i.m. Injektion vs oberer äußerer Quadrant

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

Vytah
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i.m. Injektion vs oberer äußerer Quadrant

Beitrag von Vytah » 01.10.2009, 19:34

i.m. Injektion vs oberer äußerer Quadrant

Im Internet und auch in Fachbüchern findet man oft die Aussage, die Injektion in den oberen äußeren Quadranten ist ein Kunstfehler, bzw. ist verboten. Injektionen i.m. sind nur noch nach von Hochstetter oder nach Sachtleben zulässig.
Gibt es eine gesicherte Quelle, in welcher dieser Sachverhalt so als richtig dargestellt wird, bzw. seit wann das tatsächlich so ist???

Rauel Kombüchen
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i.m. Injektion - richtige Durchführung - Regeln

Beitrag von Rauel Kombüchen » 02.10.2009, 07:25

Hallo,

in der Medizin und Pflege ist ein Handeln nach der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" (§§ 276, 278 BGB) zu gewährleisten. Das bedeudet ganz allgemein gesprochen, dass immer solche Methoden zur Anwendung gelangen müssen, die nach dem medizinisch-pflegerischen Standard geboten und richtig sind. Insoweit kann auf die überwiegende Lehrmeinung, auf das, was in Universitäten und sonstigen Bildungseinrichtungen gelehrt und praktiziert wird, zurückgegriffen werden. Es gibt auch zahlreiche Leitlinien der jeweiligen Verbände, die Vorgaben für sorgfältiges Handeln liefern. Gleichwohl müssen immer die Gegebenheiten im Einzelfall gebührend Berücksichtigung finden.
Konkret kann man sich "vor Ort" immer an die verantwortlichen Vorgesetzten wenden und mit ihnen die gewünschten Abklärungen vornehmen. Ergänzend kann auf allgemeine Darstellungen in Lehrbüchern und andere Veröffentlichungen zurückgegriffen werden; Siehe z.B.
http://www.medizin.uni-koeln.de/dekanat ... ektion.pdf
http://www.pflegewiki.de/wiki/Intramusk ... _Injektion
http://www.buchhandel.de/detailansicht. ... 965-1047-2

MFG Rauel
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Vytah
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Beitrag von Vytah » 02.10.2009, 12:08

Danke für die Antwort, aber diese "Links" und die geschilderte Sachlage sind mir bekannt. Folgender Fall: Eine verantwortunsbewusste Krankenschwester arbeitet als Arzthelferin und wird dort von der Erstkraft (ebenfalls Azthelferin) in i.m. Injektionen eingewiesen (entgegen der überwiegende Lehrmeinung eben in den oberen äußeren Quadranten - im stehen), ist natürlich verunsichert, wenn Sie jetzt der Chefin (welche dieses so hinnimmt) mitteilen möchte nur noch nach von Hochstetter zu injizieren - für Liegen aber kein Platz ist. Meine Frage bezieht sich auf ein Schriftstück (wenn es das gibt), in welchem steht, das in Universitäten und sonstigen Bildungseinrichtungen, i.m. Injektionen z.B. ab/seit 19?? nur noch nach von Hochstetter oder nach Sachtleben durchgeführt werden und Injektionen in den oberen äußeren Quadranten Kunstfehler sind. Das ist nach wie vor unklar. Ist das tatsächlich so?

Rauel Kombüchen
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Wer handelt, der haftet

Beitrag von Rauel Kombüchen » 02.10.2009, 17:17

Hallo,

jeder ist für sein Handeln selbst verantwortlich ("Wer handelt, der haftet"). Daher muss sich eine Pflegekraft / Helferin immer dann, wenn sie nach ihrer Kenntnis- und Erfahrungslage etwas Unrichtiges tun soll, zurücknehmen bzw. die konkrete Tätigkeit verweigern. Wenn es nur Unsicherheiten gibt, muss man sich auch zu Wort melden und ggf. durch den Vorgesetzten, Praxisinhaber, die Abklärung, richtig oder falsch, herbeiführen (= Remonstrationspflicht). Ggf. muss man sich auch schriftlich melden (= Beweissicherung). Wenn jemand dann anhaltend der Meinung ist, man dürfe so nicht verfahren, muss man sich endgültig zurücknehmen. Das kann eine streitige Situation ergeben, die man aber aushalten muss.
Den gesuchten Schriftsatz kenne ich leider nicht. Aber es gibt informative Bücher zum Thema, z.B.
Hildebrand: Injektionen, Infusionen, Blutentnahmen. Jungjohann Pflege
Humbert: Injektionen und Blutentnahmen. Kohlhammer.

