Rechtswidrige Intensivbehandlung entgegen Patientenwillen
Moderator: WernerSchell
Rechtswidrige Intensivbehandlung entgegen Patientenwillen
Bundeszentralstelle Patientenverfügung
Wallstr. 65, 10179 Berlin
Tel.: 0049 - (0)30 - 613904 -11, Fax: -36
http://www.patientenverfuegung.de
Staatsanwaltschaft: Berliner Ärztekammer mitverantwortlich für rechtswidrige Intensivbehandlung entgegen Patientenwillen
Die Weigerung des Oberarztes Dr. K., eine begonnene künstliche Beatmung und Ernährung entgegen einer Patientenverfügung abzubrechen, ist als vorsätzliche Körperverletzung zu werten. Dies geht aus einer Sachentscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft hervor, die dem Humanistischen Verband Deutschlands vorliegt. Entscheidende Mitschuld trifft danach die Berliner Ärztekammer, die im § 16 ihrer Berufsordnung bis heute Patientenverfügungen in bestimmten Situationen für „unbeachtlich“ erklärt. Anzeige erstattet hatte die Witwe des auf einer Intensivstation der Charité in Berlin-Mitte verstorbenen Günter Marquardt.
Der nierenkranke Patient hatte in einer Patientenverfügung festgelegt, dass Dialyse, Beatmung sowie künstliche Ernährung nicht länger erlaubt sind. Als sich sein Zustand nach einem Eingriff zunehmend verschlechterte und ihr Mann bewusstlos blieb, legte die bevollmächtigte Ehefrau Monika Marquardt die Patientenverfügung vor. Sie erwartete, dass man ihn nun friedlich sterben lassen würde. Der verantwortliche Arzt Dr. K. weigerte sich jedoch, dem nachzukommen. „Mir wurde das Wort `Euthanasie´ an den Kopf geworden und der Hinweis, `man sei hier doch nicht in Holland´“, berichtet die Ehefrau. Es folgten jahrelange zermürbende zivilrechtliche Verfahren und Ermittlungen. Nun stellt die Staatsanwaltschaft Berlin in einer Entscheidung vom 20. September 2008 fest: Der Arzt sei „verpflichtet gewesen …das Sterben des Patienten zu ermöglichen.“ Allerdings werde auf eine Anklage verzichtet. Zur Entlastung führe der Umstand, so die Berliner Staatsanwaltschaft, dass die „seitens der Ärztekammer Berlin verabschiedete Berufsordnung diverse Unklarheiten“ schafft.
RA Dieter Graefe, der die Mandantin Marquardt vertritt, kommentiert: „Die Staatsanwaltschaft hat klargestellt, dass ein Arzt, wenn er einen Patienten gegen dessen Willen behandelt, eine Straftat begeht, nämlich gefährliche Körperverletzung. Dies gilt selbst dann, wenn der Patient nicht schwer krank wäre. Ärzte, welche demgegenüber die Berufsordnung der Berliner Ärztekammer umsetzen, verletzen dieses Patientenrecht.“ Dr. Horst Groschopp, Präsident des HVD, hält das für skandalös: „Die Behauptung von hochrangigen Vertretern der Ärzteschaft, es bedürfe keiner gesetzlichen Klarstellung zur Patientenverfügung, erscheint dadurch in neuem, sehr fragwürdigem Licht“.
Fallgeschichte mit verwendbarem Foto: http://hpd.de/node/531 Kontakt RA Dieter Graefe: 030 318675-43
Quelle: Mitteilung vom 2.12.2008
V.i.S.d.P.: Gita Neumann, Referentin für Lebenshilfe
Wallstr. 61-65 • 10179 Berlin
Tel. 030.61 39 04-19 • Fax 030.61 39 04-36
mail@patientenverfuegung.de
Siehe auch unter
http://hpd.de/node/5888
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Staatsanwaltschaft: Berliner Ärztekammer mitverantwortlich für rechtswidrige Intensivbehandlung entgegen Patientenwillen
Die Weigerung des Oberarztes Dr. K., eine begonnene künstliche Beatmung und Ernährung entgegen einer Patientenverfügung abzubrechen, ist als vorsätzliche Körperverletzung zu werten. Dies geht aus einer Sachentscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft hervor, die dem Humanistischen Verband Deutschlands vorliegt. Entscheidende Mitschuld trifft danach die Berliner Ärztekammer, die im § 16 ihrer Berufsordnung bis heute Patientenverfügungen in bestimmten Situationen für „unbeachtlich“ erklärt. Anzeige erstattet hatte die Witwe des auf einer Intensivstation der Charité in Berlin-Mitte verstorbenen Günter Marquardt.
Der nierenkranke Patient hatte in einer Patientenverfügung festgelegt, dass Dialyse, Beatmung sowie künstliche Ernährung nicht länger erlaubt sind. Als sich sein Zustand nach einem Eingriff zunehmend verschlechterte und ihr Mann bewusstlos blieb, legte die bevollmächtigte Ehefrau Monika Marquardt die Patientenverfügung vor. Sie erwartete, dass man ihn nun friedlich sterben lassen würde. Der verantwortliche Arzt Dr. K. weigerte sich jedoch, dem nachzukommen. „Mir wurde das Wort `Euthanasie´ an den Kopf geworden und der Hinweis, `man sei hier doch nicht in Holland´“, berichtet die Ehefrau. Es folgten jahrelange zermürbende zivilrechtliche Verfahren und Ermittlungen. Nun stellt die Staatsanwaltschaft Berlin in einer Entscheidung vom 20. September 2008 fest: Der Arzt sei „verpflichtet gewesen …das Sterben des Patienten zu ermöglichen.“ Allerdings werde auf eine Anklage verzichtet. Zur Entlastung führe der Umstand, so die Berliner Staatsanwaltschaft, dass die „seitens der Ärztekammer Berlin verabschiedete Berufsordnung diverse Unklarheiten“ schafft.
RA Dieter Graefe, der die Mandantin Marquardt vertritt, kommentiert: „Die Staatsanwaltschaft hat klargestellt, dass ein Arzt, wenn er einen Patienten gegen dessen Willen behandelt, eine Straftat begeht, nämlich gefährliche Körperverletzung. Dies gilt selbst dann, wenn der Patient nicht schwer krank wäre. Ärzte, welche demgegenüber die Berufsordnung der Berliner Ärztekammer umsetzen, verletzen dieses Patientenrecht.“ Dr. Horst Groschopp, Präsident des HVD, hält das für skandalös: „Die Behauptung von hochrangigen Vertretern der Ärzteschaft, es bedürfe keiner gesetzlichen Klarstellung zur Patientenverfügung, erscheint dadurch in neuem, sehr fragwürdigem Licht“.
