Deutliche Alterung bringt den Staat in finanzielle Not – was jetzt reformiert werden muss

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WernerSchell
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Deutliche Alterung bringt den Staat in finanzielle Not – was jetzt reformiert werden muss

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Bertelsmann Stiftung


Deutliche Alterung bringt den Staat in finanzielle Not – was jetzt reformiert werden muss


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Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland stellt das Land in den kommenden Jahren vor große Herausforderungen: So könnten die Sozialversicherungsbeiträge schon im Jahr 2035 fast die Hälfte des Einkommens der Erwerbstätigen ausmachen. Ein Paket von Reformen ist notwendig – eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, wo die Hebel angesetzt werden könnten.

Gütersloh, 18.11.2021. Wie bedrohlich die Situation ist, beweist der Blick auf die Finanzen: Derzeit machen die Beitragssätze der Sozialversicherungen 39,8 Prozent der beitragspflichten Einkommen aus. Ohne Reformen droht dieser Anteil bereits bis zum Jahr 2035 auf 47,9 Prozent zu steigen, so die Berechnungen einer Studie von Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen der Ruhr-Universität Bochum, im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Mit dem jetzt beginnenden Übergang der Baby-Boomer-Generation in die Rente verschlechtert sich das Verhältnis von Beitragszahler:innen und Rentner:innen drastisch.

Noch stehen 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter etwa 35 Rentner:innen oder Pensionär:innen gegenüber. Bis 2035 sind es bereits 48 Rentner:innen auf 100 Erwerbstätige. „Die Alterung der Bevölkerung wird zu einer gefährlichen Belastungsprobe für Staatsfinanzen und Sozialsysteme“, warnt Andreas Esche, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung. „Die Veränderungen kommen schleichend und verschleiern den Zeitdruck für notwendige Reformen.“

Beiträge, Arbeitskosten und Staatsverschuldung steigen

Wegen der höheren Abgaben dürften die Bruttolöhne und damit die Arbeitskosten insgesamt stark steigen. Trotz zunehmenden Fachkräftemangels droht dadurch eine sinkende Nachfrage nach vor allem ungelernten Arbeitskräften. Die Arbeitslosigkeit würde deutlich zunehmen und schon innerhalb der kommenden 15 Jahre die Arbeitslosenquote auf bis zu 8 Prozent steigen, mit der Folge sinkender Einnahmen für alle Zweige der Sozialversicherung. Auch für die öffentlichen Haushalte, die wegen der Corona-Krise ohnehin stark belastet sind, hat die Alterung der Bevölkerung negative Folgen. Derzeit liegt die Staatsverschuldung bei 66,7 Prozent des BIP. Statt nach dem jüngsten, krisenbedingten Anstieg wieder zurückzugehen, steigt die Schuldenlast bis 2035 voraussichtlich auf 71,5 Prozent.

Um diese Entwicklungen zumindest abzuschwächen, stehen mehrere Hebel zur Verfügung: Der erste ist die Steigerung von Beschäftigung und Wachstum. Dafür müssten mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen, zugleich müssten diese schneller integriert werden. Auch müsste Frauen der Zugang zum Arbeitsmarkt weiter erleichtert werden. Derzeit stecken Mütter zu oft in der Zweitverdienerinnenfalle, weil die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder noch immer nicht ausreichen.

Die Anhebung des Renteneintrittsalters stellt einen weiteren Hebel dar, indem zumindest ein Teil der gestiegenen Lebenserwartung in eine verlängerte Erwerbsphase übersetzt wird. Eine bessere Bildung und eine Verbesserung des Gesundheitszustands könnten ebenfalls für mehr Wachstum sorgen. Eine steigende Geburtenrate wäre dagegen erst langfristig geeignet, die Einnahme-Ausgaben-Relation zu entspannen.

