Die Mittelschicht in Deutschland bröckelt

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung
Gesperrt
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 3659
Registriert: 06.02.2021, 16:16

Die Mittelschicht in Deutschland bröckelt

Beitrag von WernerSchell »

Bertelsmann Stiftung


Die Mittelschicht in Deutschland bröckelt


Der Zugang zur Mittelschicht hat sich deutlich verschlechtert: 1995 zählten noch 70 Prozent der Bevölkerung zur mittleren Einkommensgruppe, 2018 waren es nur noch 64 Prozent. Zwar fand der wesentliche Rückgang bis 2005 statt, doch die Mitte erholte sich seither nicht wieder, obwohl die deutsche Wirtschaft zwischen Finanz- und Corona-Krise durchschnittlich um rund 2 Prozent stetig gewachsen und die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Um die Mittelschicht zu stärken, fordern OECD und Bertelsmann Stiftung unter anderem dazu auf, Barrieren auf dem Arbeitsmarkt abzubauen.

Bild

Gütersloh, 1. Dezember 2021. Das Risiko, aus der Mittelschicht abzusteigen, hat in den vergangenen Jahren vor allem in der unteren Mittelschicht zugenommen. Gefährdet sind all jene, die unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße ein verfügbares Einkommen zwischen 75 und 100 Prozent des mittleren Einkommens haben. Zwischen 2014 und 2017 rutschten 22 Prozent von ihnen im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre), also mehr als jede:r Fünfte, in die untere Einkommensschicht und waren damit arm oder von Armut bedroht. Der Anteil der Betroffenen lag zuletzt um vier Prozentpunkte höher als Mitte der 1990er. Für sie war das Abstiegsrisiko damit dreimal höher als im mittleren und sogar sechsmal höher als im oberen Teil der Mittelschicht (100 bis 150 bzw. 150 bis 200 Prozent des mittleren Einkommens). Gleichzeitig haben sich auch die Chancen, binnen vier Jahren in die Mittelschicht aufzusteigen, um mehr als zehn Prozentpunkte substanziell verringert und lagen zuletzt bei rund 30 Prozent.

Bild

Zu diesen Ergebnissen kommen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Bertelsmann Stiftung, die eine umfassende und international vergleichende Analyse der Situation und Entwicklung der Mittelschicht in Deutschland vorgelegt haben. „Wer in Deutschland einmal aus der Mittelschicht herausfällt, hat es heute deutlich schwerer, wieder aufzusteigen“, erklärt Valentina Consiglio, Mit-Autorin und Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung.

"Wer in Deutschland einmal aus der Mittelschicht herausfällt, hat es heute deutlich schwerer, wieder aufzusteigen."
Valentina Consiglio, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung

Jüngere Erwachsene besonders betroffen

Im Vergleich mit 25 weiteren OECD-Ländern schrumpfte die Mittelschicht nur in Schweden, Finnland und Luxemburg stärker als in Deutschland. Jüngere Erwachsene waren davon in Deutschland besonders betroffen: Der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die zur Einkommensmitte gehören, ist mit einem Rückgang von zehn Prozentpunkten überdurchschnittlich stark gesunken. Das zeigt auch der Generationenvergleich: Während es noch 71 Prozent der Babyboomer:innen (Jahrgänge 1955 bis 1964), nach dem Start ins Berufsleben in die Mittelschicht schafften, gelang dies nur noch 61 Prozent der Millenials (Jahrgänge 1983 bis 1996). Dabei spielt Bildung eine immer wichtigere Rolle: Der Anteil der 25- bis 35-Jährigen mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau, die es in die Mittelschicht schaffen, ist im Vergleich zu 1995 überproportional gesunken: Für jene ohne Abitur oder Berufsausbildung um 27 Prozentpunkte (von 67 auf 40 Prozent) und für jene mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder Abitur um 12 Prozentpunkte (von 73 auf 61 Prozent). Lediglich der Rückgang für junge Erwachsene mit einem Meister oder Hochschulabschluss lag mit fünf Prozentpunkten unterhalb des Bevölkerungsdurchschnitts. „Eine gute Ausbildung und ein Studium sind wichtig. Bildungsrückstände, die durch die Pandemie entstanden sind, müssen dringend aufgeholt werden, sonst wird vielen der mühsame Aufstieg in die Mittelschicht zusätzlich erschwert“, mahnt Consiglio.

