Pflegereform - FDP-Vertreter ignorieren Selbsthilfe

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

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Pflegereform - FDP-Vertreter ignorieren Selbsthilfe

Beitrag von WernerSchell » 08.12.2010, 07:23

Ein Bericht in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung:

Rhein-Kreis Neuss - "Der schlechte Start hängt uns nach" - zuletzt aktualisiert: 20.11.2010
Rhein-Kreis Neuss (NGZ) Bijan Djir-Sarai, Bundestagsabgeordneter und FDP-Chef im Rhein-Kreis spricht im Interview über ein Jahr Schwarz-Gelb.
.. http://www.ngz-online.de/rhein-kreis_ne ... 32706.html

Dazu ein Leserbrief . Er wurde von der NGZ nicht abgedruckt, auch nicht in anderer Form reagiert:

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative

Vorstand: Werner Schell – Harffer Straße 59 – 41469 Neuss

Neuss, den 20.11.2010

An die
Neuss-Grevenbroicher Zeitung
Neuss


Betr.: „Der schlechte Start hängt uns nach“ – Interview
Bezug: Bericht in der NGZ vom 20.11.2010 (C 4)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der o.a. Angelegenheit übersende ich Ihnen folgende Leserzuschrift und bitte um ungekürzten Abdruck:

+++
FDP: Nicht nur der Start ist misslungen – Zwiespalt zwischen Vorstellung und Wirklichkeit

Die Ausführungen von Herrn Djir-Sarai, MdB (FDP), die politische Arbeit innerhalb der Berliner Koalition zu rechtfertigen und alles auf einen schlechten Start abzustellen, können über die andauernden unzulänglichen Umgangsformen miteinander und vor allem mit den BürgerInnen nicht hinwegtäuschen. Auch die inhaltliche Arbeit ist eher bescheiden. Dazu in Kürze einige Anmerkungen:

In der Gesundheitspolitik präsentiert der Gesundheitsminister, Herr Rösler (FDP), im Wesentlichen nur ein Gesetz, das die Versicherten (Patienten) mit höheren Abgaben belastet. Strukturell gibt es, wenn man von der Mogelpackung Arzneimittelbereich, absieht, null Korrekturen. Von einer in die Zukunft weisenden Gesundheitsreform kann also keine Rede sein.

In der Pflegepolitik geht es im Wesentlichen auch nur um eine Zusatzabgabe der Versicherten (kapitalgedeckte Zusatzversicherung). Dabei muss es aber vorrangig um viele inhaltliche Veränderungen gehen, die den dramatischen Pflegenotstand und damit die strukturell bedingten Pflegemängel beseitigen helfen. Auch muss der Grundsatz „ambulant vor stationär“ endlich eine angemessene finanzielle Dotierung erfahren. Wenn auch angesichts der demografischen Entwicklung mit höheren Belastungen gerechnet werden muss, darf sich eine Pflegereform, die diesen Namen verdient, nicht auf das Abkassieren beschränken. Es muss vor allem auf eine solidarische Absicherung der Abgabenlast geachtet werden. Geeignete Vorschläge zu inhaltlichen Verbesserungen gibt es genug. So hat Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk bereits am 10.11.2009 eine umfangreiche Stellungnahme zum Koalitionsvertrag (Bereich Pflege) vorgelegt und auch danach in zahlreichen Statements Position bezogen.

Die von Herrn Djir-Sarai angesprochene Belebung der demokratischen Elemente einschließlich der Information bzw. Anhörung der BürgerInnen findet offensichtlich nicht statt, nicht einmal ansatzweise (Klientelverbände ausgenommen). Entscheidungen werden offensichtlich in kleinen Zirkeln getroffen. So habe ich als ehrenamtlicher Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk in den letzten Monaten mit erheblichem Zeitaufwand wiederholt versucht, mit Herrn Rösler (FDP) bzw. seinen Staatssekretären, z.B. Herrn Daniel Bahr (FDP), Kontakt aufzunehmen, um Vorschläge hinsichtlich der notwendigen Reformen im Gesundheits- und Pflegesystem zu platzieren und als Interessenvertreter für pflegebedürftige Menschen (Patienten) gehört zu werden. Bedauerlicherweise gab es trotz dieser Bemühungen nicht einmal eine Antwort, geschweige denn eine Beteiligungsmöglichkeit. Oder findet man nur Gehör, wenn man zuvor mit fragwürdigen oder gar rechtswidrigen Methoden auf die Straße geht?

Die FDP ist offensichtlich weiterhin dabei, den Abwärtstrend in der Wählergunst kontinuierlich fortzusetzen. Angesichts der Missachtung der Interessen der BürgerInnen ist dies wohl auch gut so! Vielleicht sind diese Anmerkungen aber geeignet, ein wirkliches Umdenken in Richtung bürgerschaftliche Beteiligung einzuleiten. Ich bin sehr gespannt.

Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, Harffer Straße 59, 41469 Neuss – http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de
+++

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell – http://www.wernerschell.de

PS. Angefügt die Pressemitteilung von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vom 19.11.2010 zum Pflegetreff am 16.11.2010. Darin sind erneut verschiedene aktuelle Pflegethemen angesprochen.
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 161110.php
viewtopic.php?t=14894
viewtopic.php?t=14122
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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WernerSchell
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Pflege-Dialog ein Flop - Pflegenotstand und kein Ende

Beitrag von WernerSchell » 09.12.2010, 09:07

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“


Pressemitteilung vom 09.12.2010

Pflegenotstand wurde beim Pflege-Dialog nicht angemessen diskutiert
Pflege-Dialog - Auftaktrunde am 07.12.2010 beim Bundesgesundheitsministerium eher ein Flop


Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sieht in dem am 07.12.2010 im Bundesgesundheitsministerium begonnenen Pflege-Dialog keinerlei Ansatzpunkte, die wirklichen Probleme in den Pflegesystemen zu hinterfragen und einer Lösung zuzuführen. Tatsache ist nämlich, dass es bereits seit geraumer Zeit eine völlig unzureichende Ausstattung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit Pflegepersonal gibt. Während man sich bei den Heimen noch auf (unzureichende) Stellenschlüssel beziehen kann, gibt es für die Krankenhäuser keinerlei Personalberechnungsvorschriften, schlicht nur eine Stellenausstattung nach Kassenlage. Und diese ist nachweislich dramatisch schlecht. Entsprechende Folgen liegen für die Patienten, Pflegebedürftigen und Pflegekräfte auf der Hand. U.a. gefährdet die mangelhafte Zuwendung Patienten und Pflegebedürftige, während die überlasteten Pflegekräfte nicht selten frühzeitig aus dem Beruf flüchten (müssen). Wer als Pflegekraft bleibt, steht unter immensem Arbeitsdruck und nimmt früher oder später gesundheitlichen Schaden.

Es wäre nach all dem vorrangig gewesen, darüber zu reden, wie man diesen seit Jahren beklagten Pflegenotstand aufhebt; z.B. durch Schaffung von bundesweit geltenden Personalbemessungssystemen, entsprechende Stellenausweitungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und Start einer Ausbildungs- und Einstellungsoffensive. Hinzu kommen müssen handfeste Bemühungen, die Pflegekräfte besser zu bezahlen. Nur so kann die vielfach angesprochene Wertschätzung und Anerkennung für die Pflege wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht werden.

Wer die Pflegekräfte in diesem Sinne gut behandelt, muss sich weder heute noch in den nächsten Jahren über einen Mangel an Pflegefachkräften beklagen. Auch der Ruf nach entsprechenden Fachkräften aus dem Ausland ist dann entbehrlich. Eine ausgeweitete Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland wäre auch aus Gründen der mangelnden Sprachkenntnisse problematisch. Denn gerade in der Pflege, vor allem der Pflege Demenzkranker, kommt es auf eine gute Kommunikation an. Und die ist bei Dienstkräften, die aus dem Ausland kommen, schon jetzt nicht immer gewährleistet. Es gibt bereits vielfältige Klagen darüber, dass in den Gesundheitssystemen zu wenig verständlich deutsch gesprochen wird.

Die beim Pflege-Dialog angesprochene Reform der Berufsgesetze in der Pflege erscheint wenig geeignet, irgendein Pflegenotstandsproblem aufzulösen. Der Pflegenotstand und all das, was damit zusammenhängt, hat mit den Berufsgesetzen absolut nichts zu tun. Es gibt keine Mängel in der Pflegeausbildung, denen in irgendeiner Form eine Mitverursachung des Pflegenotstandes zugedacht werden könnte. Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom Ausbildungsgeschehen oder ist absichtsvoll bemüht, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Gleichwohl ist nichts dagegen einzuwenden, die Berufsgesetze durch geeignete Vorschriften zu ergänzenden Fortbildungen, Weiterbildungen und Studienabschlüssen (z.B. Pflegewissenschaften) mit mehr Zukunftsperspektiven zu versehen.

Auch die Hinweise zum Abbau der Bürokratie in der Pflege, z.B. Reduzierung der Dokumentationsarbeiten, hilft nicht weiter. Regierungen verkünden seit Jahrzehnten, endlich mit dem Bürokratieabbau beginnen zu wollen. Die diesbezüglichen Bemühungen haben aber letztlich immer zu einer weiteren Auftürmung von Vorschriften und Schreiberfordernissen geführt. Professionelle Pflege erfordert im Übrigen Planung und schriftliche Dokumentation. Sie ist aus vielerlei Gründen, z.B. vertraglichen bzw. haftungsrechtlichen Erwägungen, sogar unverzichtbar. Daher müssen im Rahmen der Stellenbemessung solche Dokumentationserfordernisse ausreichend Berücksichtigung finden.

Wer die Wertschätzung und Anerkennung für die Pflegekräfte auch nur ansatzweise ernst nimmt, muss jeder Kostensenkungsmentalität und vor allem Billiglöhnen in den Pflegesystemem eine Absage erteilen.

Die Pflegesysteme werden in der Zukunft erheblich mehr Finanzausstattung benötigen. Der Verweis auf die demografische Entwicklung mit einer drastischen Zunahme hilfe- und pflegebedürftiger Menschen dürfte als Begründung ausreichen. Zusätzliche Beitragslasten müssen allerdings nach Meinung von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk solidarisch finanziert werden.

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk

+++ Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei! +++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Rauel Kombüchen
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FDP löst keine Probleme, sondern schafft sie

Beitrag von Rauel Kombüchen » 10.12.2010, 09:58

Das Thema "FDP" wird sich bei der nächsten Wahl erledigen. Diese Partei ist nicht nur abgestürzt, sondern liegt in der sog. Wählergunst mittlerweile unter 5%. Der FDP-Gesundheitsminister scheint mir total überfordert. "Sprechblasen" helfen zur Sanierung der Sozialsysteme nicht weiter. Die von der FDP propagierte Individualvorsorge geht m.E. grundsätzlich in Ordnung. Aber hinsichtlich der menschenwürdigen Versorgung pflegebedürftiger Menschen darf es keine "Klassenunterschiede" geben. Und da sehe ich keine brauchbaren Lösungsansätze.
R.K.
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

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