Fallgeschichte mit verwendbarem Foto: http://hpd.de/node/531 Kontakt RA Dieter Graefe: 030 318675-43
Quelle: Mitteilung vom 2.12.2008
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Regelung in Berliner Ärzteordnung rechtswidrig!?
§ 16 Beistand für den Sterbenden der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin rechtswidrig (!?)
Die Ärztekammer Berlin hat im Vergleich zu den anderen Ärztekammern in ihrer ärztlichen Berufsordnung einen „Sonderweg“ eingeschlagen, der spätestens mit einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Berlin v. 20.09.08 zu „verlassen“ ist. Ich darf hier insoweit auf die Pressemittelung des HVD v. 02.12.08 Nr. 5888 inhaltlich Bezug nehmen.
Während alle anderen Kammerbezirke überwiegend den grammatikalischen Wortlaut der Musterberufsordnung der BÄK über die Regelung des Beistandes für den Sterbenden übernommen haben, hat sich sie Kammer in Berlin offensichtlich dazu veranlasst gesehen, einen weiteren Passus über den Umgang mit einer Patientenverfügung mit in die Berufsordnung aufzunehmen, der nachstehend wie folgt im Originaltext wiedergegeben wird:
§ 16 Beistand für den Sterbenden -Patientenverfügung (Patiententestament)
(1) Der Arzt darf – unter Vorrang des Willens des Patienten – auf lebensverlängernde Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Der Arzt darf das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen. Er darf weder sein eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl des Patienten stellen.
(2) Eine Patientenverfügung (Patiententestament) mit Selbstbestimmung im Vorfeld des Todes, die der Patient im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verfasst hat, ist für den Arzt verbindlich, es sei denn, es sind konkrete Anzeichen erkennbar, dass der Wille des Patienten sich geändert haben könnte. Soweit möglich, soll der Arzt Erklärungen von Bezugspersonen berücksichtigen.
Unbeachtlich sind Verfügungen und Erklärungen, die
- dem Arzt ein rechtswidriges Verhalten zumuten oder
- den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangen, obwohl der Zustand des Patienten nach allgemeiner Erfahrung eine Besserung im Sinne eines umweltbezogenen Lebens, die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und ein Wiedererstarken des Lebenswillen erwarten lässt.
Hier wäre sicherlich der Ärztekammer Berlin anzuraten gewesen, den Absatz 2 vorbehaltlos zu streichen, da in ihm beachtliche und kaum hinzunehmende Rechtsirrtümer offen zutage treten. Die Einstellungsverfügung der StA Berlin dokumentiert in aller Deutlichkeit einen „Verbotsirrtum“ des Berliner Arztes, der allerdings nicht entschuldbar war. Gleichwohl sah sich die StA veranlasst, dass Ermittlungsverfahren einzustellen, weil einerseits die Schuld als gering anzusehen sei und andererseits kein öffentliches Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung bestand.
Die StA Berlin hat bei ihrer Entscheidung allerdings dem beschuldigten Arzt zugute gehalten, dass die Ärztekammern es bisher unterlassen haben, die Ärzteschaft über die relevante und damit einschlägige Rechtslage aufzuklären. Besonders nachdenklich muss aber freilich stimmen, dass die StA Berlin völlig zu Recht darauf hinweist, dass etwa die ärztliche Berufsordnung in Berlin „diverse Unklarheiten“ für die Ärzte schafft. Dieser Hinweis der StA Berlin verdient vollen Respekt und es war insofern hohe Zeit, hierauf aufmerksam gemacht zu haben.
Es ist keine Frage: § 16 Abs.2 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin ist schlicht rechts- und verfassungswidrig, in dem er die Verfügungen und Erklärungen des Patienten für „unbeachtlich“ erklärt, wenn und soweit der Zustand des Patienten nach „allgemeiner Erfahrung eines Besserung im Sinne eines umweltbezogenen Lebens, die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und ein Wiedererstarken des Lebenswillen erwarten lässt.“
Die Ärztekammer Berlin ist dringend daran zu erinnern, dass einzig der Patient darüber entscheidet, ob er eine Behandlung wünscht oder diese entsprechend ablehnt. Die Ärztekammer Berlin kann und vor allem darf sich nicht über den Willen des Patienten hinwegsetzen und insofern ist es mehr als bedauerlich, dass mit einer ärztlichen Berufsordnung eklatante Rechtsirrtümer aufrechterhalten werden und die Berliner Ärzteschaft „an sich“ gehalten wären, sich an ihre Berufsordnung zu halten.
Was also bleibt?
Die Ärztekammer Berlin sollte schleunigst ihre ärztliche Berufsordnung abändern und ihre Kammermitglieder auf die aktuelle Rechtslage (die seit Jahrzehnten besteht!) hinweisen, um so einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Berliner Ärztinnen und Ärzte nicht mit dem Vorwurf eines „nicht entschuldbaren Verbotsirrtums“ konfrontiert werden. Ohne hier die Einstellungsverfügung der StA Berlin vom Ergebnis her bewerten zu wollen, erscheint mir doch die Begründung ein deutlicher Hinweis darauf zu sein, dass hier ganz konkret und aktuell ein Entscheidungs- und Handlungsbedarf angezeigt ist, zumal in der Zukunft wohl nicht damit gerechnet werden darf, dass rechtswidrige Körperverletzungen strafrechtlich nicht sanktioniert werden.
Lutz Barth, 05.12.08
Die Ärztekammer Berlin hat im Vergleich zu den anderen Ärztekammern in ihrer ärztlichen Berufsordnung einen „Sonderweg“ eingeschlagen, der spätestens mit einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Berlin v. 20.09.08 zu „verlassen“ ist. Ich darf hier insoweit auf die Pressemittelung des HVD v. 02.12.08 Nr. 5888 inhaltlich Bezug nehmen.
