Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung

Beitrag von Service » 29.04.2010, 17:08

Ärztepräsident Hoppe: Ein Arzt, der bei einem freiverantwortlichen Suizid Hilfe leiste, habe von der Ärztekammer keine Konsequenzen zu fürchten. Die Bundesärztekammer diskutiere derzeit über neue Grundsätze zur Sterbebegleitung, dabei gebe es eine interne Kontroverse über ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung.

Pressemitteilung der
Medizinrechtlichen Sozietät
Putz&Steldinger
München
29.04.2010, 17.05 Uhr


Ärzte, die einem schwer kranken Patienten bei einer Selbsttötung helfen,
haben in bestimmten Situationen von der Bundesärztekammer keine
Konsequenzen zu befürchten. Dies erklärte der Präsident der
Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe heute im SWR-Hörfunk. Die
Bundesärztekammer prüfe derzeit intern ihre Haltung in bezug auf die
"Beihilfe zur Selbsttötung".

In der Sendung "SWR2 Forum" diskutierte Jörg-Dietrich Hoppe mit dem Münchner
Rechtsanwalt für Medizinrecht und Lehrbeauftragten an der Ludwig-Maximilians-Universität
München Wolfgang Putz und dem Berliner Arzt Michael de Ridder
über dessen Thesen zum Umgang mit sterbenden Patienten (?Wie
wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in
Zeiten der Hochleistungsmedizin?; DVA). De Ridder, Chefarzt der
Rettungsstelle der Vivantes Klinik am Urban in Berlin Kreuzberg, schilderte
den Fall einer Patientin, die vom Kiefer abwärts gelähmt ist. Die Rechtsanwälte

Wolfgang Putz und Beate Steldinger vertreten die rechtlichen Interessen dieser Patientin.
Würde diese Frau den Wunsch äußern, zu sterben, würde er ihr helfen, erklärte De Ridder.
"Sich ausschließlich darauf zu berufen "Anwalt des Lebens" zu sein,
finde ich zu kurz gegriffen, wohlfeil und nicht angemessen." Es gehe nicht an,
dass das ärztliche Standesrecht diese Form der Hilfe zur Selbsttötung verbiete,
obwohl sich der Arzt jedenfalls im konkreten Fall juristisch nicht strafbar machen würde.

Rechtsanwalt Wolfgang Putz hielt dem Präsidenten der Bundesärztekammer insoweit vor:

In den "Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung"
heißt es: "Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem
ärztlichen Ethos und kann strafbar sein".
Hoppe erklärte darauf hin, de Ridder habe von der Bundesärztekammer in einem solchen Fall
keine Konsequenzen zu fürchten. Nach dem Standesrecht sei die Suizidbeihilfe ja nicht
standesrechtlich verboten, sie werde nur als ärztlich unethisch bezeichnet.
Dennoch verteidigte er die "Grundsätze" in ihrer jetzigen Form: "Es ist ein Unterschied, ob
Sie diese Vorgänge in der Grauzone lassen oder öffentlich für legitim erklären
und damit hoffähig machen." In den "Grundsätzen" stehe nur, dass die
Ärztekammer ein solches Vorgehen für ethisch nicht vertretbar hält. Das
schließe jedoch nicht aus, dass Ärzte in einzelnen Fällen der Auffassung
seien, dass es doch ethisch vertretbar sei. Diese Passage in den
"Grundsätzen" werde zur Zeit aber auch intern diskutiert, da verschiedene
Gremien der Bundesärztekammer in diesem Punkt unterschiedlicher Auffassung
seien.

Quelle: SWR2 Forum, 29. April 2010, 17.05 Uhr und RA Putz

Stellungnahme der
Medizinrechtlichen Sozietät Putz & Steldinger, München:


Bei einem freiverantwortlichen Suizid ist die Unterstützung des Suizidanten von der Vorbereitung bis zum Tod nach deutschem Recht nicht strafbar. Ärzte haben dazu aber sehr unterschiedliche persönliche Moralvorstellungen. Dies bestätigt die Aussage Hoppes, wonach die unterschiedlichen ethischen Sichtweisen sich sogar in Gremien der Bundesärztekammer widerspiegeln. Der Passus „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos“ wurde immer wieder als standesrechtliches Verbot interpretiert. Das aber könnte für den Arzt berufsrechtliche Konsequenzen haben. Namhafte Medizinrechtler haben dem in jüngster Zeit widersprochen (So etwa Professor Jochen Taupitz in einem SPIEGEL-Gespräch). Dem schließt sich nun erstmals Professor Hoppe an.

In Staaten der USA wie zum Beispiel in Oregon dürfen (nur!) Ärzte beim Suizid helfen, ein System, das sich bestens bewährt hat und die Suizidrate gesenkt hat. Auch in den Beneluxländern und der Schweiz ist die verfasste Ärzteschaft offen für die ärztliche Unterstützung eines freiverantwortlichen Suizides.

Die Bundesärztekammer sollte insoweit der Meinungsvielfalt in der Ärzteschaft durch Neufassung der „Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung“ Rechnung tragen. Nur der Arzt kann im Einzelfall nach seinem ärztlichen Gewissen und seinem ärztlichen Ethos entscheiden, ob er einen Suizid unterstützt.

Damit würde die von breiten Kreisen der Ärzteschaft ethisch akzeptierte Suizidassistenz den von der Ärztekammer erzeugten negativen Beigeschmack einer „Grauzone“ verlieren. Das würde den mehr oder weniger dubiosen Sterbehilfeorganisationen die Existenzberechtigung entziehen!

