Gesetzlicher Mindestlohn für entsandte ausländische Betreuungskräfte in Privathaushalten

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)
WernerSchell
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Deutscher Pflegerat fordert 7-Punkte-Programm für ausländische Betreuungskräfte

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PRESSEMELDUNG
Deutscher Pflegerat e.V. (DPR)
Bundesarbeitsgemeinschaft Pflege- und Hebammenwesen:
Berlin (28. Juni 2021, Nr. 27/2021)


Deutscher Pflegerat fordert 7-Punkte-Programm für ausländische Betreuungskräfte
Bundesarbeitsgericht mahnt Mindestlohn und Zahlung der Bereitschaftszeiten an


Das Bundesarbeitsgericht hat am 24. Juni 2021 entschieden, dass ausländische Betreuungskräfte, die nach Deutschland entsandt werden und in Privathaushalten arbeiten, Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben und die Bereitschaftszeiten zu bezahlen sind. Hierzu erklärt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR):

„Der Deutsche Pflegerat begrüßt das wegweisende Urteil. Es wird erhebliche praktische Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung und deren Finanzierung haben.

Das Urteil macht deutlich, dass die Politik sich über Jahrzehnte der Thematik verschlossen hat. Dabei hat sie zugesehen, wie sich ein exorbitanter Schwarzmarkt in der Pflege entwickelt hat. Die geschätzte Zahl dieses „grauen Pflegemarkts“, in denen Pflegebedürftige in der Regel von osteuropäischen Frauen zu Hause unterstützt werden, liegt bei bis zu 500.000 Haushalten. Tatsache ist dabei, dass auch pflegerische Leistungen abgerufen werden. Diese dürfen in den betreffenden Settings an sich nicht erbracht werden, zudem sind sie nicht qualitätsgesichert.

Dabei treffen mehrere Notlagen aufeinander. Erstens können in Deutschland die meisten Familien die professionell erbrachte Pflege ihrer Angehörigen, die dauerhaft zuhause versorgt werden sollen, nicht bezahlen. Jedoch benötigen sie zweitens dennoch pflegerische Leistungen und Hilfen bei der Betreuung. Drittens suchen viele osteuropäische Frauen dringend Arbeit. Viertens suchen die meisten ambulanten Pflegedienste dringend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Kontrollen hinsichtlich der Qualität der geleisteten Arbeit, Arbeitsschutzstandards und Entlohnung sind in dem betreffenden Setting kaum möglich. Die grenzüberschreitende Situation bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich. Häufig wird den Beschäftigten vermittelt, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz nicht gelte. Fakt ist, in der Schwarzarbeit in der Pflege gibt es keine guten und fairen Arbeitsbedingungen.

Im Ergebnis führt das Urteil zwangsläufig dazu, die ambulant erbrachten Pflegeleistungen über Steuerzuschüsse zu stützen oder die Pflegebedürftigen und ihre Angehörige finanziell stärker zur Kasse zu bitten.

Alle Beteiligten müssen diese Dilemmata anerkennen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung, um Lösungen zu finden. Der Deutsche Pflegerat schlägt vor diesem Hintergrund ein 7-Punkte-Programm vor:

1. Legalisierung der transnationalen Betreuungskräfte, Auflösung des „grauen Pflegemarkts“. Erarbeitung von Konzepten, wie man mit den bestehenden Strukturen Anspruchshaltungen und Versorgungssicherheit bei Einbindung der Kommunen gewährleisten kann.
2. Einbindung der osteuropäischen Betreuungskräfte im Rahmen eines Konjunkturpakets in den legalen Arbeitsmarkt.
3. Bezahlung von tarifgerechten, sozialversicherungspflichtigen Löhnen, die angemessene Beschäftigungsbedingungen erlauben.
4. Ausbau der Pflegeversicherung durch Steuermittel im Rahmen der Erhöhung der Sachleistungsbudgets im ambulanten Bereich. Finanzielle Absicherung der Bedürftigen durch Sozialhilfeträger. Die Kosten dürfen nicht bei den Betroffenen bleiben.
5. Einheitliche Umsetzung einer bundesweiten zweijährigen Pflegeassistenzausbildung, um Qualitätsstandards in der Pflege und Betreuung zu sichern.
6. Klare und eindeutige Abgrenzung zwischen Pflege und Betreuung in dem betreffenden Setting. Kompetenzorientierter Einsatz von Pflegeassistenten und Pflegefachpersonen in der ambulanten Pflege.
7. Einführung von „Marktwächtern“ bei den Verbraucherzentralen sowie Ausbau von Beratungsstellen für 24 Stunden-Pflege.