Während alle anderen Kammerbezirke überwiegend den grammatikalischen Wortlaut der Musterberufsordnung der BÄK über die Regelung des Beistandes für den Sterbenden übernommen haben, hat sich sie Kammer in Berlin offensichtlich dazu veranlasst gesehen, einen weiteren Passus über den Umgang mit einer Patientenverfügung mit in die Berufsordnung aufzunehmen, der nachstehend wie folgt im Originaltext wiedergegeben wird:
§ 16 Beistand für den Sterbenden -Patientenverfügung (Patiententestament)
(1) Der Arzt darf – unter Vorrang des Willens des Patienten – auf lebensverlängernde Maßnahmen nur verzichten und sich auf die Linderung der Beschwerden beschränken, wenn ein Hinausschieben des unvermeidbaren Todes für die sterbende Person lediglich eine unzumutbare Verlängerung des Leidens bedeuten würde. Der Arzt darf das Leben des Sterbenden nicht aktiv verkürzen. Er darf weder sein eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl des Patienten stellen.
(2) Eine Patientenverfügung (Patiententestament) mit Selbstbestimmung im Vorfeld des Todes, die der Patient im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte verfasst hat, ist für den Arzt verbindlich, es sei denn, es sind konkrete Anzeichen erkennbar, dass der Wille des Patienten sich geändert haben könnte. Soweit möglich, soll der Arzt Erklärungen von Bezugspersonen berücksichtigen.
Unbeachtlich sind Verfügungen und Erklärungen, die
- dem Arzt ein rechtswidriges Verhalten zumuten oder
- den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangen, obwohl der Zustand des Patienten nach allgemeiner Erfahrung eine Besserung im Sinne eines umweltbezogenen Lebens, die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und ein Wiedererstarken des Lebenswillen erwarten lässt.
Hier wäre sicherlich der Ärztekammer Berlin anzuraten gewesen, den Absatz 2 vorbehaltlos zu streichen, da in ihm beachtliche und kaum hinzunehmende Rechtsirrtümer offen zutage treten. Die Einstellungsverfügung der StA Berlin dokumentiert in aller Deutlichkeit einen „Verbotsirrtum“ des Berliner Arztes, der allerdings nicht entschuldbar war. Gleichwohl sah sich die StA veranlasst, dass Ermittlungsverfahren einzustellen, weil einerseits die Schuld als gering anzusehen sei und andererseits kein öffentliches Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung bestand.
Die StA Berlin hat bei ihrer Entscheidung allerdings dem beschuldigten Arzt zugute gehalten, dass die Ärztekammern es bisher unterlassen haben, die Ärzteschaft über die relevante und damit einschlägige Rechtslage aufzuklären. Besonders nachdenklich muss aber freilich stimmen, dass die StA Berlin völlig zu Recht darauf hinweist, dass etwa die ärztliche Berufsordnung in Berlin „diverse Unklarheiten“ für die Ärzte schafft. Dieser Hinweis der StA Berlin verdient vollen Respekt und es war insofern hohe Zeit, hierauf aufmerksam gemacht zu haben.
Es ist keine Frage: § 16 Abs.2 der Berufsordnung der Ärztekammer Berlin ist schlicht rechts- und verfassungswidrig, in dem er die Verfügungen und Erklärungen des Patienten für „unbeachtlich“ erklärt, wenn und soweit der Zustand des Patienten nach „allgemeiner Erfahrung eines Besserung im Sinne eines umweltbezogenen Lebens, die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und ein Wiedererstarken des Lebenswillen erwarten lässt.“
Die Ärztekammer Berlin ist dringend daran zu erinnern, dass einzig der Patient darüber entscheidet, ob er eine Behandlung wünscht oder diese entsprechend ablehnt. Die Ärztekammer Berlin kann und vor allem darf sich nicht über den Willen des Patienten hinwegsetzen und insofern ist es mehr als bedauerlich, dass mit einer ärztlichen Berufsordnung eklatante Rechtsirrtümer aufrechterhalten werden und die Berliner Ärzteschaft „an sich“ gehalten wären, sich an ihre Berufsordnung zu halten.
Was also bleibt?
Die Ärztekammer Berlin sollte schleunigst ihre ärztliche Berufsordnung abändern und ihre Kammermitglieder auf die aktuelle Rechtslage (die seit Jahrzehnten besteht!) hinweisen, um so einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Berliner Ärztinnen und Ärzte nicht mit dem Vorwurf eines „nicht entschuldbaren Verbotsirrtums“ konfrontiert werden. Ohne hier die Einstellungsverfügung der StA Berlin vom Ergebnis her bewerten zu wollen, erscheint mir doch die Begründung ein deutlicher Hinweis darauf zu sein, dass hier ganz konkret und aktuell ein Entscheidungs- und Handlungsbedarf angezeigt ist, zumal in der Zukunft wohl nicht damit gerechnet werden darf, dass rechtswidrige Körperverletzungen strafrechtlich nicht sanktioniert werden.
Lutz Barth, 05.12.08
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!
Zuführung zur Dialyse bis zuletzt
Aus dem im hpd zitierten Schreiben des beschuldigten Dr. K. an die Staatsanwaltschaft geht hervor, dass sich alle Ärzte einig gewesen wären, dass der bewußtlose Patient ein Sterbender ist. Aber alle wären sich einig gewesen, dass auf die Intensivbehandlung einschließlich Dialyse nicht verzichtet werden "dürfe". - Man sei schließlich "nicht in Holland", habe sein Chef. Prof. ... gesagt.
