Angehörige im Patientenzimmer bei der Pflege

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

clemensschroers
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Beitrag von clemensschroers » 10.08.2009, 08:47

Hallo,
ich bin Angehöriger und Betreuer einer Wachkomapatientin. Nach dem mir aufgefallen ist, das manche Pfleger meine Partnerin ohne Sie anzusprechen, gelagert haben, Ihr den Blutdruck und die Temperatur gemessen haben, sie ohne Vorwarnung abgesaugt haben, habe ich das bei der zuständigen Sozialarbeiterin und der Stationsärztin angesprochen. Das Ergebniss war, das ich bei allen pflegerischen Maßnahmen aus dem Raum verwiesen wurde und als "Störenfried" behandelt wurde.Auf Nachfrage wurde mir gesagt, das es eine Anweisung gibt, die besagt, das keine Personen bei der Pflege anwesend sein dürfen. Dies wurde natürlich nur bei mir umgesetzt, bei anderen Patienten waren die Angegörigen im Zimmer..

Rob Hüser
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Patientenselbstbestimmung - Pflege muss daran ausrichten

Beitrag von Rob Hüser » 10.08.2009, 09:01

clemensschroers hat geschrieben: --- ich bin Angehöriger und Betreuer einer Wachkomapatientin. Nach dem mir aufgefallen ist, das manche Pfleger meine Partnerin ohne Sie anzusprechen, gelagert haben, Ihr den Blutdruck und die Temperatur gemessen haben, sie ohne Vorwarnung abgesaugt haben, habe ich das bei der zuständigen Sozialarbeiterin und der Stationsärztin angesprochen. Das Ergebniss war, das ich bei allen pflegerischen Maßnahmen aus dem Raum verwiesen wurde und als "Störenfried" behandelt wurde. Auf Nachfrage wurde mir gesagt, das es eine Anweisung gibt, die besagt, das keine Personen bei der Pflege anwesend sein dürfen. Dies wurde natürlich nur bei mir umgesetzt, bei anderen Patienten waren die Angegörigen im Zimmer...
Hallo Clemens,

es war m.E. sehr richtig, das Verhalten der Pflegekräfte anzusprechen. Das war nötig und keineswegs störend. Die Führungskräfte sollten für solche Hinweise dankbar sein!
Der nachfolgende Zimmerverweis ist m.E. weder juristisch noch pflegerisch gerechtfertigt. Der Patient selbst bzw. sein Rechtsvertreter befindet letztlich darüber, wer im Zimmer bleiben darf und wer nicht. Insoweit sehe ich keine einseitige Kompetenz des Pflegepersonals. Eine diesbezügliche generelle Anweisung kann keinen Bestand haben. Die Anweisung sollte schnellstens "auf höchster Ebene" problematisiert werden. Es geht hier um Patientenrechte und Selbstbestimungsfragen. Im Gesundheits- und Pflegesystem kennen wir keine hoheitlichen Strukturen, wo "von oben" bestimmt wird und der Patient bzw. die Rechtsvertreter / Angehörigen zu folgen haben. Rechtsvertreter und Angehörigen nehmen helfende Funktionen ein und sollten dabei unterstützt und gefördert werden.
Ich denke, dass es Sinn macht, das Thema hier weiter zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen
Rob
Das Pflegesystem muss dringend zukunftsfest reformiert werden!

