Pflegeerleichternde Maßnahmen - Standard?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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WernerSchell
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Pflegeerleichternde Maßnahmen - Standard?

Beitrag von WernerSchell » 14.02.2008, 08:02

"Pflegeerleichternde Maßnahmen" sind eher der Standard

Schriftwechsel in einer Mailingliste (anonymisiert):

Herr ... schrieb u.a.:
Anregung zum Thema "freiheitsentziehende Maßnahmen in der Pflege":
- der Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen ist in der Pflege schon lange nicht mehr der aktuelle Stand der Diskussion (aber sehr wohl der aktuelle Stand der Praxis!),
- freiheitsentziehende Maßnahmen lassen sich durch den Einsatz von Hilfsmitteln und "moderne" Pflegekonzepte fast immer vermeiden,
- http://www.efh-freiburg.de/agp/redufix.htm - hier werden die Ergebnisse der Studie ReduFix vorgestellt,
- beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen gibts einen Leitfaden "Verantwortungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege",
- beim Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung Mecklenburg-Vorpommern gibts einen Leitfaden "Blickpunkt Häusliche Pflege - Hinweise und Empfehlungen zur Gewaltvorbeugung in der familiären Pflege",
- http://www.pea-ev.de/ - hier gibts Informationen und Bildungsveranstaltungen zum Thema "Vermeidung freiheitsentziehender
Maßnahmen in der Pflege".

Antwort:

Die vorgestellten Handlungsanleitungen sind bei den Experten bekannt und eigentlich durchaus hilfreich, gute und dem pflegebedürftigen Menschen zugewandte Dienstleistungen zu erbringen. Leider ist es aber so, dass die Handlungsanleitungen weitgehend (noch) nicht bekannt sind oder schlicht wegen personeller Engpässe nicht angewandt werden (können).

Wir haben vom Pflege-Selbsthilfeverband e.V. am 29.1.2008 in Neuss-Erfttal einen Pflegetreff durchgeführt, u.a. im Zusammenwirken mit dem Deutschen Berufsverband für die Pflegeberufe. Dabei wurde das Thema Pflegenotstand thematisiert:
viewtopic.php?t=7540
Es wurde bei diesem Treff herausgestellt, dass es in der Heimpflege eine personelle Unterbesetzung von mindestens 20 % gibt. Die Verhältnisse in der Heimpflege sind teilweise unzureichend (siehe auch MDK-Bericht aus 2007). Selbst Herr Bernd Meurer, Vorstand eines Heimbetreiberverbandes, sprach vor einigen Monaten davon, dass 15% der Heimbetreiber "Saubären" seien:
viewtopic.php?t=7635&highlight=saub%E4ren
Selbst in den Krankenhäusern ist der Personalnotstand angekommen. Eine Studie des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (dip) in Köln belegt diese Aussage. Es wird von Patientengefährdungen gesprochen:
viewtopic.php?t=6888&highlight=riskante

Der Pflege-Selbsthilfeverband e.V. erhält jeden Tag Mängelberichte und Hilferufe. Die Pflege ist leider nicht so, wie sie sein soll.

Aktuell kämpfen wir für die gute Pflege und Versorgung einer Alzheimerpatienten: Sie wurde von einem sog. "schlechten" Heim in ein sog. "gutes" Heim verlegt. Dort angekommen erhielt sie prompt eine Magensonde (unserer Einschätzung nach klar eine pflegeerleichternde Maßnahme), verträgt die Kost nicht, hat mittlerweile Durchliegegeschwüre, leidet unter den Geschwüren, Unruhe tritt ein, ruhigstellende Medikamente werden gegeben, Tochter soll die Rechtliche Betreuung insoweit nicht wahrnehmen dürfen, weil sie ungeeignet erscheint. Dies aber nur deshalb, weil sie sich einmischt. usw. Der zuständige Vormundschaftsrichter lässt sich Zeit, bearbeitet in aller Ruhe eine Akte! - Und die Menschenwürde?

Daher halte ich auch viel davon, dass sich Rechtliche Betreuer intensiver um die Einforderung menschenwürdiger Pflegebedingungen bemühen. Leider stellen wir auch insoweit mehr und mehr ungute Situationen fest. Tut mir leid, aber dass muss einmal gesagt werden. Wahrscheinlich lesen hier aber nur diejenigen mit, die sich eigentlich nicht angesprochen fühlen müssen.
Zuletzt geändert von WernerSchell am 18.06.2008, 18:46, insgesamt 3-mal geändert.
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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Rauel Kombüchen
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Betreuungsnotwendigen rechtzeitig bedenken

Beitrag von Rauel Kombüchen » 22.05.2008, 07:49

Ich meine, dass man sich zeitgerecht über das Alter und die dann anstehenden Betreuungsnotwendigkeiten Gedanken machen sollte. Insoweit halte ich eine Vorsorgevollmacht (statt Rechtliche Betreuung - durch das Vormundschaftsgericht veranlasst) für den geeigneten Weg. Dazu gibt es, wie ich hier lesen konnte, in der nächsten Wochen einen Vortrag, der genau zu dieser Einschätzung passt:
viewtopic.php?t=8872

Rauel

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Magensonde wird Standard bei Sterbenden

Beitrag von Presse » 16.06.2008, 14:24

Experten warnen: Magensonde wird Standard bei Sterbenden
Montag, 16. Juni 2008

Frankfurt – Die Zwangsernährung Sterbender wird in Deutschland schleichend zum medizinischen Standard. Die Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, und des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, fordern in einem Beitrag der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ein Umdenken in dieser Frage.

Dem Bericht zufolge wird vor allem eine hohe Zahl Demenzkranker in Pflegeheimen durch Magensonden, sogenannte PEG-Sonden, künstlich ernährt. Etwa 140.000 dieser Sonden würden jedes Jahr in Deutschland gelegt, davon zwei Drittel bei Bewohnern von Pflegeheimen. Etwa jeder zweiter dieser Sondenträger sei demenzkrank.

Hoppe sagte dazu, eine Magensonde könne für Sterbende sehr belastend sein. Der Arzt sei verpflichtet, Sterbenden so zu helfen, dass sie unter menschenwürdigen Bedingungen aus dem Leben scheiden können.
...
(weiter unter)
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=32710

Anja Jansen
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Registriert: 05.12.2005, 08:38

Magensonde - Indikation und Patientenwille beachten

Beitrag von Anja Jansen » 19.06.2008, 17:20

Zur Magensonde wird ja in dieser Homepage seit längerer Zeit informiert, auch in der Rubrik Rechtsalmanach. Es ist zu begrüßen, dass jetzt auch die Ärzteschaft endlich die Alarmglocken schrillen lässt. Die Magensonde, man hört es immer wieder, wird wirklich zu einer Standardeinrichtung, wenn sie auch nur irgendwie "verkauft" werden kann. Das muss sich radikal ändern. Und da sind alle Beteiligten gefragt!

Anja

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