Aus: Newsletter Patientenverfügung des Humanistischen Verbandes:
" ... Aus dem parallel gelaufenen Zivilrechtsprozess geht hervor, dass der bewusstlose und künstlich beatmete Patient Günter Marquardt sogar noch am Tag vor seinem Tod unter Protest seiner Ehefrau zwangsweise der Dialyse zugeführt wurde. "
Das ausführliche Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin (vom September 2008) wird unter Angabe Ihrer Fax-Nr., wenn Sie PV-Newsletter-Abonnent sind, gern zugänglich gemacht. "
Die Anfrage ist zu richten an: mail@patientenverfuegung.de oder Tel:
030 61390411
Berufsordnung der Berliner Ärztekammer mit dem in Frage stehenden § 16:
http://www.aerztekammer-berlin.de/35_Re ... erufsO.pdf
Aus: Newsletter Patientenverfügung des Humanistischen Verbandes:
" ... Aus dem parallel gelaufenen Zivilrechtsprozess geht hervor, dass der bewusstlose und künstlich beatmete Patient Günter Marquardt sogar noch am Tag vor seinem Tod unter Protest seiner Ehefrau zwangsweise der Dialyse zugeführt wurde. "
Das ausführliche Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin (vom September 2008) wird unter Angabe Ihrer Fax-Nr., wenn Sie PV-Newsletter-Abonnent sind, gern zugänglich gemacht. "
Die Anfrage ist zu richten an: mail@patientenverfuegung.de oder Tel:
030 61390411
Berufsordnung der Berliner Ärztekammer mit dem in Frage stehenden § 16:
http://www.aerztekammer-berlin.de/35_Re ... erufsO.pdf
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Patientenautonomie zu wenig geachtet
Bei der Beachtung des Patientenwillens gibt es überall in der Ärzteschaft - nicht nur in Berlin - offensichtlich großen Nachholbedarf. Ärzte erfahren in ihrem Studium kaum etwas über "Recht und Ordnung" und orientieren sich in der Praixs eher an den "älteren und erfahrenen" Kollegen ("Chefarztprinzip"). Der Patientenwille ist eher weniger von Belang. Es werden solche Maßnahmen durchgeführt, die Ärzte selbst für richtig erachten.
Patienten sind zum Teil selbst schuld, weil sie sich auch nicht genügend einbringen und ihren Willen nicht genügend deutlich machen.
Es ist bedrückend zu erfahren, dass Ärzte zu 60% meinen, ein Behandlungsabbruch, z.B. Beendigung der künstlichen Ernährung, sei rechtswidrig, auch wenn eine klare Patientenbekundung per Verfügung vorliegt.
Der "Berliner Fall" muss Veranlassung geben, dass Thema endlich überall zu diskutieren. Vielleicht bewegt sich dann innerhalb der Ärzteschaft doch etwas!
Rauel
Patienten sind zum Teil selbst schuld, weil sie sich auch nicht genügend einbringen und ihren Willen nicht genügend deutlich machen.
Es ist bedrückend zu erfahren, dass Ärzte zu 60% meinen, ein Behandlungsabbruch, z.B. Beendigung der künstlichen Ernährung, sei rechtswidrig, auch wenn eine klare Patientenbekundung per Verfügung vorliegt.
Der "Berliner Fall" muss Veranlassung geben, dass Thema endlich überall zu diskutieren. Vielleicht bewegt sich dann innerhalb der Ärzteschaft doch etwas!
Rauel
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!
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Problem: Ethische Grundausrichtung
Nun – ich denke, dass das Problem vielschichtiger ist, all allgemein hin angenommen. Sicherlich ist es beängstigend, dass ein Großteil der Ärzteschaft immer noch nicht eine klare Vorstellung darüber hat, wo die rechtliche Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Handeln resp. Unterlassen verläuft. Dies darf aber nicht verwundern, zumal wohl auch beängstigende „Wissenslücken“ etwa bei den Vormundschaftsrichtern festzustellen sind. Hier ist in der Tat ein Fortbildungsbedarf gegeben.
Unabhängig davon ist allerdings das weitaus größere Problem darin zu erblicken, dass tatsächlich ein Kampf über die Kultur des Sterbens und damit die Würde des Menschen entbrannt ist und hier in erster Linie die Moralisten und Ethiker die Debatte neu entfachen. Diese befinden sich auf einer Mission, die nahezu unerträglich ist. Leider gesellen sich hierzu auch Rechtswissenschaftler, von denen doch zuvörderst zu erwarten ist, dass diese zunächst sich an dem Verfassungsrecht orientieren. Davon sind wir aber bei einigen namhaften Juristen weit entfernt und dies gilt es, mit Nachdruck zu kritisieren. Das Patientenverfügungsgesetz muss her, damit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten entsprechende Geltung verschafft werden können. Diejenigen, die da behaupten, „wir sollten das mal lieber sein lassen mit dem Patientenverfügungsgesetz“, offenbaren erhebliche Schwächen über ihre Kenntnisse im Verfassungsrecht.
Auf den konkreten Fall bezogen besteht kein Zweifel daran, dass § 16 Abs. 2 der Berufsordnung der Berliner Ärztekammer schlicht verfassungswidrig ist. Konsequent zu Ende gedacht, sind immer dann Verfügungen des Patienten „unbeachtlich“, wenn es eine gute Prognose gibt. Eine Regelung, die schnellstens ersatzlos zu streichen ist.
Mfg.
Lutz Barth
Unabhängig davon ist allerdings das weitaus größere Problem darin zu erblicken, dass tatsächlich ein Kampf über die Kultur des Sterbens und damit die Würde des Menschen entbrannt ist und hier in erster Linie die Moralisten und Ethiker die Debatte neu entfachen. Diese befinden sich auf einer Mission, die nahezu unerträglich ist. Leider gesellen sich hierzu auch Rechtswissenschaftler, von denen doch zuvörderst zu erwarten ist, dass diese zunächst sich an dem Verfassungsrecht orientieren. Davon sind wir aber bei einigen namhaften Juristen weit entfernt und dies gilt es, mit Nachdruck zu kritisieren. Das Patientenverfügungsgesetz muss her, damit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten entsprechende Geltung verschafft werden können. Diejenigen, die da behaupten, „wir sollten das mal lieber sein lassen mit dem Patientenverfügungsgesetz“, offenbaren erhebliche Schwächen über ihre Kenntnisse im Verfassungsrecht.
Auf den konkreten Fall bezogen besteht kein Zweifel daran, dass § 16 Abs. 2 der Berufsordnung der Berliner Ärztekammer schlicht verfassungswidrig ist. Konsequent zu Ende gedacht, sind immer dann Verfügungen des Patienten „unbeachtlich“, wenn es eine gute Prognose gibt. Eine Regelung, die schnellstens ersatzlos zu streichen ist.
Mfg.
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!
Berliner ÄK: rechtswidrige Formulierung ist "unglücklic
Patientenwunsch befolgt: Totschlag; Patientenverfügung mißachtet: Körperverletzung - und was sagt die Ärztekammer?