Die Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Von daher stehen auch der Staat und die Kommunen mit in der Pflicht, sachgerechte Lösungen zu finden. Gerne bieten sich die Verbände des Deutschen Pflegerats mit ihrer jeweiligen Expertise zur Mitarbeit an.“

Ansprechpartnerin:
Christine Vogler
Präsidentin des Deutschen Pflegerats

Deutscher Pflegerat e.V. (DPR)
Bundesarbeitsgemeinschaft Pflege- und Hebammenwesen
Alt-Moabit 91, 10559 Berlin
Telefon: (0 30) 398 77 303
Telefax: (0 30) 398 77 304
E-Mail: presse@deutscher-pflegerat.de
Internet: www.deutscher-pflegerat.de

Zum Deutschen Pflegerat e.V. (DPR):
Der Deutsche Pflegerat e.V. wurde 1998 gegründet, um die Positionen der Pflegeorganisationen einheitlich darzustellen und deren politische Arbeit zu koordinieren. Darüber hinaus fördert der Zusammenschluss aus 16 Verbänden die berufliche Selbstverwaltung. Als Bundesarbeitsgemeinschaft des Pflege- und Hebammenwesens und Partner der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen vertritt der Deutsche Pflegerat heute die insgesamt 1,2 Millionen Beschäftigten der Pflege. Über die berufliche Interessensvertretung hinaus ist der Einsatz für eine nachhaltige, qualitätsorientierte Versorgung der Bevölkerung oberstes Anliegen des Deutschen Pflegerats.
Präsidentin des Deutschen Pflegerats ist Christine Vogler. Vize-Präsidentinnen sind Irene Maier und Annemarie Fajardo.

Mitgliedsverbände:
Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen e.V. (ADS); AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen e.V. (AVG); Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e.V. (BLGS); Bundesverband Geriatrie e.V. (BVG); Bundesverband Pflegemanagement e.V.; Deutscher Hebammenverband e.V. (DHV); Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland e.V. (BeKD); Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen der Psychiatrie e.V. (BFLK); Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK); Deutsche Gesellschaft für Endoskopiefachberufe e.V. (DEGEA); Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF); Deutscher Pflegeverband e.V. (DPV); Katholischer Pflegeverband e.V.; Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz e.V. (VdS); Verband für Anthroposophische Pflege e.V. (VfAP) und Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätsklinika e.V. Deutschland (VPU).
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Mindestlohn für 24-Stunden-Kräfte auch in der Bereitschaftszeit ...

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Mindestlohn für 24-Stunden-Kräfte auch in der Bereitschaftszeit – Angehörige von Menschen mit Demenz fordern mehr Unterstützung

Berlin, 29. Juni 2021. Das Bundesarbeitsgericht hat vergangene Woche geurteilt, dass auch ausländischen Betreuungskräften in der Bereitschaftszeit eine Vergütung in Höhe des Mindestlohns zusteht. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – die jedoch pflegende Angehörige insbesondere bei Demenzerkrankten in eine schwierige Lage bringt. Sie benötigen nun noch dringender als zuvor bessere Unterstützung vom Staat.

„Die 24-Stunden-Betreuung von Menschen mit Pflegebedarf und Demenz durch osteuropäische Betreuungskräfte ist schon seit langem ein Graubereich, in dem es an gesetzlichen Regelungen fehlt“, so Monika Kaus, 1. Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG). „Wir begrüßen es grundsätzlich, dass das Bundesarbeitsgericht an dieser Stelle Klarheit geschaffen und die Rahmenbedingung für die Beschäftigung dieser Kräfte, in den meisten Fällen Frauen, benannt hat. Als Interessenvertretung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen fordern wir nun aber noch einmal verstärkte Anstrengungen der Bundesregierung, endlich für eine bessere Unterstützung der häuslichen Pflegesituationen zu sorgen.“