Die doppelte Haltelinie ist nicht zu halten

Der Status Quo unseres Rentensystems ist nicht nachhaltig. Derzeit gilt, dass das Rentenniveau bis 2025 bei mindestens 48 Prozent liegt und der Beitragssatz 20 Prozent nicht übersteigen darf. Bliebe diese Regelung dauerhaft erhalten, bedeutete dies für den Bund, dass er für massive Fehlbeträge in der gesetzlichen Rentenversicherung einstehen müsste. Die Bundesmittel müssten sich bereits bis zum Jahr 2035 von heute 2,9 Prozent des BIP bzw. 92,4 Milliarden Euro (2019, Euro-Beträge in Preisen von 2015) auf 4,9 Prozent des BIP bzw. knapp 181 Milliarden Euro nahezu verdoppeln. Jeder Erwerbstätige müsste dann 4.300 Euro allein zum Ausgleich der Rentendefizite zusätzlich erwirtschaften. Eine Alternative wäre, die Rente an die steigende Lebenserwartung anzupassen. Bei einer zu erwartenden Zunahme der Lebenserwartung um ein Jahr würden nach 2030 dann zwei Drittel des „gewonnenen“ Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Rentenbezug.

So bliebe das Verhältnis von Erwerbs- und Rentenbezugsphase weitgehend konstant. Das Rentenniveau bliebe so bis nach 2060 bei über 45 Prozent, der Beitragssatz ließe sich bei rund 24 Prozent stabilisieren. Eine stabile, positive Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität würde dafür sorgen, dass die Renten absolut betrachtet in der Zukunft dennoch deutlich höher wären als heute.

„Keine Einzelreform wird reichen, notwendig ist ein aufeinander abgestimmtes Maßnahmenpaket zur Sicherung unseres Sozialstaats“, sagt Esche. „Akzeptanz wird dies nur dann finden, wenn die Lasten gemeinsam von allen Mitgliedern der Gesellschaft getragen werden.“

Zusatzinformationen
Die Ergebnisse basieren auf der Studie „Demografische Alterung und öffentliche Finanzen: Wie geht es nach der Covid-19-Krise weiter?“, die Prof. Dr. Martin Werding (Ruhr-Universität Bochum) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt hat. Die Studie zeigt mithilfe von empirisch gestützten Simulationen bis 2080, dass die öffentlichen Finanzen aufgrund der Effekte der demografischen Entwicklung in Deutschland langfristig nicht tragfähig sind. Die Studie beinhaltet neben einem Basisszenario auf Grundlage des geltenden Rechts mehrere Alternativszenarien, die zeigen, wie Maßnahmen zur Steigerung von Beschäftigung und Wachstum - etwa bei der Migrationspolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Bildungspolitik sowie der Gesundheitsförderung – beitragen können, die demografische Alterung zu bewältigen.

Unser Experte:
Andreas Esche, Telefon: +49 52 41 81 81 333
E-Mail: andreas.esche@bertelsmann-stiftung.de

Über die Bertelsmann Stiftung: Menschen bewegen. Zukunft gestalten.
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich dafür ein, dass alle an der Gesellschaft teilhaben können – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Unsere Themen: Bildung, Demokratie, Europa, Gesundheit, Werte und Wirtschaft. Dabei stellen wir die Menschen in den Mittelpunkt. Denn die Menschen sind es, die die Welt bewegen, verändern und besser machen können. Dafür erschließen wir Wissen, vermitteln Kompetenzen und erarbeiten Lösungen. Die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet.
Weitere Informationen: www.bertelsmann-stiftung.de

Quelle: Pressemitteilung vom 18.11.2021
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Die Rente in heutiger Form ist in 40 Jahren alles andere als sicher

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Die Rente in heutiger Form ist in 40 Jahren alles andere als sicher

