Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht
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WernerSchell
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Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung

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Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung sowie zur Änderung weiterer Gesetze

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Heute, am 13.06.2023, haben wir unseren fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung veröffentlicht. Gemeinsam mit den Mitunterzeichner:innen haben wir den Entwurf bei der Bundespressekonferenz vorgestellt.
Hier findet Ihr/ finden Sie den Gesetzentwurf > https://www.renate-kuenast.de/images/Su ... .06.23.pdf
und den Entschließungsantrag > https://www.renate-kuenast.de/images/EA ... nehmen.pdf


Quelle: Mitteilung vom 13.06.2023 > https://www.renate-kuenast.de/weitere-t ... er-gesetze

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Parlamentsinitiative: Abgeordnete stellen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vor (Beitrag 06,23 Min.)
https://www.youtube.com/watch?v=JfVyowMRhOI



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Die Initiative für ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung wird von Pro Pflege- Selbsthilfenetzwerk begrüßt! - Es wird bei den entsprechenden Regelungen nicht infrage gestellt, dass Töten auf Verlangen weiter strafrechtlich relevant bleibt. Im Übrigen sollte immer der Palliativ- und Hospizarbeit Vorrang eingeräumt werden.

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Aufgrund meiner Buchveröffentlichung "Sterbebegleitung und Sterbehilfe - Gesetze, Rechtsprechung, Deklarationen (Erklärungen), Richtlinien, Stellungnahmen (Statements)" (> viewtopic.php?f=3&t=604 ) und zahlreichen Zeitschriftenartikeln bin ich mit den vielfältigen Fragestellungen eines "guten Sterbens" vertraut und kann daher die dem Grundgesetz gerecht werdenden Regelungen zustimmen!

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Zum Thema "Sterbehilfe - Politiker blockieren, Patienten verzweifeln - Filmbeiträge informieren!" wurden im Forum - Archiv (bis 2020) zahlreiche Beiträge eingestellt: > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... 17#p112485 / > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... 17#p111866 - Die Informationen zu diesem Thema werden hier - im Forum - Beiträge ab 2021 - fortgeführt! > viewtopic.php?f=3&t=20

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Deutsches Ärzteblatt vom 13.06.2023:
Suizidbeihilfe: Liberale Gesetzentwürfe fusioniert
Berlin – Die Debatte um neue gesetzliche Regelungen zur Suizidbeihilfe hat wieder Fahrt aufgenommen. Die Gruppen um die Grünen-Politikerin Renate Künast und die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr, die sich in den vergangenen beiden Jahren für liberale Regelungen einsetzten, haben jetzt ihre Gesetzes¬pläne zusammengeführt. Damit wollen sie bei einer Entscheidung im Bundestag ihre Chancen gegenüber den Anhängern einer restriktiveren Linie um den SPD-Politiker Lars Castellucci erhöhen.
Eine namentliche Abstimmung ohne Fraktionszwang könnte noch in der ersten Juliwoche – der letzten Parlamentswoche vor der Sommerpause – erfolgen, bei der dem Parlament ab sofort nur noch zwei statt drei Vorschläge vorliegen.
Die interfraktionellen Abgeordnetengruppen um Helling-Plahr und Künast stellten heute ihren gemeinsamen Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention vor. Die Gruppen habe eine Grundhaltung geeint, nämlich der Respekt vor dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte Helling-Plahr.
„Im Mittelpunkt unseres Entwurfes steht der Einzelne, der mit seinem Sterbewunsch nicht länger allein gelassen werden soll. Wir wollen allen Beteiligten einerseits Rechtssicherheit bieten sowie andererseits ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Seite stellen“, so die FDP-Politikerin, die bereits in der vergangenen Wahlperiode gemeinsam mit Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD) einen Entwurf für ein „Suizidhilfegesetz“ mit einer Rege¬lung außerhalb des Strafrechtes in das Parlament eingebracht hatte.
… (weiter lesen unter) > https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ ... 7ac2e8834e