Suizide verhindert man nicht durch Schaffung von Grauzonen sondern mit klaren rechtlichen und ethischen Entscheidungsspielräumen. Die wichtigste Suizidprävention ist der Arzt als ergebnisoffener Ansprechpartner! Keinesfalls kann die Bundesärztekammer dem Arzt sein ärztliches Ethos im Einzelfall vorschreiben.

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Ärztliche Suizidbeihilfe in Diskussion

Beitrag von Presse » 30.04.2010, 15:54

BAEK-Praesident Hoppe: Aerztliche Suizidbeihilfe in Diskussion
Endlich bewegt sich etwas bei der ärztlich assistierten Suizidhilfe.


In einer SWR-Hörfunk-Diskussion gestern (28.4.) warf Dr. de Ridder („Wie wollen wir sterben?“) Bundesärztekammerpräsident Hoppe vor: „Es geht nicht an, dass das ärztliche Standesrecht diese Form der Hilfe zur Selbsttötung verbiete, obwohl sich der Arzt jedenfalls im konkreten Fall juristisch nicht strafbar machen würde. Sich ausschließlich darauf zu berufen `Anwalt des Lebens´ zu sein, finde ich zu kurz gegriffen, wohlfeil und nicht angemessen." Bei den meisten schwerkranken Geriatrie-Patienten käme die segensreiche Palliativmedizin gar nicht an. Es gibt auch Fälle, wo die Palliativmedizin gar nicht zuständig ist. De Ridder, Chefarzt der Rettungsstelle der Vivantes Klinik am Urban in Berlin Kreuzberg, schilderte den Fall einer Patientin, die vom Kiefer abwärts gelähmt ist. Würde diese Frau den Wunsch äußern, zu sterben, würde er ihr helfen, erklärte De Ridder. Sie sei erst durch die monatelangen medizintechnischen Behandlungen überhaupt in diese Situation geraten.

Der ebenfalls an der SWR-Diskussion teilnehmende Rechtsanwalt Wolfgang Putz und seine Kollegin Beate Steldinger vertreten die rechtlichen Interessen dieser Patientin. Deren Lebensgefährte hatte sich in akuter Not zunächst an die Bundeszentralstelle des Humanistischen Verbandes Deutschlands in Berlin gewandt. Die Patientin hat nunmehr seit einigen Monaten die Unfallklinik verlassen, befindet sich in einer betreuten Wohnsituation und kann wieder selbstständig atmen – was wochenlang nicht möglich war.

De Ridder betonte, er würde sich nicht mit medizinischen „Dilettanten“ oder Geschäftemachern wie den Sterbehelfern Kusch oder Minelli gemein machen, sondern spreche aus der Mitte der Ärzteschaft.

Hoppe erklärte darauf hin in der Sendung, de Ridder habe von der Bundesärztekammer in einem solchen Fall ärztlich assistierten Suizids keine Konsequenzen zu fürchten. Es habe bisher überhaupt keinen, bzw. vor langer Zeit nur einen einzigen berufsgerichtlichen Fall gegeben, nämlich den von Prof. Hackethal, da dieser ebenfalls an die Öffentlich getreten sei. Ansonsten fänden diese Fälle in der Grauzone statt, wo er, Hoppe sie lieber belassen würde. Auch nach dem Standesrecht sei die Suizidbeihilfe ja nicht standesrechtlich verboten, sie werde nur als ärztlich unethisch bezeichnet. Das schließe jedoch nicht aus, dass Ärzte in einzelnen Fällen der Auffassung seien, dass es doch ethisch vertretbar sei.

Dann folgte die eigentliche Sensation
BÄK-Praesident Hoppe kündigte gleichzeitig eine Neuerung an!

Die Bundesärztekammer prüfe derzeit intern ihre Haltung in Bezug auf die "Beihilfe zur Selbsttötung". Eine Fortschreibung der entsprechenden Grundsätze sei für 2011 vorgesehen. Zur Zeit gäbe es noch unterschiedliche Auffassungen zwischen zwei BÄK-Ausschüssen: dem für die Grundsätze und dem für das Berufsrecht zuständigen.

Und auch zu einer immer noch von renommierten Juristen verbreiteten Fehlinformation zum „Patientenverfügungsgesetz“ will sich die Bundesärztekammer dann dankenswerterweise äußern: Dass eine eindeutige (!) Patientenverfügung Ärzte (z. B. in der Klinik) direkt bindet, soll lauf Hoppe auch in den neuen Grundsätzen klargestellt werden.

Siehe auch Pressemitteilung von Wolfgang Putz, Münchner Rechtsanwalt für Medizinrecht und Lehrbeauftragten an der Ludwig-Maximilians-Universität
http://www.patientenverfuegung.de/info- ... sistierten

podcast von Mittwoch, 28.4.2010 hier zum Nachhören:
http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/forum.xml

Quelle: Pressemitteilung vom 30.04.2010
http://www.patientenverfuegung.de

Lutz Barth
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Medizinethiker sind nun gefordert!

Beitrag von Lutz Barth » 04.05.2010, 19:26

Ob mit dem Streitgespräch zwischen Michael de Ridder und dem Präsidenten der BÄK eine „kleine Sensation“ verbunden werden kann, wie in manchen Pressemitteilungen zu lesen war, möchte ich hier nicht beurteilen, erscheint mir persönlich doch die jetzige Haltung des Präsidenten der BÄK mehr als konsequent. Der berufethische Diskurs lässt sich dauerhaft nicht vermeiden und noch weniger durch beredtes „Schweigen“ aussitzen.