PflegeCologne
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Ausgrenzung von Rechtsvertreter / Angehörigen

Beitrag von PflegeCologne » 10.08.2009, 09:04

Hallo Forum,
kurz und büngig: Stimme mit Rob komplett überein. Die von Clemens beschriebene Ausgrenzung ist aus meiner Sicht pflegerisch nicht begründet. Ich sehe insoweit keine brauchbaren Argumente. Die Ausgrenzung von Clemens ist einfach eine Sauerei!
Das meint Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

clemensschroers
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Beitrag von clemensschroers » 10.08.2009, 09:22

Ich habe bereits nach einer Woche folgendes Schreiben aufgesetzt und der Sozialarbeiterin und der Stationsärztin übergeben:

Als Angehöriger und Betreuer meiner Lebensgefährtin durfte ich Ihre Einrichtung kennen lernen. Meine Freundin wurde als Wachkomapatient zur Durchführung einer Frührehabilitationsmaßnahme nach Bad T. überwiesen. Nach der Verlegung von der Intensivstation in Ihr Haus, war es für mich und bestimmt auch für meine Lebensgefährtin eine Rückkehr zu einem Stück Normalität. Das Zimmer in dem Sie untergebracht wurde, ist sehr wohnlich, hell und funktionell. Wir wurden herzlich willkommen geheißen. Besonders erwähnen möchte ich die kompetente und mitfühlende Hilfe der zuständigen Sozialarbeiterin.

Bei meinen häufigen Besuchen, konnte ich feststellen, dass ich meine Lebensgefährtin stets in einem sehr ordentlichen Zustand vor fand. Ich möchte mich ausdrücklich bei dem Pflegepersonal bedanken, das trotz enormer Arbeitsbelastung stets bemüht war, die pflegerischen Standards zu erfüllen.

Leider musste ich auch feststellen, dass wahrscheinlich auf Grund von Zeitmangel, eine weitergehende Beschäftigung von großen Teilen des Pflegepersonals mit dem Patienten nicht erfolgt ist.

Was mich sehr gestört hat, ist das auch während der Beschäftigung mit meiner Lebensgefährtin überwiegend nicht auf ihre Situation eingegangen wurde. Die Arbeiten an Ihr ( Absaugen, Umlagern, Blutdruck messen, Fieber messen, an- und umkleiden, säubern…) wurden sehr professionell erledigt, aber ich erwarte von einer Einrichtung wie der Ihren, das auch bei diesen Arbeiten ein Behandlungskonzept zu erkennen ist, d.h. für mich, das meine Partnerin angesprochen wird, das ihr erklärt wird was gerade getan wird auch wenn Sie es nicht bewusst war nimmt.(?) Bei einigen Pflegern hat es mir gut gefallen. Die betreffenden Personen haben meine Freundin angesprochen (Hallo Frau…., wir lagern sie jetzt mal um, messen mal das Fieber) und haben auch bei den einzelnen Arbeitsschritten immer wieder mit Ihr gesprochen und ihr erklärt was geschieht und auf was sie sich einstellen sollte (absaugen…“das kribbelt jetzt ein bisschen“ oder „nicht erschrecken ich messe Fieber, das zwickt ein bisschen im Po“ „ich messe jetzt mal den Blutdruck, das wird jetzt etwas eng an ihrem Arm.. usw.) .

Leider habe ich auch die andere Seite kennen gelernt. Pflegepersonal, das sich miteinander unterhalten hat anstatt mit dem Patienten. Oder Pfleger, die gar nichts gesagt haben, sondern „nur“ ihre Arbeit getan haben.
Ich denke, dass gerade bei den rein pflegerischen Tätigkeiten eine würde- und respektvolle Behandlung des Patienten ohne zusätzlichen Aufwand möglich ist.

Das einfache Erklären der Tätigkeiten während sie vollzogen werden sollte selbstverständlich sein, auch oder gerade bei einer Patientin im Wachkoma.

Was helfen die besten Therapeuten, wenn in einem ganzheitlichen Behandlungskonzept wie bei einer Frührehabilitation einige Mitarbeiter eventuelle Erfolge wieder gefährden, nicht mit Absicht sonder vielleicht aus Unwissenheit oder Betriebsblindheit.

Ein weiterer Punkt der mir sehr zu Denken gab, war das herrichten für die Nacht.