Bild

Um die Mittelschicht zu stärken, fordern die Studienautor:innen den Abbau von Barrieren auf dem Arbeitsmarkt. Beschäftigte mit geringen Wochenarbeitsstunden, insbesondere Minijobber:innen, profitieren seltener von Weiterbildungen sowie betriebsinternen Aufstiegsmöglichkeiten. Die Analyse zeigt, dass dies auch die Chance auf einen Platz in der Mittelschicht verringert: Während nur ein Viertel der Beschäftigten in der Mittelschicht in Teilzeit arbeitet, sind es in der unteren Einkommensgruppe 43 Prozent.

Niedriglohn verringert Chance auf einen Platz in der Mittelschicht

Hinzu kommen die Auswirkungen schlechter Bezahlung. Etwa ein Sechstel (18 Prozent) der Vollzeitbeschäftigten, die in Mittelschicht-Haushalten leben, arbeitet zum Niedriglohn. Bei Beschäftigten in der unteren Einkommensgruppe ist der Anteil hingegen viermal so hoch. Dabei schwächt der große Niedriglohnsektor die Situation der unteren Einkommensgruppen zusätzlich, da Niedriglohnjobs nur selten ein Sprungbrett in besser bezahlte Beschäftigung darstellen.

Ein besonderes Augenmerk verdient die Arbeitsmarktsituation von Frauen. Sie arbeiten häufiger als früher, allerdings oft mit geringer Stundenzahl und in Tätigkeiten, für die sie überqualifiziert sind. Darüber hinaus zeigt sich, dass es zunehmend ein zweites gutes Arbeitseinkommen im Haushalt braucht, um zur Mittelschicht zu gehören. „Wollen wir die Mittelschicht stärken, sollten Umfang und Qualität der Jobs von Frauen verbessert werden. Dazu könnte auch eine kombinierte Reform von Minijobs und Ehegattensplitting einen großen Beitrag leisten“, sagt Consiglio. Auch müssten Berufe, in denen mehrheitlich Frauen tätig sind, wie zum Beispiel in der Pflege, besser entlohnt werden.

Zusatzinformationen
Die Studie „Bröckelt die Mittelschicht? Risiken und Chancen für mittlere Einkommensgruppen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ vermisst die Mittelschicht im Zeitraum zwischen 1995 und 2018 sowie die Auswirkungen der Corona-Krise in den Jahren 2020/21. Zur Mittelschicht werden all jene gezählt, deren Einkommen nach Steuern und Transfers zwischen 75 und 200 Prozent des mittleren äquivalenzgewichteten Einkommens liegt. So war für eine alleinstehende Person für einen Platz in der Mittelschicht im Jahr 2018 ein Monatseinkommen nach Steuern und Transfers von rund 1.500 bis 4.000 Euro nötig, für ein Paar mit zwei Kindern ein verfügbares Einkommen zwischen 3.000 und 8.000 Euro.

Unsere Expertinnen:
Valentina Consiglio, Telefon: +49 30 275 788 130
E-Mail: valentina.consiglio@bertelsmann-stiftung.de
Manuela Barišić, Telefon: +49 30 275 788 131
E-Mail: manuela.barisic@bertelsmann-stiftung.de

Über die Bertelsmann Stiftung: Menschen bewegen. Zukunft gestalten.
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich dafür ein, dass. alle an der Gesellschaft teilhaben can – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Unsere Themen: Bildung, Demokratie, Europa, Gesundheit, Werte und Wirtschaft. Dabei stellen wir die Menschen in den Mittelpunkt. Denn sterben Menschen sind es, sterben sterben Welt bewegen, verändern und besser machen can. Dafür erschließen wir Wissen, Kompetenzen vermitteln und Lösungen erarbeiten. Die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet.
Weitere Informationen: www.bertelsmann-stiftung.de

Quelle: Pressemitteilung vom 01.12.2021
Pressestelle
Corporate Communications
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256 | 33311 Gütersloh | Deutschland
Telefon: +49 5241 81-81147 | Fax: +49 5241 81-681147
E-Mail: pressestelle@bertelsmann-stiftung.de | www.bertelsmann-stiftung.de


