Seite 1 von 1

Informelle Pflege und Pflegeinfrastruktur müssen gestärkt werden

Verfasst: 04.12.2025, 14:26
von WernerSchell
DIW Berlin — Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V.


Größter Pflegedienst in Deutschland: Millionen Menschen pflegen Angehörige inner- und außerhalb ihres Haushalts
DIW Wochenbericht 37 / 2025, S. 591-598 - Martina Brandt, Ulrike Ehrlich, Johannes Geyer, Peter Haan, Nadiya Kelle


- Viele Menschen pflegen innerhalb oder außerhalb ihres eigenen Haushalts Familienmitglieder oder Freund*innen, die ihren Alltag nur noch eingeschränkt selbst bewältigen können
- Studie untersucht diese informelle Pflege auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)
- Informell Pflegeleistende sind eine zentrale Stütze des deutschen Pflegesystems
- Große Vielfalt mit Blick auf Pflegekonstellationen, zeitliche und finanzielle Aufwendungen, Alter, Bildungshintergründe und Einkommensquellen
- Von Bundesregierung diskutiertes Familienpflegegeld ist erster Ansatzpunkt für mehr Unterstützung Pflegeleistender – Strukturen in sozialer Pflegeversicherung gehören auf den Prüfstand


Bild

......

Fazit: Informelle Pflege und Pflegeinfrastruktur müssen gestärkt werden

Angehörige und Bekannte sind der größte Pflegedienst in Deutschland. Im Zuge des demografischen Wandels wird sich ihre Bedeutung für die Pflege aller Voraussicht nach weiter erhöhen. Politisch wird auf eine „Lösung“ im Sinne einer besseren Nutzung vorhandener informeller Pflegepotenziale gesetzt. Dabei dürfen aber die Belastungen für pflegende Angehörige und Gepflegte nicht außer Acht gelassen werden. Dazu zählen etwa niedrigere Einkommen sowie ein verstärkter Bezug öffentlicher Transfers im Fall der innerhäuslichen Pflege. Ebenso wenig dürfen die potenziell immensen individuellen und gesellschaftlichen Folgekosten, etwa mit Blick auf Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, vernachlässigt werden. Eine gelingende Arbeitsteilung zwischen formeller und informeller Unterstützung im Sinne aller Beteiligten braucht sozialpolitische Weichenstellungen, die die Kenntnis vielfältiger Pflegearrangements und ihrer spezifischen Bedingungen und Herausforderungen voraussetzen.

Informelle Pflege wird häufig schon vor Erreichen eines Pflegegrades geleistet, und ein Großteil der Pflegetätigkeiten findet außerhalb des eigenen Haushalts statt – überwiegend in anderen Privathaushalten, aber auch im institutionellen Kontext. Informelle Pflege bleibt oft unsichtbar, unter anderem, weil sie nicht nur im Verwandtenkreis, sondern auch von Freund*innen erbracht wird. Eine solche Unsichtbarkeit kann negative Konsequenzen für pflegende An- und Zugehörige haben – etwa, dass Hilfsangebote zu spät wahrgenommen werden oder auch, dass rechtliche Möglichkeiten zu flexiblen Arbeitszeitregelungen oder Freistellungen für diesen Personenkreis nicht greifen.info

Um die Belastungen von informell Pflegenden zu reduzieren, prüft die Bundesregierung die Einführung eines Familienpflegegeldes. Als mögliche Maßnahme wird dabei die Einführung einer Lohnersatzleistung diskutiert, die pflegende An- und Zugehörige finanziell unterstützen soll, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren oder pausieren müssen. Bei der Ausgestaltung ist es notwendig zu berücksichtigen, dass die Dauer der Pflege unsicher ist. Eine zeitliche Befristung wie beim Elterngeld ist im Kontext der Pflege daher nicht sinnvoll. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass unterschiedliche Lebens-, Familien- und Berufsphasen berücksichtigt werden. So geht etwa die Diskussion um eine Pflegelohnersatzleistung an Pflegenden, die ohnehin nicht mehr im Berufsleben stehen, vorbei. Insbesondere langfristig Pflegende (beispielsweise Eltern von Kindern mit Behinderungen) werden von zeitlich begrenzten Maßnahmen wie Lohnersatzleistungen nicht ausreichend erfasst.

Auch daher greift eine Debatte mit selektivem Fokus auf die Lohnersatzleistung zu kurz. In der Pflege mangelt es strukturell an Fachkräften und Geld für die Infrastruktur. Die steigende Nachfrage nach Pflege kann nicht allein durch Familie, Freund*innen und Nachbar*innen getragen werden. Um pflegende Familien zu entlasten, müssen auch die Strukturen der Pflegeversicherung in den Blick genommen werden. So wäre es beispielsweise wichtig, die strukturelle Einnahmeschwäche der sozialen Pflegeversicherung zu überwinden und Leistungen zu verbessern. Die informelle Pflege und private Zuzahlungen können nicht all das übernehmen, was an zusätzlichen Kosten und Bedarfen entsteht, die die Pflegeversicherung nicht abdeckt. Die informelle Pflege sollte im Pflegesystem insgesamt eine klar definierte, aber gleichzeitig begrenzte Rolle haben.info


Vollständiger DIW Wochenbericht Downlaod (PDF 329 KB) >>> https://www.diw.de/documents/publikatio ... 5-37-1.pdf

Quelle: https://www.diw.de/de/diw_01.c.973335.d ... halts.html