Jeden „normalen“ Menschen wäscht sich nach eine Tag an dem er stark geschwitzt hat, bevor er zu Bett geht. Auch das abendliche Zähneputzen ist denke ich mal Standard in unserem Land. Nicht so bei meiner Lebensgefährtin. Obwohl sie während meiner Besuchszeit stark geschwitzt war, entweder durch die Hitze, das Lagern oder durch andere Umstände, wurde sie nicht noch einmal gewaschen. Auch Ihr Nachthemd wurde nur sehr selten am Abend gewechselt. Eine Zahn oder Mundpflege wurde in dem Zeitraum meines Besuches (15Uhr bis 20 Uhr) nicht einmal durchgeführt. Auch wenn meine Freundin diese Pflege nicht bewusst wahrgenommen hätte (wer weiß das aber?) finde ich es aus hygienischen Gründen und zur Vermeidung von Infektionen doch unerlässlich diese Maßnahmen auch am Abend durchzuführen.

Ein weiterer Punkt, der mir nicht gefallen hat, ist das fehlende Einbinden von Angehörigen in die Therapie.

Auf Grund der starren Besuchszeiten war es mir leider nicht möglich, an den Therapien teilzunehmen. Nicht das ich Zweifel an den therapeutischen Fähigkeiten des Fachpersonals hätte, aber es wäre wichtig für mich gewesen, den Sinn und den Zusammenhang der therapeutischen Maßnahmen erklärt zu bekommen. Leider beschränkte sich mein Kontakt mit den Therapeuten auf eher zufällige Begegnungen und kurze Gespräche.

Eine Art Einführungsveranstaltung für Angehörige, bei der das Behandlungskonzept und die Therapien erklärt werden und zusammenhängend dargestellt werden, hätte mir einen großen Teil meiner Unsicherheit genommen.

Aus dieser Unsicherheit und Unwissenheit entwickelte sich bei mir vielleicht ein kritischer wenn nicht gar kritisierender Blick auf manche Tätigkeiten. Auch im Umgang mit meiner Lebensgefährtin war ich sehr unsicher, wusste oft nicht was ich machen kann, wie ich Ihr vielleicht helfen, Sie vielleicht unterstützen kann. Auch hier hätte ich mir eine Hilfestellung gewünscht, wobei ich sagen kann, dass mir auf meine Fragen oft sehr freundlich geantwortet wurde. Trotzdem habe ich dann manchmal lieber nicht gefragt, um nicht den Unmut der sehr beschäftigten Pfleger auf mich zu ziehen.

Ich möchte Sie bitten, meine Ausführungen nicht als bösartige, unprofessionelle Kritik anzusehen, sondern vielmehr als Beitrag eines sich sorgenden Angehörigen. Ich denke, es ist auch in Ihrem Interesse, die Qualität Ihres Hauses zu erhalten und zu erweitern.
-----
Nicht angemerkt habe ich die sehr dünne Personaldecke, am Wochenende waren teilweise 3 Pflegekräfte für 26 Patienten zuständig, und das bei einer Frührehamaßnahme.

Sabrina Merck
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Rehaeinrichtung ist Dienstleistungsbetrieb pro Patient ....

Beitrag von Sabrina Merck » 10.08.2009, 09:38

Hallo Clemens,

ich wollte den Texten von Rob und Pflege Cologne zunächst einmal zustimmen. Dann kam Dein ergänzender Text: Ich denke, der Brief ist gut formuliert, trifft den Kern und müsste eigentlich eine angemessene Reaktion ausgelöst haben. Offensichtlich hat es noch keine Rückmeldung gegeben. Ich halte das rechtlich und medizinisch/pflegerisch für nicht in Ordnung.
Mich würde interessieren, wie andere das sehen. Möglicherweise muss der Rehaeinrichtungen noch einmal verdeutlicht werden, dass sie in umfassender Weise eine Dienstleistungsbetrieb ist - pro Patient!

