Betrügerischer Krankenpfleger darf nicht mehr in seinem Beruf arbeiten

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WernerSchell
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Betrügerischer Krankenpfleger darf nicht mehr in seinem Beruf arbeiten

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Verwaltungsgericht Freiburg


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Urteil vom 29.07.2021 - 10 K 5069/19 -


Zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" wegen Abrechnungsbetrugs, den der Krankenpfleger im Rahmen eines ambulanten Pflegedienstes begangen hat, dessen Betreiber sowie anerkannte Pflegefachkraft er ist.

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zu führen.

Das Regierungspräsidium x erteilte dem am x geborenen Kläger am x die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zu führen.

Der Kläger ist Inhaber und Betreiber eines ambulanten Krankenpflegedienstes. Früher umfasste der Betrieb auch einen ambulanten Altenpflegedienst. Die Landesverbände der Pflegekassen schlossen am 23.03.1999 mit ihm einen Versorgungsvertrag nach § 72 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) über die ambulante pflegerische Versorgung durch seinen Pflegedienst als Leistungserbringer zulasten der Pflegekassen. Sein Pflegedienst erbrachte ambulante Pflegedienstleistungen unter anderem für gesetzlich Pflegeversicherte, die zum Teil zu Hause, zum Teil in Wohn- und Pflegegemeinschaften (insbesondere der Wohn- und Pflegegemeinschaft P.) lebten.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 - 7 Ls 61 Js 125/11 - wurde der Kläger wegen Betruges in 81 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, die unter anderem auf einem Geständnis des Klägers beruhten, das er nach einer Verständigung gemäß § 257c StPO abgelegt hatte, hatte der Kläger im Zeitraum vom 01.02.2007 bis 30.09.2010 in 81 Fällen gegenüber den Pflegekassen und zum Teil ergänzend gegenüber dem Sozialhilfeträger Leistungen abgerechnet, die nicht erbracht wurden bzw. auf deren Vergütung er keinen Anspruch hatte. Unter anderem ging das Amtsgericht davon aus, dass er, um angeblich erbrachte Pflegeleistungen zulasten der Kostenträger abrechnen zu können, mit Daniela P. einen Arbeitsvertrag schloss, obwohl es nie zu einem regulären Anstellungsverhältnis kam, dass er von Daniela P. einmal monatlich frei erfundene Leistungsnachweise über angeblich erbrachte Pflegeleistungen zum Abzeichnen vorlegte bzw. von dieser erstellen ließ, und dass er wiederholt Leistungen der Verhinderungspflege abrechnete, obwohl es sich bei der als verhindert angegebenem Pflegeperson Ursula P. nicht um eine unentgeltlich tätige private Pflegeperson gehandelt habe. Insgesamt summieren sich die nach dem Urteil fehlerhaften Abrechnungen auf ca. 75.000,- €.

Die Pflegekassen hatten dem Kläger bereits am 21.07.2011 den Versorgungsvertrag vom 23.03.1999 im Hinblick auf den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs gekündigt. Seine hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10.05.2012 - S 8 P 2077/11 -; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12.12.2014 - L 4 P 2949/12 -; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22.04.2015 - B 3 P 1/15 B -).

Mit Schreiben vom 21.09.2018 hörte das Regierungspräsidium Freiburg den Kläger zum beabsichtigten Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" an. Der Kläger legte daraufhin ein Protokoll über die mündliche Verhandlung am Sozialgericht Konstanz (Az: S 8 P 721/17) vor und verwies darauf, der Landkreis Bodenseekreis habe in einem Termin am 29.01.2019 vor dem Sozialgericht Konstanz einen von ihm mit der Klage angefochtenen Bescheid "in Bezug auf meine Zulassung" aufgehoben. In diesem Verfahren hatte der Kläger den vom Landkreis Bodenseekreis erklärten Widerruf seiner Anerkennung als Dienstleister niederschwelliger Betreuungsangebote nach § 45 b Abs. 3 SGB XI a. F., der mit den mit Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 abgeurteilten Taten begründet worden war, angefochten. Ausweislich der Sitzungsniederschrift verwies das Sozialgericht Konstanz auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.10.2018, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid des Landkreises Bodenseekreis auf den Antrag des Klägers hin angeordnet worden war. Der Landkreis Bodenseekreis hob daraufhin in der mündlichen Verhandlung diesen Bescheid auf.

