Minutenpflege - Rösler will weg davon

Gesundheitswesen, Krankenhaus- und Heimwesen, Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Arzneimittel- und Lebensmittelwesen, Infektionsschutzrecht, Sozialrecht (z.B. Krankenversicherung, Pflegeversicherung) einschl. Sozialhilfe und private Versorgung

Moderator: WernerSchell

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thorstein
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Minutenpflege - Rösler will weg davon

Beitrag von thorstein » 23.10.2010, 16:43

Minutenpflege - Rösler will weg davon
http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... flege.html
Wir wollen den Begriff der Pflegebedürftigkeit ändern. Wir wollen weg von der Minutenpflege, die nicht unserem Menschenbild entspricht. Besser ist es, die Pflege danach auszurichten, welche Tätigkeiten der zu Pflegende noch selbst ausführen kann, also welchen Grad an Selbstständigkeit er hat. Daran soll sich dann künftig auch die Einstufung orientieren. Diese Stufen richten sich dann nicht mehr nach dem Pflegeaufwand, sondern nach den Fähigkeiten des Einzelnen
Wenn wir von der Minutenpflege sprechen, meinen wir die Akkordpflege, die Pflege im Minutentakt. Die Politik plant, die Einstufung nach Minutenwerten abzuschaffen. Das ist ein feiner, aber entscheidender Unterschied. Indem dann nicht mehr argumentiert werden kann, ein Pflegebedürftiger der Stufe 3 benötigt 240 min, ist der weiteren Personalreduzierung Tür und Tor geöffnet. Wie wird in einem Punktesystem der Personalbedarf berechnet?

Die Pflege lässt sich wieder einmal über den Tisch ziehen. Die Politik nutzt das Gejammer, um über die Hintertür die Rahmenbedingungen nach Belieben bzw. je nach Finanzlage verschlechtern zu können. Aus konkreten Minutenwerten werden abstrakte Punkte- so einfach. Und nicht wenige Pflegekräfte werden den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch noch als Fortschritt feiern.

Cicero
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Minutenpflege - Rösler will weg davon

Beitrag von Cicero » 24.10.2010, 08:38

thorstein hat geschrieben: Wenn wir von der Minutenpflege sprechen, meinen wir die Akkordpflege, die Pflege im Minutentakt. Die Politik plant, die Einstufung nach Minutenwerten abzuschaffen. Das ist ein feiner, aber entscheidender Unterschied. Indem dann nicht mehr argumentiert werden kann, ein Pflegebedürftiger der Stufe 3 benötigt 240 min, ist der weiteren Personalreduzierung Tür und Tor geöffnet. Wie wird in einem Punktesystem der Personalbedarf berechnet?
Die Pflege lässt sich wieder einmal über den Tisch ziehen. Die Politik nutzt das Gejammer, um über die Hintertür die Rahmenbedingungen nach Belieben bzw. je nach Finanzlage verschlechtern zu können. Aus konkreten Minutenwerten werden abstrakte Punkte- so einfach. Und nicht wenige Pflegekräfte werden den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch noch als Fortschritt feiern.
Ich stimme den Ausführungen gerne zu. Herr Rösler weiß offensichtlich nicht, wovon er redet. Die Neuordnung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes hat nur etwas damit zu tun, mit welcher Methodik der Kreis der anspruchsberechtigten Menschen bestimmt wird. Leistungsansprüche werden aber nicht mit dem Pflegebedürftigkeitsbegriff umrissen. Dazu gibt es vielfältige andere Vorschriften im SGB XI. Genau diese leistungsrechtlichen Vorschriften bedürfen einer Änderung, Ausweitung. Denn nur dann kommen wir von der sog. Minutenpflege weg. Mehr Personal aufgrund entsprechender Berechnungsmethoden ... Das alles wird ja hier seit längerer Zeit diskutiert und erläutert. Herr Rösler sollte sich besser informieren!

Cicero

Ähnliches unter
viewtopic.php?p=55510#55510
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johannes
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Philip Rösler will weg von der Minutenpflege

Beitrag von johannes » 24.10.2010, 13:18

Zuerst werden die von den Kostenträgern genehmigten Pflegezeiten in jeder Pflegestufe, für die auch Personalkosten genehmigt wurden aufgeführt

Pflegestufe 0 = 25 min./Tag = 0,117 Planstellen
Pflegestufe 1 = 56 min./Tag = 0,32 Planstellen
Pflegestufe 2 = 119 min./Tag = 0,45 Planstellen
Pflegestufe 3 = 156 min./Tag = 0,61 Planstellen


Auf Grund der Aufzeichnungen real erbrachter Pflegeleistungen mit Anfangs- und Abschlußuhrzeit jeder Pflegemaßnahme ergibt sich eine durchschnittliche Pflegezeit ( aus ca. 60.000 Einzelnachweisen im Jahr 2008 ) pro Bewohner von

Pflegestufe 0 = 107,4 min./Tag 0,503 Planstellen
Pflegestufe 1 = 89,4 min./Tag = 0,511 Planstellen
Pflegestufe 2 = 237,6 min./Tag = 0,898 Planstellen
Pflegestufe 3 = 239,4 min./Tag= 0,936 Planstellen.