In der Frage der Liberalisierung der ärztlichen Standesethik ist die verfasste Ärzteschaft im Begriff, dem nicht verbindlichen Arztethos ein zeitgemäßes Programm zu geben, ohne dass man/frau gehalten wäre, sich in der Gänze von dem das Arztethos inspirierenden Geist des ehrwürdigen Hippokrates verabschieden zu müssen.

Dass derzeit noch Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Ausschüssen bestehen, ist nicht ungewöhnlich, wenngleich doch bei der Rückbesinnung auf die tragenden Achsen sowohl der (Rechts-)Ethik als auch des ärztlichen Berufsrechts die Divergenzen schnell aufgelöst werden können: die Grundrechtsstellung sowohl der Ärzte als auch der Patienten.

Die zähe Debatte wird nun dort geführt, wo sie letztlich auch sinniger Weise zu entscheiden ist, nämlich im Verfassungsrecht, von dem aus die verbindlichen Impulse für die Liberalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe gegeben werden.

Die ethische Kontroverse nahm in den letzten Monaten einen breiten Raum ein und darf nunmehr als entzaubert gewertet werden: Ethische Grundsatzproklamationen entpflichten die öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht von ihrer Aufgabe, konsequent auch für die Grundrechte etwa ihrer verfassten Mitglieder einzutreten und diese eben nur unter Wahrung der Grundrechte in einem rechtlich zulässigen Maße einzuschränken.
Insofern ist die Ankündigung des Präsidenten der BÄK, das derzeit intern die Haltung zur ärztlichen Suizidassistenz überprüft werde, durchaus lobenswert, aber eben auch zwingend erforderlich, könnte sich doch die eine oder andere Behörde, die sich zur Rechtsaufsicht über die Landesärztekammern berufen sieht und letztlich zuständig ist, zum „Handeln gezwungen sehen“.

Der zu erwartende medizinethische Widerstand, der seine Offenbarungsquellen ganz überwiegend durch einen Blick in die transzendente Glaskugel fernab jedweder Verfassungsrealität nahezu schier unerschöpflich generieren kann, wird sich nunmehr auf eine dogmatische Diskussion einlassen müssen, die eben nicht intraprofessionell zu führen ist und da ist es auch dann mehr als hilfreich, wenn alsbald die „interne“ Diskussion geführt und zum Abschluss gebracht wird, um so der Öffentlichkeit das interne gezogene Ergebnis präsentieren zu können, welches dann in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden kann.

Nicht die bundesdeutsche Ärzteschaft läuft Gefahr, Philosophie mit Verfassungsinterpretation zu verwechseln, sondern in erster Linie diejenigen Apologeten einer Wertekultur, die mit ihrer „Kultur“ nachhaltig im Begriff sind, bedeutsame Grundrechte der Ärzte aber eben auch der Patienten dauerhaft zu „versenken“.
Hier sind insbesondere die Ärztekammern aufgefordert, dem Charme einiger Ethiker nicht zu erliegen, sondern ein rechtes Augenmaß dafür zu entwickeln, wie viel Grundrechtsschutz sie im Übrigen ihren Mitgliedern zuteil werden lassen wollen. Der Ausschuss, der sich mit ärztlichen Berufsrechtsfragen befasst, schöpft jedenfalls seine Rechtserkenntnisse nicht aus der Philosophie oder den ethischen Proklamationen der zur besonderen Mission Berufenen, sondern einzig aus dem Recht, dass ohne Frage der Interpretation zugänglich ist, hier aber der Interpretationsrahmen sich geradezu auf Null verengt haben dürfte, wenn und soweit wir den Grundrechtsschutz ernst nehmen und uns nicht an – zugebenermaßen schönen Metaphern – erfreuen, wonach es nicht „Sache des Rauches sei, über das Erlöschen des Feuers zu befinden“.

Es ist wohl in erster Linie „Sache des Verfassungsrechts“, der ethischen Bevormundung der Ärzteschaft ein Ende zu setzen, die in letzter Zeit geradezu inquisitorische Züge angenommen hat und dabei letztlich auch noch eingesteht, dass „rechtlich“ wohl eine andere Betrachtungsweise anbefohlen sei (nun, nach diesseitiger Auffassung „ist“!).

Insofern mögen die Landesärztekammern – aber auch die BÄK – ihre verfassten Mitglieder in die Freiheit der individuellen Gewissensentscheidung entlassen und so manche Ethiker in diesem unserem Lande sollten ihren ethischen Seelenfrieden auf der Grundlage verfassungsrechtlicher Binsenweisheiten schließen, ohne das andere Wissenschaftsdisziplinen gehalten wären, Publikationen über den „guten Ethiker“ zu verfassen, damit dieser tunlichst nicht die Grenzen seiner Wissenschaft oder – was freilich gravierender ist – mit seinen Botschaften im Begriff ist, die Grundrechte auch nur einer Berufsgruppe oder aber eines gesamten Staatsvolkes zu marginalisieren.