Mit Bescheid vom 02.12.2019 widerrief das Regierungspräsidium Freiburg die dem Kläger erteilte Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zu führen (Ziff. 1) und verpflichtete ihn, die ihm über diese Erlaubnis ausgestellte Urkunde nach Unanfechtbarkeit des Bescheids unverzüglich an das Regierungspräsidium Freiburg zurückzugeben (Ziff. 2). Zur Begründung führte es aus, der Widerruf beruhe auf § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz - KrPflG). Danach sei eine Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung nach § 1 Abs. 1 KrPflG zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis, wonach die betreffende Person sich keines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergebe, weggefallen sei. Die mit Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 abgeurteilten Taten belegten seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs des Krankenpflegers. Er habe über einen Zeitraum von mindestens dreieinhalb Jahren zu seinem eigenen Vorteil ein Geschäftsmodell praktiziert, mit dem er die jeweiligen Kostenträger gezielt über die wahren Beschäftigungsverhältnisse in seinem Pflegedienstleistungsunternehmen und über die wahren pflegerischen Verhältnisse in der Wohngruppe P. fortlaufend getäuscht habe. Die Feststellungen im Strafurteil könnten zur Grundlage gemacht werden. Sein Einwand, dass er zu dem Geständnis vor dem Amtsgericht "genötigt" worden sei, habe, so das Bundessozialgericht, bereits das Landessozialgericht zutreffend zurückgewiesen, zumal auch seine eigenen Angaben (im dortigen Rechtsstreit) sowie die Angaben der vom Sozialgericht vernommenen Zeuginnen den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs bestätigt hätten. Diese Ausführungen überzeugten auch im vorliegenden Zusammenhang. Er habe seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber den Kostenträgern in gröblicher Weise gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB XI verletzt. Dadurch werde die Unzuverlässigkeit zur weiteren Ausübung des Berufs Krankenpfleger begründet. Durch sein Verhalten habe er das Vertrauen der Kostenträger und der Beitragszahler grundlegend und nachhaltig zerstört und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kostenträger geschwächt. Zu berücksichtigen sei auch - so das Landessozialgericht - seine fehlende Unrechtseinsicht. Er biete daher nicht verlässlich die Gewähr dafür, dass er in Zukunft seine berufsspezifischen Pflichten erfüllen werde. Der Widerruf der Berufszulassung sei auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Eine mildere Maßnahme, wie ein befristeter Widerruf, sei nicht gleichermaßen geeignet, den Schutz des wichtigen Gemeinschaftsguts einer funktionierenden und regelkonformen Versorgung pflegebedürftiger Menschen mit Pflegedienstleistungen sicherzustellen. Ihm stehe es frei, eine Wiedererteilung der Erlaubnis zu beantragen. Der Widerruf sei auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Soweit er auf das Verfahren wegen des Widerrufs seiner Anerkennung als Erbringer von niederschwelligen Betreuungsleistungen Bezug genommen habe, sei dies nicht erheblich. Der dort beklagte Landkreis habe seinen Widerruf lediglich auf falsche Gründe, den Gesundheitsschutz, gestützt. Die Begehung zahlreicher Vermögensdelikte im unmittelbaren Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Inhaber eines Pflegeunternehmens werde von jenen Verfahren in keiner Weise in Zweifel gezogen. Die Einziehung der Erlaubnisurkunde beruhe auf § 52 Satz 1 und 2 LVwVfG, die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg auf § 49 Abs. 5 LVwVfG analog. Die Einziehung unterliege der pflichtgemäßen Ausübung von Ermessen. Der Kläger könne die Wiederaushändigung der Urkunde verlangen, nachdem sie als ungültig gekennzeichnet worden sei. Von einer Einziehung könne auch im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Lebensalter nicht abgesehen werden. Nach den Erkenntnissen des Regierungspräsidiums übe er den Beruf als Krankenpfleger bis zuletzt aus. Zwar könne er keine Pflegedienstleistungen für gesetzlich Pflegeversicherte mehr abrechnen. Hinsichtlich Leistungen der ambulanten Krankenpflege sei dies jedoch der Fall.