MFG Rauel
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Gaby Modig
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Beitrag von Gaby Modig » 02.10.2009, 17:35

Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

Vytah
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Beitrag von Vytah » 02.10.2009, 17:44

Die Frage ist immer noch offen. Es geht nicht darum eigenes Tun zu verantworten oder vor der Chefin zu intervenieren. Natürlich sind mir auch die Bücher, von Hochstetter: Die intramuskuläre Injektion - Methoden, Schäden und deren Vermeidung; Schell: Injektionsproblematik aus rechtlicher Sicht, bekannt. Im letzgenannten auf den Seiten 122/123 geschilderten Fall geht es genau darum und schließt mit dem Hinweis: "Spritzenschäden: Der Gesetzgeber lässt auf eine Regelung warten." (Pflegzeitschrift, Heft 1/98, S. 38ff) Also noch einmal. Ist eine i.m. Injektion in den oberen rechten Quadranten ein Kunstfehler? Gibt es inzwischen festgeschriebene Regelungen?

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I.m. Injektionen - keine gesetzesähnliche Regelung

Beitrag von KPHNeuss » 02.10.2009, 18:02

Es gibt hinsichtlich der Fragestellung keine gesetzesähnliche Regelung. Ob etwas korrekt ist oder nicht, muss u.U. nach den Sorgfaltserwägungen, evtl. auch unter Berücksichtigung der Einzelumstände, beurteilt werden.
Wenn es in einer Praxis Meinungsunterschiede über das richtige Vorgehen gibt, muss die ärztliche Chefin "Farbe bekennen", sich ggf. auch weiter informieren, und eine Entscheidung treffen. Sie darf sich nicht wegducken. Nur so ist weiterzukommen. Leider bleiben manche Vorgehensweisen solchen Einzelentscheidungen vorbehalten.
MfG KPH Neuss
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

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Beitrag von Vytah » 02.10.2009, 20:40

Erstmal zur Klarstellung. Es geht nicht um mich oder meine Chefin. Ich bin "nur" Patient und kann natürlich auch eine i.m. Injektion in den oberen äußeren Qudranten ablehnen oder auf eine Injektion nach von Hochstetter bestehen. Bleibt weiterhin die Frage Kunstfehler oder doch zulässig? Behauptung oder wahr?
http://www.kreawi-online.de/fileadmin/p ... ulaere.pdf
Ich gehe davon aus, dass Arzte und Krankenschwestern an Universitäten und Pflegeschulen nur noch nach von Hochstetter oder nach Sachtleben ausgebildet werden. Aber auf welcher Grundlage? Wann, bzw. ist überhaupt festgelegt worden, das eine i.m. Injektion in den oberen äußeren Qudranten nicht mehr ausgebildet wird, bzw. verboten ist diese auszubilden?

thorstein
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Beitrag von thorstein » 03.10.2009, 01:19

Es ist ja tatsächlich eine interessante Frage, wann in der Medizin bestimmte Behandlungsmethoden als überholt gelten dürfen? Gibt es da eine Übergangszeit? Wer definiert den aktuellen "Stand der Künste"?

Die Quadrantenmethode wird gelegentlich heute noch empfohlen, z.B. bei stark Übergewichtigen. Aufgrund welcher Erkenntnisse sie aber aus den Lehrbüchern verschwunden ist, bleibt unklar. Wahrscheinlich sind die wissenschaftlichen Quellen zu fachspezifisch und nicht ohne weiteres zugänglich. Es bleibt zu hoffen, dass es einfach verlässliche Untersuchungen gab, die eine deutlich höhere Komplikationsrate bei dieser Methode feststellten.

