Zahlen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland steigen

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WernerSchell
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Zahlen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland steigen

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Zahlen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in Deutschland steigen
Rheumadaten anhand von Literatur neu erfasst


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Entzündlich-rheumatische Erkrankungen (ERE) in Deutschland nehmen zu. Dies zeigt eine systematische Analyse von Epidemiolog:innen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin (DRFZ). Anhand der Ergebnisse schätzen die Forscher:innen die Prävalenz der ERE in Deutschland auf 2,2 bis 3,0 Prozent der Erwachsenen. Dies entspricht in etwa 1,5 bis 2,1 Millionen Betroffenen. Etwa 14.000 Kinder und Jugendliche leiden unter einer juvenilen Arthritis. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. betont die besondere Bedeutung dieser Zahlen. Sie bilden die Grundlage, um den Versorgungsbedarf dieser Bevölkerungsgruppe zu benennen.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf einer systematischen Literaturrecherche auf den Online-Plattformen "PubMed" und "Web of Science", zuletzt am 8. November 2022. Für den Zeitraum von 2014 bis 2022 identifizierten die Forscher:innen 20 Originalartikel zur Prävalenz, also zur Häufigkeit, verschiedener ERE. Für die Rheumatoide Arthritis (RA) ergab sich daraus eine geschätzte Häufigkeit von 0,8 bis 1,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, was 560.000 bis 830.000 Menschen entspricht. Für Spondyloarthritiden kamen sie auf 690.000 bis 970.000 Betroffene, für die ankylosierende Spondylitis allein auf 350.000. Für die Psoriasisarthritis werden 170.000 bis 220.000, für den systemischen Lupus erythematodes 39.000 Betroffene geschätzt. Untersucht wurden auch Daten für das primäre Sjögren-Syndrom mit 49.000 und sekundäre Formen (Sicca Syndrom) mit 280.000 bis 490.000 Betroffenen. Für Polymyalgia rheumatica wird die Prävalanz auf 66.000 bis 71.000, für Riesenzellarteriitis auf 15.000 bis 19.000 und für die ANCA-assoziierten Vaskulitiden auf 18.000 Betroffene geschätzt.

Die Autor:innen weisen darauf hin, dass die vorliegenden Quellen durchaus unsicher sind. Fast alle Studien beruhen auf Routinedaten, die allein Abrechnungsdiagnosen und nicht den aktuellen Krankheitsstatus umfassen. „Wir wissen um die Schwächen dieser Schätzungen, aber da es in Deutschland kein Bevölkerungsregister zur Erfassung der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gibt, sind systematische Analysen verfügbarer Studien mit Routinedaten und Surveys die wichtigste Datengrundlage", sagt Dr. med. Katinka Albrecht, Erstautorin der Studie. Auch erschwerten fehlerhafte und überlappende Krankheitskodierungen eine zuverlässige Bestimmung. Für validere Zahlen seien mehrstufige Bevölkerungsstudien erforderlich, an denen es jedoch mangele.

Im Jahr 2016 hatten die Forscherinnen zuletzt analysiert, dass etwa zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer entzündlich-rheumatischen Krankheit betroffen sind. Das entsprach etwa 1,45 Millionen Menschen. „Seitdem sind die Zahlen tatsächlich gestiegen", sagt Dr. Albrecht. Der Anstieg begründe sich aber auch in verbesserter Frühdiagnostik und einer höheren Lebenserwartung. Denn die meisten ERE sind nicht heilbar, sie begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Seit 2014 stieg der Anteil der über 80-Jährigen an der deutschen Bevölkerung von 5,6 auf 7,3 Prozent. Entsprechend wuchs auch die Zahl der Menschen mit ERE. „Unsicher sind die Zahlen auch für ERE bei Kindern und Jugendlichen" bedauert Dr. Albrecht. Aktuelle Routinedaten aus Deutschland berücksichtigend bleiben die Forscher:innen für kindliches Rheuma, der sogenannten Juvenilen Idiopathische Arthritis (JIA), bei der Schätzung von 2016. Danach ist etwa eins von 1000 Kindern von einer JIA betroffen. Das entspricht etwa 14.000 Kindern und Jugendlichen in ganz Deutschland.