08. Dezember 2008, faz.net:
Der Bundestag hat das Thema voraussichtlich für nächste Woche auf die Tagesordnung gesetzt, eine gesetzliche Regelung für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten steht in Aussicht; einige Politiker zweifeln noch daran, ob man in diesem Bereich der Behandlung am Lebensende wirklich als Gesetzgeber tätig werden muss, da führt die bundesdeutsche Justiz die Ärzteschaft, ihre Patienten und die Öffentlichkeit noch mal durch ein kleines Wechselbad der Strafverfolgungsmaßnahmen. In Magdeburg wird immer noch vor dem Landgericht wegen Totschlags gegen einen ehemaligen Chefarzt verhandelt, weil er auf Anweisung der Betreuerin eines Patienten und auf dessen mutmaßlichen Wunsch hin die lebenserhaltende maschinelle Beatmung abstellte.
In Berlin ermittelte dagegen die Staatsanwaltschaft jahrelang gegen einen Krankenhaus-Oberarzt, der die maschinelle Beatmung eines Patienten auf der Intensivstation gerade nicht beendete - obwohl eine wirksame Patientenverfügung vorlag. Der Intensivmediziner qualifizierte das Abstellen der Beatmung aus seiner Sicht damals als "Mord."
Jetzt ist vom Anwalt, der die Ehefrau des Patienten vertreten hat, die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Berlin bekannt gemacht worden, mit der sie das Verfahren gegen den Arzt eingestellt hat: Nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung ohne Auflagen, wegen geringer Schuld und fehlenden öffentlichen Interesses. Das könnte ein schöner Anlass sein, darüber zu sinnieren, was "öffentliches Interesse" im strafrechtlichen Sinne meint. Der hier erwähnte Fall hatte zum Zeitpunkt der Tat immerhin einige Medien beschäftigt und es sogar ins Fernsehen gebracht, das Thema "Beachtung von Patientenverfügungen" wird seit Jahren intensiv und kontrovers debattiert - aber letzten Endes ist sich die Staatsanwaltschaft wohl Öffentlichkeit genug: Was sie interessiert, interessiert auch öffentlich und umgekehrt.
Überraschend ist immerhin, dass auch der Rechtsanwalt der Anzeigenden mit der Einstellung des Verfahrens zufrieden ist und behauptet, man habe das Ziel erreicht, zu zeigen, dass Patientenverfügungen beachtlich sind. Das stand nämlich eindeutig schon vorher fest und ist seitdem - wenngleich, wie sich zeigt, mit nicht gerade durchschlagendem Erfolg - oft genug wiederholt worden. Das verhaltene Interesse mag mit Besonderheiten des Falls zu erklären sein (es hatte auch bereits ein zivilgerichtliches Verfahren gegeben und die Tat liegt Jahre zurück.
Irritierend an dem Berliner Verfahren ist noch eines: Die Staatsanwaltschaft erklärt klar und deutlich, dass die Weiterbehandlung trotz entgegenstehender Patientenverfügung eine Körperverletzung darstelle, dass dem Beschuldigten aber das Verhalten der Berliner Ärztekammer zu gute zu halten sei: "Die seitens der Berliner Ärzteschaft verabschiedete Berufsordnung (schafft) diverse Unklarheiten in der Ärzteschaft." Das ist hübsch formuliert. In Paragraph 16 Absatz der zuletzt im September 2006 geänderten Berufsordnung heißt es über die grundsätzlich als wirksam qualifizierten Patientenverfügungen:
"Unbeachtlich sind Verfügungen und Erklärungen, die den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verlangen, obwohl der Zustand des Patienten nach allgemeiner Erfahrung eine Besserung im Sinne eines umweltbezogenen Lebens, die Wiederkehr der zwischenmenschlichen Kommunikation und ein Wiedererstarken des Lebenswillen erwarten lässt."
Auf meine Nachfrage hin teilt die Ärztekammer mit, dass die Formulierung "unbeachtlich" "unglücklich gewählt sei", man diskutiere das derzeit im Haus. Ein guter Tipp für schlechte Schüler: "3 + 7 = 11" solltet Ihr künftig als "unglücklich gewähltes" Ergebnis bezeichnen und es intern noch etwas weiter diskutieren, irgendwann wird schon noch "10" herauskommen.
In dem konkreten Fall hätte der Arzt wohl das Vormundschaftsgericht einschalten müssen (das hätte übrigens auch im Magdeburger Verfahren wahrscheinlich die Anklage verhindert). Die Berliner Ärztekammer dagegen kann jetzt ihre Berufsordnung ganz alleine zügig in eine rechtsverträgliche Form bringen. Denn wie auch immer das Verfahren des Abbruchs lebenserhaltender Behandlungen am Lebensende zukünftig genau geregelt werden wird und wie auch immer man die heutige Rechtslage in Einzelfragen bewertet: "Unbeachtlich" sind Verfügungen und Erklärungen des Patienten oder seines Betreuers für Ärzte grundsätzlich nie. Dass man auch in der Musterberufsordnung der Ärzteschaft zu diesem Thema keine klare Aussage findet (allerdings auch nichts falsches), ist dann, angesichts einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Thema, eines der Aha-Erlebnisse, auf die man auch gut hätte verzichten können.
Veröffentlicht 08. Dezember 2008, 22:07 von Oliver Tolmein
In: http://faz-community.faz.net/blogs/biop ... 228-t.aspx
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Das Statement überrascht nicht!
Nun - das Statement des Kollegen Tolmein in allen Ehren gehalten.
Aber mit Blick auf die unseligen Debatten über die Patientenautonomie muss das Urteil etwas "kritischer" ausfallen. Die Bestimmung in der Berliner Berufsordnung ist schlicht und ergreifend verfassungswidrig und da reicht es nicht zu, dass die Berliner Ärztekammer darüber zu "diskutieren" gedenkt.
Die Bestimmung in § 16 Abs. 2 ist ersatzlos zu streichen und es wird hier der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Ärztekammern insgesamt - allen voran die Funktionäre - sich ein wenig in der Debatte bescheiden. Es ist nahezu unerträglich, wenn gewichtige Rechtsfragen nicht nur durch Hobbyphilosophen, sondern auch durch "Hobbyjuristen" entschieden werden.
Es ist keine Frage: Das Patientenverfügungsgesetz muss her, damit die Ärzteschaft insgesamt eine Orientierung darüber bekommt, was im Zweifel mit einer patientenautonomen Entscheidung des Patienten verbunden ist. Der bedauerliche Fall in Berlin zeigt überdeutlich, dass insbesondere die Herren Hoppe und Montgomery von der BÄK einem beachtlichem Irrtum erlegen sind, wenn diese meinen, die "Rechtslage sei klar" und ein Patientenverfügungsgesetz sei eigentlich nicht notwendig.