Der aufgeklärte Ethiker ist ohne Frage ein Gewinn für unsere Gesellschaft, nicht aber hingegen der verklärte und gelegentlich selbstherrliche Moralist, der da meint, seine moralischen Wertvorstellungen zur magna charta einer Sterbekultur erheben zu müssen, mit der die Ärzteschaft und die Patienten letztlich sich einige ihre bedeutsamen Grundrechte begeben müssen.

Der Beitrag ist auch im BLOG eingestellt; Kommentare sind ausdrücklich erwünscht.

>>> http://aerztliche-assistenz-beim-suizid ... mentation/ <<<
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PflegeCologne
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Re: Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung

Beitrag von PflegeCologne » 05.05.2010, 06:17

Service hat geschrieben: .... Suizide verhindert man nicht durch Schaffung von Grauzonen sondern mit klaren rechtlichen und ethischen Entscheidungsspielräumen. Die wichtigste Suizidprävention ist der Arzt als ergebnisoffener Ansprechpartner! Keinesfalls kann die Bundesärztekammer dem Arzt sein ärztliches Ethos im Einzelfall vorschreiben. ...
Guten Morgen,
auch die Pflege braucht Orientierung. Pflegekräfte sollen nämlich nach den ärztlichen Richtlinien in die Erwägungen als Teil des Teams einbezogen werden. Daher wünsche ich klare gesetzliche Vorgaben. In der Tat, die bisherigen Grauzonen sind von Übel. Es kann auch nicht sein, dass die Ärzteschaft überwiegend ihre Entscheidungen allen anderen Beteiligten diktiert.
MfG Pflege Cologene
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

Lutz Barth
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Orientierung?

Beitrag von Lutz Barth » 05.05.2010, 07:24

Guten Morgen, PflegeCologne.

Schnippisch möchte ich dazu anmerken, dass die beruflich Pflegenden demnächst wohl mit einer umfassenden Orientierung rechnen können, wenn sich die ersten "Pflegekammern" etabliert haben und künftig die Funktionäre - freilich nach einer pseudodemokratischen Legtimation - den beruflich Pflegenden die "innere Gewissensentscheidung" qua pflegethischem Dekret abnehmen und so u.a. auch für sich exklusiv das "Recht" ausbedingen könnten, über das pflegerische "Standesrecht" bei Androhung von berufsrechtlichen Sanktionen auf die Einhaltung eben dieser pflegeethischen Standards zu drängen.

Ungeachtet dessen ist freilich maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage eines Suizids die ureigene Entscheidung etwa eines schwersterkrankten Patienten, während demgegenüber eine "Berufsethik" - gleich welcher Profession - von höchst marginaler Bedeutung ist und im Übrigen den "Kammern" von der Verfassung her deutliche Grenzen gezogen werden, wenn es darum geht, ggf. in die Grundrechte ihrer verfassten Mitglieder einzugreifen.

Sofern es dann irgendwann einmal "Pflegekammern" geben sollte (auch wenn dies ein Irrweg ist), so gilt dies selbstverständlich auch für Pflegekräfte, deren individuelle Gewissensentscheidung zu akzeptieren ist, wenngleich darauf hinzuweisen ist, dass die individuelle Gewissensentscheidung dem Selbstbestimmungsrecht der Patienten keine Grenzen zu setzen vermag.

Vgl. hierzu immer noch in Teilen aktuell die diesseitige Position

>>> http://www.iqb-info.de/Barth%20vs.%20Pu ... atient.pdf <<< (pdf.)
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Ausweg am Lebensende

Beitrag von valenta » 05.05.2010, 11:49

Montag, 03 Mai 2010
Eine spannende Diskussion fand am 28.4.10 in der Sendung „SWR2 Forum“ statt. Die Frage nach dem ärztlich assistierten Suizid stand im Mittelpunkt der Sendung „Wie wollen wir sterben“ mit Dr. de Ridder, Bundeärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe und dem Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Putz. Besonders interessant war dabei die Aussage von Hoppe, dass Ärzte, die einem schwer kranken Patienten bei einer Selbsttötung helfen, in bestimmten Situationen keine Konsequenzen von der Bundesärztekammer zu befürchten hätten.


Einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Diskussion um die „passive Sterbehilfe“ leisten auch Dr. Boudewijn Chabot und Dr. Christian Walther in ihrem Buch „Ausweg am Lebensende. Selbstbestimmtes Sterben durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken“. Chabot, Psychiater und Sozialwissenschaftler, hat in den Niederlanden große Aufmerksamkeit für die Methode des „Freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit“ (FVNF) geweckt. Nun möchte er gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Walther aus Marburg auch in Deutschland für dieses Thema sensibilisieren. Es geht um die Entscheidung eines schwerstkranken oder sehr alten Menschen, selbst zu bestimmen, wann er oder sie würdevoll aus dem Leben scheiden möchte. Dazu liefert die Methode des FVNF eine humane Möglichkeit.

Dr. Chabot und Dr. Walther legen viel Wert darauf, Patienten, Angehörigen, Pflegekräften und vor allem auch Ärzten Informationen über den medizinischen Verlauf, palliativmedizinische Versorgungsinformationen und juristische Aspekte anzubieten. Fachlich fundiert und einfühlsam liefern sie Antworten auf viele Fragen, die auftreten, wenn ein Mensch selbstbestimmt unter humanen Bedingungen dem Leben ein Ende setzen möchte.