Hierbei ist natürlich der pflegerische Aufwand auch für dementiell Erkrankte berücksichtigt.

Gehen wir der Einfachheit halber von einem Haus mit 100 Pflegeplätzen aus, in dem

10 % Pflegebedürftige in Stufe 0
40 % Pflegebedürftige in Stufe 1
40 % Pflegebedürftige in Stufe 2
10 % Pflegebedürftige in Stufe 3

eingestuft wurden ergibt das eine Gesamtpersonalausstattung von (in Klammern bisher genehmigte Planstellen)

0 Planstellen 5,03 (1,17)
1 Planstellen 20,44 (12,8 )
2 Planstellen 35,92 (18 )
3 Planstellen 9,36 (6,10)

Die gesamten Planstellen würden somit 70,75 reale Planstellen gegenüber 38,07 genehmigten Planstellen ergeben.

Unter diesen Bedingungen dürften auch Pflegekräfte bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Minister Rösler das wirklich will!
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WernerSchell
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Pflegereform an "Haupt und Gliedern" notwendig

Beitrag von WernerSchell » 24.10.2010, 16:51

Siehe auch die Beiträge im Forum unter
viewtopic.php?t=14538
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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WernerSchell
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Pflegereform - wir alle sind gefordert

Beitrag von WernerSchell » 24.10.2010, 17:06

Wir müssen alle ein Interesse daran haben, dass die pflegerischen Rahmenbedingungen stimmen und wir endlich weg kommen von der Minutenpflege (oder wie das auch sonst nennen mag). Natürlich sehe ich die Berufsverbände der Pflege in der Pflicht. Aber solange dort unzureichend agiert wird, müssen eben andere für eine "Mobilmachung" in Richtung Pflegereform an "Haupt und Gliedern" eintreten. Ich würde mir insoweit mehr MitstreiterInnen wünschen!
Quelle: viewtopic.php?p=55524#55524
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Pflegereform nur über mehr Pflegepersonal

Beitrag von Anja Jansen » 04.11.2010, 18:56

Es gibt immer mehr Berichte darüber, dass das BMG an einer wirklichen Pflegereform nicht interessiert ist. Offensichtlich ist überwiegend an einer Finanzreform, ähnlich wie beim Gesundheitssystem, gedacht.
Wenn es irgendwer in der Politik ernst meinen sollte mit einer Verbesserung der Pflegesituation, dann geht das nur über mehr Personal. Johannes hat ja dazu eindrucksvolle Zahlen vorgestellt. Solche und ähnliche Berechnungen müssen doch einleuchten, vorausgesetzt, man ist guten Willens etwas wirklich ändern zu wollen.

Das meint Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Cornelia Süstersell
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Pflegenotstand beseitigen - das A & O

Beitrag von Cornelia Süstersell » 22.11.2010, 08:05

Wenn Herr Rösler von der Minutenpflege weg will, muss er sich vor allem um mehr Pflegepersonal kümmern. Ich schätze - mit anderen - den Fehlbestand mit 20% ein. Solange wir dieses Problem nicht sehen und insoweit keine Lösungen finden, wird sich die Pflege nicht wirklich bessern lassen. Damit alles seriös belegt werden kann, müssen Personalbemessungssysteme geschaffen werden. Dann kann konkret gerechnet werden und die Erfordernisse werden deutlich.

Cornelia
Ich trete für eine menschenwürdige Pflege ein und halte für es zwingend, mehr Pflegepersonal einzustellen.

johannes
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Pflegenotstand bleibt - Geld wird sinnvoll verpulvert

Beitrag von johannes » 22.11.2010, 09:58

Personalbemessungssysteme gibt, bzw. gab es schon. Da diese alle zum gleichen Ergebnis kommen, werden sie von den Kostenträgern systematisch ignoriert. Da verpulvert man das kostbare Geld lieber in noch einen und noch einen Ausschuss und noch eine und noch eine Studie.
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Bajuware
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Personalbemessungssysteme müssen her