Rauel Kombüchen
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Sorgfaltsmaßstab - u.U. schwierig zu erkunden

Beitrag von Rauel Kombüchen » 03.10.2009, 06:52

thorstein hat geschrieben:Es ist ja tatsächlich eine interessante Frage, wann in der Medizin bestimmte Behandlungsmethoden als überholt gelten dürfen? Gibt es da eine Übergangszeit? Wer definiert den aktuellen "Stand der Künste"? ....

Guten Morgen allerseits!

Ich schrieb u.a.:

" ...in der Medizin und Pflege ist ein Handeln nach der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" (§§ 276, 278 BGB) zu gewährleisten. Das bedeudet ganz allgemein gesprochen, dass immer solche Methoden zur Anwendung gelangen müssen, die nach dem medizinisch-pflegerischen Standard geboten und richtig sind. Insoweit kann auf die überwiegende Lehrmeinung, auf das, was in Universitäten und sonstigen Bildungseinrichtungen gelehrt und praktiziert wird, zurückgegriffen werden. Es gibt auch zahlreiche Leitlinien der jeweiligen Verbände, die Vorgaben für sorgfältiges Handeln liefern. Gleichwohl müssen immer die Gegebenheiten im Einzelfall gebührend Berücksichtigung finden. ...."

Man muss sich im Zweifel also mit den aktuellen Lehrmeinungen befassen, um dann ggf. feststellen zu können, dass ein bestimmtes Verfahren / eine Methode nicht mehr ausreichend dem Sorgfaltsmaßstab entspricht, weil sich die "Lehrmeinung" geändert hat. Oft ist das ein langwieriger Prozeß. Manchmal werden solche Fragestellungen auch bei Schadensersatzprozessen erörtert.

Um nochmals auf die konkrete Praxissituation zurückzukommen: Die Arzthelferin, die hinsichtlich der richtigen Vorgehensweise sehr verunsichert ist, muss sich diesbezüglich an die "Chefin" wenden, um dort eine klare Handlungsanweisung geben zu lassen. M.E. kann der konkrete Fall nur so gelöst werden.

MfG Rauel
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Beitrag von Vytah » 03.10.2009, 11:54

Ja, Ja, jeder weiss ein bißchen, niemand weiss genaues.
http://www.krankenschwester.de/forum/fa ... ode-4.html
Ich schrieb, ich bin Patient. Also muss ich davon ausgehen, dass wenn mir ein Arzt oder eine Krankenschwester, deren Ausbildung bereits 25 Jahre zurückliegt, eine i.m. Injektion in den oberen äußeren Quadranten gibt, das halt so ist. Der normale Patient kennt ja nicht einmal die medizinisch-pflegerischen Standards. Wenn manchmal solche Fragestellungen auch bei Schadensersatzprozessen erörtert werden (rein zufällig), wo gibt es ein aktuelles Urteil, welches aussagt, das i.m. Injektion in den oberen äußeren Quadranten ein Kunstfehler ist.
Welche der zahlreiche Leitlinien der jeweiligen Verbände, die Vorgaben für sorgfältiges Handeln liefern, besagt denn, das eine i.m. Injektion in den oberen äußeren Quadranten nicht mehr zulässig ist? Wann wurden ältere Ärzte und Krankenschwestern darauf aufmerksam gemacht das sie sich weiterbilden müssen, weil das altgelernte nicht mehr der erforderlichen Sorgfalt (§§ 276, 278 BGB) entspricht? Scheinbar niemand - siehe eingefügten Link.

Rauel Kombüchen
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ständige Fortbildung ....