Der Kläger hat am 31.12.2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er halte das Strafurteil für ein massives Fehlurteil und habe einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gestellt. Der Beklagte beziehe sich auf angeblichen Abrechnungsbetrug in den Jahren 2007 bis 2010. Es sei nicht strittig gewesen, ob Leistungen erbracht worden seien. Es sei nur um die Frage gegangen, ob die Person, die diese Leistungen erbracht habe, seine Mitarbeiterin gewesen sei. Dass dies der Fall gewesen sei, sei vom Landessozialgericht für den größten Zeitraum direkt und in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundessozialgericht für den restlichen Zeitraum indirekt bejaht worden. Weitere Personen seien nie gegenüber Kostenträgern abgerechnet worden. Das Amtsgericht Konstanz habe im Urteil kein Berufsverbot ausgesprochen. Hätte es dies getan, hätte er das Urteil niemals angenommen. Der Versorgungsvertrag nach SGB V mit der x sei weiterhin voll umfänglich gültig. Die x habe den Vertrag nicht gekündigt. Der Beklagte beziehe sich auf einen schon lange zurückliegenden Vorgang. Die Projektion zum jetzigen Zeitpunkt auf die Zukunft sei nicht zulässig. Es erschließe sich nicht, weshalb der Beklagte nach sehr langer Zeit plötzlich den Widerruf durchziehen wolle. Der Beklagte sei offensichtlich vom Landratsamt Bodenseekreis dazu angestiftet worden, den Widerruf der Berufsbezeichnung auszusprechen. Wie bekannt, habe der Kläger gegen das Landratsamt Bodenseekreis obsiegt, indem dieses den Widerruf der Zulassung habe zurücknehmen müssen. Nachdem diese Zulassung zum 31.12.2018 geendet habe, habe ihm das Landratsamt die Neuzulassung verweigert. Die dagegen erhobene Klage sei nun vor dem Landessozialgericht Stuttgart anhängig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 02.12.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dem Kläger stehe es frei, gegen Urteile der Sozialgerichte und das Strafurteil Rechtsschutz zu suchen und Wiederaufnahmeanträge zu stellen. Für das vorliegende Verfahren sei dies nicht relevant. Sein beim Amtsgericht Konstanz gestellter Wiederaufnahmeantrag sei, wie er selbst ausgeführt habe, bis zuletzt erfolglos geblieben. Der Beklagte habe sich nicht nur auf das Strafurteil und das Geständnis des Klägers, sondern auch auf die Feststellungen des Sozialgerichts Konstanz, welches eine eigene Beweisaufnahme durch Vernehmung von drei Zeuginnen durchgeführt habe, sowie des Landessozialgerichts gestützt. In den dortigen Verfahren sei nicht lediglich das Anstellungsverhältnis einer Mitarbeiterin (Daniela P.) in Zweifel gestanden, sondern auch dasjenige zweier weiterer Pflegepersonen, die unstreitig nie beim Kläger beschäftigt gewesen seien und die er dennoch gegenüber den Kostenträgern zum Zwecke der Vergütungsabrechnungen als bei ihm beschäftigte Pflegepersonen angegeben habe. Aus den Urteilsgründen des Amtsgerichts Konstanz gehe eine Prüfung des § 70 StGB nicht hervor. Rückschlüsse auf das vorliegende Verfahren seien daher nicht möglich. Das Regierungspräsidium Freiburg habe erst im April 2017 Kenntnis von der Verurteilung des Klägers erlangt und daraufhin Ermittlungen zur Aufbereitung des streitentscheidenden Sachverhalts eingeleitet. Aus den Gründen des Urteils des Landessozialgerichts ergebe sich keine Relativierung des Tatgeschehens. Es habe auch nicht die Begehung eines Abrechnungsbetrugs in der Zeit vor dem 04.11.2008 verneint. Vielmehr habe das Gericht lediglich den tragenden Teil seiner Gründe auf einen Teilzeitraum (ab 04.11.2008) begrenzt und für den Zeitraum davor das Vorliegen eines unwirksamen Scheinarbeitsvertrages als naheliegend bezeichnet. Das Bundessozialgericht habe dieses Urteil nicht revidiert. Vielmehr habe es bestätigt, dass ehrenamtlich tätige Personen selbstverständlich nicht wie entgeltlich Beschäftigte abgerechnet werden dürften.

Dem Gericht liegt die einschlägige Akte des Regierungspräsidiums Freiburg vor.

Gründe
I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 02.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Regierungspräsidium Freiburg hat zu Recht die dem Kläger erteilte Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zu führen, widerrufen (1.) und ihn aufgefordert, die ihm über diese Erlaubnis ausgestellte Urkunde nach Unanfechtbarkeit des Bescheids unverzüglich an das Regierungspräsidium Freiburg zurückzugeben (2.).