Beitrag von Bajuware » 27.11.2010, 09:00

Hi Johannes,
für die Krankenhäuser (psychiatrische ausgenommen) gibt es seit Mitte der 90er Jahre keine Personalbemessungssysteme mehr. Die Stellenausstattung erfolgt nach Kassenlage. Pflege bekommt die Personalmittel, die die Ärzte noch übrig lassen.
Für die Heimpflege gibt es unterschiedliche Stellenschlüssel. Diese Stellenschlüssel werden zwar weitgehend eingehalten, darüber wacht u.a. die Heimaufsicht, aber die Stellenvorgaben reichen hinten und vorne nicht. Die Stellenschlüssel decken nicht das ab, was eine menschenwürdige Pflege, die wir ja alle wollen, erfordert. Daher müssen die Stellenschlüssel deutlich verbessert werden, rd. 20% Stellen-Plus wäre schon ein Gewinn.
Minister Rösler hat also genug zu tun, wenn er denn wirklich etwas für die Pflege verändern will.
Es grüßt aus dem Süden
Bajuware
Die Rahmenbedingungen des Pflegesystems stimmen nicht (mehr)! Dies gilt es zu beklagen. Pflegebedürftige und Pflegepersonal leiden unter dem System. - Verantwortungsträger sind gefordert!

thorstein
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Stellenschlüssel von 1/2

Beitrag von thorstein » 27.11.2010, 18:43

Ich schätze - mit anderen - den Fehlbestand mit 20% ein.
Daher müssen die Stellenschlüssel deutlich verbessert werden, rd. 20% Stellen-Plus wäre schon ein Gewinn.
Mich würde wirklich brennend interessiern, wer diesen Unfug in die Welt gesetzt hat. Woher kommen diese 20%? Die Frage, die sich daran anschliessen muss, ist ja auch: 20% wovon? Es gibt ja keinen einheitlichen Personalschlüssel, d.h. jedes Bundesland wurschtelt da mit durchaus unterschiedlichen Zahlen. Also bitte nicht schätzen sondern das Hirn einschalten!!

Eine sinnvolle Forderung wäre zum Beispiel, bundesweit einen durchschnitllichen Personalschlüssel von 1/2 zu fordern. Das entspricht der Kampagne Nimm 2 von verdi. In den reicheren Bundesländern entspräche das dann vielleicht einer Erhöhung von 20%. Auch dann wäre aber zu überprüfen, weche Pflegequalität sich mit solch einem Schlüssel darstellen lässt. Ich habe dann immer noch meine Zweifel, ob es für die geforderte aktivierende und ressourcenorientierte Pflege reicht. An Personalbemessungssystemen, die eine solche Pflege nachweisbar sicherstellen würde, ginge also kein Weg vorbei.

conny24
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Stellenschlüssel mit Hirn neu festlegen

Beitrag von conny24 » 28.11.2010, 07:35

Hi,
ich las hier dieser Tage, dass die saarländische Pflegegesellschaft - bei aller Vorsicht - ein Stellenminus von rd. 18% errechnet hat (bezogen auf das heutige Stellensoll). Was ist unter solchen Berechnungen falsch daran, von rd. 20% zu sprechen. Die saarländische Pflegegesellschaft hat nach meinem Eindruck nämlich nicht einmal berücksichtigt, dass ein angemessener Zuschlag für gebotene und gewünschte Zuwendung zu machen wäre. Würde man solchen Vorstellungen entsprechen, käme man auf ein Stellenminus von weit über 20%. Dass diese Zahl eine Pauschalierung darstellt, ist jedem Menschen mit Hirn doch klar. Sie ist eine Argumentationsgrundlage, die im Zweifel durch konkrete Berechnungen, hier werden ja auch einheitliche Personalbemessungssysteme gefordert, zu untermauern wäre.
Bezüglich der Formulierung "Also bitte nicht schätzen sondern das Hirn einschalten!!" rate ich im Übrigen zu angemessener Ausdrucksweise. Wer gut argumentiert, hat doch solche Sprüche nicht nötig!
Grüße
Conny24
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss) tritt für menschenwürdige Pflege ein - jetzt und überall! - Näheres unter:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

Sabrina Merck
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Pflegenotstand jetzt und in der Zukunft

Beitrag von Sabrina Merck » 07.12.2010, 08:35

Pflegenotstand jetzt und in der Zukunft - Ausbildungsoffensive nötig

Hallo und guten Morgen,

seit Tagen gibt es zahlreiche Botschaften, die sich mit dem Pflegenotstand bzw. dem jetzigen und zukünftigen Pflegekräftemängel befassen. Dabei geht einiges durcheinander:

Festzuhalten ist, dass wir bereits aktuell einen gravierenden Pflegekräftemangel haben. In Krankenhäusern ist er - auch hier im Forum - gut belegt mit mindestens 50.000 Stellen anzugeben. In den Heimen gibt es unzureichende Stellenschlüssel, die eine klare Unterversorgung mit Pflegepersonal zur Folge haben.