Ärztezeitung vom 13.06.2023:
Ärztliche Sterbehilfe
Einigung bei gemeinsamen Gesetzesvorstoß zur Suizidassistenz

Aus zwei mach einen: Die beiden Gruppen, die eine liberale Lösung bei der Neuregelung der Suizidhilfe anstreben, legen einen geeinten Entwurf vor. Ärzte sind demnach nicht zur Suizidhilfe verpflichtet. ... (weiter lesen unter) ... > https://nlcontent.aerztezeitung.de/redi ... 2CE3C2E6BB
WernerSchell
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Suizidbeihilfe: Gesetzesentwurf lässt psychisch Kranke im Stich

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Suizidbeihilfe: Gesetzesentwurf lässt psychisch Kranke im Stich

Kein wirksames Schutzkonzept für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder andere vulnerable Gruppen, keine psychiatrische Begutachtung der Willensfreiheit – der Mitte Juni vorgestellte neue fraktionsübergreifende Gesetzesentwurf zur Suizidbeihilfe ist aus Sicht der DGPPN unzureichend und gefährdet das Leben psychisch erkrankter Menschen.

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Im Jahr 2021 kamen 9200 Personen in Deutschland durch Suizid zu Tode, die meisten davon im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung. Eine psychiatrische, suizidpräventive Behandlung hätte, wie Studien zeigen, viele dieser Menschen retten können. Die meisten von ihnen waren aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht in der Lage, die Entscheidung über ihren Suizid frei und selbstbestimmt zu treffen.

Der neu vorgestellte Gesetzesentwurf von Helling-Plahr et al. bietet dieser Gruppe keinen ausreichenden Schutz. Zwar sieht er vor, dass bei der Beratung, die dem Suizid vorausgehen muss, und auch bei der Verschreibung des todbringenden Präparats der freie Willen der Betroffenen vorliegen müsse – es bleibt aber gänzlich ungeregelt, wie dies zu beurteilen ist. Wurde die Entscheidung tatsächlich frei getroffen oder war die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht doch durch eine psychische Erkrankung beeinträchtigt? Um diese Frage fundiert zu beurteilen, ist die Expertise von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie notwendig. Der Entwurf sieht ihre Einbindung nicht vor. Ganz im Gegenteil macht er keinerlei Vorgaben zu Ausbildung oder Expertise der Beratenden.

Ein weiterer Kritikpunkt der DGPPN: Dem vorliegenden Entwurf zufolge würde ein und derselbe Arzt die Willensfreiheit der Person beurteilen und über die Verschreibung des Präparats entscheiden. Die Begutachtung der Selbstbestimmungsfähigkeit und die Suizidbeihilfe werden also nicht von unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Personen durchgeführt. Einer Entscheidung über Leben und Tod wird dies nicht gerecht.

Der Entwurf lässt zudem offen, woher Ressourcen und Personal für die einzurichtenden Beratungsstellen kommen sollen. Die Mitarbeitenden sollen vermerken, wenn während der Beratung Zweifel am freien Willen der Entscheidung aufkommen, aber es ist nicht sichergestellt, dass sie überhaupt über die nötige Kompetenz verfügen, das zu beurteilen. Und wenn sie denn Zweifel an der selbstbestimmten Entscheidung haben, sollen sie diese einfach auf dem Beratungsschein vermerken. Hilfe und Behandlung werden dem Menschen nicht angeboten.

„Wer akut suizidal ist, muss zunächst im Gesundheitssystem versorgt werden. Eine ergebnisoffene Beratung durch Menschen mit unklarer Expertise vermeidet Suizide nicht, sondern befördert sie“, stellt Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) klar. Die Fachgesellschaft forderte deshalb schon im vergangenen Jahr in einem Eckpunktepapier, dass Personen, die Suizidassistenz suchen, deren Selbstbestimmungsfähigkeit aber in Frage steht, unbedingt nahtlos Unterstützung finden müssen. Der aktuelle Entwurf für eine Neuregelung der Suizidassistenz macht keine entsprechenden Vorgaben. Andreas Meyer-Lindenberg: „Der vorliegende Gesetzesentwurf gewichtet das Recht auf Sterben höher als das Recht psychisch erkrankter Menschen, ihre Erkrankung zu überleben. Es schützt Menschen, deren Selbstbestimmung aufgrund einer psychischen Erkrankung eingeschränkt ist, nicht ausreichend vor einem irreversiblen Schritt wie dem Suizid. Ein solches Gesetzesvorhaben kann die DGPPN keinesfalls unterstützen.“