Studie Download >>> https://www.bertelsmann-stiftung.de/fil ... chicht.pdf

>>> https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/ ... -broeckelt
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 3659
Registriert: 06.02.2021, 16:16

Fast ein Viertel der über 80-Jährigen in Deutschland leidet unter Altersarmut

Beitrag von WernerSchell »

Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums Pressemitteilung 089 Veröffentlicht am 16.12.2021

Fast ein Viertel der über 80-Jährigen in Deutschland leidet unter Altersarmut
Frauen stärker als Männer betroffen / Geschlecht und Bildung machen den Unterschied beim Einkommen


Mehr als jeder fünfte Mensch über 80 Jahren (22,4 Prozent) in Deutschland ist von Armut betroffen. Bei den hochbetagten Frauen liegt der Anteil sogar noch um mehr als 9 Prozentpunkte höher als bei den Männern. Das sind die Ergebnisse der vom Bundesseniorenministerium geförderten Studie „Hohes Alter in Deutschland“ (D80+). Der nun vorliegende zweite Bericht „Das Einkommen der Hochaltrigen in Deutschland“ zeigt, dass die Einkommenssituation von Menschen über 80 Jahren wie auch in den anderen Altersgruppen sehr unterschiedlich ist. So liegt ein beträchtlicher Anteil Hochbetagter mit dem Einkommen unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig gibt es aber auch einen großen Anteil mit mittleren Einkommen und einige wenige, die in der Studie als „einkommensreich“ bezeichnet werden.
Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Anne Spiegel: „Dass so viele alte Menschen in Armut leben müssen, ist unserer reichen Gesellschaft nicht würdig. Besonders betroffen sind die Frauen: Der Anteil armer Frauen über 80 Jahren ist fast zehn Prozentpunkte höher als der ihrer männlichen Altersgenossen. Das zeigt, wie deutlich sich schlechtere Bezahlung, aber auch längere Teilzeitarbeit und Unterbrechungen im Erwerbsleben in späteren Jahren auf das Leben von Frauen auswirken. Wir müssen daher alles daran setzen, die noch immer bestehenden Lohnlücken zwischen den Geschlechtern zu schließen. Dafür lösen wir endlich die Bremse bei vielen Fragen der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, das Entgelttransparenzgesetz weiterzuentwickeln und die Rechtsdurchsetzung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. Genauso ist es höchste Zeit, den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Denn rund zwei Drittel derjenigen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sind Frauen. Und: Mit dem Gleichstellungscheck für alle Gesetzentwürfe des Bundeskabinetts will ich dafür sorgen, dass strukturelle Benachteiligungen von Frauen endlich ein Ende haben.“ Die wichtigsten Ergebnisse des Berichts „Das Einkommen der Hochaltrigen in Deutschland“ im Überblick:
Insgesamt 22,4 Prozent der Bevölkerung im Alter von 80 Jahren und älter sind von Einkommensarmut betroffen. Damit verfügen die Betroffenen über ein maximales Einkommen von 1.167 Euro im Monat. In der Gesamtbevölkerung liegt diese Quote bei 14,8 Prozent.
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen besteht bis ins hohe Alter: Hochgebildete haben im Vergleich zu niedriggebildeten Hochaltrigen durchschnittlich ein um fast 1.150 Euro höheres monatliches Nettoäquivalenzeinkommen.[1] Die Armutsquote unter den Niedriggebildeten ist mit 41,5 Prozent ungleich höher als bei den Hochgebildeten dieser Altersgruppe mit 6,7 Prozent.
Das durchschnittliche monatliche Nettoäquivalenzeinkommen von hochaltrigen Frauen liegt bei 1.765 Euro, jenes von hochaltrigen Männern bei 2.068 Euro. Damit liegt das Einkommen der Frauen ca. 300 Euro unter dem Einkommen von Männern. Zudem ist die Armutsquote hochaltriger Frauen um mehr als 9 Prozentpunkte höher als bei Männern. Besonders hoch ist die Armutsquote bei Frauen, die nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Diese haben im Durchschnitt ein monatliches Nettoäquivalenzeinkommen von 1.369 Euro, die Armutsquote liegt hier bei über 50 Prozent.
Das Einkommen der Hochaltrigen in Ostdeutschland (1.758 Euro) liegt unter dem Einkommen in Westdeutschland (1.923 Euro); allerdings ist dieser Unterschied statistisch nicht bedeutsam. Die Armutsquote der ab 80-Jährigen ist in Ostdeutschland deutlich niedriger als in Westdeutschland (18,2 Prozent vs. 23,7 Prozent). Auch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind in Ostdeutschland deutlich geringer als in Westdeutschland.
In der Bevölkerungsgruppe der ab 80-Jährigen gelten 2,8 Prozent als einkommensreich.[2] Bei ihnen übersteigt das monatliche Nettoäquivalenzeinkommen pro Kopf den Wert von 3.940 Euro.
Der Bericht basiert auf Angaben von mehr als 10.000 zufällig ausgewählten Personen im Alter von 80 Jahren oder älter im gesamten Bundesgebiet, die zwischen November 2020 und April 2021 schriftlich befragt wurden.
Die Studie „Hohes Alter in Deutschland“ (D80+) wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und vom Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) sowie dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) durchgeführt.
Der Bericht und weitere Informationen finden sich unter https://ceres.uni-koeln.de/forschung/d80 sowie https://www.dza.de/forschung/aktuelle-p ... chland-d80
[1] Das Nettoäquivalenzeinkommen ist ein bedarfsgewichtetes Einkommen und wird berechnet, um Haushaltseinkommen unabhängig von der Größe des Haushalts vergleichbar zu machen. Hierbei hat die erste Person ein Gewicht von 1,0, jede weitere Person ein Gewicht von 0,5, um Einsparungseffekte, wie z.B. Miete, Nebenkosten etc. zu berücksichtigen. Die Summe des Haushaltseinkommens wird durch die Summe der Personengewichte geteilt. [2] Einkommensreichtum liegt vor, wenn das Nettoäquivalenzeinkommen einer Person über 200 Prozent des Medians des Nettoäquivalenzeinkommens der Bevölkerung beträgt. Das liegt bei einem monatlichen Einkommen über 3.940 Euro vor.