Bibliographische Angaben:
Boudewijn Chabot / Christian Walther
Ausweg am Lebensende. Selbstbestimmtes Sterben durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken
Mit einem Geleitwort von Dieter Birnbacher
2010. 172 Seiten.
(978-3-497-02152-9) kt

Quelle: Ernst Reinhardt Verlag (in: HWelt)

Lutz Barth
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Rechtsethische Binsenweisheiten werden negiert!

Beitrag von Lutz Barth » 12.05.2010, 11:09

Die Eröffnungsrede des Präsidenten der BÄK zum 113. Deutschen Ärztetag hat es wahrlich in sich: Die unsägliche Mission namhafter Ärztefunktionäre, die zwischenzeitlich mehr klerikale Züge denn eine von der Ratio getragene Qualität angenommen hat, mündet unverhohlen in einen medizinethischen Paternalismus, der seinesgleichen sucht und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die „Gefolgsleute“ dem neuerlichen Statement des Präsidenten anschließen. Der Weg in die verklärte Selbstherrlichkeit ist beschritten und im Rekurs auf den berühmten Arzt Hufeland – und freilich der Reanimierung des hippokratischen Geistes – schickt sich nunmehr die Fraktion der Lebensschützer an, ihren wohlmeinenden Beitrag zur Absicherung der Würde auch des schwersterkrankten Patienten zu leisten. Pseudowissenschaftliche Phrasen werden mehr oder minder gedroschen und kunstvoll in Szene gesetzt, so dass man/frau gelegentlich den Eindruck gewinnen könnte, dass das eine oder andere Verfahren zur „Seligsprechung“ namhafter Medizinethiker oder eben auch Ärztefunktionäre eingeleitet werden soll, zeichnen diese sich doch durch einen Habitus aus, der ganz bewusst an Hippokrates erinnern soll, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass der Arzt stets nur das „Gute“ will.

Nur wird hierbei verkannt, dass immerhin ein Drittel der verfassten Ärzteschaft sich für eine Liberalisierung der Sterbehilfe ausspricht und da muss es schon verwundern, dass die Funktionäre keine Veranlassung sehen, deutlich zwischen ihrer privaten Meinung und einem scheinbar berufsethischen Konsens zu differenzieren, der eben nicht vorliegt!

Blogger haben sich bereits aufgemacht, ganz artig unter der Überschrift Deutscher Ärztetag: Klare Absage an aktive Euthanasie die Botschaft von dem guten Arzt in die Öffentlichkeit hineinzutragen und natürlich werden weitere Botschaften von namhaften Patientenschutzorganisationen, führenden Medizinethikern und sicherlich einigen (Hobby)Philosophen folgen, die die Rede des Präsidenten lobend werten, um so auch dem Gespenst von der vermeintlich herrschenden Lehre neue Nahrung geben zu können.

Vielleicht wird sich auch der Vizepräsident der BÄK in seinem Vortrag über die Patientenrechte in einem kleinen Exkurs der Problematik der Liberalisierung insbesondere der ärztlichen Suizidbeihilfe widmen, ist es doch gerade Montgomery, der um deutliche Worte nicht verlegen ist, wenn es darum geht, ein längst verstaubtes Arztethos zu bewahren.

Was ist also gefordert?

Da mehr als zweifelhaft ist, dass tatsächlich ein Dialog gewünscht ist und die Debatte um die Liberalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe in die „Mitte der Gesellschaft“ geholt wird, sind nunmehr die Landesärztekammern mehr denn je gefordert. Ihnen obliegt die hohe Last, den arztethischen Widerstand der BÄK im Zaume zu halten, wollen die Kammern sich nicht selbst den Vorwurf aussetzen, fundamentale Rechtsprinzipien zu „Grabe zu tragen“. Die mögliche Alternative dazu wäre sicherlich die denkbar unglücklichste: ein Einschreiten der staatlichen Aufsichtsbehörden, denen es daran gelegen ist, dass in erster Linie die Kammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften die Grundrechtsbelange ihrer verfassten Mitglieder nicht über Gebühr strapazieren.

Denn eines ist doch wohl (hoffentlich) völlig klar: Die Liberalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe bei Schwersterkrankten scheitert derzeit an einem arztethischen Bollwerk, das nach wie vor zementiert werden soll. Es bedarf keiner großen „internen Debatte“, um daran zu erinnern, dass die Gewissensentscheidung des Arztes frei ist und dass gute Gründe dafür streiten, dass manche Patienten einfach ihrem individuellen Leid durch einen Suizid entfliehen wollen.

Fragen wir doch mal ungeniert bei Michael de Ridder oder besser bei seinen Patienten nach, was diese wohl einem Herrn Hoppe entgegnen würden?

Es ist zu hoffen, dass nunmehr eine breite Diskussion jenseits eines „Dr. Tods“ entfacht wird und sich im Übrigen auch diejenigen Medizinethiker in Erinnerung bringen, die seit Jahren für eine Liberalisierung eintreten. Es ist ein Armutszeugnis der Wissenschaftsdisziplin Medizinethik, wenn führende Medizinethiker noch nicht einmal mehr die Notwenigkeit sehen, in ihren Beiträgen – die nicht selten mehr die Qualität von Botschaften denn eines wissenschaftlichen Beitrags besitzen – ggf. auf abweichende Positionen ihrer Kollegen einzugehen.

Zuweilen würde ich mir persönlich auch ein stückweit mehr Engagement so mancher Verfassungsrechtler wünschen, an deren wissenschaftliche Reputation kein Zweifel besteht und diese jedenfalls den Versuch unternehmen sollten, speziell die BÄK von ihrem Irrweg abzuhalten.