Weitere Informationen:
> https://www.dgppn.de/schwerpunkte/aktue ... stenz.html - DGPPN-Eckpunkte für eine Neuregelung der Suizidassistenz

Quelle: Pressemitteilung vom 16.06.2023
Katja John Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
> https://idw-online.de/de/news816193
WernerSchell
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Suizidhilfe: Neuer Gesetzentwurf Helling-Plahr/Künast

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Suizidhilfe: Neuer Gesetzentwurf Helling-Plahr/Künast
Recht/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Der Bundestag will am Donnerstag, 6. Juli 2023, über eine Neuregelung der Suizidhilfe entscheiden. Zur Abstimmung stehen nunmehr zwei Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Gruppen, die heute den Rechtsausschuss passierten. Zwei der ursprünglich drei Entwürfe - den Entwurf der Gruppe um die Abgeordnete Katrin Helling-Plahr (20/2332 > https://dserver.bundestag.de/btd/20/023/2002332.pdf) und den Entwurf der Gruppe um die Abgeordnete Renate Künast (20/2293 > https://dserver.bundestag.de/btd/20/022/2002293.pdf ) - legte der Ausschuss auf Antrag der beiden Gruppen zusammen. Der dritte Entwurf einer Gruppe um den Abgeordneten Lars Castellucci (20/904 > https://dserver.bundestag.de/btd/20/009/2000904.pdf ) passierte das Gremium in geänderter Fassung (siehe separate Meldung).

Beide Entwürfe eint, dass mit ihnen Voraussetzungen geschaffen werden sollen, unter denen Suizidwillige Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten erhalten können. Dazu sind unter anderem Änderungen im Betäubungsmittelgesetz vorgesehen. Beide Entwürfe sehen zudem eine Regulierung der Werbung für Hilfe zur Selbsttötung im Heilmittelwerbegesetz sowie jeweils eine Evaluierung vor.

Der Castellucci-Entwurf strebt eine Regelung im Strafgesetzbuch an, die geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe stellt - und Ausnahmen normiert, unter denen Förderungshandlungen nicht rechtswidrig sind.

Der Entwurf der Gruppe Helling-Plahr/Künast sieht im Kern ein neues Suizidhilfegesetz vor, dass das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung und auf Unterstützung von suizidwilligen Personen normiert. Wesentliche Unterschiede der Entwürfe betreffen die Form der notwendigen Untersuchungen beziehungsweise Beratung als Voraussetzung für die Verschreibung eines tödlich wirkenden Medikaments sowie Warte- und Höchstfristen für Untersuchungs- und Beratungstermine sowie die Verschreibung des Medikaments. Beide Entwürfe sehen unter bestimmten Voraussetzungen Härtefallregelungen vor.

Hintergrund der avisierten Neuregelung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 (2 BvR 2347/15). Das Gericht hatte das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt und betont, dass die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, - als Ausdruck des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben - auch die Freiheit umfasse, „hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen“.

Entwurf der Gruppe Helling-Plahr/Künast im Detail

Der Entwurf der Gruppe Helling-Plahr/Künast sieht als Kern ein neues „Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ (Suzidhilfegesetz) vor. Danach soll mit diesem Gesetz normiert werden, dass „jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte“, das Recht hat, „hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen“. Zudem soll auch das „Recht auf Hilfeleistung“ festgeschrieben werden. Die Verschreibung eines tödlich wirkenden Medikaments durch einen Arzt oder eine Ärztin setzt laut Entwurf grundsätzlich eine Beratung voraus. Zudem ist eine Härtefallregelung vorgesehen und eine Regelung, die eine Abgabe ohne Verschreibung durch einen Arzt oder eine Ärztin vorsieht.

