Wie verhält sich die rechtliche Situation bei Verlust einer Zahnprothese?
Ein 82 jähriger teildementer Patient hat im Verlaufe seines 3-wöchigen Krankenhausaufenthaltes die Unterkieferprothese verloren. Alles wurde schriftlich dokumentiert. Muss das Krankenhaus für die neue Prothese zahlen?
Antwort:
Die aufgeworfene Haftungsfrage ist anhand der im Krankenhaus maßgeb-lichen vertragsrechtlichen Regeln zu beurteilen. Diese sind in aller Regel im Krankenhausaufnahmevertrag bzw. in den diesen ergänzenden Krankenhaus-Aufnahmebedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) näher ausgeführt. Im Allgemeinen werden diese Krankenhaus-Aufnahmebedingungen Vertragsbestandteil, so dass die darin getroffenen Regelungen - auch hinsichtlich der eingebrachten Sachen - rechtswirksam sind. Die Regelungen in den Aufnahmebedingungen dürfen allerdings nur insoweit persönliche Einschränkungen für Patienten und deren Besucher enthalten, als dies die medizinischen Belange und das gemeinsame Zusammenleben der Patienten erfordern. Mit den Regelungen soll ja insbesondere nur erreicht werden, dass der Heilungsverlauf der Patienten gewährleistet und der Arbeitsablauf des Krankenhauses nicht mehr als notwendig behindert wird.
Zur Beurteilung des richtigen Verhaltens ist mit Rücksicht auf die ver-tragsrechtlichen Grundsätze zunächst einmal die Feststellung von Bedeu-tung, dass der Krankenhausträger verpflichtet ist, eingebrachtes Geld und Wertsachen des Patienten auf dessen Wunsch hin in Verwahrung zu nehmen. Man sagt, dass sich diese Aufbewahrungspflicht als Nebenfolge aus dem Krankenhausaufnahmevertrag ergibt. Diese Auffassung ist in zahlreichen Gerichtsentscheidungen bestätigt worden. In Erfüllung dieser vertraglichen Nebenpflicht sehen die meisten Krankenhaus-Aufnahmebedingungen eine Bestimmung darüber vor, wie mit den einge-brachten Sachen des Patienten im Krankenhaus im Einzelnen zu verfahren ist. Nach diesen Regelungen sollen Geld und Wertsachen der Patienten bei der Krankenhausverwaltung oder in anderer geeigneter Weise in Verwahrung gegeben werden. Solche Bestimmungen haben den Charakter von Empfehlungen und lösen auf Seiten des Patienten keine Ablieferungspflicht aus. Es handelt sich also um ein Aufbewahrungsangebot an den Patienten, eine Ablieferungspflicht wird damit nicht begründet. Patienten, die das Verwahrungsangebot des Krankenhausträgers nicht annehmen, müssen sich natürlich darüber im Klaren sein, dass sie dann das Risiko der Nichtablieferung selbst zu tragen haben. Es erscheint angeraten, die Patienten in aller Deutlichkeit auf diese Rechtslage aufmerksam zu machen. Zum Teil wird den Patienten vor einer notwendigen Krankenhausaufnahme sogar empfohlen, Geld und Wertsachen sowie Sachen, die nicht zum täglichen Gebrauch gehören, nicht mit ins Krankenhaus zu bringen. Wird ein handlungsunfähiger (bewusstloser) Patient stationär aufgenommen, werden Geld und Wertsachen in Annahme eines mutmaßlichen Hinterlegungswunsches (= Geschäftsführung ohne Auftrag) in Verwahrung genommen.
Ob in der geschilderten Angelegenheit, Verlust der Zahnprothese, Pflicht-widrigkeiten seitens des Krankenhausträgers bzw. seines Personals anzu-nehmen sind, hängt von den konkreten Einzelumständen der Beteiligten ab. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, ob der aufgenommene Patient aufgrund seiner dementiellen Erkrankung ausreichend imstande war, sich um die sorgsame Aufbewahrung seiner im Krankenhauszimmer befindlichen Gegenstände einschließlich Zahnprothese zu kümmern oder ob insoweit Sorgfaltspflichten eines rechtlichen Vertreters (rechtlicher Betreuer oder Bevollmächtigter) bzw. des Krankenhauspersonals gegeben waren, für diese Gegenstände (Mit)Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn auf Seiten des Krankenhauses als Vertragspartner Pflichtwidrigkeiten dieser Art ausgemacht werden können, wäre eine Haftung für die verlorene Zahnprothese im Sinne der Fragestellung anzunehmen.
Wenn ein Patient oder sein Rechtsvertreter Schadensersatzansprüche er-hebt, ist eine sofortige Information des zuständigen Haftpflichtversicherers geboten. Dieser wird dann in aller Regel die weiteren Verhandlungen führen und bei Vorliegenden der entsprechenden Voraussetzungen in eine Schadensregelung eintreten.
Werner Schell
http://www.wernerschell.de
http://www.pflegerechtportal.de - viewtopic.php?t=12599
Verlust einer Zahnprothese im Krankenhaus ? - Haftung ?
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