Krankenhaus-Report: Anhaltende Qualitätsprobleme bei Versorgung von Krebs- und Notfallpatienten

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WernerSchell
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Krankenhaus-Report: Anhaltende Qualitätsprobleme bei Versorgung von Krebs- und Notfallpatienten

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Wissenschaftliches Institut der AOK
(WIdO)


Krankenhaus-Report 2024:
Anhaltende Qualitätsprobleme bei Versorgung von Krebs- und Notfallpatienten


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Bildquelle: https://www.aok.de/pp/bv/pm/2024/kranke ... port-2024/


Im Krankenhaus-Report 2024 werden vor dem Hintergrund der aktuellen Reformdiskussion anhaltende Qualitäts- und Strukturprobleme in der deutschen Krankenhauslandschaft beleuchtet. Analysen zur Versorgung von Frauen mit Brustkrebs und von Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkten machen strukturelle Probleme in der Versorgung und deutliche regionale Unterschiede transparent. Der Krankenhaus-Report hat in diesem Jahr das Schwerpunktthema „Strukturreform“.


Eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Krankenhaus-Report zeigt, dass 2022 in insgesamt 95 an der Brustkrebs-Versorgung beteiligten Krankenhäusern (18,0 Prozent) weniger als 25 Brustkrebs-Fälle operiert wurden. „Das bedeutet, dass etwa alle zwei Wochen ein solcher Eingriff stattfand. Bei solchen Fallzahlen kann man nicht davon ausgehen, dass es in diesen Kliniken ein routiniertes Behandlungsteam oder gar eine eingespielte Prozesskette gibt“, erläuterte Christian Günster, Leiter der Qualitäts- und Versorgungsforschung im WIdO.

Laut der Auswertung verfügten 2022 zudem 40 Prozent der an der Versorgung von Brustkrebs-Fällen beteiligten deutschen Kliniken nicht über ein Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) oder über eine vergleichbare Zertifizierung. Diese Krankenhäuser operierten etwa 13 Prozent der Brustkrebs-Fälle. „Somit wurden mehr als 9.000 Frauen mit Brustkrebs in Krankenhäusern behandelt, die dafür nicht optimal aufgestellt sind“, betonte Günster. Es handele sich meist um Kliniken mit wenigen Fällen. Die WIdO-Auswertung zeigt bei diesem Thema große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern: Während in Sachsen-Anhalt 2022 jede vierte Brustkrebs-OP in einer nicht-zertifizierten Klinik stattfand, waren es in Berlin nur 0,2 Prozent. Das Innovationsfonds-Projekt „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) hatte 2022 belegt, dass es einen Überlebensvorteil von 20 Prozent für Patientinnen mit Brustkrebs gibt, die in DKG-zertifizierten Zentren behandelt werden. „Glücklicherweise ist bei der Brustkrebs-Versorgung ist in den letzten Jahren eine gewisse Konzentration erkennbar. Auch die 2024 neu eingeführte Mindestmenge für Brustkrebs-OPs wird sicherlich Fortschritte bringen“, so Günster. „Dennoch muss der Konzentrationsprozess gerade bei den Krebsbehandlungen dringend beschleunigt werden. Denn wenn wir im bisherigen Tempo weitermachen, würde es zwanzig Jahre dauern, bis alle Patientinnen und Patienten mit Krebs in zertifizierten Zentren behandelt werden.“

Mehr als 9.000 Herzinfarkte nicht optimal versorgt

Der Krankenhaus-Report beleuchtet auch Qualitätsprobleme in der Notfall-Versorgung. So zeigt eine aktuelle Auswertung, dass nach wie vor viele Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt nicht optimal versorgt werden, weil sie in Kliniken ohne Herzkatheterlabor eingeliefert werden. Von den rund 191.000 Herzinfarkt-Fällen im Jahr 2022 in Deutschland wurden 4,9 Prozent in Kliniken behandelt, die über kein Katheterlabor verfügten. Das Problem betraf somit rund 9.400 Herzinfarkt-Behandlungen. Besonders ausgeprägt war das Problem der nicht adäquaten Herzinfarkt-Versorgung in den 368 Kliniken, die 2022 weniger als 25 Fälle behandelten. Nur jede fünfte Klinik in dieser Gruppe verfügte über ein Herzkatheterlabor. Bei schweren Herzinfarkten sollte aber möglichst innerhalb von 90 Minuten eine Herzkatheter-Behandlung erfolgen.