Überdies zeigt der Fall deutlich: Das allgemein verbindliche Recht übernimmt nicht weithin das, was die Ärzte für sich als ethisch verpflichtend erachten.
Lutz Barth
Aber mit Blick auf die unseligen Debatten über die Patientenautonomie muss das Urteil etwas "kritischer" ausfallen. Die Bestimmung in der Berliner Berufsordnung ist schlicht und ergreifend verfassungswidrig und da reicht es nicht zu, dass die Berliner Ärztekammer darüber zu "diskutieren" gedenkt.
Die Bestimmung in § 16 Abs. 2 ist ersatzlos zu streichen und es wird hier der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Ärztekammern insgesamt - allen voran die Funktionäre - sich ein wenig in der Debatte bescheiden. Es ist nahezu unerträglich, wenn gewichtige Rechtsfragen nicht nur durch Hobbyphilosophen, sondern auch durch "Hobbyjuristen" entschieden werden.
Es ist keine Frage: Das Patientenverfügungsgesetz muss her, damit die Ärzteschaft insgesamt eine Orientierung darüber bekommt, was im Zweifel mit einer patientenautonomen Entscheidung des Patienten verbunden ist. Der bedauerliche Fall in Berlin zeigt überdeutlich, dass insbesondere die Herren Hoppe und Montgomery von der BÄK einem beachtlichem Irrtum erlegen sind, wenn diese meinen, die "Rechtslage sei klar" und ein Patientenverfügungsgesetz sei eigentlich nicht notwendig.
Überdies zeigt der Fall deutlich: Das allgemein verbindliche Recht übernimmt nicht weithin das, was die Ärzte für sich als ethisch verpflichtend erachten.
Lutz Barth
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Nachgefragt bei der Berliner Ärztekammer
Der Unterzeichnende hat heute die Möglichkeit genutzt, sich mit der Pressestelle der Ärztekammer Berlin über den mittlerweile in der Öffentlichkeit „hohe Wellen“ schlagenden Fall ins Benehmen zu setzen.
Das Gespräch verlief außerordentlich konstruktiv und ich halte es für ein Gebot der Redlichkeit, hierauf auch entsprechend hinzuweisen.
Auch wenn die diesseitige Rechtsposition in dem konkreten Fall unverrückbar ist und ich mich persönlich für eine nachhaltige Streitkultur in dieser Frage einsetze, wurde doch innerhalb des Gespräches klar, dass es der Ärztekammer Berlin seinerzeit darauf ankam, mit der Regelung in § 16 der Berliner Ärzteordnung die Bedeutung des patientenautonomen Willens in den Fokus der ärztlichen Betrachtung zu rücken. Hierfür dürfte in der Tat einiges sprechen, da immerhin die Ärztekammer Berlin eine Regelung in ihre Berufsordnung aufgenommen hat, die sich so jedenfalls in keiner der anderen Berufsordnungen – auch nicht in der Musterberufsordnung der BÄK – wieder findet.
Das nunmehr die Regelung des § 16 Abs. 2 der Berufsordnung für die Berliner Ärzte vom grammatikalischen Wortlaut her genau das Gegenteil bewirkt hat und dies so auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist hinreichender Anlass für die Ärztekammer Berlin, sich der Problematik erneut anzunehmen.
Ich denke, dass wir als Diskutanten in dem bedeutsamen Kulturkampf um die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten vielleicht auch ein stückweit Verständnis dafür aufbringen sollten, dass hier die Ärztekammer Berlin bemüht war, eine den Interessen aller Beteiligten berücksichtigende Regelung auf den Weg zu bringen.
Ich selbst will den „Stab“ als solchen nicht über das redliche Bemühen der Ärztekammer brechen, ohne hier aber an meiner unverrückbaren Rechtsposition festzuhalten.
Vielleicht sollte die Ärzteschaft insgesamt den weiteren Dialog mit den anderen Professionen suchen, um so ein stückweit mehr zur Rechtssicherheit ihrer Mitglieder beitragen zu können und hier scheint gerade der allseits geschätzte und renommierte Rechtswissenschaftler Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz eine der vornehmsten Adressen zu sein; dies auch insbesondere deshalb, weil er der stellvertretende Vorsitzende der bei der BÄK angesiedelten Zentralen Ethikkommission ist.
Ich gehe nach dem Gespräch mit der Pressestelle der Ärztekammer Berlin davon aus, dass das Problem erkannt wurde und hier sicherlich in absehbarer Zeit Abhilfe geschaffen wird. Die Motive der Ärztekammer Berlin nach mehr Rechtssicherheit waren und sind ohne Frage nachhaltig zu begrüßen, so dass ich der Ärztekammer ohne Häme wünsche, sich auf einen grammatikalischen Wortlaut zu verständigen, der ihrem Anliegen und den wohlverstandenen Interessen der den Ärzten anvertrauten Patienten auch tatsächlich gerecht wird.
Und - wir mögen auch aufrichtig sein: Eine juristische Regelung ist nun beileibe nicht einfach und erinnern wir uns auch selbstkritisch daran, dass nicht wenige Juristen selbst in der Frage der Absicherung der patientenautonomen Entscheidung am Lebensende durchaus die Orientierung verloren haben. Besinnen wir uns auf das, was gefordert ist: eine verfassungskonforme Regelung!
Lutz Barth, 10.12.08
Das Gespräch verlief außerordentlich konstruktiv und ich halte es für ein Gebot der Redlichkeit, hierauf auch entsprechend hinzuweisen.
Auch wenn die diesseitige Rechtsposition in dem konkreten Fall unverrückbar ist und ich mich persönlich für eine nachhaltige Streitkultur in dieser Frage einsetze, wurde doch innerhalb des Gespräches klar, dass es der Ärztekammer Berlin seinerzeit darauf ankam, mit der Regelung in § 16 der Berliner Ärzteordnung die Bedeutung des patientenautonomen Willens in den Fokus der ärztlichen Betrachtung zu rücken. Hierfür dürfte in der Tat einiges sprechen, da immerhin die Ärztekammer Berlin eine Regelung in ihre Berufsordnung aufgenommen hat, die sich so jedenfalls in keiner der anderen Berufsordnungen – auch nicht in der Musterberufsordnung der BÄK – wieder findet.