Angesichts des demografischen Wandels wird der Bedarf an Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen deutlich zunehmen. Insoweit gibt es unterschiedliche Hochrechnungen. Eines dürfte aber klar sein: Bereits jetzt umfassende Ausbildungsstrategien nötig.

Zur Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland: Bei der Ausbildung und Einstellung sollten vorrangig deutsche Arbeitskräfte rekrutiert werden. Im Zweifel muss die Anwerbung geeigneter Kräfte mit deutlich besseren Vergütungen honoriert werden. Der Ruf nach ausländischen Fachkräften für die Pflege geht in die falsche Richtung. Denn Pflege erfordert Kommunikation. Und dazu gehört die deutsche Sprache. Vielleicht haben wir jetzt schon in der Pflege zuviele Personen, die nicht gut deutsch sprechen. Die große Zahl von Personen ohne ausreichende Sprachkompetenz zu vermehren, ist mehr als problematisch.
Es gibt also viel zu tun.

Texte dazu im Forum zahlreiche Beiträge, z.B. unter
viewtopic.php?t=15183
viewtopic.php?t=15182
viewtopic.php?t=14974
viewtopic.php?t=14538
viewtopic.php?t=14740
viewtopic.php?t=14949
viewtopic.php?t=15148
viewtopic.php?t=15111
viewtopic.php?t=14991
viewtopic.php?t=14950
viewtopic.php?t=15037
viewtopic.php?t=14976

Ich bitte alle Pflegekräfte und diejenigen, die sich an sonst für pflegerische Themen interessieren. Bitte informiert weiter. Es müssen jetzt die richtigen politischen Weichen gestellt werden. Wenn die Koalition in Berlin die nächsten Reformschritte halbherzig vornimmt, rennen wir pflegerisch in ein Dilemma!
...
Mit freundlichen Grüßen
Sabrina Merck
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

WernerSchell
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Pflege-Dialog ein Flop - Pflegenotstand und kein Ende

Beitrag von WernerSchell » 09.12.2010, 08:58

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk führt regelmäßig Pflegetreffs mit bundesweiter Ausrichtung durch.
Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk ist Kooperationspartner der „Aktion Saubere Hände.“


Pressemitteilung vom 09.12.2010

Pflegenotstand wurde beim Pflege-Dialog nicht angemessen diskutiert
Pflege-Dialog - Auftaktrunde am 07.12.2010 beim Bundesgesundheitsministerium eher ein Flop


Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sieht in dem am 07.12.2010 im Bundesgesundheitsministerium begonnenen Pflege-Dialog keinerlei Ansatzpunkte, die wirklichen Probleme in den Pflegesystemen zu hinterfragen und einer Lösung zuzuführen. Tatsache ist nämlich, dass es bereits seit geraumer Zeit eine völlig unzureichende Ausstattung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit Pflegepersonal gibt. Während man sich bei den Heimen noch auf (unzureichende) Stellenschlüssel beziehen kann, gibt es für die Krankenhäuser keinerlei Personalberechnungsvorschriften, schlicht nur eine Stellenausstattung nach Kassenlage. Und diese ist nachweislich dramatisch schlecht. Entsprechende Folgen liegen für die Patienten, Pflegebedürftigen und Pflegekräfte auf der Hand. U.a. gefährdet die mangelhafte Zuwendung Patienten und Pflegebedürftige, während die überlasteten Pflegekräfte nicht selten frühzeitig aus dem Beruf flüchten (müssen). Wer als Pflegekraft bleibt, steht unter immensem Arbeitsdruck und nimmt früher oder später gesundheitlichen Schaden.

Es wäre nach all dem vorrangig gewesen, darüber zu reden, wie man diesen seit Jahren beklagten Pflegenotstand aufhebt; z.B. durch Schaffung von bundesweit geltenden Personalbemessungssystemen, entsprechende Stellenausweitungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und Start einer Ausbildungs- und Einstellungsoffensive. Hinzu kommen müssen handfeste Bemühungen, die Pflegekräfte besser zu bezahlen. Nur so kann die vielfach angesprochene Wertschätzung und Anerkennung für die Pflege wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht werden.