"Die Zahlen sind für rheumatologische Patientinnen und Patienten und für unser Fach von außerordentlicher Bedeutung, denn sie bilden auch die Grundlage für die Berechnung des Versorgungsbedarfs", sagt Prof. Dr. med. Andreas Krause, 2. Vizepräsident der DGRh aus Berlin. Die DGRh bemüht sich intensiv um eine bedarfszahlenbezogene ärztliche Weiterbildung in der Rheumatologie. Denn Rheuma ist eine Volkskrankheit. Dies spiegelt sich jedoch nicht in der Versorgungsrealität wider, die das Gesundheitssystem für die Betroffenen bereitstellt. Deshalb warten viele Patient:innen noch immer zu lange auf einen rheumatologischen Facharzttermin. Sie benötigen dringend frühe Diagnostik, um bleibende Schäden durch die Erkrankungen abzuwenden. Setzt eine Therapie aufgrund von Versorgungsengpässen zu spät ein, können dauerhafte körperliche Behinderungen entstehen. Da ERE vor allem Menschen im arbeitsfähigen Alter treffen, schränken sie nicht nur die Lebensqualität erheblich ein, sondern führen auch zu volkswirtschaftlichen Einbußen. Eine bedarfsgesteuerte Versorgungsplanung kann dies verhindern. Die richtigen Weichen dafür müssen Politik und Selbstverwaltung gemeinsam stellen, so die DGRh. Weitere Informationen zu Zahlen und Fakten entzündlich-rheumatischer Erkrankungen finden Interessierte auf der Website der DGRh.

Originalpublikation:
Albrecht, K., Binder, S., Minden, K. et al. Systematisches Review zur Schätzung der Prävalenz entzündlich rheumatischer Erkrankungen in Deutschland. Z Rheumatol (2023). https://doi.org/10.1007/s00393-022-01305-2


Weitere Informationen:
https://dgrh.de/Start/DGRh/Presse/Press ... -2023.html Pressemeldung auf der Websi der DGRh
https://dgrh.de/Start/DGRh/Presse/Daten ... ahlen.html Rheuma in Zahlen auf er Website der DGRh
https://www.drfz.de/aktuelles/news/15-2 ... utschland/ ... weitere Infrmationen des DRFZ Berlin


Quelle: Pressemitteilung vom 03.01.2023
Anna Julia Voormann Geschäftsstelle der DGRh
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
https://idw-online.de/de/news807234



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Siehe auch die Beiträge:
> Polymyalgia rheumatica (PMR) ist die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung bei älteren Personen > viewtopic.php?f=7&t=354
> Polymyalgia
erfolgreich behandeln > viewtopic.php?f=7&t=352
> Schmerzen bekämpfen mit antientzündlicher Ernährung >viewtopic.php?f=7&t=565
> Gürtelrose - Immunsystem-Reaktion von Rheuma-Patienten auf Zoster-Totimpfstoff > viewtopic.php?f=5&t=13&p=4245
WernerSchell
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Mediterrane Kost, Antientzündliche Diät, Fasten: Wie Ernährung die Rheumatherapie unterstützen kann

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Mediterrane Kost, Antientzündliche Diät, Fasten: Wie Ernährung die Rheumatherapie unterstützen kann

Gibt es eine Ernährungsweise, die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen entgegenwirkt? Und gibt es umgekehrt Nahrungsmittel, die Rheuma-Erkrankte besser nicht zu sich nehmen sollten? Empfehlungen zu diesen Fragen füllen viele Buch- und Internetseiten. Wissenschaftliche Belege dafür, dass die Rheumaaktivität sich über die Ernährung beeinflussen ließe, sind dagegen rar. Der Nutzen von Ernährungsinterventionen ist daher auch in Fachkreisen umstritten. Experten der DGRh haben sich nun des Themas angenommen, Studien ausgewertet und daraus wissenschaftlich fundierte Empfehlungen abgeleitet. Die überzeugendsten Belege gibt es demnach für den Nutzen einer mediterranen Ernährung.

Viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, eher wenig Fisch und Geflügel, und noch weniger „rotes“ Fleisch – das sind die wichtigsten Kennzeichen der sogenannten mediterranen Ernährung (ME). Typisch für diese Ernährungsweise ist zudem der häufige Verzehr von Nüssen und (Vollkorn-)Getreide und der weitgehende Verzicht auf tierische Fette wie Butter und auf weißen Zucker oder Glukose-Fruktose-Sirup. „Mit leichten Variationen gelten diese Prinzipien in allen Ländern des Mittelmeerraumes“, sagt Prof. Dr. med. Ger-not Keyßer, Sprecher der DGRh-Kommission Komplementäre Heilverfahren und Ernährung, die die aktuellen Empfehlungen erarbeitet hat. Es gilt als gesichert, dass die ME die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, von Stoff-wechselleiden wie Adipositas und Typ-2-Diabetes, sowie von Darmkrebs verringert.
Auch der Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen scheint durch die ME positiv beeinflusst zu werden. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen hierzu beziehen sich allerdings nur auf wenige Krankheitstypen. So verbesserten sich die Symptome einer rheumatoiden Arthritis (RA) leicht, ebenso profitierten Patient:innen mit einer Psoriasis (Schuppenflechte), einer Spondyloarthritis oder einem Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) jeweils geringfügig von einer ME. „Die Effekte sind nicht groß“, räumt Keyßer ein. Allerdings beträfen sie nicht nur objektiv messbare Parameter, sondern auch das subjektive Befinden der Patienten. „Als flankierende Maßnahme zur antirheumatischen Basistherapie möchten wir die ME daher allen Rheuma-Betroffenen sehr ans Herz legen“, so Keyßer. Dies umso mehr, als die Patienten auch von der bekannten Senkung des Herz-Kreislauf- und des Diabetes-Risikos profitieren.

Die Effekte einer ME werden hauptsächlich der Vermeidung tierischer Fette zugeschrieben, die entzündungsfördernde Bestandteile wie Arachidonsäure und gesättigte Fettsäuren enthalten, sowie der vermehrten Aufnahme entzündungshemmender Omega-3-Fettsäuren aus pflanzlichen Ölen, Fisch, Nüssen und Algen. „Diesem Muster folgen auch sogenannte antiinflammatorische Diäten“, erläutert Keyßer. Auch für solche Diäten sichtete die Kommission die verfügbare Evidenz, ebenso wie für Fastenkuren oder eine ketogene Diät. Die Zahl klinischer kontrollierter und randomisierter Studien in diesem Bereich sei noch immer überschaubar, so die Experten. Außerdem sei ihre Aussagekraft oft durch eine kurze Beobachtungszeit oder eine geringe Teilnehmerzahl limitiert. Auch stammt ein großer Teil der Studien aus den Jahren vor der Einführung der hochwirksamen Biologika in die Rheumatherapie, sodass ein möglicher Ernährungseffekt heute nur noch schwer abgeschätzt werden kann. Hier stützen sich die Empfehlungen der Kommission daher noch immer hauptsächlich auf positive Erfahrungen, die in der Klinik etwa mit dem Heil-fasten gemacht werden, oder auf günstige Effekte, die in Studien zu anderen Erkrankungen beobachtet wurden.

Prinzipiell sollten Ernährungsumstellungen immer mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen und bei Bedarf auch von geschultem Personal begleitet werden. „Nicht jede Ernährungsintervention ist für jeden Patienten gleichermaßen geeignet“, sagt Professor Dr. Christof Specker, Präsident der DGRh. So sollte etwa im akuten Rheumaschub oder bei Untergewicht nicht gefastet werden. Besonders wichtig ist Präsident und Kommission auch der Hinweis darauf, dass über die Ernährung letztlich nur unterstützende Effekte erzielt werden können. „Eine medikamentöse Therapie kann damit auf keinen Fall ersetzt werden.“

Pressekontakt DGRh für Rückfragen:
Stephanie Priester
Pressestelle
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh)
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Tel.: +49 711 8931-605
Fax: +49 711 8931-167
E-Mail: priester@medizinkommunikation.org

Kontakt DGRh:
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Geschäftsstelle
Anna Julia Voormann
Generalsekretärin
Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, Aufgang C
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Tel. +49 30 240 484 70
Fax +49 30 240 484 79
E-Mail: anna.voormann@dgrh.de
http://www.dgrh.de

Originalpublikation:
Die ausführlichen Empfehlungen sind auf den Internetseiten der DGRh abrufbar:
- Mediterrane Ernährung: https://dgrh.de/Start/Publikationen/Emp ... hrung.html
- Ernährungsmodifikation: https://dgrh.de/Start/Publikationen/Emp ... hrung.html

Quelle: Pressemitteilung vom 26.06.2023
Anna Julia Voormann Geschäftsstelle der DGRh
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
https://idw-online.de/de/news816692
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