Das nunmehr die Regelung des § 16 Abs. 2 der Berufsordnung für die Berliner Ärzte vom grammatikalischen Wortlaut her genau das Gegenteil bewirkt hat und dies so auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist hinreichender Anlass für die Ärztekammer Berlin, sich der Problematik erneut anzunehmen.
Ich denke, dass wir als Diskutanten in dem bedeutsamen Kulturkampf um die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten vielleicht auch ein stückweit Verständnis dafür aufbringen sollten, dass hier die Ärztekammer Berlin bemüht war, eine den Interessen aller Beteiligten berücksichtigende Regelung auf den Weg zu bringen.
Ich selbst will den „Stab“ als solchen nicht über das redliche Bemühen der Ärztekammer brechen, ohne hier aber an meiner unverrückbaren Rechtsposition festzuhalten.
Vielleicht sollte die Ärzteschaft insgesamt den weiteren Dialog mit den anderen Professionen suchen, um so ein stückweit mehr zur Rechtssicherheit ihrer Mitglieder beitragen zu können und hier scheint gerade der allseits geschätzte und renommierte Rechtswissenschaftler Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz eine der vornehmsten Adressen zu sein; dies auch insbesondere deshalb, weil er der stellvertretende Vorsitzende der bei der BÄK angesiedelten Zentralen Ethikkommission ist.
Ich gehe nach dem Gespräch mit der Pressestelle der Ärztekammer Berlin davon aus, dass das Problem erkannt wurde und hier sicherlich in absehbarer Zeit Abhilfe geschaffen wird. Die Motive der Ärztekammer Berlin nach mehr Rechtssicherheit waren und sind ohne Frage nachhaltig zu begrüßen, so dass ich der Ärztekammer ohne Häme wünsche, sich auf einen grammatikalischen Wortlaut zu verständigen, der ihrem Anliegen und den wohlverstandenen Interessen der den Ärzten anvertrauten Patienten auch tatsächlich gerecht wird.
Und - wir mögen auch aufrichtig sein: Eine juristische Regelung ist nun beileibe nicht einfach und erinnern wir uns auch selbstkritisch daran, dass nicht wenige Juristen selbst in der Frage der Absicherung der patientenautonomen Entscheidung am Lebensende durchaus die Orientierung verloren haben. Besinnen wir uns auf das, was gefordert ist: eine verfassungskonforme Regelung!
Lutz Barth, 10.12.08
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!
"Grammatikasches" Problem? Inhaltlich genau hinsch
Nur weil Herr Barth ein konstruktives Gespräch mit der Berliner Ärztekammer geführt hat, sollte er sich nicht der Einschätzung anschließen, es handele sich hier um ein "grammatikalisches" Problem.
Richtig ist, dass die Kammer es - der umstritttene Passus mag 10 Jahre alt sein - damals gut gemeint hat. Doch es handelt sich um ein vielschichtiges inhaltliches Problem!
Denn parallel dazu stelllte die Berliner Ärztekammer Ende der neunziger Jahre ihren PV-Vordruck vor. Und der lautete sinngemäß genau spiegelverkehrt:
Wenn keine Aussicht auf mehr besteht auf Besserung im Sinne eines lebenswerten, umweltbezogenen Lebens, wünsche ich nicht, dass lebenserhaltende Maßnahmen begonnen oder weitergeführt werden und mein Sterben nur noch sinnlos verlängert wird.
Auch oder gerade ein Verfechter der verfasssungrechtlich verbürgten Patientenautonomie zeigt hier eine bemerkenswerte Schwäche, wenn es um Inhalte einer PV geht. Es gibt auch eine konkrete tragische Fallgeschichte zu einer PV der Berliner Ärztekammer.
Fallgeschichte:
Eine Oberärztin im Rentenalter mit eben dieser PV war in einen Zustand der dauerhaften Schwerstpflegebedürftigkeit gefallen. Sie war nicht mehr einwilligungsfähig, aber auch nicht bewußtlos, so dass ein Umweltbezug zumindest nicht auszuschließen war. Ohne Familie, wurde sie vor allem von ihrem früheren Chef weiterhin besucht. Als nun die Frage einer künstlichen Ernährung anstand, wurde die PV einem Ethikkommitee vorgelegt. Ergebnis: Die PEG-Sonde wurde gelegt, da die Bedingung für deren Verweigerung nicht hinreichend vorlag. Ihr Chef und weitere frühere Kollegen meinten hingegen, genau dies hätte die Betroffene für sich ausschließen wollen.
Die Berliner Ärztekammer hat 2005 ihren PV-Vordruck zurückgezogen und empfielt seitdem auf ihrer Homepage die Textbausteine zur PV des Bundesjustizministeriums. Ihre Vordrucke kursieren jedoch weiter als unzählige Kopien, v.a. in Brandenburg und Berlin - quasi mit dem Schein einer Autorisierung durch die Kammer.
Die Bundesärztekammer hat aus eben diesem Grund bewußt darauf verzichtet, eigene Vordrucke auszugeben - sie wären dazu angetan, ungeprüft übernommen zu werden. Dem kann man nur zustimmen.
Demgegenüber gibt die Hamburger Ärztekammer - im google-Ranking steht auf einem hohen Platz - einen eigenen Ansatz heraus, der nur scheinbar den Textbausteinen des BMJ entspricht (man sehe sich die enger gefasste Voraussetzung an, auf die es - s.o. in der Praxie eben ankommt).
Viel schlimmer jedoch, was die Nordrhein-Westphälische Ärztekammer als PV-Vordruck anbietet. Das ist ein Lebensschutzdokument, welches die sogenannte Christliche PV übertrifft. Viele dürften hier aber meinen, das wäre doch etwas Offizielles bzw. Neutrales von der Ärzteschaft und schauen im Detail nicht so genau (oder auch: gar nicht) hin.
Wie eben auch Herr Barth - und nicht nur er.