Altersvorsorge: Norbert Blüm behauptete einst, die Renten seien sicher. Die jüngste Ansage von Bundeskanzler Olaf Scholz, Kürzungen kämen „nicht in Betracht“, klingt wie ein Echo. Mich persönlich, Jahrgang 1965, beruhigt das, jedenfalls ein wenig. Das „Rentenpaket II“ bevorzugt die Älteren, bezahlen werden es einmal die Jüngeren. „Die Rente in heutiger Form ist in 40 Jahren alles andere als sicher“, stellt unser 24-jähriger Autor Julian Glaw fest. Er hat schon länger den Glauben an die staatliche Altersvorsorge verloren und seinen eigenen Weg gefunden, den er in seinem Kommentar erläutert > https://newsletter.rp-online.de/d?p0c6i ... 000byuhsfe . Erstaunlich für mich: Da ist kein Hauch von Empörung zu spüren (Quelle: Newsletter der Rheinischen Post vom 08.03.2024).
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Deutschland fällt bei Lebenserwartung in Westeuropa weiter zurück

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Deutschland fällt bei Lebenserwartung in Westeuropa weiter zurück

Deutschland gehört in Westeuropa zu den Schlusslichtern bei der Lebenserwartung und verliert weiter an Anschluss. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Mitarbeitenden des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, für die Sterblichkeitstrends über mehrere Jahrzehnte untersucht wurden. Betrug der Rückstand Deutschlands auf die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt im restlichen Westeuropa im Jahr 2000 rund 0,7 Jahre, so hat sich der Abstand bis 2022 auf 1,7 Jahre vergrößert.

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„Der Beginn der 2000er Jahre markiert einen Wendepunkt in der Dynamik der Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland“, fasst Mitautor Dr. Pavel Grigoriev vom BiB die Ergebnisse zusammen. Seitdem ist die Sterblichkeitslücke zwischen Deutschland und den anderen westeuropäischen Ländern relativ stetig angewachsen.

Wie aus der Untersuchung hervorgeht, konnte Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 zunächst den Rückstand gegenüber Westdeutschland und Westeuropa erheblich verringern. Hierzu trugen auch massive finanzielle Investitionen in die Gesundheitsversorgung bei. Bis Anfang der 2000er Jahre hatte die Lebenserwartung der Frauen in Ostdeutschland zu Westdeutschland aufgeschlossen und auch gegenüber dem restlichen Westeuropa erheblich aufgeholt. Die Männer in Ostdeutschland konnten zunächst ebenfalls den Abstand gegenüber Westdeutschland und dem restlichen Westeuropa reduzieren. Allerdings ist bei ihnen im Gegensatz zu den Frauen bis heute ein Abstand von rund einem Jahr gegenüber Westdeutschland geblieben.

Seit der Jahrtausendwende haben jedoch sowohl West- als auch Ostdeutschland gegenüber den anderen Ländern Westeuropas an Boden verloren. Betrug der Rückstand von Deutschland bei der Lebenserwartung der Männer im Jahr 2000 rund 0,7 Jahre, ist dieser bis 2022 auf 1,8 Jahre angestiegen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Frauen: Hier vergrößerte sich der Abstand bei der Lebenserwartung von 0,7 Jahren (2000) auf aktuell 1,4 Jahre. Lediglich im ersten Pandemiejahr 2020 wurde bei beiden Geschlechtern eine kurzfristige Annäherung an den westeuropäischen Durchschnitt verzeichnet, da die Corona-sterblichkeit in Deutschland zunächst deutlich geringer ausfiel als in anderen Ländern Westeuropas.

Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Zu dem wachsenden Rückstand Deutschlands in der Lebenserwartung tragen einzelne Altersgruppen in unterschiedlicher Art und Weise bei. Während die Sterblichkeit von Menschen unter 50 Jahren im Rahmen des westeuropäischen Durchschnitts liegt, ist sie bei der Bevölkerung über 65 Jahre deutlich erhöht. Bei den Frauen weisen in Deutschland gerade Personen im Alter ab 75 Jahren eine höhere Sterblichkeit auf als Gleichaltrige im westeuropäischen Ausland. Dagegen tragen bei den Männern insbesondere die Alter zwischen 55 und 74 Jahren zur Lücke bei.