Eine Pflicht zur Hilfe zur Selbsttötung soll laut Entwurf ausgeschlossen werden, ebenso soll es nicht möglich sein, einer Person „aufgrund ihrer Berufszugehörigkeit“ die Mitwirkung beziehungsweise die Nicht-Mitwirkung an der Hilfe zur Selbsttötung zu untersagen.

Laut Entwurf soll das Gesetz „eine autonome und vollinformierte Entscheidungsfindung suizidwilliger Personen sicherstellen“. Wesentlich zur Feststellung des autonom gebildeten, freien Willens ist eine Beratung. Laut Entwurf soll ein Recht, „sich zu Fragen der Hilfe zur Selbsttötung beraten zu lassen“, festgeschrieben werden. Die Beratung ist demnach „ergebnisoffen zu führen, darf nicht bevormunden und muss vom Grundwert jedes Menschenlebens ausgehen“. In der Beratung sollen „die für eine Entscheidung für oder gegen eine Selbsttötung erheblichen Gesichtspunkte“ vermittelt werden, unter anderem „die Bedeutung und die Tragweite der Selbsttötung“, Handlungsalternativen sowie „die Folgen einer Selbsttötung und eines fehlgeschlagenen Selbsttötungsversuches auch für das nähere persönliche und familiäre Umfeld“. Zu der Beratungen können demnach im Einvernehmen weitere Personen, beispielsweise Ärztinnen oder Psychologen, hinzugezogen werden. Keine Beratung soll laut Entwurf von einer Person vorgenommen werden dürfen, „die an einer späteren Hilfe zur Selbsttötung beteiligt ist“.

Der Entwurf sieht vor, dass die Länder für ein ausreichendes Angebot an Beratungsstellen Sorge zu tragen haben. Beratungsstellen bedürfen demnach einer staatlichen Anerkennung, auch freie Träger und Ärztinnen und Ärzte sollen anerkennungsfähig sein. Zu den Anerkennungsvoraussetzungen soll unter anderem zählen, dass die Beratungsstelle über „hinreichend persönlich und fachlich qualifiziertes und der Zahl nach ausreichendes Personal verfügt“. Ferner soll eine Beratungsstelle „mit keiner Einrichtung, in der Hilfe zur Selbsttötung geleistet wird, derart organisatorisch oder durch wirtschaftliche Interessen verbunden“ sein, „dass hiernach ein materielles Interesse der Beratungseinrichtung an der Durchführung von Hilfe zur Selbsttötung nicht auszuschließen ist“. Für einen Übergangszeitraum - längsten bis zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes - soll jeder Arzt oder Ärztin eine Beratung ohne Anerkennung vornehmen dürfen.

Die Verschreibung eines tödlich wirkenden Medikaments durch einen Arzt oder eine Ärztin setzt laut Entwurf eine Beratung in einer anerkannten Beratungsstelle voraus, zudem soll der verschreibende Arzt oder die Ärztin verpflichtet sein, „die suizidwillige Person mündlich und in verständlicher Form über sämtliche für die Selbsttötung wesentlichen medizinischen Umstände aufzuklären“. Bei erkrankten suizidwilligen Personen ist zudem „auch auf Behandlungsmöglichkeiten und Möglichkeiten der Palliativmedizin hinzuweisen“. Die Verschreibung soll dann möglich sein, wenn die suizidwillige Person sich höchsten zwölf Wochen und mindestens drei Wochen vorher hat beraten lassen.