Beitrag von Rauel Kombüchen » 03.10.2009, 13:02

Hallo,
sorgfaltsorientes Arbeiten erfordert eine ständige Fortbildung. Daher ist jeder Gesundheitsberufler gut beraten, sich immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen. Wer das nicht tut, nichts hinterfragt, handelt u.U. vorwerfbar fahrlässig (zivil- bzw. strafrechtlich).
Es ist und bleibt wahrscheinlich auch so, dass manche Fragestellungen nicht exakt beantwortet werden können. Dann ist man gut beraten, sich optimal abzusichern.
Also, wie hier beschrieben: Vorgesetzte ärztliche Chefin einbinden und nach dem richtigen Handeln befragen, Weisung einholen. Patienten sind in der Regel Laien und können nicht wirklich mitreden.
MfG Rauel
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Lutz Barth
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Es gibt halt keine einfachen Lösungen!

Beitrag von Lutz Barth » 03.10.2009, 18:31

Mit Interesse verfolge ich die einzelnen Beiträge zum aufgeworfenen Problem und möchte zunächst hier zu bedenken geben, dass es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers ist, jeden einzelnen nur erdenklichen Fall zu regeln. Insofern ist der Hinweis auf die lege artis Behandlung v. R. Kombüchen (auch mit Blick auf die Fortbildungsverpflichtung gerade im Bereich der Arzneimitteltherapie) richtig, aber letztlich auch ausreichend, zumal in Kenntnis des Umstandes des Grundsatzes der sog. Therapiefreiheit (zumindest eine solche der Ärzteschaft).

Probleme mit den technischen Applikationsmethoden waren bereits mehrfach Gegenstand von Klagverfahren (hier insbesondere bei Schädigung des Ischianervs). Insofern weisen wohl zu Recht die gängigen Lehrbücher darauf hin, dass die "Quadrantenmethode" besonders komplikationsträchtig ist. In diesem Sinne erschließt sich für den Arzt die Verpflichtung, ggf. ein bekanntes riskoärmeres Verfahren anzuwenden, sofern sich aus der allgemein zugänglichen Literatur, ggf. auch Rechtsprechung, ein solches Verfahren bekannt ist. Dies dürfte vorliegend ohne weiteres anzunehmen sein, so bei Nichtvorliegen hinreichender Gründe es angeraten ist, auf riskoärmere Applikationsmethoden und Lokalisation des Injektionsorts "auszuweichen", mag auch dem Arzt therapeutische Spielräume zugebilligt werden.

Die ärztlichen und pflegerisch-therapeutischen Primärpflichten ergeben sich nicht (!) aus einem in sich geschlossenen "Rechtsgebiet", sondern werden vielfach flankierend durch die Rechtsprechung neben (ggf. auch über) den intraprofessionellen medizinischen Standards entwickelt und vorgeben - freilich mit der Besonderheit, dass gerade in Anbetracht der Forschung und Entwicklung eben diese Standards dynamische Element beeinhalten. In diesem Sinne war der Gesetzgeber auch gut beraten, mit Blick auf die Sorgfaltspflichten (also lege artis Behandlung) diese ganz allgemein zu umschreiben und nicht mit einem "Katalog" zu versehen, wobei es nach diesseitiger Auffassung stets der Transformation intraprofessioneller Standards in die betreffende Rechtsnorm bedarf, um Verbindlichkeit zu erlangen (hier besteht allerdings nach wie vor Streit unter den Juristen und Mediziner).

Darauf kommt es aber nicht letztlich nicht an, da insoweit immer der individuelle Einzelfall maßgeblich ist und hier im Zweifel ein Sachverständiger eingebunden werden muss.

Aus einer Vielzahl von Arzthaftungsurteilen verdichten sich die Primärpflichten der Therapeuten zu einem Gerüst, dass ggf. in Anbetracht neuerer Erkenntnisse zu modifizieren ist, so dass im Zweifel auch der Grundsatz der Therapiefreiheit dadurch eine Grenzziehung erfährt, in dem einzelne Applikationsmethoden resp. die Auswahl eines bestimmten lokalen Injektionsortes nach einer bestimmten Methode als Behandlungsfehler zu qualifizieren wären, zumal sich Alternativen anbieten.

