Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht & Co - Vortrag

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht & Co - Vortrag

Beitrag von WernerSchell » 26.05.2012, 06:14

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Pressemitteilung vom 26.05.2012

Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen – Vortrag in der Volkshochschule Neuss

Die Volkshochschule Neuss hatte in Kooperation mit Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk für den 22.05.2012 zu einer Informationsveranstaltung eingeladen und dabei die Patientenautonomie als Thema ausgewählt.

Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, der als Referent zur Verfügung stand, informierte leicht verständlich über die aktuellen Rechtsregeln zur Patientenautonomie und gab wichtige Verhaltenstipps. Der Vortrag lässt sich wie folgt zusammen fassen:

Patientenverfügungen sind – u.a. nach eindeutigen Aussagen in einer Reihe von Urteilen des Bundesgerichtshofes und entsprechenden Statements der Bundesärztekammer – verbindlich. Diese Verbindlichkeit wurde durch die §§ 1901a und 1901b BGB, wirksam ab 1.9.2009, bekräftigt. Neu ist insoweit eigentlich nur, dass eine Patientenverfügung schriftlich erstellt sein muss und hinsichtlich der wirksamen Erstellung lediglich auf die Volljährigkeit abstellt.

Für sämtliche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ist allein der Patientenwille maßgeblich. Dieses Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat Verfassungsrang. Damit der Patientenwille auch bei mangelnder Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ohne Verzögerungen durchgesetzt werden kann, erscheint die zeitgerechte Errichtung einer insoweit hilfreichen Vorsorgevollmacht ratsam. Ansonsten verbleibt nur das Gebot, schnellstmöglich eine, ggf. vorläufige, rechtliche Betreuung einrichten zu lassen. Allerdings sind auch Patientenverfügungen ohne Vorsorgevollmacht und auch außerhalb einer Betreuung als bürgerlich-rechtliche Willensäußerung immer verbindlich und beachtenswert.

Auch eindeutig formulierte Patientenentscheidungen, die auf die Verweigerung von lebenserhaltenden Maßnahmen abzielen, z.B. Legen einer Magensonde oder Durchführung einer künstlichen Beatmung, müssen Beachtung finden. Es handelt sich in solchen Fällen nicht um strafrechtliches Tun oder Unterlassen, sondern lediglich um das gebotene Respektieren einer Patientenentscheidung, das sich unmittelbar aus dem Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 GG) ergibt.

Die Gelegenheit zur Diskussion wurde lebhaft genutzt. Es standen auch zahlreiche Informationsschriften kostenlos zur Mitnahme zur Verfügung. Der Referent konnte noch auf eine umfangreiche Bücherliste zum Thema aufmerksam machen. Diese Liste ist im Internet abrufbar, u.a. unter folgender Adresse: http://www.wernerschell.de/Medizin-Infos/pflege.php . Die Gäste bekundeten einhellig: Eine gelungene Veranstaltung und sehr gute Informationen. - Es ist daher vorgesehen, das Thema demnächst noch einmal aufzugreifen.

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht und Vorstand Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk

Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei

Die Medien berichten u.a. wie folgt:
http://www.openbroadcast.de/article/205 ... neuss.html
http://www.openpr.de/news/635785/Patien ... Neuss.html
http://www.presseanzeiger.de/pa/Patient ... gen-595259
Zuletzt geändert von WernerSchell am 29.05.2012, 11:16, insgesamt 2-mal geändert.
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https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gesundheitsvollmacht statt Patientenverfügung ?

Beitrag von WernerSchell » 28.05.2012, 06:33

Gesundheitsvollmacht statt Patientenverfügung ?

In der Zeitschrift "Frau und Mutter", Mai 2012, wird darüber berichtet, dass der Berliner Theologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl die Ansicht vertritt, eine Gesundheitsvollmacht sei einer Patientenverfügung vorzuziehen. Denn gegenüber einer Patientenverfügung könne bei einer Gesundheitsvollmacht der mutmaßliche Wille des Betroffenen stärker im Lichte der biografisch erkennbaren Lebenslinien ermittelt werden. Dies sagte er nach dem Bericht (KNA) bei einem Kongress über "Christliche Patientenvorsorge" in Berlin.

Dazu eine kurze Einschätzung:
Ich vertrete im Rahmen meiner Vortragstätigkeit zur Patientenautonomie am Lebensende die Auffassung, dass eine Vorsorgevollmacht eine vorrangige Bedeutung haben soll. Denn damit wird ein Rechtsvertreter bestimmt, der in bestimmten Lebenssituationen das Heft des Handelns in der Hand hat und so ggf. auch den mutmaßlichen Patientenwillen zur Geltung bringen kann. Soweit sich eine solche Bevollmächtigung auf die Gesundheitsfürsorge erstreckt, hat sie im Ergebnis den Charakter einer "Gesundheitsvollmacht". Eine Vollmacht aber allein auf solche Aufgaben zu beschränken, kann nicht ernstlich angeraten werden. Es geht in der Regel bei einer Vertretungssituation, wie sie nach § 1896 ff BGB angesprochen wird, um mehr. Daher kann nur zu einer weiter gefassten Vorsorgevollmacht geraten werden, die auch, weil der Begriff im alltäglichen Leben gut eingeführt ist, als solche, und nicht anders, zu bezeichnen ist.
Unabhängig von einer solchen Bevollmächtigung kann es Sinn machen, ergänzend eine Patientenverfügung zu erstellen, in der dem Rechtsvertreter klare Patientenentscheidungen für bestimmte Lebenssituationen an die Hand gegeben werden. Eine solche Patientenverfügung, klar formuliert und auf die jeweilige Situation passend, ist zu beachten. Wenn es an einer solchen klaren Festlegung fehlt, muss der mutmaßliche Wille erst in einem komplizierten Verfahren ermittelt werden. Das kann schnelle und klare Entscheidungen behindern.
Jeder sollte sich beizeiten mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Willensbestimmung auseinandersetzen und sich dann für den einen oder anderen Weg entscheiden. Auf jeden Fall wird angeraten, die im BGB vorgegebenen Bezeichnungen für die verschiedenen Verfügungen zu verwenden. Denn sonst können durch abweichende Betitelungen, z.B. Gesundheitsvollmacht oder Lebensverfügung, unnötige Meinungsverschiedenheiten auftreten.
Ob sich jemand bei der Abfassung einer Patientenverfügung der Mustertexte "Christliche Patientenverfügung" bedient, bleibt der freien Entscheidung überlassen. Zu bedenken ist, dass bei den "christlichen" Beratungsangeboten auch die sog. Reichweitenbegrenzung eine Rolle spielt. Eine solche Reichweitenbegrenzung hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des BGB wegen der damit verbundenen Einschränkung der Patientenautonomie ausdrücklich nicht zum Gegenstand der gesetzlichen Regelungen gemacht.

Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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