Mit freundlichen Grüßen
Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
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Brigitte Bührlen
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Wunsch und Realität

Beitrag von Brigitte Bührlen » 10.08.2009, 11:43

Der Brief von Herrn Schroers spiegelt die auch von mir erlebte (Angehörigen-)Realität im Pflegealltag wieder. Die aufgestellten Forderungen, bzw Bitten sind nachvollziehbar und entsprechen dem gesunden Menschenverstand bzw dem Empfinden angesichts des Umgangs mit einem Menschen, den man schätzt und liebt.

Das Problem ist:

Pflegestandards müssen eingehalten werden. Sie dienen einerseits der Standardisierung von "technischen" Pflegehandlungen, andererseits der rechtlichen Absicherung von Einrichtung und Personal, sowie der"Ressourcennutzung " angesichts knapper Personaldecken.
Es gibt in der Regel keine, am Bewohnerwohl orientierten rechtlich verbindlichen Handlungsanweisungen.
Leitbilder zähle ich zu unverbindlichen Absichtserklärungen.

Angehörigeneinbindung steht im Belieben der Pflegeeinrichtung. Ein Rechtsanspruch besteht meines Wissens nicht.
Betreuungsbevollmächtigte Angehörige haben Stellvertreterrechte entsprechend ihrer Bevollmächtigung.
Die Frage nach "Mitbestimmung" oder Einbeziehung in Pflegehandlungen ist
darin normalerweise nicht geregelt.

Der Bewohnerwille sollte meines Erachtens an erster Stelle stehen. Dieser Wille kann oft nicht geäußert werden und der Bevollmächtigte kann ihn in der Regel mangels Vertretungsbefugnis in diesem Punkt rechtlich nicht geltend machen.

Ich würde mir wünschen, alle Sorgebeteiligten würden sich in die Lage des Pflegebedürftigen hineinversetzen und das eigene Verhalten ausrichten gemäß dem Sprichwort: "Was Du nicht willst, dass man Dir tu`, das füg` auch keinem Andern zu"

Rauel Kombüchen
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Patientenselbstbestimmung ist zu achten

Beitrag von Rauel Kombüchen » 10.08.2009, 13:26

Hallo,

ich kann nicht erkennen, mit welchen guten Gründen Angehörige / rechtliche Vertreter bei der pflegerischen Versorgung weggeschickt werden. Es geht hier um eine Dienstleistung an einem Patienten, der seinen Willen durch den Angehörigen / gesetzlichen Vertreter einbringt. Und dieser Rechtsvertreter möchte anwesend sein. Insoweit sehe ich ein beachtenswertes rechtliches Verlangen.
Was spricht gegen diese Anwesenheit? Es kann sogar ausdrücklich im Interesse einer wohlmeinenden Pflege sein, dass ein Angehöriger dabei ist.
Also, hier muss die Pflegeseite klar die Gründe benennen, weshalb sie einen Angehörigen ausschließen will. Der Hinweis auf eine Anweisung "von oben" reicht nicht. Denn diese Anweisung muss mit der Patientenselbstbestimmung in Einklang stehen.
Bedenklich wird die Angelegenheit darüber hinaus deshalb, weil andere Angehörige, die bisher wohl keine Wortmeldungen abgegeben haben, keine Aufforderung erhalten haben, bei der Pflege das Zimmer zu verlassen. Es handelt sich damit um eine Einzelmaßnahme, die abstrafenden Charakter bekommt.

MfG Rauel
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conny24
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Anwesenheit von Angehörigen sinnvoll

Beitrag von conny24 » 10.08.2009, 14:38

Hi,

die Anwesenheit von Angehörigen, auch bei komplizierteren Pflegehandlungen, kann sogar begrüßenswert sein. Es gibt kaum nachvollziehbare Gründe, die dem entgegen stehen: http://www.pflegewiki.de/wiki/Angeh%C3%B6rige

Lb Gruß
Conny
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Cicero
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Zimmerverweis nicht zu rechtfertigen