Die Gründe für die Beschäftigung von 24-Stunden-Kräften sind unterschiedlich: Teilweise leben Menschen mit Demenz und einem hohen Betreuungsbedarf alleine. Angehörige sind nicht in der Nähe, wollen aber dem Wunsch der Betroffenen, weiter zu Hause und nicht im Heim zu leben, nachkommen. In anderen Fällen leben die Familien zusammen, aber durch die Berufstätigkeit der pflegenden Kinder oder Ehepartner kann die Betreuung nicht den ganzen Tag über abgedeckt werden. Auch Verhaltensänderungen wie die Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus können dazu führen, dass Angehörige alleine mit der Betreuung überfordert sind. Doch die Leistungen der Pflegeversicherung, die für die häusliche Betreuung verfügbar sind, sind sehr begrenzt. Sie reichen bei weitem nicht aus, um den Bedarf abzudecken. Darüber hinaus fehlt es an passenden Unterstützungsangeboten wie Tagespflege. Nachtpflegeangebote gibt es fast gar nicht; eine umfangreiche Versorgung durch ambulante Pflegedienste ist nicht nur aus finanziellen Gründen in der Regel kaum möglich, sondern auch weil es an Pflegekräften fehlt. Hier ist dringend ein Ausbau der Angebote erforderlich. Das Verhältnis von geschätzt 600.000 osteuropäischen Betreuungskräften auf 3,3 Millionen Menschen mit Pflegebedarf, die zu Hause leben, macht das Ausmaß der Problematik sichtbar.

Das Pflegebudget, über das seit Jahren diskutiert wird, würde die Situation erleichtern, weil damit die Leistungen der Pflegeversicherung bedarfsgerechter und flexibel eingesetzt werden könnten. Bisher wurden entsprechende Pläne aber immer wieder verschoben, weil damit höhere Kosten für die Steuerzahler verbunden wären.

Hintergrund
In Deutschland leben heute etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt. Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu. Ungefähr 60 Prozent davon haben eine Demenz vom Typ Alzheimer. Die Zahl der Demenzerkrankten wird bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft engagiert sich für ein besseres Leben mit Demenz. Sie unterstützt und berät Menschen mit Demenz und ihre Familien. Sie informiert die Öffentlichkeit über die Erkrankung und ist ein unabhängiger Ansprechpartner für Medien, Fachverbände und Forschung. In ihren Veröffentlichungen und in der Beratung bündelt sie das Erfahrungswissen der Angehörigen und das Expertenwissen aus Forschung und Praxis. Als Bundesverband von mehr als 130 Alzheimer-Gesellschaften unterstützt sie die Selbsthilfe vor Ort. Gegenüber der Politik vertritt sie die Interessen der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Die DAlzG setzt sich ein für bessere Diagnose und Behandlung, mehr kompetente Beratung vor Ort, eine gute Betreuung und Pflege sowie eine demenzfreundliche Gesellschaft.

Quelle: Pressemitteilung vom 29.06.2021
Kontakt
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Nora Landmann, Susanna Saxl
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Tel: 030 - 259 37 95 0, Fax: 030 - 259 37 95 29
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
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Ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte in Privathaushalten

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Ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte in Privathaushalten

Näheres Informationen unter > https://www.pflegewegweiser-nrw.de/ausl ... ngskraefte

+++
Siehe auch:

Dr. rer. pol. Bernhard Emunds, Autor
Professor für Christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie,
Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts:


Damit es Oma gutgeht
Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden


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... (weitere Informationen unter) ... > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... 0&p=102686


In der Buchveröffentlichung von Dr. Emunds "Damit es Oma gutgeht - Pflege-Ausbeutung in den eigenen vier Wänden" wurde bereits 2016 aufgezeigt, welche rechtlichen Probleme bei der Beschäftigung von osteuropäischen Betreuungs- und Pflegekräften bestehen. Ohne zielgerichtete Veränderungen im Arbeitsrecht wird es keine halbwegs vertretbare Legalisierung geben. Und an dieser Feststellung hat sich bis heute nichts geändert. - Die politisch Verantwortlichen haben bislang alle Augen zugedrückt, sind nun aber nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.2021 (> viewtopic.php?f=6&t=190 ) endgültig zum Handeln aufgefordert! - Werner Schell
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ZdK-Präsident Sternberg begrüßt Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte – und fürchtet Pflegenotstand

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Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)

ZdK-Präsident Sternberg begrüßt Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte – und fürchtet Pflegenotstand

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, begrüßt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte in der häuslichen Pflege. „Ich finde dieses Urteil sehr hilfreich, weil es die teilweise unhaltbaren Arbeitsverhältnisse angeht, die sich allenthalben etabliert haben“, sagte er am Freitag in der Hauptausschusssitzung des ZdK. Andererseits löse es, wie es der Vorstand der deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, ausgedrückt habe, „einen Tsunami aus“.