Diese Dimension wird in der Debatte um die Verbindlichkeit von PV bisher noch völlig vernachlässigt. Wenn jemand (und das ist ja die überwältigende Mehrheit) einen o. g. Text oder auch den der Christlichen PV unterschrieben hat, wie soll das gewertet werden: Dass er oder sie bewußt nur das Sterben bzw. ein mit Sicherheit irreversibles Wachkoma nicht verlängert sehen möchte? D. h. gerade bei allen anderen Zustände intensivmedizinische Maßnahmen auszuschöpfen sind? Oder dass gerade auch bei anderen, ähnlichen Zuständen (z. B. einer unheilbar dementiellen Erkrankung) im Prinzip auch keine künstliche Ernährung gewünscht wird?
Richtig ist, dass die Kammer es - der umstritttene Passus mag 10 Jahre alt sein - damals gut gemeint hat. Doch es handelt sich um ein vielschichtiges inhaltliches Problem!
Denn parallel dazu stelllte die Berliner Ärztekammer Ende der neunziger Jahre ihren PV-Vordruck vor. Und der lautete sinngemäß genau spiegelverkehrt:
Wenn keine Aussicht auf mehr besteht auf Besserung im Sinne eines lebenswerten, umweltbezogenen Lebens, wünsche ich nicht, dass lebenserhaltende Maßnahmen begonnen oder weitergeführt werden und mein Sterben nur noch sinnlos verlängert wird.
Auch oder gerade ein Verfechter der verfasssungrechtlich verbürgten Patientenautonomie zeigt hier eine bemerkenswerte Schwäche, wenn es um Inhalte einer PV geht. Es gibt auch eine konkrete tragische Fallgeschichte zu einer PV der Berliner Ärztekammer.
Fallgeschichte:
Eine Oberärztin im Rentenalter mit eben dieser PV war in einen Zustand der dauerhaften Schwerstpflegebedürftigkeit gefallen. Sie war nicht mehr einwilligungsfähig, aber auch nicht bewußtlos, so dass ein Umweltbezug zumindest nicht auszuschließen war. Ohne Familie, wurde sie vor allem von ihrem früheren Chef weiterhin besucht. Als nun die Frage einer künstlichen Ernährung anstand, wurde die PV einem Ethikkommitee vorgelegt. Ergebnis: Die PEG-Sonde wurde gelegt, da die Bedingung für deren Verweigerung nicht hinreichend vorlag. Ihr Chef und weitere frühere Kollegen meinten hingegen, genau dies hätte die Betroffene für sich ausschließen wollen.
Die Berliner Ärztekammer hat 2005 ihren PV-Vordruck zurückgezogen und empfielt seitdem auf ihrer Homepage die Textbausteine zur PV des Bundesjustizministeriums. Ihre Vordrucke kursieren jedoch weiter als unzählige Kopien, v.a. in Brandenburg und Berlin - quasi mit dem Schein einer Autorisierung durch die Kammer.
Die Bundesärztekammer hat aus eben diesem Grund bewußt darauf verzichtet, eigene Vordrucke auszugeben - sie wären dazu angetan, ungeprüft übernommen zu werden. Dem kann man nur zustimmen.
Demgegenüber gibt die Hamburger Ärztekammer - im google-Ranking steht auf einem hohen Platz - einen eigenen Ansatz heraus, der nur scheinbar den Textbausteinen des BMJ entspricht (man sehe sich die enger gefasste Voraussetzung an, auf die es - s.o. in der Praxie eben ankommt).
Viel schlimmer jedoch, was die Nordrhein-Westphälische Ärztekammer als PV-Vordruck anbietet. Das ist ein Lebensschutzdokument, welches die sogenannte Christliche PV übertrifft. Viele dürften hier aber meinen, das wäre doch etwas Offizielles bzw. Neutrales von der Ärzteschaft und schauen im Detail nicht so genau (oder auch: gar nicht) hin.
Wie eben auch Herr Barth - und nicht nur er.
Diese Dimension wird in der Debatte um die Verbindlichkeit von PV bisher noch völlig vernachlässigt. Wenn jemand (und das ist ja die überwältigende Mehrheit) einen o. g. Text oder auch den der Christlichen PV unterschrieben hat, wie soll das gewertet werden: Dass er oder sie bewußt nur das Sterben bzw. ein mit Sicherheit irreversibles Wachkoma nicht verlängert sehen möchte? D. h. gerade bei allen anderen Zustände intensivmedizinische Maßnahmen auszuschöpfen sind? Oder dass gerade auch bei anderen, ähnlichen Zuständen (z. B. einer unheilbar dementiellen Erkrankung) im Prinzip auch keine künstliche Ernährung gewünscht wird?
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Guten Abend, Valenta.
Ihre Einschätzung in allen Ehren gehalten, aber es geht mir hier einzig um das Problem des § 16 Abs. 2 der Berufsordnung für die Berliner Ärzte und nicht um eine Bewertung der von den einzelnen Kammern (oder sonstigen Institutionen und Vereinen) angebotenen Vordrucke zur Patientenverfügung.
Im Übrigen habe ich mit keiner Silbe betont, dass es sich hier um ein "grammatikalisches Problem" handelt. Vielmehr wird diesseits die entsprechende Bestimmung in der Berufsordnung für die Berliner Ärzteschaft für rechts- resp. verfassungswidrig gehalten, so dass hier dringend Abhilfe geboten ist.
Ungeachtet dessen halte ich es allerdings tatsächlich für ein Gebot der Redlichkeit, auch auf die Sichtweise der Kammer hinzuweisen, ohne dass ich mich allerdings meiner strikten Rechtsauffassung begeben hätte.
Mfg.
Lutz Barth
Ihre Einschätzung in allen Ehren gehalten, aber es geht mir hier einzig um das Problem des § 16 Abs. 2 der Berufsordnung für die Berliner Ärzte und nicht um eine Bewertung der von den einzelnen Kammern (oder sonstigen Institutionen und Vereinen) angebotenen Vordrucke zur Patientenverfügung.
Im Übrigen habe ich mit keiner Silbe betont, dass es sich hier um ein "grammatikalisches Problem" handelt. Vielmehr wird diesseits die entsprechende Bestimmung in der Berufsordnung für die Berliner Ärzteschaft für rechts- resp. verfassungswidrig gehalten, so dass hier dringend Abhilfe geboten ist.
Ungeachtet dessen halte ich es allerdings tatsächlich für ein Gebot der Redlichkeit, auch auf die Sichtweise der Kammer hinzuweisen, ohne dass ich mich allerdings meiner strikten Rechtsauffassung begeben hätte.
Mfg.
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!