Web-Ansicht: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/ ... mut-190132

Quelle: Pressemitteilung vom 16.12.2021
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Glinkastraße 24
10117 Berlin
Kontakt
Telefon: 030 201 791 30
E-Mail: poststelle@bmfsfj.bund.de
WernerSchell
Administrator
Beiträge: 3659
Registriert: 06.02.2021, 16:16

Soziale Schere bei Inflation auf Höchststand: Ärmere Familien haben 3,5 Prozentpunkte höhere Rate als wohlhabende Single

Beitrag von WernerSchell »

Bild


Monitor liefert neue Daten für verschiedene Haushalte
Soziale Schere bei Inflation auf Höchststand: Ärmere Familien haben 3,5 Prozentpunkte höhere Rate als wohlhabende Singles

Bild

Die Inflation ist im November im Durchschnitt aller Haushalte leicht auf 10,0 Prozent gesunken. Die Hoffnung wächst, dass der Höhepunkt der Teuerungswelle überschritten ist, die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung haben daran einen wesentlichen Anteil. Doch gleichzeitig hat sich die soziale Schere bei der Teuerung noch einmal etwas weiter geöffnet. Einkommensschwache Familien, die von der Teuerung am stärksten betroffene Gruppe, mussten im November mit einer Inflationsrate zurechtkommen, die um 3,5 Prozentpunkte höher lag als bei Alleinlebenden mit hohen Einkommen – seit Jahresbeginn die Gruppe mit der niedrigsten Rate. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben trugen Familien mit niedrigem Einkommen im November eine Inflationsbelastung von 11,5 Prozent gegenüber 8,0 Prozent bei wohlhabenden Alleinlebenden. Die Differenz ist die größte in diesem Jahr gemessene, nach bereits hohen 3,4 Prozent im Oktober. Sie erklärt sich damit, dass die weiterhin stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Die zweithöchste Inflationsbelastung trugen mit 11,3 Prozent Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, deren Inflationsrate gegenüber Oktober kaum gesunken ist. Auch Alleinerziehende und Familien mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 10,5 Prozent bzw. 10,2 Prozent etwas überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während Alleinlebende und Paarhaushalte ohne Kinder mit jeweils mittleren Einkommen mit 10,0 bzw. 9,8 Prozent im oder nahe am allgemeinen Durchschnitt lagen. Alleinlebende und Familien mit jeweils höheren Einkommen wiesen unterdurchschnittliche Raten von 9,6 bzw. 9,3 Prozent auf (siehe auch die Informationen zur Methode sowie die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.*

