Sozialwissenschaftler: "Dritte Lebensphase pflegt die vierte"
(Quelle: epd). Immer mehr Männer pflegen Umfragen zufolge ältere Angehörige. Während 1998 noch 20 Prozent der pflegenden Angehörigen Männer waren, waren es 2010 bereits 29 Prozent, sagte der Sozialwissenschaftler Ulrich Schneekloth von dem Münchener Institut TNS Infratest Sozialforschung am 4. Oktober in Frankfurt am Main. In ähnlicher Weise sei der Anteil der Erwerbstätigen unter den pflegenden Angehörigen gestiegen, sagte Schneekloth auf einer vom Verband der Ersatzkassen und der Fachhochschule Frankfurt ausgerichteten Fachtagung.
So seien vor zwei Jahren 29 Prozent der Pflegenden erwerbstätig gewesen, 1998 seien es lediglich 22 Prozent gewesen. Von den eingeschränkt Erwerbstätigen stieg der Anteil von zehn auf 19 Prozent. Angesichts des steigenden Alters der Pflegebedürftigen als auch der pflegenden Angehörigen gelte allerdings zunehmend: "Die dritte Lebensphase pflegt die vierte". Das Durchschnittsalter von pflegenden Angehörigen liege bei 58,6 Jahren, sagte Schneekloth. Relativ stabil ist nach den Angaben des Sozialwissenschaftlers der Lebensort der Pflegebedürftigen geblieben.
Wurden 1999 noch 72 Prozent zu Hause betreut, so war es 2009 mit 69 Prozent nur ein wenig geringerer Anteil. Die absolute Zahl der zu Hause betreuten Pflegebedürftigen stieg in diesen zehn Jahren von 1,44 Millionen auf 1,62 Millionen an. Schneekloth wies auf das große Engagement von Familienmitgliedern hin. Während sie im Durchschnitt fünf Stunden täglich Hilfe leisteten, decke die Unterstützung der Pflegeversicherung im Durchschnitt den Gegenwert von einer Stunde ab.
Nach Ansicht von Schneekloth sollte ein Pflegebedürftiger eine häusliche Pflege durch Familienangehörige kündigen können. Professionelle Lotsen und alternative Wohnformen müssten zur Verfügung stehen. Eine Form davon seien die ambulant betreuten Wohngruppen, wo alte Menschen in einer Wohngemeinschaft zusammenlebten, sagte Oliver Blatt, Leiter der Abteilung Gesundheit des Verbands der Ersatzkassen.
Problematisch ist allerdings die Entstehung von Intensivpflege-Wohngruppen. Dort würden Pflegebedürftige wie in einem "verkappten Mini-Pflegeheim" zusammengelegt. Dies sei nicht der Sinn einer Wohngruppe, die selbstbestimmtes Leben fördern solle, sagte Blatt. Die Qualität der Versorgung in diesen Wohngruppen sei schwer zu überprüfen. Die Motivation für die Angehörigen liege in der Bezahlung, weil Krankenkassen einen medizinischen Aufwand voll finanzierten, die Pflegekassen dagegen nur für einen Teil des Betreuungsaufwands aufkämen.
Quelle: Mitteilung vom 03.11.2012
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Anmerkung der Moderation:
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Dritte Lebensphase pflegt die vierte
Moderator: WernerSchell