Es stelle sich einmal mehr die Frage, so Sternberg, wie Pflege im häuslichen Bereich künftig fair möglich sei. „Wie verhindert man das Abdriften von Pflege- und Betreuungskräften in die Schwarzarbeit? Wie können wir ausreichend Heimkapazitäten schaffen und zugleich Pflegekräfte zu fairen Bedingungen auch im häuslichen Bereich beschäftigen, ohne alle Beteiligten zu überfordern? Wie können wir einen Pflegenotstand verhindern? Ein zentraler Punkt wird hierbei die zukünftige Finanzierung der häuslichen Pflege sein.“

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 24. Juni festgestellt, dass auch die Pflegekräfte aus dem Ausland einen Anspruch auf Mindestlohn haben und die Regelungen des deutschen Arbeitsrechts vor allem bezüglich der Anerkennung von Bereitschaftszeiten als Arbeitszeiten Geltung haben.
Das ZdK hatte im November 2018 eine Erklärung zur Pflege veröffentlicht. Darin heißt es: „Die weite Verbreitung der sogenannten 24-Stunden-Pflege – Schätzungen schwanken zwischen 100.000 und 600.000 Pflegehaushalten in Deutschland – verdeutlicht, dass das primär auf häuslicher Pflege basierende Pflegesystem an seine Grenzen stößt.“ Aus ethischer Sicht sei die extreme Ausdehnung der Arbeitszeit „das zentrale Problem“.
In der Erklärung begreift das ZdK die Altenpflege als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und setzt mit seiner Bestandsaufnahme bei den hohen Belastungen an, denen die pflegenden Angehörigen, die sog. Live-In-Pflegekräfte und die professionellen Pflegekräfte in den Heimen und ambulanten Diensten ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund wird gefragt, ob die aktuellen Grundstrukturen des deutschen Pflegesystems wie der Vorrang der häuslichen Pflege und die Finanzierung der öffentlichen Pflegeausgaben über Sozialversicherungsabgaben auch in Zukunft noch eine verlässliche Absicherung des Pflegerisikos gewährleisten können.

Thomas Sternberg erklärte in der heutigen Hauptausschuss-Debatte: „Wir werden uns mit dem Thema faire Pflege im Lichte des aktuellen Urteils des Bundesarbeitsgerichts erneut zu beschäftigen haben.“

Quelle: Pressemitteilung vom 02.07.2021
Pressestelle Hochkreuzallee 246. 53175 Bonn Postfach 24 01 41. 53154 Bonn
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> https://www.zdk.de/veroeffentlichungen/ ... and-1410e/
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„24-Stunden-Betreuung“ nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

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„24-Stunden-Betreuung“ nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
15. Juli 2021 Statemente von Prof. Dr. Stefan Sell
Interviewpartner im Beitrag „Wird Vollzeitpflege zuhause unbezahlbar?“ des Politikmagazins „Zur Sache Baden-Württemberg“ (SWR-Fernsehen) am 15.07.2021
➔ Video > https://www.swrfernsehen.de/zur-sache-b ... r-100.html
Interview > https://stefan-sell.de/category/interview
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Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte - die Folgen für Betroffene

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SWR- Landesschau Rheinland-Pfalz ∙ SWR Rheinland-Pfalz - Bericht vom 21.07.2021

Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte - die Folgen für Betroffene
Ausländischen Pflegekräften steht der deutsche Mindestlohn zu und Bereitschaftszeit muß bezahlt werden. So entschied das Bundesarbeitsgericht. Für Betroffene hat dieses Urteil gravierende Konsequenzen.

Video (4,15 Min.) bis zum 21.07.2022 verfügbar > https://www.ardmediathek.de/video/lande ... E1MDAyNzY/
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24-Stunden-Pflege - Was nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu beachten ist

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24-Stunden-Pflege
Was nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu beachten ist



Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass auch ausländische Betreuungskräfte für ihre Arbeits- und nächtlichen Bereitschaftszeiten bei der Betreuung den in Deutschland geltenden Mindestlohn erhalten. Nun fragen sich viele Familien, wie sie die häusliche Betreuung und Pflege von Pflegebedürftigen neu organisieren sollen. Wer tatsächlich eine 24-Stunden-Betreuung wünscht, müsste nach Maßgabe der Entscheidung drei Kräfte für je acht Stunden im Wechsel beschäftigen sowie Urlaubs- und Krankheitszeiten überbrücken, um eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung zu gewährleisten. Das ist in der Regel unbezahlbar, zumal sich die Pflegekasse nur in Höhe des Pflegegeldes an einer solchen Betreuung beteiligt. Das sind selbst bei Pflegegrad 5 nur 901 Euro. „Bis die Politik hier eine tragfähige Lösung findet, raten wir Betroffenen, Betreuung und professionelle Pflege getrennt voneinander zu organisieren“, sagt Susanne Punsmann, Juristin im Projekt “Pflegewegweiser NRW” der Verbraucherzentrale NRW. So lässt sich eine Rundum-Betreuung legal neu aufstellen:

• Betreuung auf mehrere Schultern verteilen:

Bisher zahlten Pflegebedürftige für die ausländische Betreuungskraft oftmals eine Tagespauschale von 80 oder 90 Euro, monatlich etwa 2.200 bis 3.000 Euro. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist klargestellt worden, dass der in Deutschland gültige Mindestlohn zu zahlen ist, der seit dem 1. Juli 2021 bei 9,60 Euro liegt. Hinzu kommt, dass eine Betreuungskraft nur für durchschnittlich acht Stunden am Tag eingesetzt werden kann. Empfehlenswert ist daher, zusätzlich zu einer Betreuungskraft eine professionelle Pflegekraft zu engagieren. Spätestens ab Pflegegrad 3 sollte das ein ambulanter Pflegedienst sein. Weitere Betreuungszeiten können Verwandte, Nachbarn oder Minijobber übernehmen. Auch eine Tagespflege ist möglich. Tätigkeiten wie eine Medikamentengabe, das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen oder die Insulingabe fallen in die Aufgaben ambulanter Pflegedienste.

• Bereitschaftszeit richtig einschätzen:

Der Mindestlohn gilt nicht nur für eine achtstündige Arbeitszeit, sondern auch für Bereitschaftszeiten, z.B. nachts. In dieser Zeit fallen in der Regel Tätigkeiten wie die Unterstützung beim Toilettengang, das Reichen eines Glas Wassers oder die Hilfe bei nächtlich desorientierten Pflegebedürftigen. Eine solche Bereitschaft oder auch Überstunden müssen vom Arbeitgeber angeordnet werden. Kommt die Betreuungskraft von einer Vermittlungsagentur (Entsendemodell), kann nur die Agentur die Überstunden anordnen. Pflegebedürftige selbst können Überstunden nur dann anordnen, wenn sie selbst Arbeitgeber der Betreuungskraft sind. Kann die Betreuungskraft über ihre Freizeit frei verfügen und bleibt ohne Bereitschaft im Haus, gilt keine Zahlungspflicht des Pflegebedürftigen.

• Arbeitszeiten dokumentieren:

Die acht Stunden müssen nicht an einem Stück geleistet werden, sondern können in Abstimmung mit der Vermittlungsagentur und je nach Bedarf über den Tag verteilt werden - wenn Pausen- und Ruhezeiten eingehalten werden und die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche nicht überschritten wird. Keine Nachzahlung ist zu befürchten, wenn nur acht Stunden täglich vereinbart werden – unter Berücksichtigung von Pausen- und Ruhezeiten. Am besten dokumentieren sowohl Pflegebedürftige als auch Betreuungskräfte einander gegenseitig die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten und etwaige vereinbarte Bereitschaftszeiten.

• Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit vermeiden:

Der Mindestlohn und das deutsche Arbeitszeitgesetz gelten für angestellte Betreuungskräfte, egal, ob sie beim Pflegebedürftigen direkt oder bei der Vermittlungsfirma angestellt sind. Einige Agenturen werben seit dem Urteil verstärkt mit der Vermittlung selbstständiger Kräfte, für die Mindestlohn und Arbeitszeitregelung nicht gelten. Doch wenn die Betreuungskraft beim Pflegebedürftigen einen Großteil ihres Einkommens verdient, sie weisungsgebunden ist und mit im Haushalt lebt, kann ein Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung schnell zu dem Ergebnis kommen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Dann wären unter anderem die Sozialversicherungsbeiträge – auch rückwirkend – nachzuzahlen. Ein solches Verfahren kann nicht nur von misstrauischen Nachbarn, sondern auch von der Betreuungskraft selbst initiiert werden, beispielsweise wenn sie durch eine längere Tätigkeit in Deutschland Ansprüche auf Arbeitslosengeld II geltend machen möchte. Auch von der Betreuung in Schwarzarbeit ist abzuraten. Hier drohen neben der Nachzahlungspflicht erhebliche Bußgelder und es entstehen Probleme, wenn die meist nicht krankenversicherten Betreuungskräfte erkranken oder einen Unfall haben.