Der Entwurf sieht zudem eine Härtefallregelung vor, die Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, auf die Vorlage einer Beratungsbescheinigung in besonderen Härtefällen zu verzichten. Diese Einschätzung soll laut Entwurf von einer weiteren Ärztin oder Arzt bestätigt werden müssen.
Zudem sieht der Entwurf vor, dass in Ausnahmefällen auch eine nach Landesrecht zuständig Stelle einer suizidwilligen Person „eine einer ärztlichen Verschreibung gleichstehende Erlaubnis zum Erwerb eines Arznei- oder Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung“ erteilen muss, wenn die Voraussetzungen für die ärztliche Verschreibung vorliegen und die suizidwillige Person glaubhaft macht, dass eine ärztliche Verschreibung „nicht in zumutbarer Weise zu erlangen ist“.

In einem Nebenaspekt sieht der Entwurf eine strafrechtliche Regelung vor. Die strafbare Verletzung von Privatgeheimnissen (Paragraf 203 Strafgesetzbuch) soll auch im Kontext der im Entwurf vorgesehen Beratungsstellen einschlägig sein.

Die Zusammenlegung der Entwürfe wird laut einer im Ausschuss vorgelegten Unterstützungsliste von 166 Abgeordneten aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD unterstützt. Darunter sind unter anderem Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Helge Lindh (SPD) und Petra Sitte (Die Linke).

Die Anhörung zu den ursprünglich drei Gesetzentwürfen im Video: https://www.bundestag.de/dokumente/text ... cht-917960
Die hib-Meldung zum ursprünglichen Entwurf der Gruppe Helling-Plahr: https://www.bundestag.de/presse/hib/kur ... gen-900096
Die hib-Meldung zum ursprünglichen Entwurf der Gruppe Künast: https://www.bundestag.de/presse/hib/kur ... gen-899724

Quelle: Mitteilung vom 05.07.2023
Deutscher Bundestag
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Assistierter Suizid muss in engen Grenzen möglich sein ...

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Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss


09.07.2023


Assistierter Suizid muss in engen Grenzen möglich sein -
Suizidprävention und Stärkung der Palliativmedizin / Hospizarbeit sind aber vorrangig wichtig!



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Der Deutsche Bundestag hat am 06.07.2023 über zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe abgestimmt. Keiner der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe hat eine Mehrheit gefunden. Die Bemühungen, zu einer im Sinne der Patientenselbstbestimmung passenden Assistenzregelung zu kommen, dürfen aber nicht aufgegeben werden. Dies auch deshalb nicht, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Februar 2020 eine entsprechende Regelung eingefordert hat. Das BVerfG hat seinerzeit entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende strafrechtliche Regelung, die auch die organisierte Suizidassistenz durch Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das BVerfG für verfassungswidrig.
Seitdem wird im Bundestag über eine mögliche Folgeregelung diskutiert. Im Juni 2023 hatten zunächst die Abgeordnetengruppen um Renate Künast und Katrin Helling-Plahr einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz sowie einen Entschließungsantrag zur Suizidprävention anstelle von zwei früheren Gesetzentwürfen vorgelegt. Die Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci hatte ihren bisherigen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz noch einmal überarbeitet. Zwischenzeitlich hatten sich u.a. auch die Bundesärztekammer, das Nationale Suizidpräventionsprogramm, die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin für eine weitere und tiefergehende Beratung der Gesetzentwürfe ausgesprochen.
Trotz der verfehlten Mehrheitsbeschlüsse für die zwei Gesetzesinitiativen müssen Menschen mit Suizidwünschen ernst genommen und angenommen werden. Daher bleibt die Pflicht des Bundestages bestehen, alsbald eine Regelung zu gestalten, die der Entscheidung des BVerfG und damit den grundgesetzlichen Vorgaben gerecht wird. Die Sterbehilfe darf in Deutschland nicht weiter eine rechtliche Grauzone sein.
Neben den Entwürfen zur Suizidassistenz diskutierte der Bundestag auch über einen fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zur Suizidprävention, der schließlich eine breite Mehrheit fand. Die genaue Ausgestaltung der Suizidprävention ist allerdings noch offen. Man darf nun erwarten, dass die Bundesregierung die Suizidprävention und Palliativversorgung deutlich besser aufstellt als bisher. Entsprechende Vorschläge liegen offensichtlich bereits vor.