Wer die Pflegekräfte in diesem Sinne gut behandelt, muss sich weder heute noch in den nächsten Jahren über einen Mangel an Pflegefachkräften beklagen. Auch der Ruf nach entsprechenden Fachkräften aus dem Ausland ist dann entbehrlich. Eine ausgeweitete Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland wäre auch aus Gründen der mangelnden Sprachkenntnisse problematisch. Denn gerade in der Pflege, vor allem der Pflege Demenzkranker, kommt es auf eine gute Kommunikation an. Und die ist bei Dienstkräften, die aus dem Ausland kommen, schon jetzt nicht immer gewährleistet. Es gibt bereits vielfältige Klagen darüber, dass in den Gesundheitssystemen zu wenig verständlich deutsch gesprochen wird.

Die beim Pflege-Dialog angesprochene Reform der Berufsgesetze in der Pflege erscheint wenig geeignet, irgendein Pflegenotstandsproblem aufzulösen. Der Pflegenotstand und all das, was damit zusammenhängt, hat mit den Berufsgesetzen absolut nichts zu tun. Es gibt keine Mängel in der Pflegeausbildung, denen in irgendeiner Form eine Mitverursachung des Pflegenotstandes zugedacht werden könnte. Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom Ausbildungsgeschehen oder ist absichtsvoll bemüht, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Gleichwohl ist nichts dagegen einzuwenden, die Berufsgesetze durch geeignete Vorschriften zu ergänzenden Fortbildungen, Weiterbildungen und Studienabschlüssen (z.B. Pflegewissenschaften) mit mehr Zukunftsperspektiven zu versehen.

Auch die Hinweise zum Abbau der Bürokratie in der Pflege, z.B. Reduzierung der Dokumentationsarbeiten, hilft nicht weiter. Regierungen verkünden seit Jahrzehnten, endlich mit dem Bürokratieabbau beginnen zu wollen. Die diesbezüglichen Bemühungen haben aber letztlich immer zu einer weiteren Auftürmung von Vorschriften und Schreiberfordernissen geführt. Professionelle Pflege erfordert im Übrigen Planung und schriftliche Dokumentation. Sie ist aus vielerlei Gründen, z.B. vertraglichen bzw. haftungsrechtlichen Erwägungen, sogar unverzichtbar. Daher müssen im Rahmen der Stellenbemessung solche Dokumentationserfordernisse ausreichend Berücksichtigung finden.

Wer die Wertschätzung und Anerkennung für die Pflegekräfte auch nur ansatzweise ernst nimmt, muss jeder Kostensenkungsmentalität und vor allem Billiglöhnen in den Pflegesystemem eine Absage erteilen.

Die Pflegesysteme werden in der Zukunft erheblich mehr Finanzausstattung benötigen. Der Verweis auf die demografische Entwicklung mit einer drastischen Zunahme hilfe- und pflegebedürftiger Menschen dürfte als Begründung ausreichen. Zusätzliche Beitragslasten müssen allerdings nach Meinung von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk solidarisch finanziert werden.

Werner Schell - Dozent für Pflegerecht und Vorstand von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk

+++ Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei! +++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Presse
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Registriert: 10.11.2006, 12:44

Rösler verspricht bessere Bedingungen fuer Pflege

Beitrag von Presse » 13.12.2010, 07:50

Roesler verspricht bessere Bedingungen fuer Pflege
Von Cordula Eubel
Zehntausende fehlende Pflegekraefte und immer mehr Beduerftige - bei der Pflege klafft in Deutschland eine wachsende Luecke. Die Branche fordert von Minister Roesler ein energisches Eingreifen. Roesler verspricht Verbesserungen.
TAGESSPIEGEL 07.12.10
http://www.tagesspiegel.de/politik/roes ... 91668.html

Bettina Olbing
Full Member
Beiträge: 124
Registriert: 14.11.2005, 09:13

Rösler verspricht bessere Bedingungen fuer Pflege

Beitrag von Bettina Olbing » 13.12.2010, 11:44

Presse hat geschrieben: .... Roesler verspricht bessere Bedingungen fuer Pflege
Hallo,
ich fürchte, dass die von Rösler versprochenen Verbesserungen Ankündigungen bleiben. Denn, was bis jetzt an konkreten Korrekturen im Pflegesystem vorgesehen ist, reicht hinten und vorne nicht. In erster Linie müsste es um die Bekämpfung des bereits vorhandenen Pflegenotstandes gehen. Und davon höre ich nichts. In der Koalititonsvereinbarung ist ja nur von von einer kapitalgedeckten Zusatzabsicherung für die Pflegebedürftigkeit die Rede.
Der in der o.a. Pressemitteilung geäußerten Kritik kann ich mich nur voll anschließen. Der Text bringt es auf den Punkt.
Gruß Bettina
Pro Pflege - was denn sonst!

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