„Um Deutschlands Rückstand bei der Lebenserwartung zu verringern, müsste die Sterblichkeit insbesondere im höheren Alter reduziert werden“, folgert Mitautor Dr. Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am BiB. Handlungsbedarf scheint gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bestehen. So weisen internationale Vergleiche auf Aufholbedarf bei der Prävention und der Früherkennung dieser Erkrankungen hin. Ähnliches gilt für die Bereiche Tabak- und Alkoholprävention sowie gesunde Ernährung. „Hier besteht noch einiges Potenzial, um uns für den momentanen Alterungsprozess der Gesellschaft besser aufzustellen“, so Klüsener.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Sebastian Klüsener
sebastian.kluesener@bib.bund.de

Dr. Pavel Grigoriev
pavel.grigoriev@bib.bund.de

Originalpublikation:
Grigoriev, Pavel; Sauerberg, Markus; Jasilionis, Domantas; van Raalte, Alyson; Klüsener, Sebastian (2024): Sterblichkeitsentwicklung in Deutschland im internationalen Kontext. Bundesgesundheitsblatt 67(5): 493–503. https://doi.org/10.1007/s00103-024-03867-9

Quelle: Pressemitteilung vom 22.05.2024
Dr. Christian Fiedler Pressestelle
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
Dr. Christian Fiedler Pressestelle
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
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Mehr und länger arbeiten - ein Gebot zur Sicherung des Sozialstaates!

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Mehr und länger arbeiten - ein Gebot zur Sicherung des Sozialstaates! - Ein Nachruf – Klartext - zum Tag der Arbeit (01.Mai) >>> https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=6&t=1105
Deutschland hat mittlerweile die kürzesten Arbeitszeiten unter den entwickelten Nationen. Ein reiches Land kann sich das eine Zeit lang leisten. Aber wie lange noch? Sind wir (Sie und ich natürlich ausgenommen) zu faul? Auf diese Fragen suchte Martin Kessler in der Rheinischen Post, passend zum Tag der Arbeit, in seiner Analyse Antworten. https://newsletter.rp-online.de/d?p0c6u ... 000ccpgoge
Offensichtlich geht kein Weg daran vorbei, dass in Deutschland mehr und länger gearbeitet werden muss. Die sich verschlechternde wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gebietet sogar insoweit schnelles Handeln. Nur eine gut funktionierende Wirtschaft gewährleistet soziale Sicherheit. Wer arbeitsfähig ist, muss einer Beschäftigung nachgehen. Wer sich dieser Pflicht entzieht, darf keine Unterhaltszahlungen aus dem sozialen Netz erhalten. Zu arbeiten gibt einen Sinn, definiert unseren Platz in der Gesellschaft, strukturiert unser Leben und stärkt das eigene Selbstwertgefühl. Es zeugt im Übrigen von politischem Unvermögen, wenn nunmehr sogar eine 30-Stunden-Woche für alle bzw. ein bedingungsloses Grundeinkommen vom Staat eingefordert wird. Die bereits vorhandene Freizeitgesellschaft soll offensichtlich deutlich ausgeweitet werden. 37,5 - 40 Arbeitsstunden/Woche sollten aber die Norm sein (Ministerpräsident Kretschmer, Sachsen, hat sich klar für die 40-Stundenwoche, und zwar für alle, ausgesprochen; siehe Bericht der Rhein. Post vom 22.05.2024). Der Fachkräftemangel gebietet dies. Dabei wirkt die Tatsache hilfreich, dass es in Deutschland vielfältige Arbeitsschutzregeln gibt, die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Beschäftigten minimieren helfen. Es stellen sich auch allerlei Fragen bei der zukünftigen Gestaltung der Rentenversicherung und pflegerischen Versorgung der immer älter werdenden Gesellschaft: Die Frühverrentung muss folgerichtig beendet und die Lebensarbeitszeit angemessen verlängert werden (ausgenommen bei Erwerbsgeminderten). Wer diesen bzw. ähnlichen Erwägungen keine Aufmerksamkeit schenkt, verspielt die Altersrente und pflegerische Versorgung zukünftiger Generationen!


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