Uhr soll gleichzeitig der Praxiseinführung und Fortbildung für interessierte Berater/innen anderer Einrichtungen dienen. Programm unter 030 – 613 90 411 oder hvd@humanismus.de .

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 28.3.2005

Gast

Vorhersage der Prognose von Koma-Patienten

Beitrag von Gast » 29.03.2005, 22:19

Bessere Vorhersage der Prognose von Koma-Patienten

CHICAGO. Ob und wann Patienten mit einer schweren Hirnverletzung aus dem Koma erwachen, ist auch für Experten im Einzelfall schwer zu beurteilen. Ein neuer Test, der im Journal of Rehabilitation Research and Development 2005; 42: 1-18 und 19-28, vorgestellt wurde, verspricht eine Vorhersage mit hoher Sicherheit.

Die „Disorders of Consciousness Scale” (DOCS), die Theresa Louise-Bender Pape von der Universität Chicago vorstellten, wurde bereits Anfang der 90er-Jahre entwickelt und seither mehrfach verbessert. In der aktuellen Form erlaubt DOCS, soweit man dies anhand einer kleinen monozentrischen Studie an 18 Patienten sagen kann, eine recht gute Vorhersage über die neuropsychologische Entwicklung von Koma-Patienten. In der Studie wurden zunächst Reliabilität und Validität des Tests untersucht. Tatsächlich kommen unterschiedliche Untersucher mit dem einfachen am Krankenbett durchführbaren Test bei dem gleichen Patienten zum selben Ergebnis, was eine erste wichtige Voraussetzung für den klinischen Einsatz ist.
...
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http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=19637

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