Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gerhard Schenker
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Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Beitrag von Gerhard Schenker » 19.11.2005, 09:27

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Hallo Experten!

Wer muss bei einer Betreuung eines Heimbewohners eine Fixierung genehmigen und innerhalb welcher Zeit? Es wurde von einer Genehmigungsfrist von 24 Stunden gesprochen. Im Rahmen einer Fortbildung wurde gesagt, der Heimträger müsse die Fixierung unmittelbar dem Vormundschaftsgericht anzeigen und um Genehmigung bitten. Ist das so zutreffend? Kann man das Genehmigungserfordernis aufheben, wenn man die Fixierung immer mal unterbricht, um so eine Dauerfixierung zu vermeiden.
Danke im Voraus!

Gerhard Schenker

Herbert Kunst
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Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Beitrag von Herbert Kunst » 20.11.2005, 09:14

Hallo Gerhard,

die angesprochene Situation wurde bereits einmal diskutiert. Unter Verwendung der bereits vorhandenen Texte antworte ich wie folgt:

Wenn es sich um eine Betreuungssituation handelt, findet § 1906 Abs. 4 BGB Anwendung (siehe unten).
Eine Fixierung ist immer nur mit Billigung des Rechtlichen Betreuers (des Bevollmächtigten) zulässig. Dieser – und nicht der Heimträger - muss sich die Fixierung vom Vormundschaftsgericht genehmigen lassen, wenn die Fixierung "länger andauert" oder "regelmäßig" erfolgt.
Von exakt 24 Stunden ist hier nicht die Rede. Der Gesetzgeber hat hier einen gewissen Spielraum gelassen (es mag einmal dahingestellt bleiben, ob dies verfassungsrechtlich bedenklich ist). Eigentlich müsste es heißen, dass "bis zum Ablauf des folgenden Tages" eine Genehmigung vorliegen muss. Das zeigt schon, dass hier nicht genau auf Stunden abgestellt werden kann.
Wenn aber eine Freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur unterbrochen, "gestückelt", wird, um damit eine eventuell erforderliche Genehmigung zu unterlaufen, halte ich das nicht für zulässig - und letztlich nach § 239 StGB für strafbar.

Siehe auch unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... tart=14#14
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... tart=12#12

Mit freundlichen Grüßen
Herbert Kunst

§ 1906 BGB - Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei der Unterbringung:

(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil
1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder
2. eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.
(3) Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.
(5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach Absatz 4 setzt voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

Dieter Radke
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Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Beitrag von Dieter Radke » 02.12.2005, 08:06

Freiheitsbeschränkende Maßnahmen – wer genehmigt?

Solche Maßnahmen werden vom Betreuer (oder Bevollmächtigten) bewilligt. Dann erst wird die gerichtliche Genehmigung vom Vertreter eingeholt. Das Heim muss eigentlich nur den Nachweis sehen, dass die erforderliche Entscheidung getroffen und die gerichtliche Genehmigung erteilt ist. Nur in Sonderfällen kann eine direkte Einschaltung des Gerichts durch das Heim infrage kommen.
Herbert hat das schon korrekt beschrieben (siehe oben).

Einen guten Tag wünscht
Dieter

Herbert Kunst
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Unterbringung

Beitrag von Herbert Kunst » 06.01.2008, 08:29

Unterbringung

Einige interessante Informationsquellen:

1. Recht auf "Freiheit zur Krankheit" (BVerfGE 58, 208)(1).
http://dejure.org/dienste/vernetzung/re ... 058,%20208

2. Eine ambulante Zwangsbehandlung ist nicht erlaubt (BGH Beschluss XII ZB 69/ 00)(2).
http://lexetius.com/2000,2337

3. Eine drohende Verfestigung einer Erkrankung rechtfertigt eine Zwangsbehandlung aber nicht (BVerfG Beschluss 2 BvR 2270/ 96 (3)
http://lexetius.com/2002/4/1509

4. BGH Beschluss XII ZB 236/ 05 zur stationären Zwangsbehandlung (4)
http://lexetius.com/2006,324

5. Broschüre des Bundesjustizministeriums (pdf-Datei 532 kb)
http://www.bmj.de/media/archive/1184.pdf

6. BGH Grundsatzenscheidung zur Patientenverfügung XII ZB 236/ 05
http://dejure.org/gesetze/BGB/1896.html

7. Freiheitsentzug - Richtervorbehalt beachten!
viewtopic.php?t=7832
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Rauel Kombüchen
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Betreuungsnotwendigen rechtzeitig bedenken

Beitrag von Rauel Kombüchen » 22.05.2008, 07:48

Ich meine, dass man sich zeitgerecht über das Alter und die dann anstehenden Betreuungsnotwendigkeiten Gedanken machen sollte. Insoweit halte ich eine Vorsorgevollmacht (statt Rechtliche Betreuung - durch das Vormundschaftsgericht veranlasst) für den geeigneten Weg. Dazu gibt es, wie ich hier lesen konnte, in der nächsten Wochen einen Vortrag, der genau zu dieser Einschätzung passt:
viewtopic.php?t=8872

Rauel

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