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 31.07.2021 ergänzende Ausführungen gemacht und weitere Unterlagen vorgelegt hat, konnten diese nicht mehr berücksichtigt werden, da die mündliche Verhandlung bereits geschlossen worden war und auch nicht mehr wiedereröffnet werden kann, nachdem der Tenor der Entscheidung der Kammer über die Klage vor Eingang dieses Schreibens gemäß § 117 Abs. 4 VwGO mit dem Hinweis auf der Geschäftsstelle niedergelegt worden war, dass der Tenor auf mündliche oder schriftliche Anfrage der Beteiligten mitzuteilen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2016 - 2 S 2506/14 -, VBlBW 2017, 327). Dem Kläger ist in der mündlichen Verhandlung auch nicht nach § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO das Recht eingeräumt worden, innerhalb einer bestimmten Frist nach der mündlichen Verhandlung einen weiteren Schriftsatz vorzulegen.

1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der dem Kläger erteilten Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zu führen, ist § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz - KrPflG -) in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids maßgeblichen Fassung.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist durch das materielle Recht vorgegeben. Der Widerruf der Berufserlaubnis ist ein auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens bezogener rechtsgestaltender Verwaltungsakt. Vor allem aber sieht das materielle Recht ein eigenständiges Wiedererteilungsverfahren vor, in dem alle nachträglichen Umstände Berücksichtigung finden. Selbst wenn ein solches Verfahren im jeweiligen Berufsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ergibt es sich ohne Weiteres aus dem Umstand, dass bei Wiedervorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf erneute Zuerkennung der Erlaubnis besteht. Der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens bewirkt eine Zäsur, durch die eine Berücksichtigung danach eintretender Umstände einem späteren Wiedererteilungsverfahren zugewiesen wird. Diese Trennung gilt auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, juris Rn. 11). Damit sind der angefochtenen Entscheidung nicht die Regelungen im Pflegeberufegesetz zugrundezulegen, welches ab 01.01.2020 an die Stelle des Krankenpflegegesetzes getreten ist.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG ist die Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung im Sinne von § 1 Abs. 1 KrPflG, zu der auch die dem Kläger 1977 erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" zählt (§ 23 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KrPflG), zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG weggefallen ist. Dies ist der Fall, wenn sich der Inhaber der Erlaubnis nach Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Unzuverlässigkeit im Sinne der Ermächtigungsgrundlage liegt vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Krankenpfleger werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt. Dem Begriff der Unzuverlässigkeit wohnt ein prognostisches Element inne. Es geht um die Beantwortung der Frage, ob der Krankenpfleger nach den gesamten Umständen des Falles willens oder in der Lage sein wird, künftig seine beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Maßgeblich für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die jeweilige Situation des Krankenpflegers im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens sowie sein vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist somit die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Krankenpflegers und seiner Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, juris Rn. 10).

Angesichts der strikten - nicht im Ermessen der Behörde stehenden - Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG muss dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit bereits bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden, um das Übermaßverbot zu wahren. Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit der Maßnahme bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Das setzt voraus, dass der Betreffende wesentliche Berufspflichten missachtet hat und die anzustellende Prognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er auch künftig seine Berufspflichten nicht beachten wird. Liegen diese Voraussetzungen für die Bejahung der Unzuverlässigkeit vor, so ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs aus der vom Gesetzgeber selbst mit § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG getroffenen Wertung, dass in einem solchen Fall der Widerruf der Erlaubnis das erforderliche und angemessene Mittel ist, um die damit verbundenen Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Andernfalls muss der Widerruf unterbleiben (zu vergleichbaren Regelungen in anderen Gesetzen über Heilberufe vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, juris Rn. 16, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37.01 -, juris Rn. 18). Auch nicht berufsbezogene Verfehlungen können die Unzuverlässigkeit begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.1995 - 3 B 7.95 -, juris Rn. 10; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17.06.2013 - 8 LA 155/12 -, juris Rn. 9), sofern es sich um ein Fehlverhalten handelt, das gerade in Bezug auf die Ausübung des jeweiligen Berufs von Bedeutung ist und den Betreffenden hierfür ungeeignet erscheinen lässt (vgl. Haage, Pflegeberufegesetz, 1. Online-Auflage 2019, § 2 Rn. 3). Dass auch außerberufliches Verhalten die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen kann, folgt schon daraus, dass bei der erstmaligen Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung - unvermeidlich - auf das außerberufliche Verhalten abzustellen ist (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 08.03.2000 - AN 4 S 00.00136 -, juris Rn. 15).