Beitrag von Cicero » 10.08.2009, 18:34

Hallo Clemens Schrörs,

ich sehe keine rechtliche Grundlage dafür, einen Angehörigen aus dem Zimmer zu verweisen, solange dort pflegerische Arbeiten ausgeführt werden. Dies verbietet sich erst recht, wenn dieser Angehöriger rechtlicher Vertreter ist. Der rechtliche Vertreter ist befugt, den Patientenwillen geltend zu machen - und dazu kann gehören, dass er bei der Pflege anwesend sein möchte. Rein theoretisch kann es bestimmte Situationen geben, die es nahe legen, eingreifende Maßnahmen einem Laien nicht zumuten zu können. Dann könnte man sich ein Hinausgehen wünschen.
Ein rechtlicher Vertreter hat sich auch in Wahrnehmung seiner Aufgaben um die sorgfältige Wahrnehmung der Pflege zu kümmern und ggf. Hinweise bezüglich Verbesserungsnotwendigkeiten zu übermitteln, mündlich oder schriftlich. Solche Hinweise sollten eigentlich positiv aufgegriffen werden. Aber stattdessen zu Sanktionen zu greifen und einen Zimmerverweis zu bekräftigen, ist nicht hinnehmbar und sollte mit aller Schärfe problematisiert werden. Sowas darf man nicht durchgehen lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

Brigitte Bührlen
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gefühltes Recht ist kein einklagbares Recht

Beitrag von Brigitte Bührlen » 10.08.2009, 20:03

Die angenommene moralische Rechtsposition von Angehörigen in der Pflege entspricht leider nicht der realen Rechtsposition.
Ohne auf meine vielfältigen Erlebnisse als Angehörige einer demenzkranken Mutter, die ich unter anderem 13 Jahre in zwei Heimen intensiv begleitet habe ausführlich eingehen zu wollen:
ich stand mit drei Mitgliedern eines Angehörigenbeirates vor Gericht und war Zeuge in fünf anderen Verfahren gegen Angehörige.
Alle Verfahren endeten (teilweise vor dem Oberlandesgericht) mit Vergleichen, weil die Rechtposition von Angehörigen im Gegensatz zu der von Heimen erheblich schwächer ist. Ich habe mit allen Richtern gesprochen und sie erklärten mir alle unabhängig voneinander, dass sie keine gute Rechtsgrundlage haben um zugunsten von Angehörigen und Pflegebedürftigen zu entscheiden, wenn es um Würdeschädigung oder Lebensqualitätsschädigung geht. Nur "harte Fakten" wie mit substantiierten Beweisen belegte Körperverletzungen sind "justitiabel".
Das mag einem nicht gefallen, ist aber so im echten Leben.
Deshalb: ich bin absolut dafür, dass Angehörige Mitsprache-Mitbestimmungs-und auch Kontrollrechte bekommen. Derzeit aber sind wir weit davon entfernt.
So wünschenswert es für einen Pflegebedürftigen ist, wenn er einen Angehörigen an seiner Seite weiß, so schwierig wird es für den Angehörigen, wenn das Heim dies nicht möchte.
Natürlich kann man dann das Heim wechseln, aber so einfach ist das auch wieder nicht, man wechselt ein Heim nicht so leicht wie ein Hemd............

Karl Büser
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Es gibt kein Recht auf Zimmerverweisungen

Beitrag von Karl Büser » 11.08.2009, 06:52

Brigitte Bührlen hat geschrieben: .... So wünschenswert es für einen Pflegebedürftigen ist, wenn er einen Angehörigen an seiner Seite weiß, so schwierig wird es für den Angehörigen, wenn das Heim dies nicht möchte.
Natürlich kann man dann das Heim wechseln, aber so einfach ist das auch wieder nicht, man wechselt ein Heim nicht so leicht wie ein Hemd............
Guten Morgen Brigitte,
hallo Forum / MitleserInnen,