Gruß
L. Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

thorstein
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Beitrag von thorstein » 03.10.2009, 19:24

Sehe geehrter Herr Barth,

das haben sie schön erklärt. Sicherlich eine gute Argumentation für unser überteuertes und gleichzeitig ineffizientes Gesundheitssystem, um es mehr als vorsichtig auszudrücken.
Hier geht es aber um eine konkrete Frage, und ich finde kein für Laien zugängliches Urteil dazu, nur ständig die Hinweise, dass es eben schon mehrere Fälle gab. Können sie da nicht weiterhelfen?

Grüße

Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 04.10.2009, 08:39

Folgende Literatur- und Rechtsprechungshinweise tragen zur Klärung des komplexen Problems der Bildung eines medizinischen Standards bei. Da das Arzthaftungsrecht ganz maßgeblich durch die Judikatur geprägt ist, muss aus den vielfältigen Urteilen ggf. die Antwort auf eine konkrete Frage (auch bei einem ganz konkreten Einzelfall) „erschlossen“ werden.

Medizinischer Standard … >>> http://www.medizin.uni-koeln.de/dgmr/pd ... ls-pdf.pdf <<<

Rechtsprechung:

z.B. OLG Köln, Urt. v. 19.01.94 (Az. 25 O 82/89): Quelle (RA Kotz) >>> http://www.ra-kotz.de/spritzenschaden.htm <<< (html)

Aufgrund dieser vorstehenden Quellen lässt sich nun vortrefflich weiter recherchieren; besonderes Augenmerk ist allerdings darauf zu legen, dass nicht jeder „Fehler“ zugleich zur Annahme eines „ärztlichen oder pflegerischen Behandlungsfehlers“ führt. Zugleich ergeben sich Schnittstellen zur Aufklärungspflicht“ des Arztes (z.B. mit Blick auf die Wahl seiner Therapie), so dass ein nicht erteilter Hinweis auf eine risikoärmere Therapie zum Behandlungsfehler führen kann.

Eine Recherche allein unter Google wird ergeben, dass in der Kombination der Suchbegriffe „Quadrantenmethode, Ischiasnerv, Arzthaftung, Injektionsschäden, glutäale Region, Spritzenlähmung, medizinischer Stand, Methodenwahl, i.m. Injektion“ eine Vielzahl von Literaturquellen anzeigt wird, in denen vornehmlich die einschlägigen Methoden favorisiert werden. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass die hier in Rede stehende Methode durchaus nicht mehr zum „Standard“ gezählt werden kann, mag auch im Einzelfall diese Methode anzeigt sein (z.B. aufgrund individueller Besonderheiten, die natürlich als solche festgestellt und dokumentiert werden sollten).

Im Übrigen darf nochmals auf den Hinweis v. Herrn Kombüchen hingewiesen werden, dass hier die Ärztin resp. der Arzt auch aus der Sicht der Mitarbeiter zu konsultieren ist.

Auch eine konkrete Frage erfordert in aller Regel differenzierte Antworten und zwar unabhängig davon, ob das Gesundheitssystem ineffizient oder überteuert ist.

Mit Blick auf die ärztliche und pflegerische Profession erscheint mir allerdings der Hinweis angebracht, dass es auch Sinn macht, sich zumindest um grundlegende Standards im „Recht“ im Allgemeinen und im Arzt- und Pflegerecht im Besonderen kundig zu machen; dies zu erwähnen, ist deshalb wichtig, weil gerade Vytah in einer Replik ein ganz entscheidendes Problem angesprochen hat: Recht aus der Perspektive eines Laien.

Der medizinische Standard kann, muss sich aber nicht unbedingt aus "Leitlinien" mit Blick auf den individuellen Einzelfall ergeben; auch der Hinweis darauf, ob jemand die Ärzte und ggf. das Assistenzpersonal auf eine Verpflichtung zur Fortbildung hingewiesen hat, ist bei der Generierung eines medizinischen Standards und seiner Anwendung durchaus von untergeordneter Bedeutung, da stets die lege artis Behandlung geschuldet ist.

Gruß L. Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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