Gemessen hieran ist von der Unzuverlässigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 02.12.2019 auszugehen.

a) Zwar ist für einen Verstoß des Klägers gegen seine Grundpflichten als Krankenpfleger zur fachkundigen Erbringung gesundheits- und krankenpflegerischer Leistungen nichts ersichtlich. Allerdings liegt auch in dem im Zeitraum 2007 bis 2010 vom Kläger begangenen Abrechnungsbetrug (siehe dazu unten unter b)) ein Verstoß gegen seine Berufspflichten, der den Widerruf seiner Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" rechtfertigt. Denn er hat die Leistungen für seinen Pflegedienst nur deshalb abrechnen können, weil er als verantwortliche Pflegefachkraft anerkannt war und damit einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen schließen konnte. Die Anerkennung als Pflegefachkraft beruhte wiederum auf seiner Ausbildung als Krankenpfleger und der ihm erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37.01 -, juris, wonach einem selbstständigen Apotheker aufgrund Abrechnungsbetrugs die Approbation mit der Folge entzogen werden kann, dass er auch nicht als angestellter Apotheker tätig sein darf).

Zudem handelt es sich bei dem normativ begründeten und ausgestalteten sozialversicherungsrechtlichen Gesundheitssystem um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, dessen Schutz ein Berufsverbot rechtfertigen kann. Denn die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen ist ein wesentlicher Pfeiler unseres Gesundheitswesens. Die Gefährdung ihrer finanziellen Basis durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang stellt daher eine schwerwiegende Verletzung der Berufspflichten dar. Werden Finanzmittel der Krankenkassen für Kostenerstattungen aufgrund ungerechtfertigter Abrechnungen aufgewendet, so steigen zur Kompensation die Beiträge, wovon in letzter Konsequenz alle Beitragszahler nachteilig betroffen sind (vgl. (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37.01 -, juris Rnrn. 18 ff.; VG Würzburg, Urteil vom 26.06.2020 - W 10 K 19.839 -, juris Rn. 41).

Ob der Kläger aufgrund des Abrechnungsbetrugs auch deshalb gegen seine Berufspflichten verstoßen hat, weil die Erfüllung der Aufgaben des Krankenpflegers zwingend ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zum Patienten voraussetzt (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 17.06.2013 - 8 LA 155/12 -, juris Rn. 12), das dadurch gestört sein könnte, dass der Patient zum Instrument des Abrechnungsbetrugs gemacht wird, kann daher offenbleiben.

b) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, er habe gar keinen Abrechnungsbetrug begangen. Vielmehr sind die im Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 getroffenen Feststellungen auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass namentlich im Ordnungsrecht die in einem Strafbefehl - und erst recht die in einem Strafurteil - enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.09.2002 - 3 C 37.01 -, juris Rn. 38; Beschluss vom 18.08.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 12.01.1977 - VII B 190.76 -, juris). Gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen im Strafurteil bzw. -befehl bestehen, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 StPO vorliegen, namentlich im Falle der Beibringung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind. Es bedarf demzufolge der Darlegung substantiierter, nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen belegen könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.08.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 11).

Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Zwar hat der Kläger vorgetragen, er habe bereits 2015 beim Amtsgericht Konstanz einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gestellt. Auch hat er verschiedene an das Amtsgericht Konstanz gerichtete Schreiben in Bezug auf den Wiederaufnahmeantrag vorgelegt. Seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge wurde dieser Antrag jedoch (inzwischen) als nicht formgerecht mit der Begründung abgelehnt, er habe keinen Antrag zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt. Diese Begründung beruht wohl auf der Regelung in § 366 Abs. 2 StPO, wonach der Antrag auf Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden kann.

Zudem weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich das Vorbringen des Klägers allenfalls auf einen Teil der Begründung für seine Verurteilung bezieht. Soweit der Kläger auf den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.10.2018 verweist, mit dem seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich des Widerrufs der Anerkennung seines Pflegebetriebs als niederschwelliges Betreuungsangebot gemäß § 45b Abs. 3 SGB XI a. F. stattgegeben wurde, kann daraus nicht der Rückschluss gezogen werden, das Landessozialgericht gehe davon aus, ihm könne kein Abrechnungsbetrug hinsichtlich der mit Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 abgeurteilten Taten (mehr) vorgeworfen werden. Zwar erfolgte der in diesem sozialgerichtlichen Verfahren streitgegenständliche Widerruf der Anerkennung als niederschwelliges Betreuungsangebot tatsächlich im Hinblick auf diese Taten. Das Landessozialgericht gab dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz aber nicht mit der Begründung statt, es sei nicht von einem Abrechnungsbetrug auszugehen, sondern weil keine Gründe für eine sofortige Vollziehung vorlegen hätten, die von der Behörde angeführte Rechtsgrundlage die Widerrufsentscheidung nicht trage, ein Widerruf auch nicht auf § 48 Abs. 1 SGB X gestützt werden könne, weil eine nach Erlass der Anerkennung eintretende wesentliche Änderung nicht vorliege, und schließlich weil es für eine Rücknahme nach § 45 SGB X aufgrund anfänglicher Rechtswidrigkeit an der erforderlichen Ermessensbetätigung fehle.