ich gebe zu, dass es die Angehörigen (zur Zeit noch) verdammt schwer haben, ihre Möglichkeiten, einem pflegebedürftigen Familienmitglieder beizustehen, durchzusetzen. Die Rechtslage ist in den unterschiedlichen Situationen nicht immer günstig. Daher können Streitfälle auch sehr unterschiedlich ausgehen.
Hier wird aber über das Recht eines Angehörigen mit gleichzeitiger Kompetenz als rechtlicher Vertreter diskutiert, ob einer Verweisung aus dem Patientenzimmer widersprochen werden kann.
Ich bin diesbezüglich auch der Meinung, dass ein Recht der Pflegeeinrichtung bzw. der Pflegenden nicht gegeben sein kann, beliebig eine Zimmerverweisung anzuordnen. Grundsatz muss sein, dass der Vertragspartner des pflegebedürftigen Menschen in der Pflicht steht, nach den medizinisch/pflegerischen Regelwerken zu handeln. Und in diesen Regelwerken kann ich keine rechtlich relevante Grundlage für Zimmerverweisungen erkennen. Dort wird eher auf konstruktive Zusammenarbeit gesetzt!
Es mag, wie schon ausgeführt, Ausnahmesituationen geben, die etwas anderes rechtfertigen. Aber dies ist hier doch nicht das Thema.

Mit freundlichen Grüßen
Karl
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Brigitte Bührlen
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Vermeintlich Recht haben und es zu bekommen sind Zweierlei.

Beitrag von Brigitte Bührlen » 11.08.2009, 07:21

Zum besseren Verständnis: Alle Angehörigen von denen ich in meinem Beitrag gesprochen habe waren rechtliche Vertreter ihrer Pflegebedürftigen.
Es werden übrigens nach wie vor noch Besuchsverbote ausgesprochen, auch wenn da die rechtliche Situation ziemlich eindeutig ist.
Vermeintlich Recht haben und es zu bekommen sind Zweierlei.
Ich stimme zu, dass das Bemühen um Konsens und Miteinander zum Wohle des Pflegebedürftigen an erster Stelle zu stehen hat. Die meisten Beiträge zu diesem Thema gehen davon aus, dass auch dem Heim an Konsens liegt. Das mag oft der Fall sein, aber es sollte auch nicht verschwiegen werden, dass dieser Konsens auf "Goodwill" basiert.
Das "Recht" , das ein betreuungsbevollmächtigter Angehöriger dem Heim gegenüber hat.......tut mir leid, das ist in der Regel ein gefühltes Recht, kein in der Praxis praktikables.
Noch eine Erfahrungsfrage: Wo ist die Grenze zwischen "Normalität" und "Ausnahme"?

Karl Büser
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Angehörigenrechte - ein überwährender Kampf

Beitrag von Karl Büser » 11.08.2009, 08:05

Hallo Brigitte,

ich kann die gemachten Erfahrungen gut nachempfinden. Es oft nicht einfach, gegen "mächtige Strukturen" anzukämpfen. Dies sollte uns aber nicht entmutigen in der Erkenntnis, dass bezüglich des Ausgangspunktes unserer Diskussion
Zimmerverweis eines Angehörigen durch Pflegekraft
grundsätzlich keine Rechtfertigung zugebilligt werden kann und dagegen gehalten werden muss.
Wir müssen dabei die Erkenntnis beücksichtigen, dass pflegebedürftige Menschen / Patienten aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung Ansprüche haben, die nicht so einfach beschnitten werden können. Vielleicht erfahren diese Ansprüche nicht immer die gebotene Aufmerksamkeit, aber es geht hier meist um Fragen der Patientenselbstbestimmung, die letztlich Verfassungsrang haben.
Ich kann daher nur Clemens nur dazu ermuntern, in seiner Streitsache weiter dagegen zu halten und argumentativ für eine Korrektur der getroffenen Entscheidung einzutreten.