Das ärztliche Standesrecht wird nicht durch einige wenige Ärztefunktionäre geschrieben, die uns fortwährend mit ihren Botschaften überziehen, zumal gerade das für alle gültige Gesetz diesem Sendungsauftrag deutliche Grenzen zieht!

Das „Recht“ und noch weniger das Verfassungsrecht werden einen medizinethischen Paternalismus als eine immanente Schranke akzeptieren, bei der dann das Selbstbestimmungsrecht der Patienten und das Recht der freien Gewissensentscheidung der Ärzteschaft zugunsten eines Bildes vom „guten Arzt“ geopfert wird.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin bestehen, dass sich die BÄK bei ihren gesinnungsethischen Offenbarungen diszipliniert und das Arztethos hiervon freihält!

Die politisch Verantwortlichen – so freilich auch die Liberalen – sollten sich nicht von den fragwürdigen Botschaften irritieren lassen und dafür Sorge tragen, dass das Selbstbestimmungsrecht in der Frage eines freiverantwortlichen Suizids nicht zur bloßen Makulatur wird, zumal jedem seriösen Diskutanten klar ist, dass das Selbstbestimmungsrecht nicht zur Fremdbestimmung über den einzelnen Arzt führt.

Klar muss aber auch sein, dass es völlig inakzeptabel ist, dass Ärztefunktionäre meinen, eine ethische Fremdbestimmung über ihre verfassten Mitglieder ausüben zu können.

Lutz Barth, 12. Mai 2010
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Klare Absage an aktive Euthanasie

Beitrag von Presse » 12.05.2010, 12:00

Deutscher Ärztetag: Klare Absage an aktive Euthanasie
„Sterben und Tod sind in den Konsumgesellschaften der Moderne tabuisiert. Macht und Materialismus werden glorifiziert. Wer diesem Zeitgeist nicht mehr folgen kann, der wird ausgegrenzt, ist allein und empfindet sich oft als Belastung“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, auf der Eröffnungsveranstaltung des 113. Deutschen Ärztetages in Dresden. Ganz bewusst wird er das Sterbehilfe und –begleitung wie in den Vorjahren als Thema für seine Ansprache gewählt haben. .... (mehr)
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/lette ... m&id=35615

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Hochleistungsmedizin - Wie wollen wir sterben?

Beitrag von WernerSchell » 18.05.2010, 11:39

Buchtipp!

Michael de Ridder:

Wie wollen wir sterben?
Ein ärztliches Plädoyer für eine neue Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin

Bild

Näheres hier:
http://www.wernerschell.de/web/10/wie_w ... terben.php
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
Bild

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Ärztliche Sterbebegleitung - neue Empfehlungen

Beitrag von Presse » 19.05.2010, 08:04

Hoppe bleibt hart - aber neue Empfehlungen der Bundesaerztekammer zum Umgang mit PV

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dieter Hoppe, hatte noch kurz vorher in einer Radiodebatte mit Dr. Michael de Ridder und RA Wolfgang Putz eine Überarbeitung der Grundsätze der Bundesärztekammer (BÄK) zur ärztlichen Sterbebegleitung angekündigt. Doch man täusche sich nicht über diese Farce: Dem argumentativen Druck seiner Mitdiskutanten hatte Hoppe - nur scheinbar – nachgegeben. Er hatte er darauf hingewiesen, die Bundesärztekammer würde jedenfalls keinen Arzt standesrechtlich verfolgen, der seinem Gewissen folgend Suizidbeihilfe bei einem seiner Patienten leisten würde. Wir berichteten
http://www.patientenverfuegung.de/newsl ... diskussion

Das mag zwar sein - doch seine feste Meinung gegen jede Form der Beihilfe zum Tod eines Schwerstkranken hat Hoppe selbst natürlich nicht geändert. Nun nahm er den 113. Deutschen Ärztetages zum Anlass, in seiner Rede vor einer Woche in Dresden erneut der „aktiven Euthanasie" eine rigorose Absage http://www.aerzteblatt.de/blogs/41190/D ... anasie.htm zu erteilen und begründete dabei gleichzeitig die Notwendigkeit einer „Priorisierung“ von Gesundheitsleistungen. http://www.focus.de/gesundheit/arzt-kli ... 07718.html

Zwar ist ärztlich assistierter Suizid strafrechtlich nicht verboten. Doch in der Berufsordnung heißt es, dass diese Beihilfe zum Suizid ethisch nicht vertretbar sei, und das möchte Hoppe, obwohl er mit dieser Ansicht oft auf Unverständnis und sogar Kritik stößt, unbedingt so belassen.

„Es bleibt bei unserem ethischen Gebot, helfen im Sterben, nicht helfen zu sterben. Töten darf keine Option im therapeutischen Instrumentarium des Arztes sein“, betonte er in Dresden.

"Sterben und Tod sind in den Konsumgesellschaften der Moderne tabuisiert. Macht und Materialismus werden glorifiziert. Wer diesem Zeitgeist nicht mehr folgen kann, der wird ausgegrenzt, ist allein und empfindet sich oft als Belastung", führte Hoppe in seiner Rede weiter aus. (Rede im Original hier) http://www.bundesaerztekammer.de/page.a ... .6578.8228

Kommentar von Lutz Barth und ärztliche Kritiker:
"Die unsägliche Mission namhafter Ärztefunktionäre, die zwischenzeitlich mehr klerikale Züge denn eine von der Ratio getragene Qualität angenommen hat, mündet unverhohlen in einen medizinethischen Paternalismus.