Zudem hat der Kläger keine sozialgerichtlichen Entscheidungen vorgelegt, denen zu entnehmen wäre, dass der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs nicht (mehr) gerechtfertigt wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wies in seinem Urteil vom 12.12.2014 - L 4 P 2949/12 - (juris Rnrn. 37 ff.) die Behauptung des Klägers, er sei im Strafverfahren zu einem Geständnis genötigt worden, mit der Begründung zurück, der Verständigung mit dem Geständnis des Klägers sei eine Erörterung über die Verständigung vorausgegangen. Zudem ging es - unabhängig vom Geständnis - aufgrund des eigenen Vorbringens des Klägers sowie der vom Sozialgericht gehörten Zeuginnen, deren Angaben es für glaubhaft erachtete, von einer fehlerhaften Abrechnung seitens des Klägers aus und begründete dies ausführlich. Hiermit setzt sich der Kläger nicht im Einzelnen auseinander. Dies gilt auch, soweit er einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens vom 18.05.2015 vorgelegt hat, zumal die in dem Wiederaufnahmeantrag erwähnten Anlagen nicht beigefügt wurden. Insgesamt ist festzustellen, dass der Kläger im Wesentlichen lediglich seine eigenen Schriftsätze aus verschiedenen Verfahren an Gerichte übersendet, es aber an einer konsistenten Begründung, die geeignet wäre, die Richtigkeit seiner Verurteilung insgesamt infrage zu stellen, fehlt. Nicht ansatzweise nachvollziehbar ist sein Vorbringen, wonach dem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 22.04.2015 - B 3 P 1/15 B - zu entnehmen sei, dass ihm kein Abrechnungsbetrug vorgeworfen werden könne. Zudem hat das Sozialgericht Konstanz mit Urteil vom 24.02.2021 - S 8 P 2312/19 - die Klage des Klägers auf (erneute) Anerkennung seines Pflegedienstes als niederschwelliges Angebot nach § 45a SGB XI mit der Begründung abgewiesen, dass er als Angebotsträger und alleinige beaufsichtigende Fachkraft durch Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 05.11.2013 wegen Betrugs in 81 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde. Das Strafgericht sei dabei zu der Überzeugung gelangt, dass er mit manipulierten Rechnungen die Pflegekassen geschädigt habe. Pflegerische Arbeiten seien auf seine Veranlassung von Familienmitgliedern, die keine Pflegefachkräfte gewesen sein, und ohne Dokumentation erledigt worden. Auch im Rahmen der Verhinderungspflege habe der Kläger wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt. Der Kläger habe die Straftaten gegenüber dem Strafgericht eingeräumt. Das Sozialgericht geht daher nach wie vor davon aus, dass der Kläger - in vollem Umfang - zu Recht wegen Abrechnungsbetrugs verurteilt wurde. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, in einem Verfahren beim Landgericht Konstanz habe sich herausgestellt, dass Daniela P. im Strafverfahren falsch ausgesagt hat, hat er keine Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptung stützen könnten. Er hat auch nicht konkretisiert, im Hinblick auf welche für die strafgerichtliche Verurteilung entscheidungserhebliche Tatsache die Zeugin falsch ausgesagt haben soll. Abgesehen davon hätte in diesem Fall eine Verurteilung wegen eidlicher oder uneidlicher Falschaussage nahegelegen. Auch für eine solche Verurteilung ist aber nichts ersichtlich.