Mit freundlichen Grüßen
Karl
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clemensschroers
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Wachkomapatientin professionell und würdevoll pflegen

Beitrag von clemensschroers » 11.08.2009, 21:46

Wachkomapatientin professionell und würdevoll pflegen

Liebe Leute,
es geht mir nicht darum, unbedingt im Zimmer sein zu müssen. Ich brauche keine Showveranstalltung in meiner Anwesenheit. Ich möchte einfach das Gefühl haben, dass meine Partnerin auch als Wachkomapatientin professionell und vor allem würdevoll gepflegt wird. Das dies bei 3 Schwestern in der Mittagsschicht nicht machbar ist, ist selbst mir als Laie klar.Auch vor der Tür kann ich die Zeit stoppen, die das Personal braucht, um meine Freundin zu lagern, frisch zu machen, Blutdruck und Fieber zu messen, ihr das Nachthemd anzuziehen usw.. 6-8 Minuten finde ich doch sehr schnell und der Gedanke daran, wie das funktioniert, bereitet mir Albträume... Nur frage ich mich dann, wo hier die Standarts sind.
Natürlich sollte jeder gegen Mißstände kämpfen, aber was ist die Konsequenz? Der Störenfried wird entsorgt, d.h. die Rehamaßnahme wird auf Grund schlechter Prognosen (?) nicht mehr weiter geführt, der Patient wird ins Pflegeheim entlassen, und der Betriebsfriede ist wieder hergestellt.
Der nächste Kunde wartet schon..
Viele Angehörige, mit denen ich gesprochen habe, haben die gleichen Ängste und Befürchtungen, aber anstatt sich zu beschweren, bringen sie Kaffee und Kuchen mit ...
Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht...egal was passiert

Brigitte Bührlen
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Wer, wenn nicht wir Angehörigen soll sich denn einsetzen?

Beitrag von Brigitte Bührlen » 11.08.2009, 22:42

Wer, wenn nicht wir Angehörigen soll sich denn einsetzen?

Selbstverständlich würde auch ich einem Zimmerverweis widersprechen:
mündlich konstruktiv argumentierend, auf Verständnis bauend.
Wenn Konsens: gut.
Wenn nicht, Anliegen aus Angehörigensicht schriftlich gegenüber allen in der Hierarchie folgenden Stellen formulieren ........

Meiner Ansicht nach sollte eine konkrete Situation immer Anlass sein, sich Gedanken zu machen um die allgemeine Rechtslage. Und da bleibt festzustellen, dass Artikel I des Grundgesetzes im Bereich der Pflege nicht wirklich anwendbar ist. In diesem Punkt gab mir auch einer der Verfassungsrichter am Bundesgerichtshof recht.
Da überlege ich mir schon, in wieweit ich Angehörigen sagen soll: "Sie haben das Recht..........."

Was die konkrete Situation von Herrn Schroers betrifft, so kann ich ihn nur ermutigen, seinen Standpunkt so zu vertreten, dass er das Gefühl hat alles zu tun, um seiner Partnerin eine würdevolle Versorgung zu ermöglichen.
In einer ähnlichen Situation habe ich einen Angehörigenbeirat im Heim gegründet. Gemeinsam ist man stärker und wird eher wahrgenommen.
Auch für den Heimbeirat kann man kandidieren und gewählt werden.
Manchmal hilft das um auf annähernd gleiche Augenhöhe zu kommen.
Einen Versuch ist es wert.
Durch Angehörigenbeirats- und Heimbeiratstätigkeit habe ich zumindest bewirken können, dass an den Angehörige in "meinem" Heim nachhaltig kein Weg mehr vorbeiführt!
Beide Gremien haben zwar keine juristischen Mitbestimmungs- und Kontrollrechte. Aber sie können nicht übergangen werden und haben tranzparenzfördernde Brisanz.
Wer, wenn nicht wir Angehörigen soll sich denn einsetzen für unsere Pflegebedürftigen?

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