Die Auswertung für den Krankenhaus-Report zeigt auch bei diesem Thema große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Während im Saarland jeder 9. Herzinfarkt-Fall in einer Klinik ohne Herzkatheterlabor behandelt wurde, sind in Hamburg fast alle betroffenen Patientinnen und Patienten in eine Klinik mit Herzkatheterlabor eingewiesen worden. „Wir sehen bei diesen regionalen Unterschieden wenig Bewegung im Zeitverlauf – schon 2018 war das Hamburg auf dem ersten und das Saarland auf dem letzten Platz. Ganz offensichtlich gibt es in einigen Bundesländern nach wie vor große Problem bei der Steuerung der Patientinnen und Patienten in die geeigneten Kliniken, denn eigentlich haben wir in Deutschland keinen Mangel an Herzkatheterlaboren“ betonte Christian Günster. So seien in 80 Städten Herzinfarkte in Kliniken ohne Herzkatheterlabor behandelt worden, obwohl im gleichen Ort ein Krankenhaus mit einem solchen Labor existierte. „Das ist ein andauerndes Problem, das eindeutig planerisch gelöst und im Rahmen der Krankenhausreform endlich angepackt werden sollte“, so Günster.

Fallzahl-Rückgang erhöht den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser

Eine aktuelle Analyse des WIdO zur jüngsten Entwicklung der Fallzahlen macht deutlich, dass die Reform auch aus wirtschaftlichen Gründen dringend erforderlich ist. So wurden 2023 in deutschen Krankenhäusern knapp 14 Prozent weniger somatische Fälle behandelt als im Vergleichsjahr 2019. Besonders groß war der Einbruch bei den sogenannten ambulant-sensitiven Diagnosen – also bei Erkrankungen, die nicht zwingend im Krankenhaus behandelt werden müssten. Hier lagen die Fallzahlen auch 2023 erneut deutlich niedriger als 2019, nämlich um 20 Prozent. Der Einbruch war damit ungefähr so groß wie im ersten „Pandemie-Jahr“ 2020 und nur etwas niedriger als in den Jahren 2021 und 2022. Hier hat die Pandemie offenbar die gebotene stärkere Ambulantisierung von Leistungen bereits befördert. Auf jeden Fall zeigen sich in diesen Daten aus Expertensicht sehr deutlich die großen Ambulantisierungs-Potenziale für die Zukunft.

Krankenhaus-Report beleuchtet verschiedene Aspekte der anstehenden Strukturreformen

Der Krankenhaus-Report, der jährlich als Buch und als Open-Access-Publikation erscheint, hat 2024 das Schwerpunktthema „Strukturreform“. Das Buch liefert hierzu Analysen und zeigt Handlungsansätze für den aktuellen Reformprozess auf. Unter anderem thematisiert der Report bisherige Reformerfahrungen aus der Schweiz und aus NRW und zeigt verschiedene Optionen und Elemente für eine Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft auf – sowohl im Bereich der qualitätsorientierten Planung als auch im Bereich der Vorhaltefinanzierung. Außerdem beleuchtet das Buch das Thema Ambulantisierung und Fragen der Nachhaltigkeit im Kliniksektor.



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Originalpublikation:
Jürgen Klauber, Jürgen Wasem, Andreas Beivers, Carina Mostert, David Scheller-Kreinsen (Hg.): Krankenhaus-Report 2024. Strukturreformen. Springer Berlin, Heidelberg 2024. https://doi.org/10.1007/978-3-662-68792-5


Weitere Informationen:
http://www.wido.de

Quelle: Pressemitteilung vom 24.04.2024
Peter Willenborg Presse & Kommunikation
Wissenschaftliches Institut der AOK


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Siehe auch:

Pressemitteilung der AOK vom 24.04.2024:
Krankenhaus-Report 2024: Qualitäts- und Finanzreform gemeinsam angehen
24.04.24) Der AOK-Bundesverband warnt davor, die Strukturreform zur Verbesserung der Behandlungsqualität im Krankenhaus von der Finanzierungsreform zu entkoppeln. Andernfalls drohe das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zu einer "teuren leeren Hülle ohne positive Effekte für die Versorgung der Patientinnen und Patienten" zu werden, sagte die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann bei der Vorstellung des neuen Krankenhaus-Reports des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) am Mittwoch (24. April). Der Report beleuchtet auf Basis aktueller Auswertungen anhaltende Qualitätsprobleme am Beispiel der Versorgung von Herzinfarkt- und Brustkrebs-Fällen.
Weitere Informationen und Download der Pressemappe:
https://www.aok.de/pp/bv/pm/2024/kranke ... eport-2024


Pressemitteilung der AOK vom 25.04.2024:
„Beschönigende Einordnung“: WIdO weist Kritik der DKG am Krankenhaus-Report zurück
(25.04.24) Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) stellt die Befunde des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zu Qualitätsmängeln bei stationären Behandlungen in Frage. Der am Mittwoch (24. Mai) veröffentlichte Krankenhaus konzentriere sich auf besonders „eklatante Fehlentwicklungen“ und vernachlässige viele positive Entwicklungen. Christian Günster, Leiter der Abteilung Versorgungsforschung im WIdO, nennt die Aussagen der DKG „befremdlich“. „In der Pressekonferenz haben wir zwei Beispiele für eine Vielzahl weiterer Problemindikationen herausgegriffen.“
Das Interview mit Christian Günster im Wortlaut:
https://www.aok.de/pp/bv/nachricht/wido ... tsdefizite