c) Die bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 02.12.2019 anzustellende Prognose ergibt auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch künftig seine Berufspflichten in einer Weise nicht beachten wird, die den Widerruf seiner Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" rechtfertigt. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Amtsgericht Konstanz die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Eine Bindung an diese Entscheidung besteht im vorliegenden Verfahren nicht. Denn das Strafgericht hat bei seiner Entscheidung die Frage zu beantworten, ob die Gefahr der Wiederholung gleichartiger bzw. der künftigen Begehung andersartiger Straftaten besteht. Im vorliegenden Verfahren geht es aber um die Abwendung künftiger, auch anders gelagerter Verstöße gegen Berufspflichten (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 26.06.2020 - W 10 K 19.839 -, juris Rn. 44; VG Ansbach, Beschluss vom 08.03.2000 - AN 4 S 00.00136 -, juris Rn. 20). Darüber hinaus verfolgen die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung und der Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung unterschiedliche Zwecke und unterliegen unterschiedlichen Regeln. Bei Aussetzungsentscheidungen nach § 56 StGB geht es auch um eine Förderung der Resozialisierung des Verurteilten (vgl. BeckOK StGB/Heintschel-Heinegg, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 56), wohingegen es beim Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung um die Abwehr von Gefahren für ein Gemeinwohl geht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, juris Rn. 16).

Abgesehen davon hat das Amtsgericht Konstanz die günstige Sozialprognose betreffend den Kläger damit begründet, dass im Rahmen der Verständigung bereits über diese gesprochen worden und hierbei auch das Geständnis zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus sei in der Hauptverhandlung deutlich geworden, dass der Kläger zur Vermeidung weiterer Straffälligkeiten in Zukunft auf einen eigenen Betrieb verzichten sollte. Diese Annahmen sind jedoch nicht mehr gerechtfertigt, nachdem der Kläger bis heute seinen Pflegedienst fortführt, bezogen auf seine Verurteilung von einem "massiven Fehlurteil" spricht und von seinem Geständnis mit der Begründung abgerückt ist, er sei hierzu genötigt worden. Er hat diese Behauptung jedoch in keiner Weise substantiiert. Zudem ist noch einmal auf die Begründung im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12.12.2014 - L 4 P 2949/12 - hinzuweisen, wonach dem Geständnis eine Erörterung der Verständigung vorausgegangen ist. Soweit er in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen lediglich ausgeführt hat, sein Rechtsanwalt habe ihn zu einem Geständnis gedrängt, kann von einer "Nötigung" keine Rede sein. Vielmehr spricht einiges dafür, dass sein Rechtsanwalt (lediglich) mit einer Verurteilung des Klägers gerechnet und eine auf einem Geständnis des Klägers beruhende Verständigung nach § 257c StPO zur Vermeidung einer höheren Freiheitsstrafe empfohlen hat.

Zudem teilt die Kammer die Einschätzung des Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 12.12.2014 - L 4 P 2949/12 - (juris, Rn. 51), das von fehlender Unrechtseinsicht des Klägers gesprochen hat. Dies wurde auch durch sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Nach wie vor vertritt er die Auffassung, ihm könne kein Abrechnungsbetrug in der Vergangenheit vorgeworfen werden. Darüber hinaus geht das Sozialgericht Konstanz in seinem Urteil vom 24.02.2021 - S 8 P 2312/19 - (Seite 9) unter Hinweis auf ein weiteres Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 13.09.2018 - S 8 KR 2324/16 - davon aus, das pflichtwidrige Verhalten, das zu seiner strafrechtlichen Verurteilung geführt habe, sei kein Einzelfall geblieben. Auch noch im November/Dezember 2015 seien zumindest Teile der Leistungen von seinem Pflegedienst bei der häuslichen Krankenpflege nicht ordnungsgemäß erbracht, insbesondere fehlerhafte Abrechnungen vorgelegt worden.

d) Auch der Umstand, dass das Amtsgericht Konstanz in seinem Urteil vom 05.11.2013 kein Berufsverbot nach § 70 StGB verhängt hat, steht dem Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" nicht entgegen. In diesem Zusammenhang kommt es maßgeblich darauf an, ob das Strafgericht im Rahmen der Prüfung des Berufsverbots den Sachverhalt unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend gewürdigt, alle bedeutsamen Aspekte geprüft und damit die maßgeblichen berufsrechtlichen Erwägungen im Kern vorweggenommen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, juris Rn. 22). Hiervon kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Dem Urteil des Amtsgericht Konstanz ist nicht einmal zu entnehmen, dass überhaupt die Prüfung eines Berufsverbots vorgenommen wurde. Selbst wenn es aber bewusst auf die Verhängung eines Berufsverbots verzichtet haben sollte, so dürfte dies auf denselben Erwägungen beruht haben, mit denen auch die Aussetzung der Strafe zur Bewährung begründet wurde. Dies vermag aber - aus den bereits dargelegten Gründen - keine Bindungswirkung zu entfalten.