... so dass man/frau gelegentlich den Eindruck gewinnen könnte, dass das eine oder andere Verfahren zur `Seligsprechung´ ... eingeleitet werden soll ...
Nur wird hierbei verkannt, dass immerhin ein Drittel der verfassten Ärzteschaft sich für eine Liberalisierung der Sterbehilfe ausspricht ... " Quelle: Lutz Barth, hier Original http://www.openpr.de/news/428333/Lutz-B ... -BAeK.html

Kritiker der moralischen Bevormundung durch den Bundesärztekammerpräsidenten, laut anonymer (!) Befragungen sind es etwa 1/3 der verfassten Ärzteschaft, äußern sich nur selten offen. Doch gibt es zunehmend Ärzte, die sich mit ihrem Namen dazu bekennen.

Siehe Debatte im Deutschen Ärzteblatt bereits von 2009: „ ... Herr Hoppe hat jedenfalls nicht recht, wenn er meint, dass deutsche Ärzte mit „großer Geschlossenheit“ den assistierten Suizid ablehnen. Die von Ihnen genannten Zahlen (35 Prozent dafür) belegen etwas anderes. ... " Weiter Ärzteblatt http://www.aerzteblatt.de/V4/archiv/art ... p?id=63279

Siehe auch die für jeden öffentlich einsehbaren Unterschriften unter die Resolution einer ärztlichen Initiative mit der Seite http://www.prosterbehilfe.de. http://www.aerzteblatt.de/V4/archiv/art ... p?id=63279

Diese Seite hatte sich bereits vor drei Jahren als spontane ärztliche Selbsthilfeaktion konstituiert – unabhängig von Unterstützung durch irgendeine Organisation oder Vereinigung. Es wird weiter um Unterschriften v. a. von Ärztinnen und Ärzten (aber auch anderen) geworben. Zum gegebenen Zeitpunkt wollen sich die Initiatoren und Erstunterzeichner/innen überlegen, wie damit zu verfahren ist. Die Seite verfügt nicht einmal über die Angabe eines Spendenkontos, die bisherigen Unkosten und Sachleistungen wurden von Ärzten und Medizinethikern selbst beglichen, die Pflege erfolgt quasi ehrenamtlich.

Neue Empfehlungen (2010) der Bundesaerztekammer gemäß PV-Gesetz

Doch gibt es auch eine erfreuliche Neuentwicklung seitens der Bundesärztekammer und ihrer Zentralen Ethikkommission.

Zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung wurde die Fassung von 2007 überarbeitet und bereits im April 2010 an das Patientenverfügungsgesetz angepasst. Jetzt ist die offzielle Veröffentlichung im Ärzteblatt erfolgt: Originaldokument (16 Seiten) hier http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down.asp?id=5476

Erfreulich daran ist, dass mit einer – v. a. durch einige Juristen beförderten Verunsicherung der Ärzteschaft – „aufgeräumt“ wird. Wie berichtet hatten z. B. in der Neuen Juristischen Wochenschrift vom 4. Februar 2010 die Notarassessoren Diehn und Rebhan (beide Mitglieder der Geschäftsführung der Bundesnotarkammer!) die folgende Rechtsauffassung vertreten: Nach ihrer Meinung besagt die gesetzliche Neuregelung vom 1. September 2009, dass der Arzt ohne Einwilligung eines Bevollmächtigten oder Betreuers keine medizinische Maßnahmen unterlassen darf, auch wenn ihm eine entsprechende Patientenverfügung des einwilligungsunfähigen Patienten vorliegt. Der Gesetzgeber habe damit – so die beiden Vertreter der Bundesnotarkammer - im Dritten Gesetz zum Betreuungsrecht die rechtfertigende Kraft einer Patientenverfügung abgelehnt, um dem Arzt nicht die alleinige „Interpretationsmacht“ zukommen zu lassen. Das würde in der Praxis bedeutet: Der Arzt müsste zumindest immer dann das Betreuungsgericht einschalten, wenn kein Patientenvertreter vorhanden oder zur Stelle wäre.

Dem widersprechen nun dankenswerterweise die aktuellen Empfehlungen der Bundesärztekammer. Auf Seite 8 wird darauf wie folgt Bezug genommen:

"In der Praxis wird gefragt, ob der Arzt in Fällen, in denen der Patient weder einen Bevollmächtigten noch einen Betreuer hat, selbst bei Vorliegen einer einschlägigen Patientenverfügung stets die Bestellung eines Betreuers durch das Betreuungsgereicht anregen muss... Die Bundesärztekammer und die ZEKO [Zentrale Ethikkommission bei der BÄK] sind – wie das Bundesministerium der Justiz – der Auffassung, dass eine eindeutige Patientenverfügung den Arzt direkt bindet."
(S. 8, Empfehlungen der Bundesärztekammer und ZEKO zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, April / Mai 2010).

