Der nachfolgende Beitrag wurde auf Anregung von Herrn Lutz Barth aus einem anderen Textzusammenhang nach hier umgestellt:
Ärzte haben dem Patientenwillen zu folgen, ihn aber nicht festzustellen
Die drei Autoren Jörg-Dietrich Hoppe, Volker Lipp und Alfred Simon , die an den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung (2011) mitgewirkt haben, weisen nachdrücklich auf die dort vertretene Rechtsauffassung nach BGB hin:
Nicht der Arzt, sondern der Patientenvertretern hat den mutmaßlichen Willen des einwilligungsunfähigen Patienten zu ermitteln:
„ … Ist ein Patient nicht ansprechbar, hat der Arzt Ziel und Ausmaß der Behandlung mit dem Patientenvertreter zu besprechen. Der Patientenvertreter hat den Patientenwillen festzustellen. Dabei hat er auf frühere Willensbekundungen des Patienten zurückzugreifen, um den aktuellen oder mutmaßlichen Willen festzustellen. … “
Quelle: http://www.faz.net
Aufgabe des Arztes ist es demgegenüber festzustellen, ob Maßnahmen noch medizinisch erfolgversprechend, d.h. „indiziert“ seien. Danach folgt sofort die Frage, hätte der Patient diese gewünscht oder nicht - die nur vom Patientenvertreter zu beantworten ist. Die Mitwirkung des Arztes an einer ggf. notwendigen gemeinsamen Interpretation der Patientenverfügung beschränkt sich also darauf zu überprüfen, ob eine der darin genannten Situationen der medizinisch vorfindlichen entspricht. (Dies mag insofern erstaunen, als also selbst ein Arzt, der den Patienten vorher kannte, nicht dessen – mutmaßlichen - Willen zu ermitteln bzw. zugrunde zu legen hätte.)
Was soll jedoch passieren, wenn kein legitimierter Patientenvertreter existiert oder zur Stelle ist?
Muss der Arzt dann in jedem Entscheidungsfall ein Betreuungsgericht anrufen? Nein, sagen die Grundsätze der Bundesärztekammer in nachvollziehbarer Weise, dies ist nicht erforderlich, wenn es eine hinreichend konkrete Patientenverfügung gibt: Liegt eine solche vor und ist kein Patientenvertreter vorhanden,
„hat der Arzt den Patientenwillen anhand der Patientenverfügung festzustellen … Trifft die Patientenverfügung auf die aktuelle Behandlungssituation zu, hat der Arzt den Patienten entsprechend dessen Willen zu behandeln. Die Bestellung eines Betreuers ist hierfür nicht erforderlich.“
Sowohl Arzt und – sofern vorhanden – Patientenvertreter sollen (nicht: müssen!) bei der Willensermittlung jeweils „Angehörige und sonstige Vertrauenspersonen des Patienten einbeziehen, sofern dies ohne Verzögerung möglich ist.“
Für den Arzt gilt dies aber offenbar nur dann, wenn eine konkrete Patientenverfügung vorliegt. Wenn dies nicht der Fall ist und auch kein Patientenvertreter vorhanden ist, muss der Arzt jedenfalls das Betreuungsgericht zur Hilfe anrufen. (Vermutlich versucht die Bundesärztekammer mit dieser Transformation des Patientenverfügungsgesetzes in die Grundsätze für ärztliches Handeln, den Arzt von der allgemeinen Aufgabe der Ermittlung des Patientenwillens zu entlasten).
Quelle: http://www.bundesaerztekammer.de/downlo ... 022011.pdf
Juristisch formvollendete PV oft mangelhaft
Wenn, was ja häufig der Fall ist, eine zwar juristisch formvollendete, aber inhaltlich mangelhafte Patientenverfügung vorliegt, stellt sich die Frage, was Bevollmächtigten dann zu raten ist:
Lieber gleich den Patientenwillen ohne Vorzeigen einer mangelhaften Patientenverfügung darlegen?
Bevollmächtigte Angehörige, für die der Patientenwille übereinstimmend klar ist, können nämlich durch eine zu eng gefasste, notariell beurkundetet Patientenverfügung tatsächlich in mehr Schwierigkeiten geraten als ohne. Zu solchen Risiken von unzureichenden Patientenverfügungen siehe konkreten Fall in: http://www.spiegel.de/panorama
Quelle: Mitteilung patientenverfuegung.de vom 01.05.2011 (Auszug)
Dem Patientenwillen ist zu folgen ...
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