e) Der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung ist auch nicht deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil es mildere Mittel gäbe, um dem Kläger die Möglichkeit zur Abrechnung von Krankenpflegeleistungen zu nehmen und damit der Gefahr weiterer Pflichtenverstöße in diesem Zusammenhang zu begegnen. In Betracht kommt zwar - analog zur bereits erfolgten Kündigung des Versorgungsvertrages mit Pflegekassen - eine Beendigung seiner Berechtigung aus dem Versorgungsvertrag mit der Krankenkasse bzw. konkret mit der x. Im Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27.11.2019 - S 1 KR 220/19 - ist ausgeführt, der Kläger habe in der Vergangenheit Leistungen für die x im Rahmen eines Versorgungsvertrages zur Erbringung der Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Rahmenvertrag nach § 132a SGB V über Leistungen nach § 37 SGB V mit der Verpflichtungserklärung des Klägers vom 07.01.1999) erbracht. Die x bereite derzeit eine Beendigung der Berechtigung des Klägers aus dem Versorgungsvertrag vor (Seite 2 des Urteils). Der Versorgungsvertrag sei Voraussetzung für den vom Kläger - in einer Vielzahl von Verfahren geltend gemachten - Vergütungsanspruch hinsichtlich von seinem ambulanten Pflegedienst erbrachter Krankenpflegeleistungen (Seite 8). Die - damit in Betracht kommende - Möglichkeit zur Beendigung der Berechtigung des Klägers aus dem Versorgungsvertrag steht aber nicht dem Beklagten offen. Dass ein anderer Rechtsträger möglicherweise über ein milderes Mittel verfügt, um der vom Kläger ausgehenden Gefahr eines weiteren Abrechnungsbetrugs zu begegnen, stellt aber die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten getroffenen Entscheidung nicht in Frage. Auch hat die x im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt von der Möglichkeit zur Beendigung der Berechtigung des Klägers aus dem Versorgungsvertrag keinen Gebrauch gemacht.

Offenbleiben kann, ob eine Untersagung des vom Kläger betriebenen ambulanten Pflegedienstes nach § 35 GewO in Betracht kommt. Dies könnte deshalb ausscheiden, weil die Gewerbeordnung für die Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe, zu denen auch der Beruf des Krankenpflegers gehört (vgl. Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand: 85. EL September 2020, § 6 GewO Rn. 63), nur Anwendung findet, soweit die Gewerbeordnung ausdrückliche Bestimmungen enthält (zur Anwendung des § 35 GewO auf ambulante Pflegedienste vgl. Schönleiter, GewArchiv 2011, 67, 69). Selbst wenn aber eine Gewerbeuntersagung, für die die Verwaltungsgemeinschaft Stockach als untere Verwaltungsbehörde nach § 1 GewOZuVO i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zuständig wäre (vgl. auch https://www.lrakn.de/service-und-verwal ... mt/gewerbe), in Betracht kommen sollte, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um ein - aus Sicht des Klägers - milderes Mittel handeln würde. Der Kläger selbst hat entsprechendes nicht geltend gemacht. Insbesondere hat er nicht vorgetragen, im Falle einer Gewerbeuntersagung - oder im Falle einer Beendigung seiner Berechtigung aus dem Versorgungsvertrag mit der Krankenkasse - als angestellter Krankenpfleger arbeiten zu wollen. Dies liegt angesichts seines Alters auch fern.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die angefochtene Entscheidung nicht als unverhältnismäßig dar.

2. Die in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids getroffene Anordnung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 LVwVfG (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 26.06.2020 - W 10 K 19.839 -, juris Rn. 47) und ist daher wohl ebenfalls nicht zu beanstanden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss
Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 VwGO auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Permalink: https://openjur.de/u/2351553.html (https://oj.is/2351553)


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Ärzte Zeitung vom 20.09.2021
Urteil
Betrügerischer Krankenpfleger darf nicht mehr in seinem Beruf arbeiten

Weil er bei den Kassen 75.000 Euro ergaunert haben soll, musste ein Pflegedienstbetreiber nicht nur eine Bewährungsstrafe hinnehmen. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat nun auch den Entzug seiner Berufsbezeichnung bestätigt.
Freiburg. Der Beruf des Krankenpflegers ist mit betrügerischen Abrechnungen bei einem ambulanten Pflegedienst nicht vereinbar. Mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil bestätigte das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg die Entziehung der Berufsbezeichnung wegen Abrechnungsbetrugs in der Pflegeversicherung.
... (weiter lesen unter) ... > https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft ... 22953.html
Gesperrt