Hintergrund und weiterführende Links:
• Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts lag die Klage einer Bulgarin zugrunde, die bei einer Seniorin in Berlin wohnte und von der bulgarischen Agentur, die sie entsendet hat, 950 € netto für 30 Stunden Arbeit pro Woche erhalten hat. Tatsächlich aber war sie fast rund um die Uhr im Einsatz oder in Bereitschaft. Mit der Klage machte sie erfolgreich die Ansprüche für die Zeiten geltend, in denen sie tätig oder bereit zur Tätigkeit war und die sie zuvor nicht von der Agentur vergütet bekam. Dieses Modell wird häufig als „24-Stunden-Betreuung“ oder gar „24-Stunden-Pflege“ beworben. Gemeint ist, dass eine oftmals osteuropäische Haushalts- und Betreuungskraft vorübergehend in den Haushalt des Pflegebedürftigen zieht und ihn im Alltag unterstützt. Treffender ist deshalb die Bezeichnung „Live-in-Kräfte“.
https://www.pflegewegweiser-nrw.de/ausl ... ngskraefte

Für weitere Informationen:
Susanne Punsmann | Juristin im Projekt “Pflegewegweiser NRW
Tel. (0211) 38 09-101
presse@verbraucherzentrale.nrw

Quelle: Pressemitteilung vom 26.07.2021
Verbraucherzentrale NRW
Pressestelle
Mintropstraße 27
40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/3809-101
Fax: 0211/3809-216

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FÜRSORGE FÜR ALTE MENSCHEN - Wie Deutschland in der Pflege wegschaut

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Deutsche Welle - DW

FÜRSORGE FÜR ALTE MENSCHEN
Wie Deutschland in der Pflege wegschaut


Zwischen 300.000 und 600.000 Pflegekräfte aus Ost- und Mitteleuropa versorgen ältere Deutsche in ihren eigenen vier Wänden. Wie lange hält dieses System?
Das Thema, das alle in Deutschland früher oder später betreffen könnte, über das aber gleichzeitig fast niemand redet, lässt sich auf eine einfache Frage und eine kurze Antwort reduzieren. Peter Müller, seit drei Jahren an den Rollstuhl gefesselt, sitzt zu Hause neben seiner an Parkinson erkrankten Ehefrau und muss auch gar nicht lange nachdenken, er antwortet wie aus der Pistole geschossen.

"Wie wäre das Leben ohne Zuzanna, ihre polnische Pflegerin?"

"Nicht denkbar, ohne sie geht es nicht."

Peter Müller heißt wie auch Zuzanna in Wahrheit anders, aber auch das gehört zu diesem heiklen Thema: Alle Beteiligten bitten um Anonymität, aus Angst, dass ihnen deswegen irgendwann Nachteile entstehen könnten. Was also tun, wenn man als alter Mensch pflegebedürftig ist, aber nicht ins Altersheim gehen will und keine Kinder da sind, die sich um einen kümmern können?
... (weiter lesen unter) ... > https://www.dw.com/de/wie-deutschland-i ... a-58656818
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Vier Irrtümer über die sogenannte 24-Stunden-Pflege

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Vier Irrtümer über die sogenannte 24-Stunden-Pflege

Vielen Familien mit Pflegebedürftigen erscheint es als ideale Lösung: Eine Betreuung im eigenen Zuhause, rund um die Uhr gewährleistet durch ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte, wie es von vielen Agenturen angeboten wird. Doch das vermeintliche Rundum-Sorglos-Paket ist in der Regel eine Mogelpackung und die Werbung oft in doppelter Hinsicht irreführend. Der Pflegewegweiser der Verbraucherzentrale NRW zeigt auf, welche Annahmen falsch sind und wie eine gute Betreuung zu Hause organisiert werden kann.

Irrtum 1: „24-Stunden-Pflege“ gilt rund um die Uhr
Die Bezeichnung „24-Stunden-Pflege“ ist verbreitet, aber falsch. Denn niemand kann, darf und soll 24 Stunden zur Verfügung stehen. „Das deutsche Arbeitsrecht lässt eine durchgängige Tag-und-Nacht-Betreuung durch eine einzige Person nicht zu“, sagt Susanne Punsmann, Pflegerechtsexpertin der Verbraucherzentrale NRW. „Das Bundesarbeitsgericht hat im Juni 2021 in einem Urteil klargestellt, was schon lange gilt: Eine tatsächliche Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist von einer Person alleine nicht zu leisten.“ Die Arbeitszeit, einschließlich der Bereitschaftszeit, darf durchschnittlich acht Stunden am Tag bei einer Sechstagewoche nicht überschreiten. Als Bereitschaftszeit gilt nicht der einzelne Einsatz, sondern zum Beispiel die ganze Nacht, wenn die Betreuungskraft nachts bei einem Toilettengang helfen soll, sich also an einem vom Arbeitgeber festgelegten Ort aufhalten muss, um im Bedarfsfall unverzüglich die Arbeit aufnehmen zu können.