„Die Inflationsrate ist zwar für alle Haushalte etwas gesunken, für die mit niedrigeren Einkommen aber unterdurchschnittlich stark. Wie in den Vormonaten sind sie besonders stark dadurch belastet, dass die kriegsbedingten Preissprünge bei Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln das Inflationsgeschehen weiter dominieren“, beschreibt IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober die Entwicklung. So schlugen bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen diese beiden Gütergruppen des täglichen Grundbedarfs mit 7,8 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische Inflationsrate von 11,5 Prozent durch, bei einkommensschwachen Alleinlebenden machten sie sogar 8,6 Prozentpunkte der 11,3 Prozent spezifischer Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinlebenden entfielen darauf hingegen lediglich 3,6 Prozentpunkte von insgesamt 8,0 Prozent. Bei wohlhabenden Singles sorgten dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls erheblichen Preisanstiege bei Reisen, Gaststättendienstleistungen oder Wohnungsinstandhaltung für höhere Ausgaben. Erheblich von den Preissprüngen bei Lebensmitteln und Haushaltsenergie betroffen waren auch Familien mit mittleren Einkommen, bei denen diese Komponenten 5,8 Prozentpunkte von 10,2 Prozent Teuerungsrate ausmachten. Zusätzlich schlugen bei Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen sowie bei Alleinerziehenden auch die Kostensteigerungen für Kraftstoffe spürbar zu Buche, auch wenn diese sich insgesamt abgeschwächt hatten.

Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden, unterstreichen der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Prof. Dr. Sebastian Dullien, und Tober: Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Obergrenze für Gaspreisbremse sinnvoll
Mit den Preisbremsen bei Strom und Gas habe die Bundesregierung Instrumente gewählt, die Haushalte mit geringem Einkommen relativ zu ihren Gesamtausgaben besonders stark helfen, analysieren Dullien und Tober. Schließlich haben diese in deren Warenkorb ein hohes Gewicht. Die Gaspreisbremse begrenze dabei den Anstieg der Kosten für Haushalte mit Gasheizung im Vergleich zum Vorkrisenniveau auf das Doppelte und damit auf ein ähnliches Niveau wie bei Ölheizungen – während sonst durch den Anstieg der Großhandelspreise eine Verdrei- bis Vervierfachung absehbar gewesen wäre. In absoluten Eurobeträgen betrachtet, profitierten allerdings Haushalte mit höheren Einkommen stärker von den Energiepreisbremsen, da sie deutlich mehr verbrauchen. Deshalb sei eine Obergrenze für den subventionierten Gasverbrauch sinnvoll, für die das IMK einen konkreten Vorschlag ausgearbeitet hat.

Grundsätzlich wirkungsvoll und sozial ausgewogen sind nach Analyse der IMK-Forschenden auch die Einmalzahlungen aus den bisherigen Entlastungspaketen: So komme die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die Erwerbstätige im September erhalten haben, und die im Dezember an Menschen im Ruhestand und andere zuvor ausgelassene Gruppen gezahlt wird, insbesondere Haushalten mit niedrigerem Einkommen zugute, da sie versteuert werden muss. Dasselbe gelte für Kinderbonus und Kindersofortzuschlag.

Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Sebastian Dullien und Silke Tober
IMK Inflationsmonitor – Höhepunkt der Inflation im November 2022 überwunden. IMK Policy Brief Nr. 143, Dezember 2022 MEHR › https://www.boeckler.de/de/faust-detail ... HBS-008497

Die PM mit Abbildung PDF › https://www.boeckler.de/pdf/pm_imk_2022_12_19.pdf

Kontakt
Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor IMK ›
Dr. Silke Tober, IMK-Expertin für Geldpolitik ›
Rainer Jung, Leiter Pressestelle ›

Quelle: Pressemitteilung vom 19.12.2022
Hans-Böckler-Stiftung - Pressestelle
Georg-Glock-Straße 18, 40474 Düsseldorf
Telefon +49 211 7778 148
E-Mail: presse@boeckler.de
Gesperrt