Quelle: Pressemitteilung vom 18.05.2010
http://www.patientenverfuegung.de

Sabrina Merck
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Patientenwille ist entscheidend

Beitrag von Sabrina Merck » 20.05.2010, 08:57

Hallo,
die Patientenentscheidungen müssen m.E. stärkere Berücksichtigung erfahren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass allerlei Dikussionsrunden, bis hin zu Ethikforen, solange reden, bis die gewünschte Entscheidung eine vermeindliche Rechtfertigung findet. Der Wille von Patienten wird nicht selten den gedanklichen Vorstellungen der wirklichen Entscheider angepasst.
Das halte ich für einen Irrweg. Es wíderspricht auch den neuen Vorschriften im BGB. Dort ist allein der Patientenwille als ausschlaggebend bezeichnet.
Im Übrigen müssen die Pflegekräfte auch stärker mit eingebunden werden. Sie sind meist näher am Patienten dran und können auch besser mithelfen, den wirklichen Willen zu ergründen.
Mfg Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
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Beihilfe zum Suizid

Beitrag von Presse » 08.06.2010, 17:36

Göttinger Medizinrechtler kritisiert geplantes Werbeverbot für Beihilfe zum Suizid
Ein im Bundesrat derzeit diskutierter Gesetzentwurf, der ein Werbeverbot für die Beihilfe zum Suizid vorsieht, stößt auf Widerstand: „Gegen dieses Vorhaben bestehen gravierende rechtliche Bedenken“, erklärte der [...]
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... Suizid.htm

Kommerzielle Sterbehilfe: Bundesrat prüft Werbeverbot
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=41135
Kusch kündigt weitere Suizidbeihilfe an
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=40145
SPD-Minister verlangt Werbeverbot für Sterbehilfe
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=39885

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Beihilfe zur Selbsttötung in Ausnahmefällen wünschenswert

Beitrag von Sabrina Merck » 06.07.2010, 06:54

Service hat geschrieben: .... Ärzte, die einem schwer kranken Patienten bei einer Selbsttötung helfen,
haben in bestimmten Situationen von der Bundesärztekammer keine
Konsequenzen zu befürchten. Dies erklärte der Präsident der
Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe heute im SWR-Hörfunk. Die
Bundesärztekammer prüfe derzeit intern ihre Haltung in bezug auf die
"Beihilfe zur Selbsttötung". ....
Hallo,
solche Erwägungen halte ich für notwendig und wichtig. Patienten müssen in bestimmten Situationen ärztlichen Beistand erfahren, wenn sie aus nachvollziehbaren Gründen aus dem Leben scheiden wollen. Solche Situationen gibt es u.a. deshalb, weil trotz aller Möglichkeiten der Palliativmedizin nicht immer alle Schmerzen ausreichend genommen werden können. Diesbezügliche Klarstellungen sollte die BÄK in ihren Richtlinien hineinschreiben.
Es kann allerdings bei dieser Diskussion nicht darum gehen, eine strafbare aktíve Sterbehilfe vorzunehmen.
MfG Sabrina
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Aktive Sterbehilfe

Beitrag von Lutz Barth » 15.07.2010, 16:11

Es kann allerdings bei dieser Diskussion nicht darum gehen, eine strafbare aktíve Sterbehilfe vorzunehmen.

Warum nicht?

Sofern ein selbstbestimmter Wille vorliegt und der Suizident zur Ausführung der Tat nicht in der Lage ist, sollte die Tathandlung durch einen Dritten (hier: Arzt) durchgeführt werden.

Eine offene Debatte wird nur dann möglich sein, wenn die unsägliche Begriffsvielfalt (aktiv, passiv, direkt, indirekt ...) aufgegeben wird und wir letztlich anerkennen, dass es Schwersterkrankte gibt, die einen nachhaltigen Sterbewunsch haben, ihn aber nicht aufgrund ihrer Erkrankung in die Tat umsetzen können.

Ärzte sind hervorragend qualifizierte "Mechaniker des Todes" und sofern sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, sollten sie diesen Akt höchster Humanität auf Wunsch des Patienten begehen.

Das Statement des Präsidenten der BÄK ist allerdings verwirrend und wurde im Übrigen auch durch Henke richtig gestellt. Die BÄK öffnet sich nicht für die Liberalisierung und deshalb bleibt es unausweichlich, dass der Gesetzgeber sich der Problematik der ärztlichen Suizidbeihilfe annimmt.

"Wer die Ethik nicht fühlen will" oder aber die bedeutsamen Fragen moraltheologisch zu beantworten gedenkt, muss irgendwann einmal das "Recht" hören!
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Cicero
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Sterbehilfe ...

Beitrag von Cicero » 15.07.2010, 17:36

Ich denke, dass man unterscheiden muss
- aktive Sterbehilfe
- Selbsttötung und Beihilfe dazu.

Die aktive Sterbehilfe ist zur Zeit eindeutig strafrechtlich relevant, d.h. mit Strafe bedroht.
Die Selbststötung ist kein Strafrechtsthema. Folglich auch nicht die Beihilfe dazu. Es gibt hier lediglich für Ärzte standesrechtliche Probleme.

Die Lösung:
Aktive Sterbehilfe könnte gelockert werden für eng begrenzte Ausnahmetatbestände. Das wäre verfassungsrechtlich unbedenklich, würde sogar dem Selbstbestimmungsrecht eher gerecht.
Beihilfe zur Selbsttötung könnte für Ärzte per Standesrecht ausdrücklich zugelassen werden. Damit wäre die Hilfe für Ärzte auch unproblematisch.
Im Strafrecht wäre eine Regelung dargestellt ratsam, dass die zulässige assistierte Beihilfe zur Selbsttötung nicht unterlassene Hilfeleistung ist.

Abgrenzungen werden schwierig sein.

Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

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