Irrtum 2: „24-Stunden-Pflege“ ist Pflege und Betreuung
Die ausländischen Haushalts- und Betreuungskräfte, so der korrekte Fachbegriff, sind in der Regel keine ausgebildeten Pflegekräfte. Sie dürfen deshalb explizit keine medizinische Behandlungspflege übernehmen. Nur ausgebildete Pflegefachkräfte dürfen Verbände wechseln oder Spritzen geben. Im Pflegealltag sind in der Regel ambulante Pflegedienste dafür zuständig. Die Betreuungskräfte können lediglich grundpflegerische Tätigkeiten etwa beim Waschen oder Duschen übernehmen und im Alltag helfen, beim Essen und Trinken oder beim An- und Auskleiden. Sie erledigen Arbeiten im Haushalt wie kochen, putzen oder einkaufen. Die wichtigste Aufgabe jedoch ist die Betreuung. Die Betreuungskräfte lesen vor, begleiten bei Spaziergängen und nehmen mit der pflegebedürftigen Person Termine wahr. Sie ermöglichen so die Teilhabe am sozialen Leben.

Irrtum 3: „24-Stunden-Pflege“ gibt es von der Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung zahlt nicht für eine ausländische Haushalts- und Betreuungskraft. Pflegebedürftige können jedoch einen Teil dieser Kosten durch ihr Pflegegeld decken. Der Lohn muss mindestens dem deutschen Mindestlohn entsprechen, auch wenn die Kräfte von ausländischen Unternehmen nach Deutschland entsandt werden. Meist stammen die ausländischen Haushalts- und Betreuungskräfte aus Ost- oder Südosteuropa. Sie alle haben ein Anrecht auf sämtliche in Deutschland geltenden Arbeitnehmerschutzrechte und auf einen angemessenen Lohn, egal ob sie aus Polen, Rumänien oder aus der Ukraine kommen. Mehr Informationen zur Finanzierung und eine unabhängige Beratung zur Pflegeversicherung bieten Pflegeberatungsstellen der Kommunen oder Pflegestützpunkte.

Irrtum 4: „24-Stunden-Pflege“ macht andere Pflege überflüssig
Ausländische Betreuungskräfte können immer nur ein Baustein in der Versorgung Pflegebedürftiger sein. Die Pflegeversicherung bietet jedoch Möglichkeiten für weitere Hilfen. Eine Unterstützung durch Verwandte, Nachbarn, Minijobber oder auch Betreuungsdienste ist möglich. Spätestens ab Pflegegrad 3 sollte ein ambulanter Pflegedienst eingebunden werden. Dieser rechnet direkt mit der Pflegekasse ab. Wer mit Pflegegrad 2 bis 5 zu Hause von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn gepflegt wird, kann dafür das Pflegegeld verwenden, das je nach Unterstützungsbedarf gestaffelt ist.
Weiterführende Links und Infos:
• Mehr Informationen unter: www.pflegewegweiser-nrw.de
• Hotline zum Thema „Ausländische Haushalts- und Betreuungskräfte“: Tel. 0211 / 3809400, montags von 14-16:30 Uhr und mittwochs von 10-12 und 14-16:30 Uhr

Für Rückfragen:
Susanne Punsmann | Pflegerechtsexpertin
Tel. (0211) 38 09-101
presse@verbraucherzentrale.nrw

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Quelle: Pressemitteilung vom 07.04.2022
Verbraucherzentrale NRW
Pressestelle
Mintropstraße 27
40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/3809-101
Fax: 0211/3809-216


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Gut 6,6 Millionen Beschäftigte profitieren von Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro

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Neue Studie des WSI
Gut 6,6 Millionen Beschäftigte profitieren von Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro – Studie liefert Daten für alle Städte und Landkreise