Werner Schell

Diplom-Verwaltungswirt - Oberamtsrat a.D. - Buchautor/Journalist - Dozent für Pfle-gerecht
Mitglied im Verband der Medizin- und Wissenschaftsjournalisten e. V.- https://www.vmwj.de
https://www.wernerschell.de - Pflegerecht und Gesundheitswesen
Infos auch bei https://www.facebook.com/werner.schell.7 bzw. https://twitter.com/SchellWerner
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Keine Erlaubnis zur Einfuhr und Abgabe eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung

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Oberverwaltungsgericht Münster

Keine Erlaubnis zur Einfuhr und Abgabe eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung

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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist nicht verpflichtet, einem Arzt vorläufig eine Erlaubnis unter anderem für die Einfuhr von Natrium-Pento­barbital aus der Schweiz nach Deutschland und die Abgabe dieses Betäubungsmit­tels an seine Patienten zum Zweck der Selbsttötung zu erteilen. Dies hat das Ober­verwaltungsgericht mit heute bekannt gegebenem Eilbeschluss vom 08.08.2023 ent­schieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im Ergebnis bestätigt.

Der Antragsteller ist Leiter des Ärzteteams des Vereins Sterbehilfe in Hamburg. Er möchte seinen Patienten, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen, das Betäubungs­mittel Natrium-Pentobarbital zu ihrer eigenen Verfügung überlassen. Da das Mittel in Deutschland derzeit nicht über Apotheken bezogen werden kann, will er es mit Hilfe der Geschäftsstelle Zürich des Vereins aus der Schweiz nach Deutschland einfüh­ren. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte den entsprechenden Eilantrag ab, die Be­schwerde des Arztes hatte beim Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg.

Der 9. Senat hat zur Begründung ausgeführt: Der Erteilung einer Erlaubnis an den Antragsteller zur Abgabe von Natrium-Pentobarbital an seine Patienten steht der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) entge­gen. Ärzte sind nach der Konzeption des Gesetzes nicht berechtigt, ihren Patienten Betäubungsmittel abzugeben, d. h. ihnen Betäubungsmittel zur freien Verfügung zu überlassen. Der Verkehr mit Betäubungsmitteln durch einen Arzt im Verhältnis zu seinen Patienten ist in § 13 Abs. 1 BtMG geregelt. Hiernach darf der Arzt Betäu­bungsmittel jedoch nur verschreiben, verabreichen oder seinen Patienten zum unmit­telbaren Verbrauch überlassen. Allen drei Handlungsformen ist gemeinsam, dass der Patient unmittelbar keine eigene Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel er­langt. Zwar kann der Patient aufgrund einer ärztlichen Verschreibung Betäubungs­mittel zur freien Verfügung erhalten. Die Abgabe eines verschriebenen Betäubungs­mittels an die Patienten ist nach der abschließenden gesetzlichen Regelung des § 13 Abs. 2 BtMG jedoch zur Vermeidung eines Betäubungsmittelmissbrauchs allein Apo­theken vorbehalten.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 9 B 194/23 (I. Instanz: VG Köln ­7 L 1410/22)


Weitere Hinweise:

Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz - BtMG)

§ 5 Versagung der Erlaubnis
(1) Die Erlaubnis nach § 3 ist zu versagen, wenn
6. die Art und der Zweck des beantragten Verkehrs nicht mit dem Zweck dieses Ge­setzes, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmitteln oder die missbräuchliche Her­stellung ausgenommener Zubereitungen sowie das Entstehen oder Erhalten einer Betäubungsmittelabhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen, vereinbar ist.

§ 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung
(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärz­ten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behand­lung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verabreicht oder einem anderen zum unmit­telbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden, wenn ihre An­wendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. (…)
(2) Die nach Absatz 1 verschriebenen Betäubungsmittel dürfen nur im Rahmen des Betriebs einer Apotheke und gegen Vorlage der Verschreibung abgegeben werden. (...)


Quelle: Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 09.08.2023
> https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/ ... /index.php
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