Web-Infomail des AOK-Bundesverbandes
Herausgeber:
AOK-Bundesverband
Webredaktion
Tel.: 030/220 11-200
Fax: 030/220 11-105
mailto:aok-mediendienst@bv.aok.de
https://www.aok.de/pp/bv/
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Reform des Gesundheitswesens: DBfK bezieht Stellung zu Gesetzesvorhaben

Beitrag von WernerSchell »

Reform des Gesundheitswesens: DBfK bezieht Stellung zu Gesetzesvorhaben


Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) bezieht Stellung zu den Referentenentwürfen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) und Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVG). Die Botschaft ist klar: Grundlegende Reformen sind nötig und sie müssen dem Stellenwert der Profession Pflege für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung Rechnung tragen.

„Es steht außer Frage, dass wir grundlegende Reformen des Gesundheitssystems brauchen. Wir hatten daher große Erwartungen an die Gesetzesinitiativen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, die ineinandergreifende Reformen versprachen. Allerdings sind von den guten Ansätzen in den aktuellen Entwürfen nur wenige Bruchstücke verblieben“, attestiert DBfK-Bundesgeschäftsführerin Bernadette Klapper den beiden Referentenentwürfen, zu denen das Ministerium die Verbände zu Stellungnahmen aufgerufen hatte. „Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht bekanntermaßen vor großen Herausforderungen. Die Gruppe der älteren Menschen wächst, das Krankheits- und Morbiditätsspektrum ist geprägt von chronischen und Mehrfacherkrankungen, die mit zunehmendem Unterstützungs- und Pflegebedarf einhergehen. Die Vermeidung von Krankheit und wachsendem Pflegebedarf erlangt damit hohe Priorität – mehr multiprofessionelle Versorgung ist gefragt. Leider fehlen im Vergleich zu den vorigen Entwürfen wesentliche Elemente, die auf diese Herausforderungen einzahlen würden: Primärversorgungszentren, Gesundheitsregionen und für den urbanen Raum Gesundheitskioske. Das haben wir in unserer Stellungnahme auch deutlich gemacht.“

Positiv hebt der DBfK hervor, dass eine erweiterte Beteiligung der Berufsverbände der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eingeräumt werden soll, allerdings sollte hier noch mutiger angesetzt werden.

Der DBfK hat auch zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVG) Stellung genommen. „Wir sehen großes Potenzial in den sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, die bestehende Versorgungslücken schließen können, wenn sie entsprechend konzipiert werden“, so Klapper. „Diese Einrichtungen sollten aus unserer Sicht auch unter pflegerischer Leitung stehen können. Für Pflegegeleitete Krankenhäuser gibt es internationale Vorbilder, sie müssen je nach regionalem Bedarf auch in Deutschland möglich sein.“

In seiner Stellungnahme hat der DBfK außerdem gefordert, dass Pflegequalität in die Qualitätskriterien zur Bestimmung der Leistungsgruppen einfließen müsse. „Strukturqualität kann nicht nur medizinisch-technisch definiert werden, sondern muss auch die pflegerische Komponente enthalten, denn der Zusammenhang zwischen Outcomes, Komplikationen und Mortalität der Patient:innen und der pflegerischen Personalausstattung ist in vielen Studien belegt worden. Pflegequalität als Kriterium für die Leistungsgruppen kommt allerdings im aktuellen Entwurf des KHVVG nicht vor. Die Rolle der professionellen Pflege bleibt damit ungewiss“, so Klappers Einschätzung.

Aus Sicht des DBfK könnten das GVSG, wenn Primärversorgungszentren und Gesundheitsregionen als Ansätze wieder aufgegriffen werden, das KHVVG mit den genannten Konkretisierungen und das ebenfalls initiierte Pflegekompetenzgesetz wirksam ineinandergreifen. Eine Krankenhausstrukturreform erfordert gleichzeitig die Stärkung der Primärversorgung. „Insgesamt bleiben also beide Gesetze noch hinter dem zurück, was wir erwartet haben und was zu einer nachhaltigen Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Deutschland führen könnte. Denn eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung aus einer Hand, die Kontinuität sichert und unterschiedliche Gesundheitsleistungen koordiniert, ist für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem unumgänglich“, sagt Bernadette Klapper. „Und sie ist angewiesen auf gut qualifiziertes Pflegepersonal, das seine Kompetenzen selbstständig und eigenverantwortlich einsetzen kann. Wenn die beiden Gesetzesentwürfe noch überarbeitet werden, kann das noch ausstehende Pflegekompetenzgesetz das Puzzleteil sein, das die einzelnen Reformgesetze verbindet und die Weichen in die richtige Richtung stellt“, so Klappers Fazit.

Quelle: Pressemitteilung vom 30.04.2024
Anja Kathrin Hild | Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Bundesverband e. V.
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