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Rund 6,64 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland werden von der Mindestlohnerhöhung zum 1. Oktober profitieren, weil sie aktuell weniger als 12 Euro brutto pro Stunde erhalten. Das entspricht 17,8 Prozent aller Beschäftigten, die einen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn haben (also ohne Auszubildende und Schüler in Minijobs, die vom Mindestlohngesetz ausgenommen sind). In Ostdeutschland liegt die Quote bei 29,1 Prozent, in Westdeutschland, inklusive Berlin, bei 16,1 Prozent. Im bundesweiten Vergleich am höchsten ist der Anteil der Beschäftigten, die im Zuge der Mindestlohnerhöhung Anspruch auf eine Entgelterhöhung haben, in den Kreisen Sonneberg in Thüringen (44,0 Prozent), Teltow-Fläming (Brandenburg; 43,1 Prozent), Saale-Orla (Thüringen; 40,0 Prozent) und Vorpommern-Rügen (39,0 Prozent). Am niedrigsten ist der Anteil der Beschäftigten, die aktuell noch unter 12 Euro die Stunde verdienen, in Wolfsburg (7,9 Prozent), Erlangen (8,1 Prozent), dem Landkreis München (9,7 Prozent) und in Stuttgart (10,3 Prozent). Das ergibt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, die detaillierte Daten für alle Bundesländer und die 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte liefert (siehe auch die interaktive Karte sowie die ausführlichen Datenblätter; Link unten).* Die regionale Verteilung steht im Einklang mit dem Ergebnis einer WSI-Studie von 2021, die zeigte, dass die Anhebung des Mindestlohns vor allem die Entlohnung von Beschäftigten ohne Tarifvertrag verbessert. Unter den 6,64 Millionen Menschen mit Stundenlöhnen unter 12 Euro sind knapp 2,55 Millionen Vollzeitbeschäftigte, 1,81 Millionen Teilzeitbeschäftigte und knapp 2,29 Millionen Personen, die als einzige Beschäftigung einen Minijob haben.

„Der Mindestlohn von 12 Euro bringt vielen Beschäftigten eine spürbare Lohnsteigerung in einer Zeit, in der das wegen hoher Preise bei Energie und Lebensmitteln besonders wichtig ist. Und das ohne absehbare Auswirkungen auf die Beschäftigung, wie zum Beispiel eine aktuelle Befragung unter den Arbeitsagenturen ergibt“, sagt WSI-Arbeitsmarktexperte Dr. Eric Seils, der die Studie zusammen mit seinem Kollegen Dr. Toralf Pusch verfasst hat. „Die Mindestlohnerhöhung trägt regional breit gefächert zur Stabilisierung der Kaufkraft bei“, ergänzt Pusch. Damit setze sich ein Effekt fort, den das WSI in einer kürzlich veröffentlichten Studie im Auftrag der Mindestlohnkommission schon für die Jahre nach der Einführung der gesetzlichen Untergrenze nachgewiesen hat: Spürbare Einkommensverbesserungen, die insbesondere in ärmeren Regionen mit hoher Bedeutung des Mindestlohns wirken und den Konsum stärken.**

In ihrer Untersuchung haben Pusch und Seils das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) und die neuesten verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit verwendet und bis September 2022 fortgeschrieben. Damit können die WSI-Forscher eine Hochrechnung zur Zahl der Beschäftigten vorlegen, die aktuell für weniger als 12 Euro arbeiten, und diese auf die Ebene der Bundesländer, kreisfreien Städte und Landkreise herunterbrechen.

Schaut man auf die Bundesländer, ist in Mecklenburg-Vorpommern der Anteil der Beschäftigten, die von 12 Euro Mindestlohn profitieren, mit 31,2 Prozent am höchsten, gefolgt von Thüringen (30,8 Prozent). In absoluten Zahlen gilt das, wenig überraschend, für die bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen (rund 1,3 Millionen Beschäftigte; Quote 16,8 Prozent) und Bayern (gut 930.000, Quote 14,7 Prozent). Unter den deutschen Millionenstädten weist Berlin mit 17,8 Prozent und knapp 305.000 Personen die höchste Quote und absolute Zahl der Betroffenen auf. Mit Blick auf den Anteil folgen Hamburg (14,7 Prozent; gut 160.000), Köln (14,5 Prozent; gut 94.000 Personen) und München (11,1 Prozent; gut 107.000).

Die Analyse zeigt auch, dass sich die Betroffenheit von niedrigen Löhnen erheblich nach Typ der Beschäftigung und Arbeitszeit unterscheidet: Mit Abstand am größten ist der Anteil unter Minijobbenden ohne weiteres Arbeitsverhältnis: Knapp 80 Prozent von ihnen verdienen aktuell noch weniger als 12 Euro die Stunde. Unter Teilzeitbeschäftigten sind es 20,1 Prozent und bei Vollzeitbeschäftigten 9,9 Prozent.

*Toralf Pusch, Eric Seils
Mindestlohn 12 Euro. Auswirkungen in den Kreisen. WSI Policy Brief Nr. 72, September 2022. > https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm? ... HBS-008420

Quelle: Pressemitteilung vom 27.09.2022
> https://www.boeckler.de/newsletter-rest ... 6530ABA93/
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